3. Behandlungsvertrag & Haftung Flashcards
Übersicht
- Behandlungsvertrag ist ein „normaler“ Vertrag zwischen Arzt und Patient
- Dienstleistungsvertrag
– d. h. es wird kein Erfolg geschuldet, „nur“ eine fachgerechte Leistung
– Gegenteil = Werkvertrag (Handwerker, teilweise Zahnärzte (gemischter Werk- Dienstvertrag) - §§ 630a ff BGB
Der Behandlungsvertrag, Die Rechtsnatur
Zwischen Arzt und Patient kommt ein zivilrechtlicher Behandlungsvertrag
zustande.
Dies gilt unabhängig davon, ob der Patient privat oder gesetzlich versichert ist.
Die Rechte und Pflichten richten sich nach den gesetzlichen Regelungen der
§§ 630a ff. BGB*.
Diese modifizieren die Regelungen zum Dienstvertrag nach §§ 611 ff. BGB unter Berücksichtigung der Berufsethik und dem besonderen Vertrauen zwischen Arzt und Patient.
*) Durch das PatientenRG v. 20.2.2013 in Kraft seit 26.2.2013 in das BGB als §§ 630a bis 630h eingefügt als besondere Vorschriften des Dienstvertragsrechts. „medizinische Behandlung“ ist nicht legal definiert. Der Begriff setzt die Erbringung eines Dienstes für die Gesundheit eines Menschen voraus. Dies ist vor allem die Heilbehandlung. Ebenfalls dazu gehören sonstige Eingriffe und Maßnahmen, die idR nicht medizinisch indiziert sind, wie z.B. kosmetische Behandlungen, Sterilisation etc.. Demgemäß ist eine medizinische Maßnahme, die ebenfalls nicht gesetzlich definiert ist, jeder Eingriff in den Körper und die Gesundheit des Patienten u. grds. jede sonstige diagnostische oder therapeutische Maßnahme iR d. Behandlung. Nicht erfasst ist die Erbringung von reinen Pflege- und Betreuungsleistungen.
Zustandekommen des Behandlungsvertrag
Der Behandlungsvertrag kommt nach allgemeinen zivilrechtlichen Regeln durch Angebot und Annahme zustande.
Keine Formvorschriften.
Als Angebot genügt das Aufsuchen der Arztpraxis.
Als Annahme reicht die Vergabe eines Termins oder die tatsächliche Übernahme der Behandlung aus.
Es besteht für den Arzt kein Kontrahierungszwang.
In Notsituationen muss der Arzt jedoch die Notfallversorgung
übernehmen.
Dadurch wird er nicht verpflichtet, die anknüpfende Behandlung ebenfalls durchzuführen.
Die Behandlungspflicht
Die Behandlungspflicht ist die wichtigste Pflicht des Arztes aus dem
Behandlungsvertrag (vgl. § 630a Abs. 1 BGB).
Grundsatz: Der Arzt schuldet nicht den Heilerfolg, sondern nur das fachgerechte Tätigwerden nach wissenschaftlichem Standard, § 630a Abs. 2 BGB.
Sie besteht aus folgenden fünf Elementen:
Anamnese: Persönliches Gespräch, in dem der Patient von seinen Beschwerden berichtet und der Arzt nach Besonderheiten und Vorerkrankungen fragt,
Untersuchung und Befunderhebung: Erfassung des geistigen und körperlichen Zustands des Patienten,
Diagnose: Zuordnung der Symptome zu einem Krankheitsbild,
Indikationsstellung: Prüfung der Behandlungsmöglichkeiten,
Heileingriff: Jeder Eingriff oder jede Maßnahme zur Verhütung, Erkennung, Heilung oder Linderung von physischen oder psychischen Krankheiten oder Beschwerden.
Die Behandlungspflicht in der Rechtsprechung
Zu Detailfragen haben sich sowohl der Bundesgerichtshof als auch das Bundesverfassungsgericht geäußert:
Der Arzt muss sich persönlich ein Bild von dem Patienten machen, notfalls per Hausbesuch.
Aufgrund seines Selbstbestimmungsrechts und der Menschenwürde hat der Patient einen Informationsanspruch hinsichtlich der Befunde und der Prognose (vgl. auch § 630g BGB).
Der Arzt ist nach der Verordnung einer Therapie bzw. nach dem Verschreiben von Medikamenten im Einzelfall auch zur Nachsorge verpflichtet.
Der Arzt darf zwar alternative Methoden bei wissenschaftlicher Vertretbarkeit anwenden, unterliegt aber dem Gebot des sichersten Wegs (ABER: § 630a Abs. 2 BGB).
Die Pflicht zur persönlichen Leistungserbringung
Aufgrund von § 630b i.V.m. § 613 S. 1 BGB muss der Arzt seiner Behandlungspflicht persönlich nachkommen.
Grundlage ist das besondere Vertrauensverhältnis von Arzt und Patient. Delegierbar sind nur Aufgaben, die nicht zum Kernbereich der
ärztlichen Tätigkeit gehören.
Zum Kernbereich zählen das Stellen der Diagnose, die Aufklärung und Beratung sowie das Ergreifen von Therapiemaßnahmen.
Risikoarme Hilfstätigkeiten können durch das Personal durchgeführt werden (z.B. Blutabnahme).
