1/6 (Arten, Dimensionen, Funktionen; Art. 8; VB (insb. GR-Berechtigung); Einzelfallgesetz; Wesensgehalt) Flashcards

1
Q

Funktionen der Grundrechte

A

Erlegen dem Staat eine Rechtfertigungspflicht auf

  1. Subjektiv-rechtliche Funktion
  2. objektiv-rechtliche Funktion
  3. Schutzfunktion
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2
Q

Funktionen der Grundrechte: Subjektiv-rechtliche Funktion der GR

A

a. Status negativus: Zustand der Freiheit vom Staat (staatlichen Eingriffen) wird gewährt, insbesondere wenn GR Abwehrrechte sind (zB Art 4 I : Glaubens- und Gewissensfreiheit, 10 I : Briefgeheimnis, 13 I : Unverletzlichkeit der Wohnung)
b. Status positivus: Zustand der Freiheit durch bzw. nicht ohne den Staat, insbesondere wenn Leistungs-, Anspruchs-, Schutz- oder Teilhaberechte (Art 19 IV: Justizgewährungsanspruch; Art 3 I: Gleichheitsgrundsatz)
c. Status activus: Zustand der Betätigung der Freiheit im und für den Staat, durch staatsbürgerliche Rechte ausgeformt (Art 33 I-III, Art 38 I 1)

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3
Q

Funktionen der Grundrechte: Objektiv-rechtliche Funktion der GR

A
  • > Verstärkung des subjektiv-rechtlichen Schutzes
    a. GR als negative Kompetenznormen (Staat darf nicht im grundrechtlich geschützten Bereich des Einzelnen handelnd)

b. GR als objektive Wertentscheidungen (BVerfG: Die ethischen Prinzipien, die im GG positiviert sind, sind als verfassungsrechtliche Grundentscheidungen für alle Bereiche des Rechts maßgeblich) - GR haben nicht nur im verfassungsrechtlichen / öffR Bereich Relevanz, sondern prägen und durchdringen als Werte und Prinzipien alle anderen Rechtsbereiche (Privatrecht und Gesetzgeben des einfachen Rechts)

c. Einrichtungsgarantien: GR, die objektive Einrichtungen gewähren, die der Gesetzgeber nicht abschaffen darf
- > Institutsgarantien: privatrechtliche Rechtsinstitute (zB Art 6 I : Ehe, Art 14 I : Eigentum; Erbe)
- > Institutionelle Garantien: öffentlich-rechtliche Einrichtungen (Berufsbeamtentum)

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4
Q

Funktionen der Grundrechte: Schutzfunktion der GR

A

a. Gebot der grundrechtskonformen Auslegung (einfaches Gesetz darf nicht dazu führen, dass GR unverhältnismäßig eingeschränkt werden)
b. Schutz durch Teilhabe (Art. 3 GG) bei existierenden Einrichtungen und Leistungssystemen (Zugang zu Studienplätzen) -> darf nicht willkürlich geregelt werden

c. Schutz vor Gefahren (ins. Art 2 II 1), zB Schutz des ungeborenen Lebens vor Schwangerschaftsabbrüchen
-> Entscheidungsfreiheit des Gesetzgebers: Verletzung nur, wenn
α. Schutzvorkehrungen nicht getroffen wurden oder
β. Schutzvorkehrungen zur Erreichung des Ziels gänzlich ungeeignet oder unzureichend sind

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5
Q

Art. 8: Persönlicher Schutzbereich

A
  • alle Deutschen (eA: alle EU-Bürger)
  • Ausländer und Staatenlose: nach hM Art 2 I (str., s. § 1 I VersG)
  • JurP allenfalls als Veranstalter (Art 19 III), nicht: Recht auf Teilnahme
  • Nicht: Versammlung selbst (keine JurP iSv Art 19 III)
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6
Q

Art. 8: Sachlicher Schutzbereich

A
  • Versammlung: eine örtliche Zusammenkunft von mind. zwei (hL) Personen
  • > innere Verbindung, die sich in einer gemeinsamen Zweckverbindung manifestiert
  • > vs. bloße Ansammlung: Verfolgung des gleichen Zwecks, aber dieser ist kein gemeinsamer
  • Körperliche Teilnahme erforderlich
  • Friedlich
  • Ohne Waffen
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7
Q

Art. 8: Sachlicher Schutzbereich: P: Anforderung an gemeinsamen Zweck

A
  • eA: keinerlei zusätzliche Anforderungen
    pro: Versammlungsfreiheit soll die drohende Isolierung des Einzelnen verhindern und die Entfaltung in Gruppenform gewährleisten
  • aA: gemeinsame Meinungsäußerung und -bildung
    con: gemeinsame Meinungsäußerung und -bildung geschützt durch Art 8 iVm Art 5
    con: Art 11 EMRK: weiter Versammlungsbegriff, keine politische Inhaltsrichtung nötig
    pro: historisch ist Art. 8 ein politisches KommunikationsGR
  • wA (BVerfG): gemeinsame Meinungsäußerung und -bildung bezüglich öffentlicher Angelegenheit erforderlich
    pro: Komplementärfunktion zur Meinungsfreiheit (Kommunikationsgrundrechte)
    pro: historische Bedeutung der Versammlungsfreiheit
    pro: gesteigerter Schutz ggü Art. 2 I wird durch politische Bedeutung gerechtfertigt; “Spaßveranstaltungen” (Love-Parade) auch über Art. 2 I geschützt
    con: weder Wortlaut noch Systematik: Art. 8 differenziert nicht zwischen öffentlicher und privater Meinung
  • > BVerfG: Brokdorf-Formel: garantiert ist Selbstbestimmungsrecht über Ort, Zeitpunkt, Art und Inhalt der Veranstaltung
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8
Q

