Tut ÖR I+II Flashcards
Prüfungspunkte “Zulässigkeit der Anfechtungsklage”?
I. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs (§ 40 I 1 VwGO)
II. Statthafte Klageart (§§ 88. 86 II VwGO)
III. Klagebefugnis, § 42 II VwGO
IV. Erforderlichkeit des Vorverfahrens (§§ 68 ff. VwGO)
V. Zuständigkeit des Gerichts
1. Sachlich (§ 45 VwGO)
2. Örtlich (§ 52 ff. VwGO iVm. XY)
VI. Beteiligtenbezogene Voraussetzungen
1. Klägerin (§ 63 Nr. 1 VwGO)
a) Beteiligtenfähig, § 61 Nr. 1 Alt. 1 VwGO
b) Prozessfähig, § 62 I Nr. 1 VwGO iVm. §§ 104 ff. BGB
2. Beklagter (§ 63 Nr. 2 VwGO)
a) Beteiligtenfähig, § 61 Nr. 1 Alt. 2 VwGO
b) Evtl. Vertretung zB.: § 62 III VwGO iVm. Art. 16 S. 1, 2 AGVwGO, § 3 I 1 Nr. 1, II 1 LABV und Art. 37 LKrO = Landratsamt vertritt Freistaat Bayern
VII. Form (§ 81 I VwGO) und Frist (§ 74 I 2 VwGO)
Was sind die drei Prüfungsschritte bei der Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs?
- Keine aufdrängende Sonderzuweisung
- Generalklausel § 40 I 1 VwGO
- Keine abdrängende Sonderzuweisung
Wie prüft man, ob öffentlich-rechtliche Streitigkeit vorliegt?
Modifizierte Subjektstheorie:
- Abhängigkeit von den streitentscheidenden Normen:
1) Welche Normen wird das Gericht zur Entscheidung heranziehen
2) Sind diese Normen dem öffentlichen Recht zuzuordnen? - Ansonsten:
b) Interessentheorie
Subor
c) Subordinationstheorie
Wann liegt eine Streitigkeit nichtverfassungsrechtlicher Art vor?
Wenn sie sich nicht durch “doppelte Verfassungsunmittelbarkeit” auszeichnet
= Verfassungsorgane streiten + die im kern streitentscheidenden Normen sind dem Verfassungsrecht zuzurechnen
Definitionsmerkmale des VAs gem. § 35 VwVfG + Abgrenzungsdetails?
- Maßnahme = Jedes Verhalten mit Erklärungswert
- Behörde, § 1 IV BayVwVfG = Jede Stelle die Aufgaben der Verwaltung wahrnimmt
- Gebiet des öffentlichen Rechts = wenn die streitentscheidenden Normen ausschließlich Träger hoheitlicher Gewalt einseitig berechtigen oder verpflichten
- Hoheitlich = Abgrenzung zum ör Vertrag
- Regelung = Auf Setzung eines Rechts gerichtet
- -> (P) Abgrenzung zum Realakt - Einzelfall = konkret-individuell –> auf einen bestimmten SV und eine bestimmte Person gerichtet
- -> (P) Abgrenzung Rechtsnorm insb. RVO - Außenwirkung = VA an Rechtssubjekt außerhalb des Verwaltungsrechts gerichtet
- -> (P) Verwaltungsvorschrift
Klagebefugnis: Was besagen Möglichkeits- und Adressatentheorie? In welchem Verhältnis stehen sie zueinander?
- Der Kläger müsste geltend machen, durch den angegriffenen Verwaltungsakt in eigenen Rechten verletzt zu sein (§ 42 II VwGO).
1. Möglichkeitstheorie
= Geltend machen bedeutet, dass eine Rechtsverletzung nicht offensichtlich und eindeutig nach jeder denkbaren Betrachtungsweise ausgeschlossen erscheint.
2. Adressatentheorie
= Daher ist der Adressat eines belastenden VAs bei behaupteter rw des VAs stets klagebefugt. Es erscheint möglich, dass er zumindest in seinen Rechten aus Art. 2 I GG verletzt ist.
Welche Rolle spielt die Rechtsbehelfsbelehrung für die Klagefrist?
Die Frist gem. § 74 I 2 VwGO (Klageerhebung innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des VAs) beginnt gem. § 58 I VwGO nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist.
