4/6 (Verwaltungsakt IV: Aufhebung von Verwaltungsakten, §§ 48–50 VwVfG; Wiederaufgreifen des Verfahrens, § 51 VwVfG ) Flashcards
Prüfung der Rechtmäßigkeit der Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts
I. Ermächtigungsgrundlage (gibt es spezielle gesetzliche Regelungen?)
-> ansonsten: § 48 I 1 als EGL
II. Formelle Rechtmäßigkeit der Rücknahme
- Zuständigkeit der Behörde
- Beachtung der Verfahrensvorschriften, insbes. der Anhörung gem. § 28 I VwVfG (ggf Heilung)
- Richtige Form, insbes. Begründung gem. § 39 I 1 VwVfG
III. Materielle Rechtmäßigkeit der Rücknahme
- Voraussetzungen des § 48 VwVfG
a) Rechtwidrigkeit des VA, der aufgehoben wird
- > hier: ggf. vollständige Inzidentprüfung der formellen und materiellen Rechtmäßigkeit des ursprgl. Verwaltungsaktes
b) Vereinbarkeit mit § 48 I 2, II, III VwVfG (Vertrauensschutz)
c) Einhalten der Rücknahmefrist - Vereinbarkeit des VA mit sonstigem Recht
- Fehlerfreie Ermessensausübung
Prüfung: Vertrauensschutz, § 48 II VwVfG
- Tatsächliches Vertrauen
- Ausschlussgrund, S. 3
- Schutzwürdiges Vertrauen durch Verbrauch
- Überwiegen des Vertrauensinteresses
-> Auswirkungen auf Begünstigten
-> Folgen der Nichtrücknahme für Allgemeinheit
-> Art und Zustandekommen des VA
-> Schwere der RW
-> verstrichene Zeit
(–> beachte: keine Verhältnismäßigkeitsprüfung)
-> Diff: Differenzierte Rücknahme möglich (“soweit das Vertrauen des Begünstigten reicht”, insb. ex tunc vs. ex nunc Aufhebung)
P: Beginn des Jahresfrist bei § 48 IV VwVfG
- eA: sobald Behörde die zutreffenden Tatsachen kennt (-> bei Rechtsanwendungsfehlern bereits mit Erlass des VA) (frühere M des BVerwG) (engste, bürgerfreundlichste Auffassung)
- aA: bei Kenntnis von der Rechtswidrigkeit des VA (-> § 48 IV als Bearbeitungsfrist) (hLit)
pro: Rechtssicherheit, passt am besten zu Wortlaut und Telos - wA: erst wenn alle Tatsachen aufgeklärt wurden (-> Entscheidungsfrist) (Großer Senat des BVerwG) (weiteste, behördenfreundliche Auffassung)
pro: umfassende Grundlage für Bearbeitung nötig
con: Frist beginnt eigentlich erst, wenn Behördenermittlungen abgeschlossen sind -> sehr weite Auslegung
P: Auf wessen Kenntnis ist bei § 48 IV abzustellen?
- eA: Behörde (hLit)
pro: Sache der behördeninternen Organisation, für funktionierenden Informationsfluss zu sorgen - aA: zuständiger Amtswalter (Großer Senat des BVerwG)
P: Tatsachen iSd § 48 IV
- unstr.: alle für den Erlass des VA rechtlich relevanten tatsächlichen Umstände
- str.: Rechtsanwendung durch die Behörde (fehlerhafte Rechtsanwendung selbst?)
