2/6 (Art. 5 I, II; Art. 5 III; Art. 3) Flashcards
Art. 5 I: Besonderheit des persönlichen Schutzbereichs
- auf Art 5 I 2 können sich auch öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten berufen
- > natürlich auch Private, die Rundfunk veranstalten
Art. 5 I: Sachlicher Schutzbereich: Meinungsfreiheit
- Meinung = jede wertende Stellungnahme (vs. Tatsachenbehauptungen = dem Beweis zugängliche Behauptungen, die wahr oder falsch sein können)
- > durch Elemente der Stellungnahme, des Dafürhaltens geprägt
- > auch polemische Form geschützt
- Abgrenzungsschwierigkeiten: auch eine Tatsachenbehauptung kann (und wird idR) stillschweigend mit einem Werturteil verbunden sein, dann SB (+) (Schutzbereich nicht zu eng auslegen)
- Tatsachenbehauptung (+), wenn sie Voraussetzungen der Bildung von Meinungen sind (nur solche Tatsachenbehauptungen, die weder mit Werturteilen verbunden sind, noch für die Bildung von Meinungen relevant sind, fallen aus dem SB heraus)
- erwiesen oder bewusst unwahre Tatsachenbehauptungen nicht im SB
- kommerzielle Werbung: auch Meinungsäußerung, wenn sie wirtschaftlichen Zwecken dient (jedoch Eingriff idR leichter zu rechtfertigen)
- Geschütztes Verhalten: jede Form der Meinungsäußerung - in Wort, Schrift, Bild, Wahl des Ortes und Zeit, inkl. Empfang der Meinung vom Adressaten; auch Internet
- > ausgenommen: wenn sich Mittel der Meinungsäußerung wirtschaftlichen Druckes oder Gewalt bedienen (“Blinkfüer”)
- negative Meinungsfreiheit = Recht, bestimmte Meinungen nicht zu äußern oder verbreiten zu müssen
- > nicht umfasst, wenn es sich um erkennbar fremde Meinungen handelt (Zigarettenwarnung der EU-Gesundheitsminister) oder um bloß statistische Angaben
Art. 5 I: Sachlicher Schutzbereich: Informationsfreiheit
- Informationsquelle: jeder denkbare Träger von Informationen, aber auch der Gegenstand der Information selbst
- Allgemein zugänglich
- > eA: faktische Betrachtungsweise
con: historisch kein Leistungsrecht (gegen Feindsenderregeln des 2. WK gerichtet) - > aA: Zweckbestimmung durch den Urheber (= wenn sie „geeignet und bestimmt ist, der Allgemeinheit, also einem individuell nicht bestimmbaren Personenkreis, Informationen zu verschaffen“)
- Geschützte Handlungsformen:
- > Unterrichtung dh der passive Empfang
- > aktives Beschaffen mit seinen notwendigen Voraussetzungen (zB Errichtung einer Antenne)
- Negative Informationsfreiheit: Schutz vor unentrinnbar aufgedrängter Information
- EGMR: aus Art. 10 Abs. 1 S. 2 EMRK in bestimmten Fällen unmittelbarer Anspruch auf Eröffnung des Zugangs zu bestimmten Informationen, wenn das im öffentlichen Interesse geboten
- > BVerfG zurückhaltend
- Str.: Gerichtsverhandlungen
- Abgrenzung zur Meinungsfreiheit
- > Informationsfreiheit schützt allein den Empfänger; Meinungsfreiheit schützt allein den Sender
Art. 5 I: Sachlicher Schutzbereich: Pressefreiheit
- weite Auslegung (BVerfG): Presse als “jegliche zur Verbreitung geeigneten und bestimmten Druckerzeugnisse”
- > auch: einmalige Druckerzeugnisse, gruppeninterne Publikationen, Ton- und Bildträger
- > Umfang aufgrund neuer Medien? auch CDs, DVDs und andere Datenträger (BVerfG)
- Publikationen im Internet: Rundfunkfreiheit
- Geschützte Verhaltensweisen: sämtliche Verhaltensweisen im Zusammenhang mit der Erzeugung und Verbreitung von Presseprodukten (von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung von Nachrichten und Meinungen)