Art. 8: Sachlicher Schutzbereich: Friedlichkeit der Versammlung

A
  • eA: jedenfalls bei Rechtsverletzungen
  • > con: zieht schon Gesetzesvorbehalt aus Art 8 II in den SB hinein
  • aA: jedenfalls bei jedem Verstoß gegen das Strafrecht
  • > con: auch hier ist der Gesetzesvorbehalt in den SB hineininterpretiert
  • > con. Einfachrechtlicher Gesetzgeber würde verfassungsrechtlich gesetzten SB mitdefinieren
  • wA (BVerfG): in Anlehnung an § 5 Nr. 3, 13 I Nr. 2 VersG: „wenn die Versammlung keinen gewalttätigen oder aufrührerischen Verlauf nimmt oder ein solcher vom Veranstalter nicht angestrebt wird”
  • > Gewalttätig: aktive körperliche Einwirkung des Täters auf Personen oder Sachen (aggressiv und von einiger Erheblichkeit)
  • > Aufrührerisch: Umsturz als das Ziel der Versammlung, zum anderen auf das Mittel des aktiven gewaltsamen Widerstands gegen rechtmäßig handelnde Vollstreckungsbeamte
  • Unfriedliches Verhalten Einzelner: erkennbar nicht von der Gesamtgruppe getragen, sondern nur durch Einzelne: Merkmal der Friedlichkeit besteht unbeschadet (BVerfG: “Kollektive Unfriedlichkeit” maßgeblich)
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9
Q

Art. 8: Sachlicher Schutzbereich: ohne Waffen

A
  • Waffen iSd § 1 WaffG als reine Merkhilfe, da einfaches Recht nicht den Schutzbereich bestimmen kann
  • > Gegenstände, die objektiv gefährlich sind und zum Zweck der Gewaltanwendung mitgeführt werden
  • (-) bei reinen Schutzgegenständen
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10
Q

Art. 8: Sachlicher Schutzbereich für qualifizierten Gesetzesvorbehalt: unter freiem Himmel

A
  • eA: Wortlaut: architektonische Unterscheidung
  • aA (ganz hM; BVerfG): soziale Unterscheidung
    pro: Telos: besonderes Gefährdungspotenzial von Orten, der dem allgemeinen Publikumsverkehr zugänglich ist
  • > soweit sich Flächen in der Hand privater Eigentümer liegen, geht damit eine Beschränkung ihrer GR einher, die aber zur Verwirklichung der Versammlungsfreiheit grds. gerechtfertigt ist
  • > jedoch nicht gleichzusetzen mit versammlungsrechtlich: öffentlich vs. nicht-öffentlich (bemessen nach der für jedermann oder nicht jedermann bestehenden Zugänglichkeit)
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11
Q

Art. 8: P: Grundrechtsbindung

A
  1. Private Anbieter, aber an öffentlichen Orten (Bahnhöfe, Flughäfen) -> Staat hinter privater Rechtsform: Staat bleibt gebunden (s. Fraport)
  2. auch in privat betriebenen öffentlichen Räumen (bspw. in einem Einkaufszentrum) ?
    - > nicht ohne Weiteres, jedoch: Erstreckung der Garantie auf solche privaten Flächen, wenn sie die Funktion eines öffentlichen Raums übernehmen (Zugänglichkeit für allgemeinen Publikumsverkehr)
    con: gewisse Bindung Privater an GR
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12
Q

Art. 8: Eingriffe

A
  • Ge- und Verbote sowie Pflichten aller Art (Anmeldepflicht)
  • Auch auf faktische Maßnahmen, die Abschreckungseffekt haben und in ihrer Intensität imperativen Maßnahmen gleichstehen (bspw. Boykottaufrufe als Pressemitteilung)
  • Auf Abschreckungseffekt auch bei staatlichen Überwachungsmaßnahmen abzustellen
  • Eingriff auch bei „exzessiven Observationen und Registrierungen“ (BVerfG) (aus Angst werde lieber auf GR-Ausübung verzichtet)
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13
Q

Art. 8: Rechtfertigung für Eingriffe bezüglich Versammlungen in geschlossenen Räumen

A
  • Umkehrschluss: Versammlungen in geschlossenen Räumen sind vorbehaltlos geschützt
  • Rechtfertigung nur durch kollidierendes VerfassungsR
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14
Q

Art. 8: Rechtfertigung hinsichtlich Eingriffen in Versammlungen unter freiem Himmel

