5/6 (Sonstige Handlungsformen der Verwaltung (Ohne privatrechtliches Handeln) Flashcards
Prüfung der Wirksamkeit einer RVO
I. Ermächtigungsgrundlage, Art. 80 I GG [vgl. Art. 61 I LV BW]
- Vorliegen einer (formell)gesetzlichen EGL
- > muss regelungstechnisch nicht in einer einzigen „Norm“ enthalten sein
- > EGL bereits bei Erlass der RVO gegeben (keine Heilungsmöglichkeit) - Formelle Rechtmäßigkeit der EGL
- Materielle Rechtmäßigkeit der EGL
- > Prinzip der Spezialermächtigung, Art. 80 I 2 GG [vgl. Art. 61 I 2 LV BW]
- > gesetzliche Bestimmung von „Inhalt, Zweck und Ausmaß“; allgemeines Bestimmtheitsgebot (Art. 103 GG)
- > EGL muss hinr. deutlich erkennen lassen, „in welchen Fällen und mit welcher Tendenz von der Ermächtigung Gebrauch gemacht werden wird und welchen möglichen Inhalt die Verordnungen haben werden“ (BVerfG)
II. Formell rm. Anwendung der EGL
1. Zuständigkeit
• beachte unterschiedliche Regelungstechnik in GG und LV:
-> Bundesrecht: exklusiver Kreis nach Art. 80 I 1 GG, aber Subdelegation möglich
-> Landesrecht: gesetzlich bestimmt; wenn nicht: LReg, Art. 61 II LV
• Subdelegation möglich, wenn in gesetzl. EGL vorgesehen und durch RVO erfolgt, Art. 80 I 4 GG [vgl. Art. 61 II LV BW]
2. Verfahren, insb Mitwirkungsrechte anderer Organe
a) Beteiligung des Bundesrats
-> Zustimmungsbedürftigkeit, Art. 80 II GG
-> Zustimmungserteilung
b) EU-rechtl. Mitwirkungsrechte (insb. der EU-KOM)
c) Beteiligung Sonstiger: muss gesetzlich vorgesehen sein
3. Form
• insb. Zitiergebot, Art. 80 I 3 GG (konkrete ermächtigende gesetzl. Einzelvorschrift/en ist/sind anzugeben)
-> “Überschüssiges” Zitieren unschädlich, solange Prüfung nicht wesentlich erschwert
4. Verkündung
• Art. 82 I 2, II GG
III. Materiell rm. Anwendung der EGL
1. Beachtung der Vorgaben der EGL
• ggf. extensive Interpretation der EGL (Ensemble gesetzlicher Vorgaben, die die Gültigkeit der fraglichen RVO-Bestimmung betreffen)
2. Vereinbarkeit mit sonstigem höherrangigen Recht
• (Bundes-)Verfassungsbestimmungen, insb. Grundrechte (hier ggf. auch Vorrang des Gesetzes, Art. 20 III GG: Beachtung der bundesgesetzlichen Vorgaben)
• (Bundes-)Gesetze (soweit nicht bereits Frage der GG-Konformität, s.o.: Art. 20 III GG)
• Unionsrecht
3. Ermessen(sfehlerfreiheit)
IV. Bei Rechtswidrigkeit: Nichtigkeit
P: Fortgeltung der RVO bei nachträglicher Änderung/Wegfall ihrer EGL
- eA (BVerfG; hM): Fortgeltung (+)
pro: allgemeine Rechtssatzregel: Rechtsnorm gilt bis zu ihrer Änderung/Aufhebung - aA (mM): Fortgeltung nur soweit RVO noch von EGL gedeckt (bei Änderung) bzw. keine Fortgeltung (bei Wegfall)
pro: RVO knüpfen als Konkretisierungs- und Durchführungsnorm an die EGL an, sodass ihre Existenz erforderlich ist (Akzessorietät aufgrund der funktionalen Einheit)
pro: Wille des Gesetzgebers umfasst mit der Änderung/Aufhebung der abstrakten EGL auch die sie konkretisierenden Normen der RVO
pro: Erst-Recht-Schluss aus Eingriffsvorbehalt bei GR: Da bereits ein unmittelbar auf ein Gesetz gestützter Eingriff nur rechtmäßig erfolgt, sofern das Gesetz im Zeitpunkt der Eingriffsvornahme rechtswirksam ist, darf für die auf Verordnungen gestützten Eingriffe (“aufgrund eines Gesetzes”) erst Recht nichts anderes gelten
Rechtsschutzmöglichkeiten gegen RVO
- AK mit inzidenter NK (betrifft nur Einzelfall)
- Verwaltungsgerichtliche NK, § 47 VwGO (betrifft allgemeine Nichtigkeit)
- > betrifft nur Landesrecht! - Feststellungsklage
- > Formulierungsaufwand, inwiefern generell-abstrakte RVO ein Rechtsverhältnis zu Einzelnem erzeugt
- > jedoch mit Blick auf die Lücken des § 47 VwGO (kein Bundesrecht) und Art. 19 IV GG vertretbar - Verfassungsbeschwerde