- > BVerfG: Inhalt von Art. 5 I S. 1 geschützt - S. 2 nur als zusätzliche Schutzgewähr
- negativ: Schutz vor der Veröffentlichungspflicht von staatlichen Aufrufen, Warnungen und Bulletins in privaten Presseerzeugnissen
- Der Auskunftsanspruch erfasst auch die zumutbare Aufbereitung vorhandener Informationen
Art. 5 I: Sachlicher Schutzbereich: Rundfunkfreiheit
- = „jede an eine unbestimmte Vielzahl von Personen gerichtete drahtlose oder drahtgebundene Übermittlung von Gedankeninhalten durch physikalische Wellen“
- > Abgrenzung zur Pressefreiheit nach Verkörperung der Information
- Unterscheidung verschwimmt zunehmend („Medienkonvergenz“): um Rundfunk handelt es jedoch insoweit nur, wenn auch eine redaktionelle Tätigkeit vorliegt
- geschützte Verhaltensweisen: wie Pressefreiheit
Art. 5 I: Sachlicher Schutzbereich: Filmfreiheit
- Film = eine Übermittlung von Gedankeninhalten durch Bilderreihen, die zur Projektion bestimmt sind
- > im Unterschied zum Rundfunk richtet sich der Film am Ort des Abspielens an die Öffentlichkeit
Art. 5 I: Eingriff, besonders in die Presse- und Informationsfreiheit
- Pressefreiheit
- > auch mittelbare Einwirkungen auf die Presse wie etwa die Aufnahme eines Presseorgans in den Bericht des Verfassungsschutzes
- Informationsfreiheit
- > endgültige Verwehrung oder zeitliche Verzögerung des Zugangs zu Informationen
- > staatliche Registrierung und Erfassung der Informationsquelle, derer sich Bürger bedienen
Art. 5 II: P: Rechtfertigung: “allgemeine Gesetze”
- eA: Deckungsgleich mit dem Verbot des Einzelfallgesetzes gem. Art 19 I 1
pro: Wortlaut (allgemein -> “abstrakt-generelle Regelung”)
con: dann wäre diese Bestimmung überflüssig -> bestimmte inhaltliche Qualität erforderlich - aA: Sonderrechtslehre:
- > Variante 1: allgemein, wenn sich Gesetz nicht gegen eine Meinung als solche richtet und sie verbietet (also eine bestimmte geistige Zielrichtung und geistige Wirkung)
- > Variante 2: allgemein, wenn sich Gesetz nicht speziell gegen Meinungsäußerung als solche richtet, sondern Rechtsgut gegen alle möglichen Verletzungen schützen will
con: zu formalistisch
con: Forderung eines materialen Begriffs - wA: Abwägungslehre: allgemein diejenigen Gesetze, die deshalb den Vorrang haben, weil das von ihnen geschützte gesellschaftliche Gut wichtiger ist als die Meinungsfreiheit
con: iE Verhältnismäßigkeitsprüfung, die ohnehin durchgeführt wird (in WRV jedoch noch nicht)
con: Schwankung der Abwägungsergebnisse, von denen Allgemeinheit abhängig gemacht wird - wA: Kombinationslehre: allgemein sind die Gesetze, die sich
a) weder gegen eine bestimmte Meinung als solche richten noch (Sonderrechtslehre Var. 1)
b) Sonderrecht gegen den Prozess freier Meinungsbildung darstellen, (Sonderrechtslehre Var. 2)
c) sondern die vielmehr dem Schutze eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung, zu schützenden Rechtsgutes dienen, dem Schutze eines Gemeinschaftswerts, der gegenüber der Betätigung der Meinungsfreiheit Vorrang hat (Abwägungslehre)
pro: Eingriff darf sich nicht gegen die rein geistige Wirkung vorgehen, da diese das Prinzip des geistigen Kampfes ist, sondern ist insofern auf den Schutz von RG-Gefährdungen in der „Sphäre der Äußerlichkeit“ beschränkt - neA (laut Schoch Tendenz des BVerfG): allgemein sind die Gesetze, die sich