A
  • Art. 8 II nur für versammlungsspezifische Eingriffe (Vorgehen gegen Versammlungen muss meinungsneutral sein)
  • Art. 8 II: qualifizierter Gesetzesvorbehalt (Anknüpfung an „unter freiem Himmel“)
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15
Q

Art. 8: P: Anmelde- und Erlaubnispflicht (s. auch § 14 VersG)

A
  • Ausschluss von Anmeldung und Erlaubnis in Art 8 I als Schranken-Schranke
  • Obliegenheit hierzu kann jedoch statuiert werden
  • > bei Nichterfüllung der Obliegenheit gibt es nicht die automatische Sanktion der Auflösung; die Versammlung riskiert lediglich, dass anders vermeidbare Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung die Polizei situativ zur Auflösung zwingen
  • Verfassungskonformität von § 14?
  • > pro: verfassungskonforme Auslegung (Epping: methodisch eher eine teleologische Reduktion) möglich für Spontan- und Eilversammlungen
  • -> Spontanversammlungen (Versammlungen, die ohne Vorausplanung „spontan“ stattfinden): § 14 findet keine Anwendung
  • -> Eilversammlungen (Versammlungen, die so kurzfristig stattfinden, dass die Anmeldefrist von 48 Stunden nicht eingehalten werden kann): Anmeldung nicht entbehrlich, Frist von 48h muss aber nicht gewahrt werden
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16
Q

Art. 8: P: Verfassungsmäßigkeit von § 7 I VersG (Bestellung eines Leiters)

A
  • Bei größeren Versammlungen (+) (faktische Organisationsmöglichkeit; dient der Verwirklichung der Versammlungsfreiheit selbst)
  • Bei kleineren Versammlungen (-) (ausnahmslose Pflicht zur Bestellung eines Leiters daher verfwidrig)
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17
Q

Art. 8: Rechtfertigung des Eingriff (Versammlungsverbot) wegen extremistischer Ziele/Inhalte

A
  • eA: Wehrhafte Demokratie gebietet Eingriff
    pro: GG als Gegenentwurf zur NS-Herrschaft
    con: zulässig, solange extremistische Betätigung im Rahmen des geltenden Rechts
  • aA (BVerfG): kein inhaltsbezogenes Versammlungsverbot
    pro: GG enthält Auftrag zur Abwehr mit den Mitteln des Rechtsstaats: insb. durch besondere Schutznormen des StGB und Art. 9 Abs. 2, Art. 18 und Art. 21 Abs. 2 sowie auch in Art. 26 Abs. 1 besondere Schutzvorkehrungen
  • > keine weitergehenden als positiv normierten Schranken
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18
Q

Verfassungskonforme Auslegung: Voraussetzungen

A
  1. Wortlaut der Norm lässt mehrere Auslegungsmöglichkeiten zu
  2. Mindestens eine dieser Auslegungen ist mit dem Grundgesetz vereinbar
  3. Die gewählte Auslegung widerspricht nicht dem Sinn der Norm
19
Q

Verbot des Einzelfallgesetzes, Art. 19 I S. 1 GG

A
  • “Allgemein” = wenn sich wegen der abstrakten Fassung der gesetzlichen Tatbestände nicht absehen lässt, auf wie viele und welche Fälle das Gesetz Anwendung findet, wenn also nicht nur ein einmaliger Eintritt der vorgesehenen Rechtsfolgen möglich ist (BVerfG)
  • > Ausnahme: wenn der Gesetzgeber einen Sachverhalt regelt, der nur einmalig auftritt, und es für die Regelung sachliche Gründe gibt
20
Q

P: Garantie des Wesensgehalts, Art. 19 II GG

A
  • eA: Theorie vom relativen Wesensgehalt: Bestimmung nicht nur gesondert für jedes einzelne GR, sondern auch für jeden Einzelfall – Antastung, wenn dem GR in der konkreten Frage das größere Gewicht beizumessen ist
  • > con: wiederholt essentiell nur den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
  • aA: Theorie vom absoluten Wesensgehalt: WG als eine feste, vom Einzelfall unabhängige Größe (Wesenskern, GRKern, - substanz)
    con: unklare Definitionsversuche
  • > BVerfG: vom GR muss trotz aller Eingriffe etwas bleiben – fraglich: wem muss er bleiben?
  • -> dem Einzelnen
  • -> der Allgemeinheit
    pro: finaler Todesschuss: negiert im Einzelfall komplett das Recht auf Leben gem. Art 2 II 1 GG, aber nicht im Allgemeinen
    pro: Art. 19 II GG als kompetenzschützende Norm: nur der verfassungsändernde Gesetzgeber soll GR-Gehalt generell ändern können
  • wA: Identität mit jeweiligem Menschenwürdegehalt
  • > con: Art 19 II wäre wegen Art 79 III sinnlos
  • > con: nicht alle GR stehen im Zusammenhang mit der Menschenwürde
  • > pro: wo ein solcher besteht, dürfte der MWgehalt regelmäßig mit dem WG des GR übereinstimmen

