13/13 (Bereicherungsrecht III: Mehrpersonenverhältnisse) Flashcards
Faustregeln für bereicherungsrechtliche Ansprüche im Mehrpersonenverhältnis
I. Maßgeblichkeit des jeweiligen Leistungsverhältnisses
= Bereicherungsrechtliche Rückabwicklung bei mehreren Leistungsverhältnissen grundsätzlich nur in dem mangelhaften Leistungsverhältnis
1. Jede Vertragspartei soll die Einwendungen und Einreden gegen ihren Vertragspartner behalten
2. Eine Partei soll vor Einwendungen aus dem Verhältnis des Vertragspartners zu einem Dritten geschützt werden (keine Einwendungen aus Rechten Dritter [»exceptio ex iure tertii«])
3. Jede Vertragspartei soll nur das Insolvenzrisiko ihres Vertragspartners tragen sowie sich im Prozess nur mit ihrem Vertragspartner und nicht mit Dritten auseinandersetzen müssen (Rollenverteilung im Verfahren)
- strikte Trennung von Leistungsverhältnissen und Zuwendungsverhältnissen:
a) Kondiktionsgläubiger = Leistender:
-> nicht der Zuwendende (= derjenige, der die Vermögensverschiebung tatsächlich vorgenommen hat)
b) Kondiktionsschuldner = Leistungsempfänger
-> nicht derjenige, der den Gegenstand tatsächlich in Empfang genommen hat
II. Vorrang der Leistungskondiktion vor der Nichtleistungskondiktion
- gilt nur für denselben Bereicherungsschuldner und denselben Bereicherungsgegenstand
- Eingriffskondiktion grds. nur dann, wenn der Bereicherungsgegenstand von niemandem an den Empfänger geleistet worden ist
- gilt nicht uneingeschränkt, sondern es sind Wertungen der Gutglaubensvorschriften (§§ 932, 935 BGB, § 366 HGB) und der Vorschriften der §§ 170 ff. BGB zu beachten
pro: Einheit der Rechtsordnung - >
- Beim Zusammentreffen von Leistung und Eingriff ist der Rechtserwerber wenigstens dann gegen eine Eingriffskondiktion des Rechtsverlierers zu schützen (der Vorrang der Leistungskondiktion gilt), wenn ein redlicher Erwerb vom Nichtberechtigten möglich gewesen wäre
- >
- Wäre ein redlicher Erwerb vom Nichtberechtigten nicht möglich gewesen (z. B. wegen Diebstahls, vgl. § 935), dann ist eine Eingriffskondiktion neben (oder trotz) der Leistung zulässig
- >
- Bei einem Eigentumserwerb kraft Gesetzes (§§ 946 ff.) ist die sachenrechtliche Parallelwertung entscheidend und zu prüfen, ob der Bereicherungsschuldner bei rechtsgeschäftlichem Erwerb Eigentum hätte erwerben können (vgl. Jungbullen-Fall)
P: Rückabwicklung bei Doppelmangel in der Leistungskette
- herrschend: keine Direktkondiktion, außer im Falle des § 822
- eA: Kondiktion der Kondiktion (Anspruch auf Abtretung des Kondiktionsanspruches)
pro: Mittelglied hat Bereicherungsanspruch gegen Endglied erlangt, was somit Bereicherungsgegenstand der Kondiktion des Anfangsglieds sei
con: Anfangsglied hätte Insolvenzrisiko des Endgliedes zu tragen - aA (hL): Wertersatz gem. § 818 II des Anfangsgliedes gegen das Mittelglied
pro: gem. § 404 müsste sich Anfangsglied bei eA die Einwendungen entgegenhalten lassen, die Endglied gegen Mittelglied hat
-> gleiche Wertung auch bei Durchlieferungsfällen (vgl. Geheißerwerb): auch wenn Anfangsglied auf Geheiß des Mittelgliedes direkt an das Endglied liefert, liegen zwei Leistungen vor: das Anfangsglied will mit der Lieferung an das Endglied seine Leistungspflicht gegenüber dem Mittelglied erfüllen; dieses will mit der Anweisung des Anfangsgliedes zur “Durchlieferung” seiner Leistungspflicht gegenüber dem Endglied nachkommen
(Echter) Vertrag zugunsten Dritter (§ 328): bereicherungsrechtliche Rückabwicklung