a) weder gegen eine bestimmte Meinung als solche richten noch (Sonderrechtslehre Var. 1)
b) Sonderrecht gegen den Prozess freier Meinungsbildung darstellen, (Sonderrechtslehre Var. 2)
c) sondern die vielmehr dem Schutze eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung, zu schützenden Rechtsgutes dienen (Abwägungslehre ohne Vorrangabwägung, da dies ein Teil der Verhältnismäßigkeitsprüfung ist)
pro: keine Vorwegnahme der Verhältnismäßigkeitsprüfung
Art. 5 II: Rechtfertigung: Wechselwirkungslehre (Schranken-Schranke)
= die allgemeinen Gesetze setzen zwar dem Wortlaut nach dem Grundrecht Schranken, müssen ihrerseits aber in ihrer begrenzenden Wirkung selbst wieder im Lichte des Grundrechts eingeschränkt werden (vor allem im Strafrecht restriktive Handhabung)
- Auslegungsebene: Interpretation des allgemeinen Gesetze (Angemessenheitsprüfung bei Gesetz)
- > Vermutung zugunsten der Meinungsfreiheit (keine zusätzlichen Hürden für Meinungsfreiheit im Gesetz) - Deutungsebene: Interpretation der Meinungsäußerung (Verhältnismäßigkeit des Einzelakts)
- > Maßstab Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls durch einen unvoreingenommenen Durchschnittsbürger
- > Grundsatz der wohlwollenden Deutung: bei einer öffentlichen Äußerung ist bei mehreren Deutungsvarianten diejenige heranzuziehen, welche mit anderen Rechtsgüter nicht oder geringstmöglich in Konflikt kommt - Anwendungsebene (Verhältnismäßigkeit des Einzelakts)
- > Zutreffende Auflösung der Konfliktsituation vor dem Hintergrund der Bedeutung der Meinungsfreiheit im geistigen Kampf der freiheitlichen Demokratie
- > bei öffentlicher Meinungsäußerung: Vermutung zugunsten der freien Rede (BVerfG: Vergiftung des geistigen Klimas oder (subjektive) Beunruhigung des Einzelnen oder Kränkung des Rechtsbewusstseins der Bevölkerung reicht nicht)
- > bei Schmähkritik und Formalbeleidigungen: grds. keine Abwägung (aber auch hohe Anforderungen an die Feststellung derselben)
Art. 5 II: Rechtfertigung: Sonderrecht bei bestimmten Meinungsäußerungen
- BVerfG: Ausnahme vom Allgemeinheitserfordernis bei „Meinungsäußerungen, die eine positive Bewertung des nationalsozialistischen Regimes in seiner geschichtlichen Realität zum Gegenstand haben“ (verfassungsimmanente Schranke)
con: Sonderrecht
con: dogmatisch inkonsistent (Schutzbereichseinschränkung wäre konsequenter)
pro: dezidiert antinazistische Kräfte bei der Entstehung und Inkraftsetzung des GG - GG als “Gegenentwurf zum Totalitarismus der NS-Zeit”
pro: Verhältnismäßigkeit muss dennoch gewahrt sein
pro: nicht Sonderrecht gegen jede Meinungsäußerung in Bezug auf NS-Zeit, sondern nur bei positiver oder verherrlichender Bezugnahme
Art. 5 II: Rechtfertigung: Schutz der Jugend
“Rechtnormen, die die ungestörte Entwicklung der Jugend vor Gefahren schützen sollen”
-> keine eigenständige Bedeutung, geht in allgemeinen Gesetzen auf
Art. 5 II: Rechtfertigung: Recht der persönlichen Ehre
- Vermutung für die Zulässigkeit der freien Rede
- > Grenze, wenn
- die Meinungsäußerung kein Thema von allgemeiner öffentlicher Bedeutung zum Gegenstand hat
- die Menschenwürde angreift
- eine Formalbeleidigung oder Schmähkritik
- Erst- statt Gegenschlag ist
- Auf rechtswidrig erlangter Information beruht
