4. Einwilligung und Aufklärung Flashcards
Einverständnis oder Einwilligung?
- Einwilligung meint:
- „Den „Verzicht des Verletzten auf Rechtsschutz“, den „autonomen Umgang mit seinen Gütern“.
- disponible Rechtsgüter
– Sind Individualrechtsgüter (Körperliche Unversehrtheit, Eigentum,…)
– Indisponibel sind Rechtsgüter der Allgemeinheit (§ 316 StGB schützt die allg. Sicherheit im Straßenverkehr). - Hat (strafrechtlich) rechtfertigenden Charakter
- Achtung: Die zivilrechtlichen Regelungen zu (anderweitigen) Einwilligung sind nicht (!) gemeint (bspw. nicht gemeint iSd § 183 BGB oder iSd § 108 BGB – diese haben dogmatisch rechtsgeschäftlichen Bezug)
- Einverständnis
- hat im strafrechtlichen Kontext tatbestandsausschließenden Charakter (hM)
– (vgl. Hausfriedensbruch, Diebstahl, Freiheitsberaubung, Sexualdelikte, etc. pp.)
Zum Verständnis:
Strafrechtliches Prüfungsschemata (allg.)
Schutzgut – körperliche Unversehrtheit
Abgrenzung zwischen körperlicher Unversehrtheit und Gesundheit
Praktische Bedeutung
- § 223 StGB
– Körperverletzung
– Abs.1: „Wer eine andere Person körperlich mißhandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ - Aber ausdrücklich: § 228 StGB
„Wer eine Körperverletzung mit Einwilligung der verletzten Person vornimmt, handelt nur dann rechtswidrig, wenn die Tat trotz der Einwilligung gegen die guten Sitten verstößt.“ - Achtung:
– Strafrecht ist auf Heileingriffe hin ausgelegt.
– Psychologische / Psychotherapeutische Maßnahmen und deren Auswirkung im strafrechtlichen Bezug sind noch wenig erfasst, aber: - Erreichen psychische Beeinträchtigungen ein pathologisches Maß, ist der Tatbestand (des § 223 StGB) ebenfalls tangiert.
Einwilligung – Voraussetzungen
- Einwilligungsfähigkeit
- Aufklärung
- Einwilligung
Einwilligungsfähigkeit
Einwilligung setzt beim Erklärenden soviel („natürliche“) Einsichts- und Urteilsfähigkeit voraus, dass der zu Verletzende die Tragweite des Integritätseingriffs (Begleit- und Folgerisiken wie Vorteile) abschätzen und sich, nach eigentümlicher Nutzen- und Risikoabwägung, zukunftsorientiert entscheiden kann.
Einwilligung ist
≠ Willenserklärung
und damit ≠ Geschäftsfähigkeit!
Die Aufklärungspflicht, § 630e BGB
- vor jeder Behandlung ist die Einwilligung des Patienten erforderlich, § 630d Abs. 1 BGB.
- Dieses kann der Patient nur ausüben, wenn ihm eine fundierte Informationsgrundlage zur Verfügung steht.
- Um dieser Voraussetzung zu genügen, muss der Arzt den Patienten über Risiken der Behandlung aufklären.
- Die Aufklärung ist daher eine Nebenpflicht des Behandlungsvertrages
– In der Folge droht eine Haftung nicht nur aus deliktischer sondern auch aus vertraglicher Sicht.
Aufklärungsstrategie: Stufenmodell
- Schriftliche Grundinformation
- mdl. Aufklärungsgespräch mit Mglk. zum Dialog
– Die Aufklärung muss im persönlichen
Gespräch erfolgen; die Aushändigung einer
schriftlichen Darstellung der Risiken genügt
nicht. Aber: Pflicht zur Aushändigung von Kopien von unterzeichneten Unterlagen - Abstimmung des Aufklärungsinhaltes auf die spezifischen Patientensituation
Aufklärungspflichtig
Die Aufklärung muss durch den behandelnden Arzt selbst oder eine andere Person erfolgen, welche über die zur Durchführung der Maßnahme notwendige Ausbildung verfügt (§ 630e Abs.2 S.1).
EineDelegationanHilfspersonalistnichtzulässig.
Sindmehrere(Fach-)ÄrzteanderBehandlungbeteiligt,sodarfdieAufklärunggetrennt entsprechend des jeweiligen Behandlungsbereich erfolgen.
Aufklärung
Zeitlich soll eine Nähe zum Eingriff bestehen, die jedoch noch Zeit für die
Abwägung des Patienten belässt.
BeistationärenEingriffenmussdieAufklärungbisspätestenseinenTagvorderOperation erfolgen.
BeiambulantenMaßnahmendarfamselbenTagaufgeklärtwerden,soferndieAufklärung vom Eingriff selbst deutlich abgrenzbar ist.