Prüfungspunkte: Anspruch aus Verwaltungsvertrag
- Vertrag
- > Abgrenzung zu: Zusage / zustimmungsbedürftiger VA / VA mit NB
- > Einigung der beiden Vertragspartner (Behörde und Bürger) über Herbeiführung eines Rechtserfolges
- > falls (-): ggf. informelles Verwaltungshandeln - Verwaltungsvertrag
- > Vertrag dem Verwaltungsrecht zuzurechnen
- -> Maßstab: Rechtsnatur des Vertragsgegenstandes - Rechtmäßigkeit des Verwaltungsvertrages
a. Zulässigkeit der Handlungsform gem. § 54 VwVfG
- > insb. (+), wenn gesetzlich vorgesehen, vgl. § 11 BauGB
- > insb. (-), wenn ausdrücklich oder nach den gesetzlich geregelten Umständen VA-Form geboten ist (bspw. Baugenehmigung)
b. Formelle Rechtmäßigkeit, v.a. §§ 57f. VwVfG
c. Materielle Rechtmäßigkeit
aa. Rechtliche Bindung: Verwaltung darf nur vereinbaren, was gesetzlich festgelegt ist (Vorrang des Gesetzes), § 54 S. 1 aE
bb. Ermessen
cc. Ggf. Einverständnis des Bürgers durch Rechtsverzicht (kein Vorbehalt des Gesetzes) -> P - Folgen der Rechtswidrigkeit
a. Schwebende Unwirksamkeit gem. § 58 VwVfG
b. Nichtigkeitsgrund gem. § 59 II VwVfG bzw. Teilnichtigkeit gem. § 59 III VwVfG (gerade nicht § 139 BGB analog, sondern objektive Betrachtung)
c. Nichtigkeitsgrund in entsprechender Anwendung des BGB
d. Falls a-c (-): Rechtswidrigkeit hat keine Auswirkung auf die (unangreifbare) Rechtswirksamkeit
e. Ggf. Kündigung, § 60 I 2
Verwaltungsvertrag: Vorliegen einer öffentlich-rechtlichen Rechtsnatur des Vertragsgegenstandes
- wenn Vertrag dem Vollzug öffentlich-rechtlicher Rechtsnormen dient (Einigung gem. § 110 BauGB)
- wenn er die Verpflichtung zum Erlass eines VA oder einer sonstigen hoheitlichen Amtshandlung enthält
- wenn er sich auf eine öffentlich-rechtliche Berechtigung oder Verpflichtung des Bürgers bezieht
- wenn neutraler Verpflichtung (Zahlung eines Geldbetrages): Zweck/Gesamtcharakter des Vertrages
- > insbesondere Verwaltungsvertrag, wenn Zahlungsverpflichtung in Hinblick auf Amtshandlung eingegangen wird (bspw. Baudispensvertrag)
Verwaltungsvertrag: Mischverträge
- hL: für die Annahme eines Verwaltungsvertrages genügt bereits, wenn wenigstens eine vertragliche Vereinbarung öffentlich-rechtlichen Charakter hat oder sich auf eine solche bezieht
pro: einheitliche Beurteilung des Vertrages, keine Aufspaltung nötig
Verwaltungsvertrag: koordinationsrechtlich vs subordinationsrechtlich
- zwischen grds gleichgeordneten Vertragspartnern (betreffen Rechtsbeziehungen, die nicht durch VA geregelt werden können) -> idR zwischen Trägern öffentlicher Verwaltung
- zwischen Parteien, die sonst in einem Über-Unterordnungsverhältnis stehen, vgl. § 54 S. 2 VwVfG (Wortlaut: Verwaltungsverträge, die VA ersetzen können - jedoch: Telos, Systematik, Historie: alle subordinationsrechtlichen Verhältnisse sollen erfasst werden)
Abgrenzung: Verwaltungsvertrag vs zustimmungsbedürftiger VA
- Mitentscheidungsspielraum des Bürgers: Vertrag kann nur einvernehmlich zustande kommen
- > Erklärung des Bürgers ist beim Vertrag Existenzvoraussetzung, beim zustimmungsbedürftigen VA jedoch Rechtsmäßigkeitsvoraussetzung
- > zusätzliche Abgrenzungsprobleme durch “ausgehandelten VA” (in der Praxis)
P: Verwaltungsvertrag: Lockerung der Gesetzesbindung durch Einverständnis des Bürgers (Gesetzesvorbehalt)
- hM: Verzicht (+), wenn Rechtsposition disponibel und im konkreten Fall im Sachzusammenhang mit dem Verwaltungsvertrag
pro: wenn Bürger bei sonstigen hoheitlichen Maßnahmen auf Rechtspositionen verzichten kann, dann auch bei Verwaltungsvertrag, der sich durch ein erhöhtes Maß an Privatautonomie auszeichnet