-> idR gleiche Ergebnisse

21
Q

Schranke des kollidierenden Verfassungsrechts: P: Begründung

A
  • BVerfG und hL: verfassungsimmanente Schranken aus kollidierendem Verfassungsrecht
    pro: Einheit der Verfassung (Ausschluss von verfassungsimmanenten Konflikten)
    pro: gem. Art. 1 III GG ist Staat nicht nur verpflichtet, Grundrechtsverletzungen zu unterlassen, sondern auch durch staatliches Tun Grundrechtsverletzungen anderer zu verhindern
    con: Wortlaut der vorbehaltlos gewährleisteten GR
    con: Nivellierung der ausdifferenzierten Schrankensystematik
  • mM Lit: engere und präzisere Fassung der Schutzbereiche
    con: unklare Maßstäbe der Schutzbereichsbegrenzung (Rechtsunsicherheit)
22
Q

Schranke des kollidierenden Verfassungsrechts: Begrenzungstaugliches Verfassungsrecht

A
  • aus der Pflicht zur Unterlassung jedes Eingriff in ein schrankenlos gewährleistetes GR folgt, dass auf der Gegenseite eine hinreichend konkrete Pflicht des Staates zum Grundrechtseingriff gegenübersteht

1) Staatliche Schutzpflichten zugunsten GR Dritter
- > soweit die Schutzpflicht tatsächlich einen Eingriff in das Grundrecht des Störers verlangt und der Staat beim Unterlassen eines Eingriffs das Untermaßverbot verletzen würde

2) Staatsstrukturprinzipien und Staatszielbestimmungen
- > BVerfG: (+)
- > Literatur: Konkretheit fraglich

3) Bundesstaatliche Kompetenzvorschriften
- > BVerfG: (+)
- -> con: Abgrenzung von Zuständigkeiten, keine Normierung von Handlungspflichten oder gar Staatsaufgaben (hL, auch Böckenförde)

23
Q

Schranke des kollidierenden Verfassungsrechts: Gesetzesvorbehalt

A
  • unstr. (+)

pro: Erst-Recht-Schluss

24
Q

Schranke des kollidierenden Verfassungsrechts: Auch bei GR mit qualifiziertem Gesetzesvorbehalt?

A
  • eA (BVerfG): (+)
    pro: Erst-Recht-Schluss
  • aA (Lit): (-)
    pro: Nivellierung der ausdifferenzierten Schrankensystematik
    pro: entgegen dem qualifiziertem Vorbehalt wird weite Einschränkungsmöglichkeit eröffnet
  • wA: auch GR bei einfachem Gesetzesvorbehalt
  • > praktisch unbedeutend wegen ohnehin weiter Einschränkbarkeit
25
Q

Schranke des kollidierenden Verfassungsrechts: Schranken-Schranken bei kollidierendem Verfassungsrecht

A
  • Zuordnung nach dem Prinzip der praktischen Konkordanz (Hesse)
    = Verfassungsgüter sind so einander zuzuordnen, dass sie zu optimaler Wirksamkeit gelangen
  1. Legitimer Zweck: Erfüllung der mit dem Eingriffsabwehrrecht kollidierenden konkreten Handlungspflicht
  2. Geeignetheit und Erforderlichkeit
  3. Angemessenheit:
    - > BVerfG: vorbehaltloses Grundrecht darf nur soweit beschränkt werden, wie dies logisch und systematisch zwingend erscheint bzw. Ziel der Optimierung der jeweiligen GR-Entfaltung
    - > Epping:
    a. Bestimmung der Reichweite der mit dem vorbehaltlosen Grundrecht kollidierenden Schutzpflicht
    b. Verlangt die Schutzpflicht überhaupt einen Eingriff in das vorbehaltlose Freiheitsrecht? (wenn der Staat ohne das eingreifende Handeln gegen das Untermaßverbot verstieße)
    c. Mehr (aber auch nicht weniger) als den vom Untermaßverbot mindestens verlangten Schutz darf der Staat nicht gewähren
    - > Herstellung von Deckungsgleichheit (Kongruenz) von Übermaß- und Untermaßverbot
26
Q

Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde: Beteiligtenfähigkeit, § 90 I BVerfGG

A

“Jedermann” = derjenige, der im konkreten Fall als Träger von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten in Betracht kommt

27
Q

Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde: Beteiligtenfähigkeit, § 90 I BVerfGG: Dauer der Grundrechtsberechtigung

A
  • Grundsatz: nur Lebende (ab Geburt bis Tod) sind grundrechtsfähig
  • > Erweiterung (hM/BVerfG): postmortaler Persönlichkeitsschutz (Schutz der Menschenwürde über den Tod hinaus, Art 1 I - schwindet mit dem Verblassen der Erinnerung an den Verstorbenen)
  • > Erweiterung (BVerfG): Embryo / Nasciturus: Schutz durch Art 2 II und Art 1 I GG -> str. Beginn des Schutzes
  • -> eA Verschmelzung Ei/Samenzelle
  • -> aA: Nidation (bspw. Verhütungsmittelverhinderungspflicht? Forschung an befruchteten Eizellen nach aA nicht geschützt)
  • > str. selbst GR-Träger oder nur von objektiven Normen der Verfassung geschützt (aus objektiv-rechtlicher Funktion) -> BVerfG: jedenfalls (!) ab der Nidation ist Embryo geschützt
28
Q

Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde: Beteiligtenfähigkeit, § 90 I BVerfGG: P: Grundrechtsberechtigung von juristischen Personen, Art. 19 III GG

A
  1. Grds. unproblematisch bei der Ausübung von GR im Zusammenschluss natürlicher Personen (jeder einzelne kann VB erheben)
  2. Zusammenschluss selbst?

a) Juristische Person des Privatrechts, insofern in privater Hand (+)
- > auch nichtrechtsfähige Personenvereinigungen, sofern sie eine fest gefügte Struktur aufweisen und auf gewisse Dauer angelegt sind
pro: personales Substrat
pro: einfache Gesetzgeber könnte durch Vorenthalten der Rechtsfähigkeit über die Grundrechtsberechtigung entscheiden

b) Juristische Person des Privatrechts, wenn ganz oder überwiegend in öffentlicher Hand (-)
pro: Argumente wie bei juristischer Person des öffentlichen Rechts
pro: private Anteilseigentümer sind individuell geschützt
pro: Ausnahme, wenn öffentliche Hand ein anderer Mitgliedsstaat der EU ist (pro: Konfusionsargument besteht nicht)

c) Juristische Personen des öffentlichen Rechts (-)
pro: Regelung trifft Staatsorganisationsrecht (Kompetenzbestimmungen, nicht Grundrechte)
pro: Konfusionsargument (nicht gleichzeitig Berechtigte und Verpflichtete)
pro: Telos: kein personales Substrat
- > Ausnahme: Verfahrensgrundrechte
- > Ausnahme: wenn personales Substrat und grundrechtstypische Gefährdungslage (gewisse Unabhängigkeit vom Staat)
- -> Kirchen und Religionsgemeinschaften (Art. 140 GG iVm Art. 137 I und V WRV)
- -> Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten
- -> Universitäten und Fakultäten
- > Amtswalter selbst (bspw. Staatsanwälte): zur Rechtfertigung seiner Amtshandlungen kann sich Amtswalter nicht auf GR berufen -> Einschränkungen für ihn als GRTräger sind hinzunehmen, wenn sie in Verbindung mit seiner AV-Stellung stehen (bspw. Namensveröffentlichungen bei Prozessen)

29
Q

Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde: Beteiligtenfähigkeit, § 90 I BVerfGG: P: “Inländisch” bei juristischen Personen, Art. 19 III GG

A
  • inländisch, wenn sie ihren effektiven Sitz, d. h. den tatsächlichen Mittelpunkt der Tätigkeit, im Bundesgebiet hat
  • > international verflochtenen Unternehmen, wenn die Mehrheit der Entscheidungen über die Geschäftsführung im Inland fällt
  • BVerfG: Gleichstellung von jurPers mit Sitz in Mitgliedsstaat der EU
    pro: Überschreitung des Wortlauts mit unionsvertraglicher Anwendungserweiterung
  • BVerfG: Prozessgrundrechte auch für ausländische jurPers
    pro: Telos: Verfahrensgrundrechten betreffen das Rechtsstaatsprinzip, das auch ausländische Personen zu umfassen hat
30
Q

Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde: Beteiligtenfähigkeit, § 90 I BVerfGG: Wesensgemäße Anwendbarkeit, Art. 19 III BVerfGG

A

= wenn die von dem Grundrecht geschützten Tätigkeiten auch von juristischen Personen – d. h. kollektiv – ausgeübt werden können, also nicht an natürliche Eigenschaften des Menschen anknüpfen

a) JurPers des Privatrechts
- > (+) bei Eigentum (Art. 14 GG), Gleichbehandlung (Art. 3 GG), Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG)
- > (-) bei Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG), Leben oder Gesundheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG), Ehe oder Kinder (Art. 6 Abs. 1, 2 GG)

b) JurPers des öffentlichen Rechts
- -> Kirchen und Religionsgemeinschaften (Art. 140 GG iVm Art. 137 I und V WRV): umfassend (wie a)
- -> Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten: Rundfunkfreiheit des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG und soweit ein die Ausübung der Rundfunkfreiheit unterstützendes Verhalten von einem anderen Grundrecht geschützt wird
- -> Universitäten und Fakultäten: Wissenschaftsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG

31
Q

Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde: Prozess- und Postulationsfähigkeit

A

= wenn Grundrechte im Verfahren von ihrem Träger selbst geltend gemacht werden können, also Verfahrenshandlungen selbst oder durch selbst bestimmte Bevollmächtigte vorgenommen werden können

  • Neben Altersgrenzen im GG (nur bei Art. 12a und 38 II) ist auf die Grundrechtsmündigkeit abzustellen, i.e. ob der Betreffende hinsichtlich des in Streit stehenden Grundrechts reif und einsichtsfähig

P: Grenzen aus dem einfachen Recht (§ 106 BGG; § 5 S. 1 RelKErzG: 14 Jahre) übertragbar?

