Täterschaft und Teilnahme Flashcards

1
Q

Tatbestandsspezifische Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme bei besonderen Deliktstypen

A
  1. Sonderdelikte (Besondere Subjektqualität des Täters, bspw. Amtsträger)
  2. Pflichtdelikt (Besondere Pflichtstellung des Täters, bspw. Vermögenbetreuungspflicht)
  3. Eigenhändige Delikte (persönliche Ausführungshandlung)
  4. Delikte mit überschießender Innentendenz (bspw. Zueignungsabsicht)
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2
Q

Abgrenzung Täterschaft vs. Teilnahme

A
  1. Extrem-subjektive Theorie (überholte Rechtssprechung): Abgrenzung erfolgt allein aufgrund des inneren Willens des Handelnden (Abgrenzungsformel: Täter ist, wer die Tat als eigene will, Teilnehmer, wer sie als fremde will); auf objektive Umstände kommt es nicht an
    con: verkannt wird die durch § 25 I Alt. 1 erforderliche Tatbestandsgebundenheit des Täterwillens
    con: Figur des Täterwillens zu wenig greifbar und ungenau bestimmbar
  2. Subjektive Theorie (heutige Rechtssprechung): entscheidendes Kriterium nach wie vor der Wille zur Tat, jedoch ergänzt um eine wertende Beurteilung objektiver Kriterien (Grad des eigenen Interesses am Taterfolg, Umfang der Tatbeteiligung, Tatherrschaft oder Wille zur Tatherrschaft)
    con: bis auf den Umfang der Tatbeteiligung handelt es sich im Kern noch um subjektive Kriterien (Pseudo-Objektivität)
    con: Eigeninteresse an der Tat wenig hilfreich bei Delikten, die tatbestandsmäßig in fremdem Interesse begangen werden
  3. Formal-objektive Theorie (überholte Lehre): Täter ist, wer die tatbestandsmäßige Handlung ganz oder teilweise vornimmt (Teilnehmer: nur Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlungen)
    con: § 25 I S. 1 Alt. 2 (mittelbare Täterschaft) ist nicht erklärbar
    con: Bandenchef u.a. “Schalzentralen” können nicht als Täter erfasst werden
  4. Materiell-objektive Tatherrschaftslehre (h.L.): Täter ist Zentralgestalt des Geschehens, Teilnehmer ist Randfigur.. Zentralgestalt zeichnet sich durch planvoll-lenkende oder mitbestimmende Tatherrschaft aus. Tatherrschaft ist das vom Vorsatz umfasste In-den-Händen-Halten des tatbestandsmäßigen Geschehensablaufes
    - unmittelbare Täterschaft: Handlungsherrschaft
    - mittelbare Täterschaft: Willensherrschaft
    - Mittäterschaft: funktionale Handlungsherrschaft
    pro: Synthese der erforderlichen subjektiven und objektiven Elemente durch das Prinzip der Tatherrschaft
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3
Q