–> Sonst § 58 II 1 VwGO: Jahresfrist
- Anhand welcher Normen berechnet sich die Frist bei der Anfechtungsklage?
- Wie nennt man die Frist bei Übermittlung durch die Post?
- Wie berechnet man diese Frist?
- § 74 I 2 VwGO: Klagefrist beträgt einen Monat und beginnt gem. § 41 VwVfG mit Bekanntgabe des VAs.
- § 41 II VwVfG: Drei-Tages-Fiktion
= Verwaltungsakt gilt als am Dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bekanntgegeben. - Fristberechnung:
a) Fristbeginn der Ereignisfrist §§ 57 II VwGO, 222 I ZPO iVm. § 187 I BGB
= Fristbeginn am Tag nach Ereignis
b) Fristende §§ 57 II VwGO, 222 I ZPO iVm. § 188 II BGB
= Ende an dem Tag der durch seine Bezeichnung dem Tag des Ereignisses entspricht
c) Merke: Keine analoge Verschiebung nach § 31 III VwVfG oder analog § 193 BGB, da es bei Bekanntgabe eines VAs nicht um ein Fristende geht, der Schutz der Feiertagsruhe also nicht erforderlich ist
Wie kann man eine scheinbar verfristete Klage retten?
Wenn die Rechtsbehelfsbelehrung fehlt oder unrichtig ist, § 58 II VwGO.
Wie lautet der Obersatz der Anfechtungsklage?
Die Anfechtungsklage ist begründet, wenn sie gegen den richtigen Beklagten gerichtet ist (§ 78 I Nr. 1 VwGO) und soweit der Bescheid der LMU rechtswidrig ist und die Klägerin dadurch in ihren Rechten verletzt ist (§ 113 I 1 VwGO).
Begründetheitsaufbau der Anfechtungsklage?
I. Passivlegitimation II. Rechtmäßigkeit des VAs, § 113 I 1 VwGO 1. Rechtsgrundlage 2. Formelle Rechtmäßigkeit a) Zuständigkeit b) Verfahren, insb. Anhörung Art. 28 I VwVfG c) Form a. Bestimmtheit, Art. 37 III BayVwVfG b. Art. 39 I BayVwVfG c. Spezielle Normen, zB. BayBo 3. Materielle Rechtmäßigkeit III. Subjektive Rechtsverletzung gem. § 113 I 1 VwGO
Was bedeutet Passivlegitimation? Wieso kann nur ein Rechtsträger passivlegitimiert sein, nie eine Behörde?
Passivlegitimiert ist derjenige der berechtigt ist zu handeln aufgrund eines Gesetzes.
Da in Bayern das Rechtsträgerprinzip gilt, ist immer der Rechtsträger und nicht die Behörde passivlegitimiert.
Wer ist allgemein der richtige Klagegegner? Auf welche Besonderheit ist hierbei aufgrund des Staatsaufbaus in Bayern zu achten?
- Richtiger Klagegegner ist der Rechtsträger der Erlassbehörde, § 78 I Nr. 1 VwGO
- Wenn normalerweise das Landratsamt/Kreisverwaltungsbehörde zuständig ist, gilt im Falle von Kreisfreien Gemeinden die Ausnahme, dass sie im übertragenen Wirkungskreis alle Aufgaben wahrnehmen. Art. 3 I Nr. 2 BayVwVfG, Art. 9 I 1 GO.
Welche formellen Vorgaben bestehen für Verwaltungsakte?
- Zuständigkeit
a) Sachlich
b) Örtlich, Art. 3 BayVwVfG - Verfahren
a) Anhörung, Art. 28 BayVwVfG –> Grundsatz/Ausnahme - Form
a) Bestimmtheit, Art. 37 I BayVwVfG
b) Begründetheit, Art. 39 BayVwVfG
- Was ist Ermessen?
- Welchem Zweck dient es?
- Inwieweit können die Gerichte überprüfen ob das Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt wurde?
- Welche Ermessensfehler unterscheidet man?
- Enthält eine Rechtsnorm auf der Rechtsfolgenseite ein Ermessen, so trifft die Behörde keine gebundene Entscheidung, sondern kann unter mehreren möglichen Entscheidungen wählen. Ermessen ist entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens sind einzuhalten
- Der Gesetzgeber kann bei einem Gesetzesentwurf nicht alle erdenklichen Möglichkeiten der Fallgestaltung vorhersehen und konkret regeln, weswegen das Gericht bei den Einzelfallentscheidung der Vielseitigkeit unterschiedlicher Lebenssachverhalte gerecht werden soll.