  • > eA: gleitende Altersgrenzen (individuelle Einsichts- und Entscheidungsfähigkeit -> GR-Reife)
    pro: keine normative Grundlage im GG, warum Schutz vor öffentlicher Gewalt an Mindestalter anknüpfen soll
    pro: e contrario Art. 12a, 38 II
  • > aA: starre Altersgrenzen (Grenzen, die der Gesetzgeber generell gezogen hat auch in Bezug auf GR, zB Art 4 Eigentumsschutz: Mindestalter aus BGB)
    pro: Einheitlichkeit und Rechtssicherheit (durch allgemeine Regelung)
    con: einfachrechtliche Definitionsmacht über verfassungsrechtlichen Schutzbereich
32
Q

Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde: Beschwerdegegenstand, § 90 I BVerfGG

A

= jeder Akt „öffentlicher Gewalt“, i.e. alle Handlungen und Unterlassungen (§§ 92, 95 Abs. 1 BVerfGG) der deutschen Staatsgewalt iSd Art. 1 III GG (Judikative, Exekutive, Legislative*)

  • > bei Exekutivakt: idR keine Rechtswegerschöpfung, aber letztinstanzliches Urteil, das den Exekutivakt bestätigt
  • -> daneben sollte allerdings stets auch der Exekutivakt angegriffen werden, um dem BVerfG ggf. auch seine Aufhebung zu ermöglichen
  • Öffentliche Gewalt iSd § 90 I BVerfGG?
  • > nur deutsche öffentliche Gewalt (aber auch: Zustimmungsgesetze nach Art. 59 Abs. 2 GG)
  • > Maßnahmen der europäischen Union
  • -> nur soweit allerdings dem nationalen Recht Spielräume belassen worden sind
  • -> Solange-II, jedoch ultra-vires und Identitätskontrolle

con: Systematik: Art. 19 IV GG meint nur Exekutive
pro: Systematik: §§ 93 I, 94 III, 95 II BVerfGG: richterliche Entscheidung auch umfasst
pro: Telos: materiellrechtliche Bindung der Fachgerichte an GR entspricht prozessual die Kontrolle des BVerfG in dieser Hinsicht

33
Q

Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde: Beschwerdebefugnis, § 90 I BVerfGG: Behauptung einer Grundrechtsverletzung (1.)

A

= wenn sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers die Möglichkeit einer Verletzung von Grundrechten oder grundrechtsgleichen Rechten ergeben

  • > Verletzung spezifischen Verfassungsrechts muss gerügt werden
  • > Verletzung einfachen Rechts idR (-), es sei denn, es kommt ein Verstoß gegen das Willkürverbot aus Art. 3 Abs. 1 GG in Betracht (= wenn eine offensichtlich einschlägige Norm nicht berücksichtigt, der Inhalt einer Norm in krasser Weise missverstanden oder sonst in nicht mehr nachvollziehbarer Weise angewendet wird)
  • bei Verstoß gegen eine Schutzpflicht
  • > schlüssiger Vortrag, dass eine Verletzung des Untermaßverbots in Betracht kommt
  • -> Keinerlei Schutzmaßnahmen
  • -> Getroffene Schutzmaßnahmen offensichtlich gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich
34
Q

Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde: Beschwerdebefugnis, § 90 I BVerfGG: Beschwer (2.)

A

a) Selbst
= wenn Beschwerdeführer der Adressat der angegriffenen Maßnahme ist (faktische Betroffenheit ausreichend)
-> keine Prozessstandschaft möglich, außer bei „Parteien kraft Amtes“ (Insolvenzverwalter, Nachlassverwalter, Testamentsvollstrecker), die aus eigenem Recht handeln

b) Gegenwärtig
= wenn die Beeinträchtigung schon eingetreten ist und noch nicht geendet hat
-> künftige Beeinträchtigung: nur, wenn später nicht mehr korrigierbar oder Eintritt gewiss
-> vergangene Beeinträchtigung: nur, wenn weiterhin beeinträchtigende Wirkungen ausgehen oder Wiederholungsgefahr besteht

c) Unmittelbar
= wenn keine weiteren Vollzugsakte erforderlich sind, um Rechtswirkungen ggü dem Beschwerdeführer zu entfalten
-> abstrakten Normen: nur, wenn self-executing oder andere direkte Wirkungen (Strafandrohung)

35
Q

Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde: Beschwerdebefugnis, § 90 I BVerfGG: P: Grundrechtsverzicht des Einzelnen auf GR-Schutz möglich?