Abgrenzung Täterschaft vs. Teilnahme bei Unterlassungsdelikten

A
  1. Gleichbehandlungstheorie (Rspr.): wie bei Begehungstat: greift auf die allgemeinen Abgrenzungskriterien zurück. Es wird darauf abgestellt, ob der Unterlassende das Geschehen als Zentralfigur mitbeherrscht oder es eher als Randfigur ablaufen lässt. Weitere Kriterien, die zur Abgrenzung herangezogen werden, sind der Grad der tatsächlichen Beherrschung des Geschehensverlaufs, die Nähe zum Schutzobjekt und zur Gefahrenquelle und die Mitwirkung bei der Tatplanung
    con: bei subjektiven Theorien wie oben
    con: ein Unterlassender kann auch keine Tatherrschaft besitzen; die bloße Möglichkeit der Erfolgsabwendung begründet noch keine Tatherrschaft (s. 3 Teilnehmertheorie)
  2. Tätertheorie: der ist Täter, der als Garant eine fremde Begehungstat nicht verhindert (aus Erfolgabwendungspflicht - die Pflichtverletzung ersetzt die Tatherrschaft)
  3. Teilnehmertheorie: stets als Teilnehmer, insofern der Begehungstäter voll verantwortlich ist (und die Tatherrschaft innehat) - wer die Tat geschehen lässt, beherrscht sie nicht
    con: Tatherrschaft als Abgrenzungskriterium beim Unterlassen ungeeignet: als “Gestaltung des Geschehensablaufs” fehlt sie beim Unterlassen notwendigerweise völlig
    con: Untätige Garanten, die a) nicht gegen Gefahren von Menschen ausgehend einschreiten, wären besser gestellt als solche, die b) nicht gegen Naturgefahren etc einschreiten (bei a) nur Beihilfe, bei b) Unterlassenstäter)
  4. Differenzierende Theorie: Unterlassender aus Beschützergarantenstellung ist stets Täter, aus Überwachergarantenstellung Teilnehmer, da ersterer in sozial näherer Beziehung zum Opfer steht
    con: außer der sozialen Nähe gibt es kein Argument für eine engere Verknüpfung von Täter und Opfer; außerdem besteht bei beiden Stellungen dieselbe Rechtspflicht
    con: Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen beiden Pflichtstellungsarten
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4
Q

Mittäterschaft plus Voraussetzungen

A

= bewusstes und gewolltes Zusammenwirken aufgrund eines gemeinsamen Tatplanes

  1. objektiv: gemeinschaftliche Tatbegehung
  2. subjektiv: gemeinsamer Tatentschluss
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5
Q

Gemeinsamer Tatentschluss

A
  1. Einverständnis jedes Beteiligten mit dem gemeinsamen täterschaftlichen Vorgehen
  2. Auch konkludent / durch konkrete Verhaltensweise
  3. bei arbeitsteiligem Vorgehen: der Beteiligte muss seinen Beitrag als Teil des anderen und diesen als Ergänzung seines eigenen Tatanteils wollen
  4. Gemeinsamer Tatplan begrenzt auch Zurechnungsmöglichkeit (darüber hinausgehende Handlungen anderer Mittäter werden als Mittäter-Exzess nicht den anderen zugerechnet)
    Aber: während der Tat ist eine einverständliche Vorsatzerweiterung möglich
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6
Q

Sukzessive Mittäterschaft

A

Unstreitig bis zur Vollendung der Tat möglich und nach Beendigung der Tat nicht mehr möglich - Streitig: zwischen Vollendung und Beendigung der Tat möglich?

  1. Tatherrschaftslehre: nur bis Vollendung möglich. Nach dieser ist das tatbestandliche Handeln bereits abgeschlossen und kann täterschaftlich nicht mehr beherrscht werden
    pro: Fehlende Kausalität (Grundvoraussetzung strafrechtlicher Verantwortlichkeit)
    pro: nachträgliche Billigung / Kenntnisnahme wird ansonsten unzulässig in Willen zur Tatherrschaft umgedeutet
  2. Subjektive Theorie: innerhalb der Gesamtwertung der Kriterien kann bspw. ein starkes Eigeninteresse den mangelnden Willen zur Tatherrschaft überlagern
    pro: Erfolg der Tat kann erst nicht mehr gefördert werden, wenn sie ihren materiellen Abschluss gefunden hat
    pro: Prinzip materieller Gerechtigkeit: auch der nach Deliktsvollendung eingetretene profitiert vom Delikt und soll dafür zur Verantwortung gezogen werden können
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7
Q

Gemeinschaftliche Tatbegehung

A

Mittäter muss einen als täterschaftliche Begehung zu wertenden Beitrag (gewisse Erheblichkeit) erbringen

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8
Q

Streit: Erbringen des Tatbeitrags im Vorbereitungsstadium oder nach Vollendung der Tat