- Mangel im Valutaverhältnis (Versprechensempfänger und Dritter): Kondiktion in der jeweiligen Leistungsbeziehung (über’s Eck)
- Mangel im Deckungsverhältnis (Versprechender und Versprechensempfänger)
a. Grds. zwei Leistungsverhältnisse (Versprechender will gegenüber Versprechensempfänger und Drittem leisten)
b. Grds. nur Leistungskondiktion beim Versprechensempfänger als Bereicherungsgläubiger
pro: Dritter hat zwar Forderungsrecht, ist jedoch nicht Vertragspartei
pro: VZD soll Rechtsposition des Dritten mit zusätzlichem Forderungsanspruch gegen Versprechendem verstärken und nicht - zum Nachteil des Dritten - diesen zum Bereicherungsgläubiger machen
c. Ausnahme: Direktkondiktion des Versprechenden gegen Dritten (wenn Leistung des Versprechenden als ganz unabhängig vom Valutaverhältnis erscheint)
- > Dritter hat ausschließliches Forderungsrecht (Abbedingung des § 335)
- > unentgeltliche Leistung im Valutaverhältnis (gem. § 822 analog)
Abtretungsfälle (§ 398): bereicherungsrechtliche Rückabwicklung
I. Fallkonstellation
-> Schuldner leistet an den Zessionar, um eine vom Zedenten an den Zessionar (in der Regel) erfüllungshalber abgetretene Forderung zu erfüllen
II. Fallgruppen
1. Nichtexistenz der abgetretenen Forderung*
-> BGH: Zuwendung (Zahlung) des Schuldners an den Zessionar = Leistung des Schuldners an den Zedenten und zugleich Leistung des Zedenten an den Zessionar (»Leistung übers Eck«) (»Feuerversicherungs«-Fall)
-> Lit: bei offener Abtretung will Schuldner an Zessionar als seinen neuen Gläubiger leisten -> keine Dreieckskonstellation
2. Fehlen der Forderung im Valutaverhältnis
-> Kondiktion des Zedenten gegen Zessionar im Valutaverhältnis (aus Sicht des Zessionars leistet nicht der zahlende Schuldner, sondern der Zedent)
3. Fehlen der Forderung im Valutaverhältnis und der abgetretenen Forderung (Doppelmangel)
-> Abwicklung übers Eck: Schuldner kondiziert bei Zedenten, Zedent beim Zessionar
4. Unwirksame Abtretung
-> Leistungskondiktion des (zahlenden) Schuldners gegen den Scheinzessionar (Zessionsvertrag müsste wirksam sein, damit eine Lage ähnlich dem Anweisungsfall vorliegt - so aber erscheint die Leistung des Schuldners als Drittleistung iSd § 267)
–> Ausnahme: Abtretungsanzeige gem. § 409 I - funktional äquivalent zu einer Anweisung dem Schuldner gegenüber, an den neuen Gläubiger (Scheinzessionar) zu leisten -> Zedent muss sich gem. § 812 II an Scheinzessionar halten
*Versicherer und der Versicherungsnehmer (VN) schließen einen Feuerversicherungsvertrag. VN tritt die Versicherungsforderung aus einem vermeintlichen Brand- oder Schadensfall (sicherungshalber) an den Beklagten ab, mit dem er einen Darlehensvertrag geschlossen hat. Der Versicherer zahlt die Versicherungssumme an den Beklagten aus. Nachdem sich herausgestellt hat, dass kein Versicherungsfall vorliegt, verlangt er vom Beklagten Rückzahlung -> BGH: “über’s Eck”
Konkurrenz von Leistungs- und Eingriffskondiktion: Einbaufälle
- eA: Anspruch auf Wertersatz nach §§ 951 I 1, 812 I Alt. 2, 818 II des Herstellers ggü dem Besteller
pro: Hersteller hat keine Leistung an Besteller erbracht
con: Vorrang der Leistungskondiktion: aus Sicht des Bestellers ist Einbau eine Leistung des Werkunternehmers - > dagegen con: Ausnahmen vom Subsidiaritätsdogma
- -> Besteller hat gem. §§ 946 ff kraft Gesetzes das Eigentum direkt vom Hersteller erlangt, nicht durch Leistung des Werkunternehmers
- -> Wertung der §§ 932 II, 935 (s.u.)