A
  • eA: aus Art 9 III 2: kein Verzicht möglich, anders aber Art 16 I, Art 6 III, Art 7 III 3
  • aA: wenn kein klarer Wortlaut: Funktion der GR: subjektiv-rechtlich und objektiv-rechtlich (welche primäre Funktion hat dieses GR: eher subjektive Rechtsverleihung/persönliche Entfaltung, dann pro Verzicht (Fernmeldegeheimnis), oder objektive Wertentscheidung/ dient staatlicher Willensbildung (Wahlrecht und Wahlgeheimnis)
  • BVerfG: Mittelweg -> entscheidend ist die Funktion des GR (aber nicht nur Funktion, sondern auch Schwere und Dauer des Eingriffs; Gefahr des Missbrauchs; Notlage des Verzichtenden; Bindung für die Zukunft)
36
Q

Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde: Erschöpfung des Rechtswegs, § 90 II S. 1 BVerfGG

A

= wenn alle gesetzlich vorgesehenen Rechtsbehelfe (innerhalb eines Instanzenzuges) ausgeschöpft sind, um die Beseitigung des Hoheitsaktes zu erreichen

  • > Akte der Judikative/Exekutive: regelmäßig nur gegen letztinstanzliches Urteil
  • -> Anhörungsfehler (Art. 103 GG) erst im letztinstanzlichen Urteil: Anhörungsrüge möglich (§ 321a ZPO, § 78a ArbGG, § 152a VwGO)
  • > Akte der Legislative: gegen Gesetze kein fachgerichtlicher Rechtsschutz
  • Ausnahmen gem. § 90 II S. 2 BVerfGG
  • Schoch: Rechtsweg im Eilverfahren (Durchlaufen des Eilrechtsschutzes ist Erschöpfung des Rechtsweges; Durchlaufen des Hauptsacheverfahren ist Frage der Subsidiarität)
37
Q

Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde: Grundsatz der Subsidiarität (BVerfG)

A

= Verfassungsbeschwerde nur zulässig, wenn die Grundrechtsverletzung auf keinerlei andere Weise hätte beseitigt werden können -> alle zumutbaren Möglichkeiten fachgerichtlichen Rechtsschutzes müssen in Anspruch genommen worden sein

  • > Vorrang des Grundrechtsschutzes durch die Fachgerichte, Art. 92 GG
  • > Erhalt eines in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht aufbereiteten Falls des BVerfG durch Fachgerichte
  • bei Gesetzen: grds. müssen Vollzugsakte abgewartet werden, gegen die sich der Beschwerdeführer fachgerichtlich wehren muss
  • > Ausnahmen bei Unzumutbarkeit: etablierte höchstrichterliche Rechtsprechung; kein Ermessen; Inkaufnahme von straf- oder ordnungswidrigkeitsrechtlichen Sanktionen
  • -> Epping: FK möglich (Subsidiatität dient auch dazu, dass Fachgerichte Entscheidungsgrundlage ermitteln)
  • -> aber: wegen fehlender Verwerfungskompetenz nicht gleichwertig
  • Schoch: nach Durchlaufen des Eilrechtsverfahrens grds. Hauptsacheverfahren vor VB einzuschlagen; Ausnahme: Hauptsacheverfahren nicht zumutbar (v.a. wenn Eilrechtsentscheidung wie Hauptsachentscheidung wirkt, wegen Zeitfaktor)
  • Ausnahmen gem. § 90 II S. 2 BVerfGG
38
Q

Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde: Allgemeines Rechtsschutzbedürfnis

A

= nicht gegeben, wenn durch eine Entscheidung des BVerfG die rechtliche Stellung des Antragstellers nicht verbessert werden kann oder wenn ein einfacherer und schnellerer Weg zur Rechtsdurchsetzung gegeben ist

  • ferner bei Erledigung, wenn nicht
  • > Wiederholungsgefahr
  • > Rehabilitationsinteresse
  • > Kurzfristiger und gewichtiger Grundrechtseingriff
  • > Klärung einer verfassungsrechtlichen Frage von grundsätzlicher Bedeutung
39
Q

Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde: Form und Frist, §§ 23, 92, 93 BVerfGG

A
  1. Form
    a. § 23 Abs. 1 S. 1 BVerfGG: schriftlich
    - > Fax genügt, Email nicht
    b. § 23 Abs. 1 S. 2, § 92 BVerfGG: Begründung
    - > gem. § 92 BVerfGG ist das verletzte Recht und die angegriffene Handlung bzw. Unterlassung zu bezeichnen
    - > Begründung der Möglichkeit der Rechtsverletzung so substantiiert, dass sie eine zuverlässige Grundlage für die Behandlung der Angelegenheit darstellt
  2. Frist
    a. § 93 III BVerfGG: gegen Gesetz ein Jahr ab Inkrafttreten
    b. § 93 I BVerfGG: gegen sonstige Hoheitsakte binnen eines Monats
    c. §§ 187 ff. BGB (analog), st. Rspr. BVerfG
40
Q

Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde: Prüfung gem. Art. 93 I Nr. 4a GG, § 13 Nr. 8a, §§ 90 ff. BVerfGG

A

I. Zuständigkeit des BVerfG gem. Art. 93 I Nr. 4a GG, § 13 Nr. 8a, §§ 90 ff. BVerfGG

II. Parteifähigkeit/Beteiligtenfähigkeit, § 90 I BVerfGG

III. Prozess- und Postulationsfähigkeit

IV. Beschwerdegegenstand, § 90 I BVerfGG

V. Beschwerdebefugnis, § 90 I BVerfGG

VI. Erschöpfung des Rechtsweges und Subsidiarität, § 90 II S. 2 BVerfGG

VII. Form- und fristgerechter Antrag, §§ 23, 92 BVerfGG

41
Q

Begründetheit einer Verfassungsbeschwerde: Prüfung

A

OS: gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG begründet, wenn der Beschwerdeführer durch den angegriffenen Akt der öffentlichen Gewalt in einem seiner Grundrechte oder grundrechtsgleichen Rechte tatsächlich verletzt ist