A
  1. Subjektive Theorie: Tatortanwesenheit nicht erforderlich
  2. Enge Tatherrschaftslehre: wesentlicher Beitrag während des Ausführungsstadiums (irgendein kommunikativer Akt ausreichend)
    pro: ohne Anwesenheit oder kommunikative Verbindung erscheint der Beteiligte nicht als Zentralgestalt des Geschehens
    pro: keine Strafbarkeitslücken (mittelbare Täterschaft, Anstiftung)
  3. Weder Anwesenheit noch Kommunikation nötig: Täterschaft kann begründet werden, wenn Minus im Ausführungsstadium durch ein Plus im Vorbereitungsstadium ausgeglichen wird
    pro: Entscheidend bei einem Tatbeitrag ist die Bedeutung für die Tat, nicht sein Zeitpunkt
    pro: enge THL führt zu einer sachwidrigen Privilegierung des Organisators, der durch seine genaue Planung sein Mitwirken während der Ausführung überflüssig gemacht hat
    pro: Lösung über Anstiftung/mittelbare Täterschaft würde Umstand nicht gerecht, dass Organisator die Ausführung wesentlich gestaltet hat und sie daher als sein Werk anzusehen ist
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9
Q

Mittäterschaft, getrennte Prüfung

A

A. Strafbarkeit des Tatnächsten
B. Strafbarkeit des weiteren Beteiligten als Mittäter
I. Tatbestandsmäßigkeit
-> Vorprüfung: besondere Merkmale für Täterqualität vorausgesetzt? (strafbegründende persönliche oder subjektive Merkmale)
1. Objektive TBM nicht durch weiteren Beteiligten selbst verwirklicht
2. Fraglich, ob ihm die nicht selbst verwirklichten TBM über § 25 II zuzurechnen sind - Voraussetzung: Mittäterschaft
a. Gemeinsamer Tatplan der Beteiligten (Exzess?)
b. Gemeinsame Tatbegehung (Erheblicher Tatbeitrag? Teilnahme?)
c. Besondere subjektive TBM
II. Rechtswidrigkeit
III. Schuld

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10
Q

Streit: Versuchsbeginn bei Mittäterschaft

A
  1. Einzellösung: für jeden Beteiligten ist gesondert festzustellen, ob er mit seinem Beitrag bereits unmittelbar zur Tat angesetzt hat
    con: Die Struktur der Mittäterschaft ist die der gegenseitigen Zurechnung. Daraus erscheint es strukturwidrig, den Versuch getrennt feststellen zu wollen
    con: sachwidrige Ergebnisse, indem a) der Täter, der schon sehr früh seinen Tatbeitrag leistet, bestraft wird, obwohl noch gar keine konkrete Gefährdung für das Rechtsgut besteht, und b) der Täter privilegiert wird, der seinen Tatbeitrag erst sehr spät erbringt, obwohl durch das Handeln der Mittäter das Rechtsgut bereits gefährdet ist
  2. Gesamtlösung: für alle Beteiligten beginnt der Versuch, wenn der erste Mittäter nach dem gemeinsamen Tatplan zur Tat unmittelbar ansetzt
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11
Q

Streit: Fahrlässige Mittäterschaft

A
  1. Rspr./ hL: es fehlt der Vorsatz als Voraussetzung für einen gemeinsamer Tatentschluss
    pro: Fälle der fahrlässigen Mittäterschaft auch über Nebentäterschaft (mit Anpassung auf Kausalität-/Zurechnungsebene) möglich
  2. Gemeinschaftliche Pflichtverletzung: liegt vor, wenn sich eine durch mehrere gemeinschaftlich geschaffene unerlaubte Gefahr im Erfolg realisiert hat
    pro: Wortlaut des § 25 II unterscheidet nicht zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit
    pro: Argument des fehlendes gemeinsamen Tatentschlusses nicht stichhaltig, da dieser eine Voraussetzung für eine vorsätzliche Mittäterschaft sei; es gehe aber gerade um fahrlässige Mittäterschaft
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12
Q