- Die Überprüfung konzentriert sich allein darauf, ob der Verwaltung bei ihrer Entscheidung Fehler unterlaufen sind und ist somit sehr eng auszulegen.
- Zu unterscheiden sind: a) Ermessensausfall (Ermessensnichtgebrauch, Ermessensunterschreitung),
b) Ermessensüberschreitung,
c) Ermessensfehlgebrauch
Welche Besonderheit gilt bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit eines Eingriffs in die Berufsfreiheit?
Die “Drei-Stufen-Theorie”
Wer ist passivlegitimiert, wenn die “Kreisverwaltungsbehörde” zuständig ist?
- Gem. § 78 I Nr. 1 VwGO ist der Träger der Behörde passivlegitimiert, die den VA erlassen hat.
- Handelt das Landratsamt, so ist auf dessen Doppelstellung zu achten:
- Es kann gem. Art. 37 Abs. 1 LkrO sowohl Kreisbehörde als auch Kreisverwaltungsbehörde (= Staatsbehörde) sein.
a) Kreisbehörde = Das LRA beschäftigt sich mit den Aufgaben des Landkreises.
- -> In diesen Fällen ist der Landkreis als kommunale Gebietskörperschaft und Träger des Landratsamts der richtige Beklagte i.S.d. § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO. b) Tätigwerden als Kreisverwaltungsbehörde = Es erledigt dann kein Kreisaufgaben, sondern Staatsaufgaben und ist Staatsbehörde.
- -> Richtiger Klagegegner ist der Freistaat Bayern.
- Was ist bei der Wahl der Rechtsgrundlage bei der Aufhebung eines VAs zu beachten?
- Welche Folgen hat es, wenn die Behörde die falsche Rechtsgrundlage wählt?
- Im Normalfall ist keine spezielle Regelung für die Aufhebung eines VAs ersichtlich und es sind Art. 48/49 BayVwVfG heranzuziehen und voneinander abzugrenzen iR. Vom Prüfungspunkt „Rechtsgrundlage“.
- -> Maßgeblich ist dabei die (objektive) Rechtswidrigkeit zum Zeitpunkt des Erlasses des aufgehobenen VA. a) War dieser rechtswidrig, erfolgt die Rücknahme nach Art. 48 BayVwVfG
b) war dieser rechtmäßig, erfolgt der Widerruf nach Art. 49 BayVwVfG.
Was ist mit “Schachtelprüfung” bei Art. 48/49 BayVwVfG gemeint?
Die materielle Prüfung des Aufhebungsbescheids:
I. Materielle Rechtmäßigkeit, § 48 BayVwVfG
1. Rechtswidrigkeit des Ausgangsbescheids
a. Rechtsgrundlage des Ausgangsbescheids
b. Formelle Rechtswidrigkeit des Ausgangsbescheids
a) Zuständigkeit
b) verfahren, Art. 9 ff. BayVwVfG
c. Materielle Rechtswidrigkeit des Ausgangsbescheids
a) Genehmigungspflichtigkeit
b) Genehmigungsfähigkeit
d. Besonderer Vertrauensschutz bei begünstigenden VA, Art. 48 I 2, II-IV BayVwVfG
a) Liegt begünstigender VA vor?
b) Frist des Art. 48 IV BayVwVfG
c) Art. 48 II: Teilbare Sach- oder Geldleistung?
d) Art. 48 III: Entschädigungsanspruch, KEINE zusätzliche Tatbestandsvoraussetzung
e) oder III BayVwVfG
e. Rechtsfolge: Ermessensausübung
Prüfungsschema hinsichtlich der Fehlerfolge eines formell rechtswidrigen VAs?
(1) Keine Nichtigkeit gem. Art. 44 BayVwVfG
(2) Heilbarkeit gem. Art. 45 I BayVwVfG
(3) Rechtzeitige Nachholung, Art. 45 II BayVwVfG: Eine Heilung bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens möglich.
(4) Im Übrigen ist eine etwaige Unbeachtlichkeit des Fehlers gem. Art. 46 BayVwVfG zu prüfen.
