3. VL: Fragebogenentwicklung: Fragebogenaufbau, Formulierung von Fragen, Ratingskalen Flashcards
Wie ist das Prinzip bei schriftlichen Befragungen und was sind dessen Vorteile bzw. Nachteile?
Bei einer schriftlichen Befragung erhalten Untersuchungsteilnehmer Fragen in Form eines Fragebogens schriftlich vorgelegt und beantworten die Fragen selbstständig.
Vorteil:
- Kostengünstig
- anonyme Befragungssituation
Nachteil:
- Unkontrollierte Erhebungssituation
Ausweg: Gruppenweises Ausfüllen unter kontrollierten Bedingungen bei Anwesenheit eines Untersuchungsleiters.
Wie sieht der Aufbau eines Begleitschreibens aus (evtl. Deckblatt des Fragebogens)? (11)
- Wer ist verantwortlich für die Befragung (Anschrift, Telefon etc.)
- Anrede des Befragten
- Warum wird die Untersuchung durchgeführt
- Antwortappell
- Rücklauftermin
- Anleitung zum Ausfüllen
- Zusicherung der Anonymität
- Dauer des Ausfüllens
- Dank für die Mitarbeit
- Beschreibung des Auswahlverfahrens (Hervorheben der Bedeutung jeder einzelnen, individuellen Antwort)
- Unterschrift des Umfrageträgers
Was soll man bei der Auswahl der Fragen beachten?
Man sollte gründlich untersuchen, ob bereits Fragebögen (Skalen) entwickelt wurden, die in der eigenen Untersuchung eingesetzt werden können!
Suchmöglichkeiten:
• Institut: z.B. Testothek
• Internet
Was sollte bei der Reihenfolge der Fragen beachtet werden?
Die Reihenfolge der Fragen ergibt sich (ähnlich wie beim Interview) in der Regel aus den abgedeckten Themenbereichen.
Die Fragen zum gleichen Themengebiet sollten in Fragenblocks zusammengefasst werden. Das erleichtert die Beantwortung!
Werden pro Themenbereich mehrere Original-Skalen genutzt (z.B. mehrere Depressionsskalen), so sollten die Fragen möglichst nicht durchmischt werden, sondern die jeweils vorgeschriebene Reihenfolge beibehalten werden.
Erscheint eine Durchmischung der Fragen verschiedener Skalen aufgrund inhaltlicher Überlegungen sinnvoll, sollte man jedoch darauf achten, dass alle Fragen ein identisches Antwortformat aufweisen.
Weshalb soll man möglichst “geschlossene” Fragen (mit vorgegebenen Antwortmöglichkeiten) verwendet werden?
- Erleichtert die Bearbeitung für die Teilnehmer.
( Angst vor Rechtschreibfehlern oder stilistischen Mängeln führt oft zu
kurzen und unvollständigen Antworten auf offene Fragen) - Erleichtert die Auswertung für die Forscher.
(Keine Probleme bei der Lesbarkeit (Handschrift) + Einfachere Dateneingabe und Auswertung) - Kommentare und Anmerkungen können z.B. am Ende jeder Skala oder gesamthaft am Ende des Fragebogens erfasst werden.
Die Art der Formulierung eines Fragebogenitems richtet sich nach dem untersuchten Inhalt… Gib ein paar Beispiele.
- Items können als Frage formuliert werden. –> z.B.:” Sind sie der Ansicht, dass der Gesetzgeber das gegenwärtige Tempolimit für
Autobahnen (max. 120 km/h) aufheben sollte?“
(Erfassung mittels vorgegebener Antwortalternativen) - Items können aber auch als Statement formuliert werden –> „Der Gesetzgeber sollte das gegenwärtige Tempolimit für Autobahnen (max.
120 km/h) aufheben.“
(Erfassung z.B. mittels Ratingskala. - Items können oftmals auch als Forced-Choice-Items formuliert werden –> z.B.: “Ich bin ein Mensch der…a)….b)….c)…usw.” Markieren sie die am meisten zutreffende Aussage mit einem M und die am wenigsten zutreffende Aussage mit einem W.
Was sind die Probleme bei Forced-Choice-Items?
Das absolute Ausmass des Zutreffens für die verschiedenen Alternativen wird nicht erfasst. Auch die am meisten zutreffende Alternative kann z.B. nur wenig zutreffen – oder die am wenigsten zutreffende kann noch sehr zutreffen etc. (besser: vier Items jeweils mit Ratingskala)
Es ist oft unklar, inwieweit sich die Alternativen wirklich ausschliessen und ob die Gesamtheit der Alternativen vollständig ist.
Was kommt auf die Checkliste für Interviewfragen (Formulierung) gemäss Bouchard 1976? (5)
- Ist jede Frage erforderlich, gibt es Wiederholungen?
- Sind Fragen einfach, eindeutig und nicht-suggestiv formuliert?