Der Arzt muss die Hilfspersonen beaufsichtigen; diese müssen sich also immer in Rufnähe aufhalten.
Die Aufklärungspflicht, § 630e BGB (§ 223 StGB)
Wird später vertieft
Die Dokumentationspflicht
Die Dokumentationspflicht ist zwar berufsrechtlich verankert, beruht aber als Nebenpflicht auch auf dem Behandlungsvertrag, § 630f BGB.
Der Dokumentationspflicht liegen verschiedene Zwecke zugrunde:
Überblick für den behandelnden Arzt selbst, Information für den Patienten,
Information für weiterbehandelnden Arzt,
Beweissicherung für Arzthaftungsprozess.
Die Dokumentationspflicht (2)
Der Umfang ist auf für therapeutische Maßnahmen notwendige Angaben beschränkt. Kontrollfrage: „Was ist ein für die Einwilligung wesentlicher Umstand ?“
Anamnese, Diagnose, Befunde,
Verdacht auf bestimmte Erkrankungen,
Umstände und Verlauf der Behandlung,
Angaben zu Medikamenten und Operationen, Warnhinweise und Zwischenfälle.
Der Patient hat ein Einsichtsrecht, sofern therapeutische Gründe nicht entgegenstehen, § 630g BGB.
Die Dokumentationspflicht (3)
Als Leistungsnachweis
Wirtschaftlichkeitsprüfung, § 106 SGB V Plausibilitätsprüfung, § 106d SGB V
Haftungsabwehr
Grundsatz: Was nicht dokumentiert ist, wurde nicht gemacht. Folge:
Abrechenbarkeit entfällt
Haftungsabwehr erschwert
Verstoß gegen vertragliche und berufsrechtliche
Dokumentationspflicht
Die Schweigepflicht
Die Schweigepflicht umfasst alle Tatsachen und Umstände, die dem Arzt im Zusammenhang mit der Behandlung eines Patienten bekannt werden.
Sie besteht nicht nur in Bezug auf krankheits- oder therapierelevante Angaben, sondern hinsichtlich aller dem Arzt bekannt gewordenen Umstände (z.B. Name des Patienten oder Tatsache, dass Arzt aufgesucht wurde).
Die bewusste Äußerung des Patienten ist nicht erforderlich, persönliche Schlussfolgerungen des Arztes genügen.
Die Schweigepflicht ist jedoch durch Ausnahmen begrenzt.
Weitergabe der Information an Personen, die den Patienten
weiterbehandeln (z.B. vom Facharzt an den Hausarzt).
Information der Eltern in der Regel bei Minderjährigen unter 14 Jahren; ansonsten besteht auch Schweigepflicht hinsichtlich Tatsachen, die das Kind nur dem Arzt anvertrauen will.
Bei Verstoß mögliche Strafbarkeit nach § 203 StGB.
Die Vergütungsverpflichtung des Patienten
Die Verpflichtung ergibt sich aus § 630a Abs. 1 BGB.
Da in der Regel eine Vergütung nicht ausdrücklich vereinbart wird, gilt gemäß § 630b i.V.m. § 612 Abs. 2 BGB die taxmäßige Vergütung als geschuldet; dabei handelt es sich um die Vergütungssätze aus der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ).
Die GOÄ schränkt damit die Privatautonomie ein.
Ziel dieser Regelung ist der Schutz des ggf. lebensbedrohlich erkrankten Patienten vor zeitintensiven Verhandlungen und vor überhöhten Vergütungssätzen.
Zugleich wird aber auch der Arzt vor wirtschaftlicher Abhängigkeit von einem bestimmten Auftraggeber geschützt.
Die Mitwirkungspflicht des Patienten
Der Patient ist neben der Vergütungspflicht auch dazu verpflichtet, an den zur Heilung vorgesehenen Maßnahmen mitzuwirken (deshalb Sicherungsaufklärung, vgl. § 630c BGB).
Er muss die Anweisungen des Arztes befolgen (z.B. Einhalten einer Diät oder Verzicht auf Alkohol).
Er ist angehalten, dem Arzt alle erforderlichen Informationen hinsichtlich Vorerkrankungen, Allergien oder Medikamenteneinnahme zu geben und diese nicht vorsätzlich oder fahrlässig zu verschweigen, sodass der Arzt die günstigste Therapiemaßnahme auswählen kann.
Verstößt der Patient gegen die Mitwirkungspflicht, wird im Falle eines Schadensersatzanspruchs ein Abzug in Höhe des Mitverschuldensanteils gemäß § 254 BGB vorgenommen.
Gesetzliche Haftungsgrundlage
Die ärztliche Haftung unterliegt keiner spezialgesetzlichen Regelung, sodass die allgemeinen zivilrechtlichen Vorgaben zur Anwendung kommen
Anspruchsgrundlagen können sich demnach aus Vertrags- und aus Deliktsrecht ergeben:
§ 280 Abs. 1 BGB,
§ 823 Abs. 1 BGB.
Bei Amtshaftungsfällen nach § 839 BGB durch Notärzte im Rettungsdienst, in psychiatrischen Anstalten und durch Amtsärzte, findet eine Haftungsüberleitung auf die Anstellungskörperschaften gemäß Art. 34 Abs. 1 GG statt.