- aA: Anspruch nach § 816 I 1 des Herstellers gegenüber dem Werkunternehmer
pro: Wertung der §§ 932 ff - hätte der Werkunternehmer die Sache vor Einbau zuerst an Besteller übereignet, wäre ein Anspruch des Herstellers direkt gegen den Besteller ausgeschlossen -> diese Wertung ist heranzuziehen (RGlich auf gesetzlichen Eigentumserwerb übertragbar, ggf § 816 I 1 analog)
pro: Wertungsgesichtspunkte können übertragen werden: wenn Besteller bösgläubig ist oder Sache abhandengekommen ist, ist der Erwerb nicht kondiktionsfest -> Anspruch auf Wertersatz nach §§ 951 I 1, 812 I Alt. 2, 818 II des Herstellers ggü dem Besteller (+) - ggf. gesamtschuldnerische Haftung von Werkunternehmer und (bösgläubigem) Besteller
=> Eigentümerschutz: Wahlrecht zwischen Vindikationsanspruch und Bereicherungsanspruch (wenn Vindikation schwierig)
Konkurrenz von Leistungs- und Eingriffskondiktion: mögliche Auflösungsregeln
- Konstellation: Anspruchssteller ist regelmäßig der Zuwendende, der mit dem Anspruchsgegner (Zuwendungsempfänger) regelmäßig nicht
in einer Leistungsbeziehung steht und deshalb nur einen Anspruch aus Eingriffskondiktion geltend machen kann
-> ob diese möglich ist, hängt maßgeblich von der sachenrechtlichen Parallelwertung ab: - Möglichkeit des Gutglaubenserwerbs: Hypothetische Prüfung, ob rechtsgeschäftlicher Eigentumserwerb kondiktionsfest wäre
- > §§ 932, 935, 816 Abs. 1 S. 1*, § 366 HGB
- Ausschluss eines Gutglaubenserwerbs: bei abhandengekommenen Sachen oder bei Bösgläubigkeit
-> §§ 935, 932 II
=> Eingriffskondiktion möglich
*Gesetzgeber wollte den entgeltlichen redlichen Erwerb “kondiktionsfest” machen, ihm also schuldrechtliche Beständigkeit verleihen
Konkurrenz von Leistungs- und Eingriffskondiktion: mögliche Auflösungsregeln: Gutgläubiger (Geheiß-) Erwerb anhand des Hemden-Falls
- Konstellation: G betreibt eine Hemdenfabrik. Der Schneider M hat schon mehrfach Hemdengeschäfte für G vermittelt. Eines Tages schließt M mit S einen Kaufvertrag über die Lieferung von Hemden ab und einigt sich über den Eigentumsübergang. M legt dabei nicht offen, dass er im Namen des G handelt. Wie mit M abgesprochen, holt sich S die Hemden bei G ab, der diese ohne weiteres herausgibt, weil er an ein eigenes Geschäft glaubt. S veräußert die Hemden an Dritte. G verlangt von S Bezahlung der Hemden.
- Vertraglich (-)
- EBV (-), da gutgläubiger Geheißerwerb
- § 812 I S. 1 Alt. 1 (-), da aus Sicht des Empfängers keine Leistung des ursprünglichen Eigentümers besteht
- § 816 I S. 1 (-), da in der Fallkonstellation der Verfügende zur Veräußerung berechtigt ist (Verfügungsbefugnis besitzt)
- § 812 I S. 1 Alt. 2 (-)
- > TB (+)
- > Ausschluss aus systematischen Gründen: Vorrang der Leistungskondiktion, da eine Direktkondiktion den Wertungen des gutgläubigen Erwerbs widerspricht und eine Direktkondiktion nur im Fall der §§ 816 I S. 2, 822 vorgesehen ist
Irrtümliche Zahlung fremder Schulden: beidseitiger Irrtum
- in Wahrheit ist ein Dritter der Schuldner, wovon Zuwendender und Empfänger nichts wissen
- § 812 I S. 1 Alt. 1
1. Etwas erlangt
2. Durch Leistung
a. Leistung nach objektiviertem Empfängerhorizont (+)
b. Drittleistung (für wahren Schuldner) gem. § 267 (-), da keine Tilgungsbestimmung vorliegt
c. Erklärung einer nachträglichen Tilgungsbestimmung (P)
3. Ohne Rechtsgrund (+), da Leistender nicht Schuldner ist und auch keine entsprechende Tilgungsbestimmung auf dessen Schuld gerichtet vorliegt
Irrtümliche Zahlung fremder Schulden: einseitiger Irrtum (idR: Zuwendender will auf seine Schuld leisten, während Empfänger glaubt, es handele sich um eine Leistung eines anderen Schuldners)
- hM: objektivierter Empfängerhorizont, aber Anfechtung der Tilgungsbestimmung möglich (§ 119 I)