  • > Maßstab bei Urteilsverfassungsbeschwerden: Verkennung spezifischen Verfassungsrechts hinsichtlich seiner Reichweite und Bedeutung für das angewandte einfache Recht
    pro: BVerfG ist kein Superrevisionsinstanz
    pro: VB ist außerordentlicher Rechtsbehelf

I. Schutzbereich

  1. Sachlicher Schutzbereich
    - > Bezeichnung des Schutzgutes
    - > Benennung der geschützten Verhaltensweisen
  2. Persönlicher Schutzbereich
    - Prüfung der GRBerechtigung

II. Eingriff

  1. Klassischer Eingriffsbegriff
  2. Moderner Eingriffsbegriff

III. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung

  1. Schranken des Grundrechts: Eingriffsermächtigung im GG
    a) Parlamentsvorbehalt (Prüfung nur, wenn nicht auch das Gesetz selbst Prüfungsgegenstand ist, also bei auf Gesetz beruhendem Einzelakt)
    b) Materielle Anforderungen an die Eingriffsermächtigung
    - > GR mit einfachem Gesetzesvorbehalt
    - > GR mit qualifiziertem Gesetzesvorbehalt
    - > GR ohne Gesetzesvorbehalt: kollidierendes Verfassungsrecht als verfassungsimmanente Schranke
  2. Schranken-Schranken
    = Beschränkungen, die für den Gesetzgeber gelten, wenn er dem GRGebrauch Schranken zieht
    a) Verfassungsmäßigkeit des zum Eingriff ermächtigenden Gesetzes
    aa) Formelle Verfassungsmäßigkeit
    bb) Materielle Verfassungsmäßigkeit
    -> ggf. Einhaltung der Anforderungen an die Schranke
    -> Art. 20 III: Verhältnismäßigkeit
    -> Art. 19
    b) Verfassungsmäßigkeit des Einzelakts
    -> insb. Art. 20 III: Verhältnismäßigkeit
42
Q

Begründetheit einer Verfassungsbeschwerde: Klassischer vs. moderner Eingriffsbegriff

A

1) Klassischer Eingriff = jede finale unmittelbare und imperative Freiheitsverkürzung durch Rechtsakt oder unmittelbare Zwangsanwendung
- > Final und nicht bloß unbeabsichtigte Folge eines auf andere Ziele gerichteten Staatshandelns
- > Unmittelbar und nicht bloß beabsichtigte, aber mittelbare Folge des Staatshandelns
- > Rechtsakt mit rechtlicher und nicht bloß tatsächlicher Wirkung
- > Mit Befehl und Zwang angeordnet bzw. durchgesetzt

2) Moderner Eingriff = jedes staatliche Handeln, das dem Einzelnen ein Verhalten oder den Genuss eines Rechtsguts, das in den Schutzbereich eines GR fällt, ganz oder teilweise unmöglich macht und von gewisser Intensität ist - Ausweitungen
- > Unmittelbarkeit -> Zurechenbarkeit zum Staat
- > Rechtsakt -> auch faktische Beeinträchtigung
- > Finalität -> Vorhersehbarkeit
- > Imperativität -> Intensität

43
Q

Begründetheit einer Verfassungsbeschwerde: Verhältnismäßigkeit (allgemein)

A
  1. Legitimer Zweck
  2. Geeignetheit:
    - > Zustand, den der Staat durch das Mittel des Eingriffs schafft, und der Zustand, in dem der verfolgte Zweck als verwirklicht zu betrachten ist, sind in einem durch bewährte Hypothesen über die Wirklichkeit vermittelten Zusammenhang stehen (ein Fördern ist dabei ausreichend)
  3. Erforderlichkeit:
    - > kein anderer Zustand, den der Staat ohne großen Aufwand ebenfalls schaffen kann, der für den Bürger weniger belastend ist und der mit dem Zustand, in dem der verfolgte Zweck als verwirklicht zu betrachten ist, ebenfalls in einem durch bewährte Hypothesen über die Wirklichkeit vermittelten Zusammenhang steht („Zweck darf nicht durch ein gleich wirksames, aber weniger belastendes Mittel erreichbar sein“)
  4. Angemessenheit
    - > Eingriff und mit Eingriff verfolgter Zweck müssen in rechtgewichtetem und wohl abgewogenen Verhältnis zueinander stehen
44
Q

Begründetheit einer Verfassungsbeschwerde: Additiver Eingriff

A

= wenn verschiedene, für sich genommen geringfügige Eingriffe aufgrund ihres räumlichen oder sachlichen Zusammenhangs anhand ihrer Gesamtwirkung zu beurteilen sind
-> erhöhte Rechtfertigungsanforderungen (bspw. Addierung polizeilicher Überwachungsmaßnahmen hin zu lückenloser Totalüberwachung)