- > wenn (-): Rücknahme des VA unterliegt keinerlei Fristbindung ODER die Jahresfrist beginnt mit Erlass des VA zu laufen, weil in diesem Zeitpunkt die Behörde Kenntnis aller Tatsachen hatte, die für den Erlass des VA relevant waren
- > wenn (+): Jahresfrist beginnt (frühestens) zu laufen, wenn die Behörde erkannt hat, dass sie das Recht falsch angewendet hat
Verwirkung (insbes. der Rücknahme/Widerrufbefugnis)
= wenn
- Umstände eintreten, aus denen der die Rechtswidrigkeit kennende Begünstigte berechtigterweise den Schluss ziehen durfte, der VA werde nicht mehr zurückgenommen, obwohl die Behörde dessen Aufhebbarkeit erkannt hat,
- der Begünstigte darauf vertraut hat, dass die Befugnis nicht mehr ausgeübt werde und
- dieses Vertrauen in einer Weise betätigt hat, dass ihm mit der sodann gleichwohl erfolgten Aufhebung ein unzumutbarer Nachteil entstünde
Ermessen der Behörde während des Widerspruchsverfahrens zur Aufhebung des VA
- Möglichkeit: Abhilfe gem. § 72 VwGO im Widerspruchsverfahren
- Möglichkeit: Rücknahme gem. § 48 VwVfG in einem eigenständigen Verfahren
P: Wirksamkeit des VA zwingend für dessen Rücknahme/Widerruf
- eA: notwendig
pro: Aufhebung zielt begriffswesentlich auf Aufhebung der Wirksamkeit
pro: bei Nichtigkeit (und damit Unwirksamkeit) genügt Feststellung durch Behörde (§ 44 VwVfG) oder Gericht (“ 43 I VwGO) - aA: nicht notwendig - § 48 zumindest analog anwendbar
pro: Verfahrensökonomie
con: unterschiedliche Voraussetzungen und Rechtsfolgen von Nichtigkeitsfeststellung und Rücknahme
pro: wenn zwischen Beteiligten str. ist, ob Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit vorliegt, soll Behörde nicht die Möglichkeit genommen werden, VA zurückzunehmen
Teilaufhebung eines VA
- Im Ermessen der Behörde (anders als bei gerichtlicher Teilaufhebung, die durch § 113 I S. 1 VwGO beschränkt ist)
- Sachliche Beschränkung
- > Bezug: Regelungsgegenstand
- > Voraussetzung: Teilbarkeit
- > Konsequenz: Änderung des VA - Zeitliche Beschränkung
- > Bezug: Regelungsdauer
- > Voraussetzung: VA mit Dauerwirkung
- > Konsequenz: Änderung in ex tunc oder ex nunc Widerruf/Rücknahme
P: Behandlung der Teilaufhebung
- eA: Diff. danach, ob Änderung begünstigend oder belastend wirkt
- > nachteilige Änderung eines belastenden VA wirkt wie die Aufhebung eines begünstigenden VA -> Behandlung nach diesen Regeln
- > vorteilhafte Änderung eines begünstigenden VA wirkt wie die Aufhebung eines belastenden VA -> Behandlung nach diesen Regeln
- aA: keine Diff
- > nachteilige Änderung eines belastenden VA wirkt wie ein belastender VA
pro: belastender VA (bspw Gebührenbescheid in bestimmter Höhe) enthält nicht die Zusage, dass nur dieser (und kein höherer Betrag) gefordert wird - belastender VA hat nicht automatisch begünstigende Deckelwirkung
P: Widerruf rechtswidriger VA möglich?
- hM: (+) (sofern Widerrufsgrund gegeben)
pro: Rechtswidrigkeit soll nicht zur Einengung, sondern zur Erhöhung der Aufhebbarkeit des VA führen
pro: § 48 will die Widerrufsgründe des § 49 nicht ausschließen, sondern ergänzen (§ 48 ist im Ermessen der Behörde und ist somit nicht die einzige Möglichkeit, rechtswidrige VA aufzuheben)
pro: rechtswidriger VA verdient keinen Schutz
pro: wenn schon rechtmäßiger VA aufgehoben werden kann, dann erst recht rechtswidriger - aA: (-)
pro: Wortlaut
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines VA
- Grds. Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung
- ursprl. rm, dann rw gewordenen VA
- > eA: insb. bei VA mit Dauerwirkung nach § 48 zu beurteilen, wenn im Zeitpunkt der Aufhebungsentscheidung rw
con: § 49 II Nr. 3, 4 VwVfG: zeigen, dass nachträglich rw VA unter § 49 fallen sollen - > aA: § 49 einschlägig, da zum Erlasszeitpunkt rm
Vertrauensschutz (durch die Rspr. entwickelte Kriterien)
- Begünstigter hat auf Bestand des VA vertraut
- Vertrauen ist schutzwürdig
- Vertrauensinteresse überwiegt öffentliches Interesse an der Wiederherstellung der Gesetzmäßigkeit
- > Regelmäßig: nur Aufhebung ex nunc
- -> Ausnahme: auch nicht ex nunc, wenn Begünstigter seine Lebensverhältnisse einschneidend, dauernd und nicht mehr korrigierbar umgestellt hat
Beurteilungsgrundlage für Rücknahme statusrechtlicher Bescheide
- eA (frühere Rspr): § 48 II
pro: regelmäßig sind mit Status Geld- oder Sachleistungen verknüpft - aA (hM): § 48 III
pro: unterschiedliche Regelungsakte von Status-VA und weiteren LeistungsVA
Zuständigkeit der Behörde
a) für den Rücknahmebescheid, wenn Rechtswidrigkeit gerade in der Unzuständigkeit der Ausgangsbehörde liegt
b) für den Rückforderungsbescheid
a) Zuständige Behörde iSd § 48 V
b)
- > eA: Ausgangsbehörde
pro: Mittel fehlen in ihrem Haushalt
- > aA: Rücknahmebehörde
pro: dogmatische Anknüpfung des § 49a an §§ 48, 49 -> § 48 V einschlägig
pro: Bürger muss sich nicht mit mehreren Behörden auseinandersetzen