- > Direktkondiktion beim Empfänger
- > auch möglich (hM): nachträgliche Änderung der Tilgungsbestimmung (zur Drittleistung, § 267)
Anweisungsfälle: Schuldverhältnisse und Beteiligte
- Zwischen Anweisendem und Angewiesenem: Deckungsverhältnis
- Zwischen Angewiesenem und Anweisungsempfänger: Zuwendungsverhältnis
- Zwischen Anweisendem und Anweisungsempfänger: Valutaverhältnis
Anweisungsfälle: Bereicherungsrechtliche Problematik (typische Konstellation)
- Zuwendung des Angewiesenen an den Anweisungsempfänger ist aus dessen Sicht eine Leistung des Anweisenden, nicht des Angewiesenen
- Zuwendung des Angewiesenen an den Anweisungsempfänger ist eine Leistung des ersteren an den Anweisenden
Anweisungsfälle: Erfüllungsrechtliche Problematik (typische Konstellation)
- Anweisung: einseitige rechtsgeschäftsähnliche Handlung, die Tilgungsbestimmung enthält
- Zuwendung des Angewiesenen an den Anweisungsempfänger bewirkt Erfüllung im
a) Deckungsverhältnis: zwischen Angewiesenem und Anweisendem (zB Auftrag) wird erfüllungstauglich durch die Zuwendung des Schuldners (= Angewiesener) nicht an seinen Gläubiger (= Anweisender), sondern an den Dritten (= Anweisungsempfänger) »geleistet« (§§ 362 II, 185: Leistung an Dritten)
b) Valutaverhältnis: zwischen Anweisendem und Anweisungsempfänger (zB Kaufvertrag) erfüllt der Anweisende unter Einschaltung des Angewiesenen, der als Bote des Anweisenden dessen notwendige Tilgungsbestimmung dem Anweisungsempfänger überbringt
Anweisungsfälle: Erfüllungsrechtliche Problematik (typische Konstellation): Unterscheidung der Erfüllung unter Einschaltung eines Dritten als Hilfsperson von der Tilgung einer fremden Schuld iSv § 267
- bei § 267: der zahlende Dritte trifft eine eigene Tilgungsbestimmung
- bei der Anweisung trifft der Anweisende die Tilgungsbestimmung, die der Angewiesene (als aus seiner Sicht fremde Tilgungsbestimmung) als Bote überbringt
- SEPA-Basis-Lastschriftverfahren (BGH): Forderung des Gläubigers bereits mit vorbehaltloser Gutschrift des Zahlbetrages auf seinem Konto erfüllt
- > Erfüllung ist aber wegen der achtwöchigen Rückbelastungsmöglichkeit des Schuldners (§ 675 e Abs. 4) auflösend bedingt
- -> Erfüllung entfällt rückwirkend (§ 159), wenn es zu einer Rückbelastung kommt
Anweisungsfälle: Wirksame Anweisung: Nichtigkeit (nur) des Deckungsverhältnisses (und P: Bereicherungsgegenstand)
- Angewiesener hat Bereicherungsgegenstand an Anweisungsempfänger zugewendet, wobei zwischen Angewiesenem und Anweisendem kein Rechtsgrund besteht
- > Leistungskondiktion des Angewiesenem ggü dem Anweisenden
- > Nichtleistungskondiktion direkt gegen Anweisungsempfänger scheidet grds. aus
- -> BGH: ausnahmsweise Direktkondiktion, wenn
1. der Empfänger nach der mit dem Anweisenden im Valutaverhältnis getroffenen Regelung die Leistung unentgeltlich erhält und
2. in der Person des Anweisenden die Voraussetzungen des §§ 818 Abs. 4, 819 nicht vorliegen
pro: Rechtsgedanke der §§ 816 Abs. 1 S. 2, 822 - -> Lit: keine Direktkondiktion gem. § 812 I S. 1 Alt. 2, sondern §§ 816 Abs. 1 S. 2, 822 analog
- P: Bereicherungsgegenstand:
- > hM: Anweisender hat Befreiung von seiner Verbindlichkeit gegen den Anweisungsempfänger erlangt (§ 362)
- > mM: Anweisender hat bei normativer Betrachtung den Gegenstand selbst erlangt (es wurde ja auch an den Anweisenden geleistet)
- -> iE: kann dahinstehen, da jedenfalls nach § 818 II Wertersatz
- -> auch bei mM kann sich beim Untergang des Gegenstandes selbst der Anweisende nicht auf Entreicherung gem. § 818 III berufen, da er jedenfalls auch eigene Aufwendungen erspart hat
Anweisungsfälle: Wirksame Anweisung: Nichtigkeit (nur) des Valutaverhältnisses
- Rückabwicklung nur in diesem Leistungsverhältnis
- > reguläre Leistungskondiktion