pro: kontrahierungswilliger Bürger würde bevormundet
con: Gesetzesvorbehalt als objektives Recht nicht disponibel; tw. existieren auch spezielle EGL (§ 11 BauGB)
con: sofern der Gesetzesvorbehalt nicht nur den Individualschutz betrifft, sondern auch die Kompetenzverteilung der Staatsgewalt sicherstellt, ist Verzicht unzulässig (jedoch regelmäßig zulässig bei individuellen Eingriffen in Freiheit/Eigentum des Einzelnen)
P: Nichtigkeitsgründe eines Verwaltungsvertrages: § 134 BGB von § 59 I VwVfG umfasst
- eA: (+)
pro: Wortlaut macht keine Ausnahmen
pro: § 134 BGB stellt eine der wichtigsten Fehlervorschriften des BGB dar, sodass Verweis plausibel ist - aA: (-)
pro: Systematik: alle rechtswidrigen Verwaltungsverträge wären nichtig, sodass § 57 II sinnlos wäre
pro: Historie: Gesetzgeber wollte § 134 nicht miteinbeziehen - wA: vermittelnd: nur qualifizierte Form der Rechtswidrigkeit (BVerwG)
pro: Ausgleich bei schwerwiegenden Rechtswidrigkeitsverstößen, die miteinbezogen werden können
con: ungenaue Kriterien, wohl nicht bei einfachen Formverstößen
Verwaltungsvertrag: Rückerstattung
- bei Nichtigkeit: öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch
- bei VA aufgrund eines nichtigen Verwaltungsvertrages: selbst rechtswidrig (Anfechtbarkeit und Rücknehmbarkeit)
P: Verfassungskonformität des Fehlerregimes von § 59 VwVfG (bzgl. Rechtsstaatsprinzip, Art. 20; Gesetzesbindung, Art. 1 III GG)
- eA: nicht verfassungskonform
pro: Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Rechtswirksamkeit trotz Rechtswidrigkeit): Verwaltung darf nicht, kann aber über das Recht hinweggehen, da rechtswidrige Verwaltungsverträge sanktionslos bleiben - aA: verfassungskonform
pro: auch bei VA besteht Bestandskraft trotz Rechtswidrigkeit - > dagegen con: VA sind anfechtbar und rücknehmbar, Verwaltungsverträge nicht
pro: pacta sunt servanda - > dagegen con: die Rechtsverbindlichkeit von Verträgen ist nicht Voraussetzung, sondern Folge ihrer Anerkennung durch die Rechtsordnung - pacta sunt servanda schützt gerade nicht rechtswidrige Verträge
pro: Bürger verzichtet freiwillig auf Rechtspositionen (Privatautonomie) - wA: vermittelnd: verfassungskonforme Auslegung möglich
pro: wenn Nichtigkeitsgründe des § 59 VwVfG alle wesentlichen Rechtsverletzungen erfassen und nur eher nebensächliche Rechtsverstöße unerfasst bleiben -> Einzelfallprüfung nötig
P: Verwaltungsverträge: EU-Rechtswidrigkeit hinsichtlich Subventionsverträgen
- unstr.: Nichtigkeit der Subventionsverträge, die gegen Art. 107 I AEUV verstoßen und deren Rw von der KOM gem. Art. 108 III AEUV festgestellt ist
- str.: Verstoß gegen Durchführungsverbot gem. Art. 108 III 3 AEUV (vorherige Inform der KOM)
- > eA: § 58 II VwVfG: bis zur endgültigen Zustimmung der KOM schwebend unwirksam
con: passt nicht direkt - > aA: Verstoß gegen Art. 108 III 3 AEUV führt zur Nichtigkeit
pro: Vertrag kann neu abgeschlossen werden - > wA: nur dann nichtig, wenn Verstoß zu einer Verfälschung des Wettbewerbs führt
con: in der Praxis schwer feststellbar
Begriff: Realakte
= alle Verwaltungsmaßnahmen, die nicht auf einen Rechtserfolg, sondern auf einen tatsächlichen Erfolg gerichtet sind
- > kein Regelungscharakter
- > keine Beschränkung auf Einzelfälle
- > keine notwendige Einseitigkeit
P: Einordnung der “öffentlichen Warnung” in die verwaltungsrechtliche Handlungsformenlehre
- kein VA mangels Regelungscharakter
- eA: Realakt (ganz hM)
- aA: eigene Handlungsform
con: sehr unterschiedliche Warnungen nach ihrer Art und Wirkung, sodass weder begrifflich noch hinsichtlich der Rechtsfolge eine eindeutige Gruppierung erfolgen kann