Vorlesung 6 Flashcards
Allgemeine Bedeutung von Beratung
- Über die letzten Jahre stetig steigender Beratungsbedarf in der Gesamtgesellschaft („Beratungsboom“, Krause, 2003)
- Ursachen
- Zunehmend rascher Wandel
- Vielfalt an Orientierungen und Lebensentwürfen
- Stetig steigende Komplexität der individuellen Lebenswelten
- höhere Anforderungen an das Einzelindividuum (z.B. vielfältige Wahlmöglichkeiten, mehr Eigenverantwortung, steigende Risiken)
- gleichzeitiger Rückgang sozialer Stützstrukturen (Zeitmangel, Mobilität, räumliche Distanz i.d. Familien)
- –> Steigende Anforderungen bei teilweise sinkenden Ressourcen (Zeit, soziales Netzwerk, Familie) für die Bewältigung der vielfältigen Ansprüche
Beratung als Bestandteil der Lehrertätigkeit
Beratung =
wesentlicher Bestandteil des Bildungs- und Erziehungs- auftrags der Schule und damit zunächst Aufgabe jeder Lehrerin und jedes Lehrers
»Beratungstätigkeit in der Schule ist grundsätzlich ebenso wie Unterrichten, Erziehung und Beurteilen Aufgabe aller Lehrerinnen und Lehrer«
(Ministerium für Schule und Weiterbildung Nordrhein-
Westfalen, 1997).
Beratungsrelevante Aufgaben im Lehrerberuf:
- mit Schülerinnen und Schülern über ihre Lernfortschritte sprechen
- Konflikte zwischen Gruppierungen einer Klasse klären
- mit Eltern über den weiteren Bildungsweg ihres Kindes beraten
- einer Kollegin, einem Kollegen raten, wie mit einer schwierigen Klassensituation umgegangen werden kann.
- In Teams gemeinsam über Schulentwicklungsprozesse beraten
- …
Ursachen steigenden Bedarfs für Beratung an Schulen:
- ZunahmeanBeratungsanlässen
- Abnahmean(Beratungs-)Fachpersonal
- LehreralsLernberater
- VielfältigeReformen
- Schulentwicklung
- Evaluation
- BedarfankollegialerBeratungundSupervision
Definition von Beratung
= eine freiwillige kurzfristige, soziale Interaktion zwischen mindestens zwei Personen. Das Ziel der Beratung besteht darin, in einem gemeinsam verant- worteten Beratungsprozess die Entscheidungs- und damit Handlungs- sicherheit zur Bewältigung eines aktuellen Problems zu erhöhen. Dies geschieht in der Regel durch die Vermittlung von neuen Informationen und/oder durch die Analyse, Neustrukturierung und Neubewertung vorhandener Informationen.“ (Schwarzer & Posse, 2005, 139).
= „Hilfe zur Selbsthilfe“ (z.B. Hofer, 1996)
–>keine unidirektionale Vermittlung von Unterstützung, sondern interaktiver Prozess geteilter Verantwortung
Fazit: Was ist Beratung?
…und was ist pädagogische Beratung?
- Weg zum Umgang mit Problemen/ schwierigen Situationen
- Erfolgt immer in interaktiver Form
- Prozess in ein- oder mehrmaligem Durchlauf
PB
- Beratungsbedarf besteht im pädagogischen Handlungsfeld
- Es geht um die Gestaltung von Lernprozessen
- Beim Ratsuchenden wird eine Ressourcenaktivierung und – weiterentwicklung angestrebt
- das Umfeld des Ratsuchenden wird eingebunden
- Es handelt sich nicht nur um Intervention, sondern auch um Prävention
Problemfelder pädagogischer Beratung
Erziehungsprobleme:
Überforderung in Erziehungsaufgaben; Schwierigkeit, erzieherische Entscheidungen treffen, die Situation als allein erziehender Vater/ allein erziehende Mutter
Entwicklungsprobleme:
Ängste, Entwicklungsverzögerungen, Kontaktschwierigkeiten, Sprach- störungen, Trennungsängste, Kopfschmerzen, Migräne, Essstörungen, Schlafstörungen oder andere psychosomatische Beschwerden; im Jugendalter: Probleme wegen beginnender Ablösung vom Elternhaus, usw.