In welchen Fällen ist es idR. offensichtlich, dass die Verletzung der Form ( wegen Vetternwirtschaft) die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat? (Art. 46 BayVwVfG)
Bei gebundenen Entscheidungen, da hier gar kein anderes Ergebnis möglich ist und der Formfehler somit unbeachtlich für die Entscheidung ist.
Inwieweit ist bei der Rücknahme eines VAs nach Art. 48 III BayVwVfG Vertrauensschutz zu berücksichtigen?
Es ist im Rahmen des Ermessens zu beachten!
Wann ist ein Fehler gem. Art. 46 BayVwVfG unbeachtlich?
Nur bei offensichtlicher Einflusslosigkeit des Verfahrensmangels auf die Entscheidung in der Sache. Dies ist jedenfalls grundsätzlich immer dann anzunehmen, wenn es sich um eine gebundene Entscheidung handelt, die weder Ermessensspielräume noch Beurteilungsspielräume eröffnet.
–> Die Nachweislast für die Einflusslosigkeit liegt bei der Behörde (Innenbereich des behördlichen Entscheidungsvorgangs); bloße Behauptungen oder gar Mutmaßungen genügen nicht.
Wie wirkt sich die Wahl der falschen Rechtsgrundlage (Art. 48/49 BayVwVfG bei Aufhebungsbescheid) aus?
- Konstellation: Die Behörde wählt Art. 49 BayVwVfG, der aufzuhebende VA ist aber rechtswidrig.
= Nach h.M. kann trotzdem ein rechtmäßiger Widerruf vorliegen. Da nach Art. 49 BayVwVfG ein Widerruf rechtmäßiger Verwaltungsakte zulässig ist, soll man erst recht rechtswidrige Verwaltungsakte aufheben können (argumentum a fortiori). Hintergrund: Die Anforderungen des Art. 49 BayVwVfG sind strenger als die des Art. 48 BayVwVfG. - Konstellation: Die Voraussetzungen des Art. 49 BayVwVfG sind nicht erfüllt.
= Ein Austausch der Rechtsgrundlage zu Art. 48 BayVwVfG ist in der Regel möglich, weil die Ermessenserwägungen auch zu dieser Rechtsgrundlage passen werden. - Konstellation: Die Behörde wählt Art. 48 VwVfG, der aufzuhebende VA ist aber rechtmäßig.
= Hier ist kein Erst-Recht-Schluss zulässig! Der Austausch der Rechtsgrundlage wird in der Regel nicht möglich sein, weil die Ermessenserwägungen nicht passen: Bei einem tatsächlich rechtmäßigem Grundverwaltungsakt ist die Hürde für die Aufhebung höher, das hätte die Behörde in ihren Ermessenserwägungen berücksichtigen müssen.
Was besagt die “actus-contrarius-Theorie”?
Aufhebungsbescheid gehört dem Rechtsregime an, nach dem sich der aufgehobene Akt richtet.
Welche Klagefrist gilt bei Verkehrsschildern?
Wann beginnt der Lauf der Klagefrist?
- Die Bekanntgabe könnte im Aufstellen gesehen werden.
- Nach dem Rechtsgedanken des § 41 VwVfG ist für die Bekanntgabe grundsätzlich erforderlich, dass damit zu rechnen ist, dass der Adressat des Verwaltungsakts von seinem Inhalt Kenntnis nimmt (entsprechend § 130 BGB).
- Allerdings lässt § 41 III 2 VwVfG die öffentliche Bekanntgabe von Allgemeinverfügungen zu. Nach den bundesrechtlichen Vorschriften der StPO genügt dazu die Aufstellung des Verkehrszeichen; erforderlich ist lediglich, dass „ein durchschnittlicher Kraftfahrer bei Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt das Schild schon ‚mit einem raschen und beiläufigen Blick‘ erfassen kann“. Auf eine individuelle Kenntnisnahme eines Adressaten kommt es dann nicht mehr an.
- Das führte allerdings im Ergebnis dazu, dass ein Verkehrsteilnehmer, der mit einem Verkehrszeichen erstmals mehr als ein Jahr nach dessen Aufstellung konfrontiert wird, keine Anfechtungsmöglichkeit hätte. Dies ist nicht mit der Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) vereinbar.
- -> Die Frist darf deshalb erst mit der erstmaligen Kenntnisnahmemöglichkeit jedes individuellen Verkehrsteilnehmers beginnen