Aufklärung – Inhalt und Umfang 1
Therapeutische Sicherheitsaufklärung, § 630c BGB
* Bei der therapeutischen Sicherheitsaufklärung handelt es sich nicht um die sog. Selbstbestimmungsaufklärung, die dazu dient, dem Patienten eine selbstbestimmte Entscheidung über die Einwilligung in eine Therapie zu ermöglichen, sondern um eine therapiebegleitende Aufklärung zur Sicherstellung des Heilerfolgs.
- Den Arzt trifft eine Nebenpflicht aus dem Behandlungsvertrag, vgl.
*
§ 630c BGB, den Patienten während der Therapie über therapiegerechtes und
erfolgversprechendes Verhalten aufzuklären.
-Unterrichtung über vorzunehmende Kontrollen oder Untersuchungen,
-Hinweis auf gesunde Lebensführung.
-Bei Weigerung der Patienten, Maßnahme durchführen zu lassen, muss der Arzt über Dringlichkeit und mögliche Gefahren bei Unterlassen aufklären. - Zudem muss der Arzt den Patienten auf mögliche Spätfolgen oder Nachwirkungen der Therapie hinweisen.
- Besondere Bedeutung: Aufklärung über Alternativen (§ 630e Abs.1 s.3)
Der Inhalt der Aufklärungspflicht ist jeweils abhängig vom Behandlungsstadium
Diagnoseaufklärung: Information über Befund und Prognose unter Berücksichtigung der persönlichen Situation des Patienten (psychische Stabilität, Bedeutung für den Patienten, Wahrscheinlichkeit).
Therapieaufklärung: Information über Risiken und Chancen eines Eingriffs (keine unbedeutenden Details erforderlich, nur bei Einzelheiten mit hinreichender Schwere – z.B. Schmerzen, Vernarbungen, Amputationen).
Verlaufsaufklärung: Schilderung der Begleiterscheinungen (Überschneidung mit Therapieaufklärung).
Risikoaufklärung: umfassende Aufklärung über Gefahren und Komplikationen einer Behandlung, sodass eigene Entscheidung über Durchführung möglich wird; auch Aufklärung bei Wahrscheinlichkeit im Promillebereich, sofern Risiko von großer Bedeutung (z.B. mögliche Erblindung).
Aufklärung über wirtschaftliche Aspekte, sofern Kosten bei gesetzlich Versicherten nicht von der Krankenkasse übernommen werden (hierzu auch § 630c Abs. 3 BGB).
Adressat der Aufklärung
Grundsätzlich ist der Patient selbst Adressat der Aufklärung.
Ist der Patient bewusstlos oder berauscht, kann eine wirksame Einwilligung jedoch nicht erfolgen.
Dann ist die Wiedererlangung des Bewusstseins abzuwarten, sofern medizinisch vertretbar.
Wenn nicht abgewartet werden kann, ist ein Eingriff aufgrund von
§ 630d Abs. 1 S.4, 683 BGB gemäß dem mutmaßlichen Willen des Patienten zulässig (objektive Gebotenheit).
Auch minderjährige Patienten willigen grundsätzlich selbst ein.
*
Keine Berücksichtigung der Geschäftsfähigkeit, sondern Orientierung an individueller Reife und Einsichtsfähigkeit. (§ 630e Abs. 5 BGB)
Als Anhaltspunkt gilt die Vollendung des 14. Lebensjahres; aber individuelles Gespräch immer erforderlich.
Ist die erforderliche Reife nicht vorhanden, entscheiden die Sorgeberechtigten, also idR die
Eltern (vgl. § 1626 BGB).
Bei risikoarmen Behandlungen genügt die ausdrückliche Zustimmung eines Elternteils; die mutmaßliche Zustimmung des anderen Elternteils darf unterstellt werden.
Bei schwerwiegenden Eingriffen sind die Zustimmungen beider Eltern einzuholen.
Die Eltern sind bei der Entscheidung an das Kindeswohl gebunden, vgl. § 1627 BGB.
Bei Missbrauch des Sorgerechts (Ablehnung eines Eingriffs ohne nachvollziehbaren Grund) ruft der Arzt das Vormundschaftsgericht an, das anstelle der Eltern entscheidet oder einen entscheidungsberechtigten Pfleger bestellt, vgl.
* § 1666 Abs. 3 BGB.
Aufklärungszeitpunkt
- Kern:
– Es muss eine fachlich fundierte eigenverantwortliche Entscheidung ermöglicht werden. - Zu kurzfristige Aufklärung bei geplanter Maßnahme genügt nicht – es fehlt ein Überlegungszeitraum
- Weit zurückliegende Aufklärung muss ggf. aktualisiert werden.
- Grundsätze:
– Mindestens 24h vor Eingriff
– Noch nicht durch Verlauf so beeinträchtigt, dass freie Entscheidungsfähigkeit durch Verlauf eingeschränkt ist (bspw. Kaiserschnitt mit Blick auf Geburtsvorgang)