Schulprobleme:
Lern- und Leistungsprobleme; Leistungsdruck;
Teilleistungsstörungen, Legasthenie, Dyskalkulie; Aufmerksamkeitsstörungen: Konzentrationsstörungen,
Hyperaktivität, Impulsivität; Ängste; Überforderung,
Verhaltensprobleme, Fehlhaltungen, Fragen des Schulwechsel, der Eignung
Familienprobleme:
Arbeitslosigkeit, wirtschaftliche Schwierigkeiten, Spannungen aufgrund unterschiedlicher Kulturen oder Wertvorstellungen
Eheprobleme:
Partnerschaftsprobleme, Beziehungsschwierigkeiten der Eltern, Phase der Trennung und Scheidung, Scheidungskinder,
Ziele von Beratung
- Allgemeine Orientierungshilfe
- Erweiterung der Perspektiven auf das „Problem“
- Handlungs- oder Entscheidungsmöglichkeiten des Ratsuchenden verbessern, damit er/ sie eigenständig und aktiv das Problem selbst lösen kann
- ggf. Förderung von Veränderungen im Verhalten, Denken & Fühlen.
- Erlernen adaptiverer Bewältigungsstrategien
- verbesserte zwischenmenschliche Beziehungen
- verbessertes Selbstgefühl
- optimale Förderung der psychischen Entwicklung des Menschen
Wie komme ich zu einem Problem?
„Ein Problem entsteht durch die Konstruktion einer Ist-Soll-Diskrepanz. Dabei stößt man bei Versuchen, das unerwünschte „Ist“ in das gewünschte „Soll“ zu verwandeln, auf Blockaden zwischen Ist und Soll.
Und dies wird verbunden mit Lösungsversuchen (Maßnahmen, Schritten, mit denen man das Problem lösen will), die nicht zum gewünschten Ziel führen.“
Schmidt (2004)
Formen von Beratung?
- Unterscheidung in Professionelle Beratung vs. Alltagsberatung
- Expertenberatung (ein Fachmann gibt Ratschläge, z.B. Ernährungsberatung, IT-Beratung)
- Prozessberatung (die Lösungen werden mit Unterstützung der/s Beratenden selbst generiert, z.B. Familienberatung, kollegiale Fallberatung).
Aber: Eine strikte Trennung der beiden letztgenannten Begriffe ist eher kontraproduktiv, da Expertenberatung häufig auch eine Prozessberatung miteinschließt und umgekehrt
Formen von Beratung 2
- Einzelberatung
–> individuelle Beratung unter aus verschiedenen Beratungsperspektiven
- Gruppenberatung
–> z.B. kollegiale Fallberatung
- Organisationsberatung
Professionalität im Beraten
- Beratung ist keine gesetzlich geschützte Berufsbezeichnung
–> Berater/ in zu sein, bedarf keiner staatlich legitimierten Ausbildung/ Prüfung
-
Professionelle Beratung setzt voraus:
- Ein spezifisches Setting der Beratung
- Eine/n ausgebildete/n Berater/in
- Professionelle Beratungsmethoden
- Berater/in muss die Problemlage der Ratsuchenden inhaltlich verstehen, sie muss aber vor allem Expertin darin sein, den Ratsuchenden zu helfen, ihr Problem besser zu verstehen und Lösungsmöglichkeiten für sich zu entwickeln und umzusetzen. (Schnebel, 2007, 16)
Verwandte Konzepte
- Coaching
- individuelle Förderung und Begleitung von Entwicklungsprozessen
- Supervision
- reflektierende Unterstützung für Personen/ Teams
- Moderation
- Steuerung eines zielgerichteten Gruppenprozesses durch eine unabhängige Person
- Mediation
- Unterstützung bei der Konfliktbewältigung von mind. 2 Parteien
- Training
- wiederholte Maßnahme zum Aufbau von Kompetenzen
- Therapie
- für Probleme mit Krankheitswert, die von staatlich anerkannten Therapeuten behandelt werden
Doppelverortung von Beratung
Psychologie
Beratungs- und Interaktions- wissen, z.B.:
- Diagnostik
- Gesprächsführung
Pädagogik
- Handlungsfeldspezifisches Wissen, z.B.:
- Inhalte einer Schullaufbahnberatung
!!! Eine strenge Trennung der Disziplinen ist in der schulischen Beratung nicht sinnvoll.
Psychologie und Pädagogik greifen eng ineinander
Beratung als Lehr-Lern-Konzeption
- Beratung kann als Lehr-Lern-Konzeption beschrieben werden
- Bei Beratung geht es darum, Verhalten oder Erleben zu ändern –> etwas neu lernen, um- oder anders lernen
- „das Verständnis von Beratungsprozessen als Lernprozesse kann Lehrkräften, die sich primär mit Lernen befassen, helfen, die Mechanismen pädagogischer Beratung zu verstehen und in ihre Arbeit zu integrieren“ (Schnebel, 2007, 33f)
- Dennoch Unterschiede zwischen Lehren und Beraten
- Themen/ Inhalte
- Persönliche Involviertheit
- Beraten ist nicht gleich Unterweisen!