- Sind die Fragen potenziell beantwortbar (z.B Bildungsniveau und Informationsstand der Befragten)?
- Könnten die Fragen die Befragten in Verlegenheit bringen?
- Sind Gedächtnisstützen notwendig?
Welche 4 weitere Punkte sind bei der Frageformulierung zu beachten?
- Fragen, auf die praktisch alle Befragten dieselbe Antwort geben, sind ungeeignet (differenzieren nicht).
z. B.: Soll “Schwarzfahren” mit der Todesstrafe gehandelt werden? - Items sollten so formuliert werden, dass die Antworten eindeutig interpretierbar sind (Problem insbes. bei Items mit mehreren verknüpften Aussagen).
z. B.: “Ich fahre gerne und sehr schnell Auto”. trifft nicht zu - trifft zu. –> Besser wären zwei Items. - Formulierungen, in denen Begriffe wie „immer“, „alle“, „keiner“, „niemals“ etc. vorkommen, sind in der Regel zu vermeiden (werden als unrealistisch empfunden).
z. B.: Ich bin immer bereit, anderen Menschen zu helfen. - Quantifizierende Umschreibungen mit Begriffen wie „fast“, „kaum“, selten“
etc. sind insbesondere in Kombination mit Ratingskalen problematisch.
z. B.: “Ich gehe selten ins Kino” nie-selten-gelegentlich-oft-immer.
Porst (2000) hat 10 Regeln zur Fragenformulierung postuliert. Wie lautet die erste?
- Du sollst einfache, unzweideutige Begriffe verwenden, die von allen Befragten in gleicher Weise verstanden werden.
Bsp.: “Glauben Sie, dass man eine Familie braucht, um wirklich glücklich zu sein?”
–> wer diese Frage für einfach und unzweideutig hält, sollte sich zwanzig Personen vorlegen und sie danach frage, was sie unter “Familie” verstehen.
Wie lautet die zweite Regel von Porst (2000)?
- Du sollst lange und komplexe Fragen vermeiden.
Bsp.:”Wie Sie wissen, sind manche Leute politisch ziemlich aktiv, andere Leute finden dagegen oft keine Zeit oder haben kein Interesse, sich an politischen Dingen aktiv zu beteiligen. Nachfolgend geht es darum, wie oft Sie sich persönlich mit politischen Dingen beschäftigen, d.h. wie oft führen Sie eine politische Diskussion?“
Überflüssig:
- “politische Dinge” (Bedeutung?)
- “politische Diskussion führen” (leiten, teilnehmen, in der Öffentlichkeit, im Freundeskreis, am Stammtisch…?)
Alternative:
„Wie häufig nehmen Sie an öffentlichen Diskussionen zu politischen Themen teil?“
Wie lautet die dritte Regel von Porst (2000)?
- Du sollst hypothetische Fragen vermeiden!
Bsp.:
„Stellen Sie sich einmal vor, Sie wären verheiratet und hätten einen Sohn im Alter von etwa 16 Jahren, der seine Lehre abbrechen möchte, um Fussballprofi zu werden. Würden Sie ihn in diesem Wunsch unterstützen oder würden Sie ihm raten, zuerst seine Ausbildung zu Ende zu bringen?“
Alternative:
„Ein Jugendlicher sollte sich erst dann für eine Karriere im Profifussball entscheiden, wenn er seine berufliche Ausbildung abge- schlossen hat.“
(Antwortskala “Stimme überhaupt nicht zu” bis “stimme voll und ganz zu”)
Wie lautet die vierte Regel von Porst (2000)?
- Du sollst doppelte Stimuli und doppelte Verneinung vermeiden.
Bsp.:
“Hören sie gerne Musik von Chopin und Wagner?”
Alternative:
“Hören sie gerne Musik von Chopin!”
“Hören sie gerne Musik von Wagner?”
Bsp.2:
„Man sollte nicht widersprechen, wenn man nicht korrekt
behandelt wird.“
Alternative 2:
„Man sollte widersprechen, wenn man inkorrekt behandelt wird.“
Wie lautet die fünfte Regel von Porst (2000)?
- Du sollst Unterstellungen und suggestive Fragen vermeiden.
Bsp.:
„Der mangelnde Respekt heutiger Schüler vor ihren Lehrern ist Ursache für die immer schlechter werdenden Schulleistungen.“
Das Item beinhaltet zusätzlich zu der eigentlich interessierenden Kausalverknüpfung zwei Unterstellungen, denen evtl. nicht zugestimmt wird:
- Heutige Schüler zeigen mangelnden Respekt.
- Die Schulleistungen werden immer schlechter.
Wie lautet die sechste Regel von Porst (2000)?
- Du sollst Fragen vermeiden, die auf Informationen abzielen, über die viele Befragte nicht verfügen.
Bsp:
„Sind in Ihrer Gemeinde bereits Massnahmen zur Umsetzung der lokalen Agenda 21 getroffen worden?“