- Tatsachengehalt unrichtig ist oder nicht sorgfältig geprüft wurde
- Gesetzesvorbehalt gilt auch hier
- Allgemeinheitserfordernis muss auch hier gewahrt werden
- > geringe eigenständige Bedeutung
Art. 5 I S. 3: Schranken-Schranke des Zensurverbots
- gilt für alle Grundrechte in Art. 5 I
- Zensur = präventives Verfahren, vor dessen Abschluss ein Werk nicht veröffentlicht werden darf (dazu zählen auch Eingriffe, deren Folgen einem präventiven Verfahren faktisch gleichkommen, bspw. zB Erfordernis einer behördlichen Vorprüfung oder Genehmigung des Inhalts - präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt)
- BVerfG will Zensurverbot jedoch nicht auf Informationsfreiheit ausdehnen: Zensurverbot schütze der Natur der Sache nach nur den Hersteller eines Werks, nicht aber dessen Bezieher und Leser
- Nachzensur ist solange zulässig, als sie sich im Rahmen der Schranken des Art 5 II bewegt
Art. 5 III: P: Sachlicher Schutzbereich: Was ist Kunst?
- Materialer Kunstbegriff: Wesentliches an Kunst ist „die freie schöpferische Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen, Erlebnisse des Künstlers durch das Medium einer bestimmten Formensprache zu unmittelbarer Anschauung gebracht werden“
- > auch Photographie ist umfasst, da bewusster Ausschnitt aus Realität und Gestaltung mit photographischen Mitteln
- Formaler Kunstbegriff: Zuordnung zu einem bestimmten Werktyp (Malen, Bildhauen, Dichten, Theater, …)
- Offener Kunstbegriff: „wegen der Mannigfaltigkeit ihres Aussagegehalts ist es möglich, der Darstellung im Wege einer fortgesetzten Interpretation immer weiter reichende Bedeutung zu entnehmen, sodass sich eine praktisch unerschöpfliche, vielstufige Informationsvermittlung ergibt“
- Kriterium de Drittanerkennung: ein in Kunstfragen sachverständiger Dritter hält es für vertretbar, den Gegenstand als Kunstwerk anzusehen)
- Kunstfreiheit als Definitionsverbot: dem Staat ist es verwehrt, dem Kommunikationsprozess Kunst seine Vorstellungen von richtiger, wahrer und guter Kunst aufzuzwingen
- BVerfG: parallele Verwendung der Begriffe, kein Streitentscheid im engeren Sinn
Art. 5 III: Schutzbereich: Kunstfreiheit (Umfang der Gewährleistung)
- Einzelner muss nicht professioneller Künstler sein
- Geschützt ist sowohl Werkbereich als auch Wirkbereich
- > Werkbereich: künstlerische Betätigung selbst (auch Vorbereitungsakte)
- > Wirkbereich: alle Handlungen der Darbietung und Verbreitung, die der Öffentlichkeit Zugang zu dem Kunstwerk verschaffen
- -> Erforderliche Kommunikationsmittel und Kommunikationsmittler zwischen Künstler und Öffentlichkeit/Publikum für kunstspezifische Befassung mit dem Werk sind auch umfasst
- aber: vorbehaltslose Gewährleistung: besonders sorgfältige Bestimmung des SB nötig
- > bei kunstgemäßer Beurteilung literarischer Texte gilt eine Vermutung für deren Fiktionalität
Art. 5 III: Persönlicher Schutzbereich: Wissenschaftsfreiheit
= jede Person im wissenschaftlichen Bereich; juristische Personen, soweit sie wissenschaftliche Arbeit veranlassen (einschließlich sog. Industrieforschung, hM); Hochschulen und Fakultäten als öffRliche Anstalten und sonstige staatliche Forschungseinrichtungen (MPIs - sind aber formaliter ein e.V.)
-> auch Studenten und Assistenten, sofern selbstständige wissenschaftliche Betätigung