Streit: Einseitiger Einpassungsentschluss

A

Auch wenn eine einzige Person alle tatbestandlichen Ausführungshandlungen selbst vornimmt, ist es doch denkbar, dass ein Beteiligter ohne Wissen des Handelnden so intensiv mitwirkt, dass er die Ausführung der Tat nach Ort, Zeit und Modalitäten wesentlich mitbestimmt (Ehefrau erzeugt perfekte Umstände für den Mord an ihrem Ehemann durch einen Dritten, der aber um diesen “Service” gar nicht weiß)

  1. Jakobs: der nicht unmittelbar Beteiligte verbindet seinen Tatbeitrag als gestaltende Mitwirkung mit dem Verhalten des Ausführenden
    pro: Schließung von Strafbarkeitslücken (Alleintäterschaft - / Mittäterschaft nach hM - / Mittelbare Täterschaft -)
  2. hM: beiderseitiges Zusammenwirken erforderlich
    pro: oft dürfte es an einer täterschaftlichen Ausführungshandlung als “Einpassungshandlung” fehlen; falls sie aber besteht, könnte eine Zurechnung als eigenverantwortliches Dazwischentreten erfolgen
    pro: keine Strafbarkeitslücken, da Beihilfe möglich sein wird
    pro: ein einseitiger Einpassungsentschluss widerspricht dem Wesen der Mittäterschaft, ein solches setzt ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken voraus, aber kein “Aufdrängen”
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13
Q

Streit: alternatives Zusammenwirken bei Mittäterschaft

A

Die Tatbeiträge addieren oder ergänzen sich nicht, sondern jeder sollte nur alternativ, dann aber allein, die Tat ausführen (Warten an verschiedenen Plätzen auf das Opfer) - ähnlicher Meinungsstand wie beim Erbringen des Tatbeitrags im Vorbereitungsstadium

  1. enge THL: (funktionale) Tatherrschaft meint die Mitausführung der konkreten Tatbestandsverwirklichung
    con: nach § 25 II ist die Mittäterschaft gerade so angelegt, kein eigenhändiges Ausführen der Tathandlung erforderlich ist (Personen sind anhand ihrer Rollenverteilung austauschbar)
  2. weite THL: Mitwirkungsakt bei Tatausführung ohne gegenseitigem Aufbauen oder Ineinandergreifen
  3. weitere THL: Erbringen eines in der Tatausführung weiterwirkenden Beitrags von erheblichem Gewicht
  4. Subjektive Theorie
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14
Q

Ebenen des vorzeitigen Ausstiegs bei Mittäterschaft

A

Ein bloß verbales Lossagen beseitigt die einmal eingenommene Tatrolle nicht. Es bedarf

  1. der Rückgängigmachung der Verursachungsbeiträge
  2. Erhebliche Abweichung der Tat vom ursprünglichen Tatplan in der späteren Ausführung
  3. Wegfall des Tatvorsatzes in dem dafür maßgeblichen Zeitpunkt des Versuchsbeginns, wenn der Beteiligte davon ausging, dass es nicht mehr zu Versuch und Vollendung kommen werde (jedoch Strafbarkeit aus Teilnahme denkbar)
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15
Q

Mittelbare Täterschaft

A

Mittelbarer Täter ist gem. § 25 I Alt. 2 StGB, wer die Tat „durch einen anderen begeht“. Der Täter als Hintermann instrumentalisiert dabei also einen anderen Menschen als sein „Werkzeug“ zur Begehung einer – seiner – Straftat

Tatmittler: unterlegene Stellung
Hintermann: beherrschende Rolle: erfasst Sachlage richtig und hat Geschehensablauf kraft seines planvoll lenkenden Willens in der Hand

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16
Q

Fälle des rechtlich relevanten Verantwortungsdefizits des Vordermanns

A
  1. Objektive Tatbestandslosigkeit
  2. Subjektive Tatbestandslosigkeit
  3. Fehlende Rechtswidrigkeit
  4. Fehlende Schuld
17
Q

Streit: Opfer als Werkzeug gegen sich selbst - Kriterien der freiverantwortlichen Selbstschädigung

A
  1. Exkulpationslösung: Freiverantwortlichkeit ist mithilfe der Schuldausschließungs- bzw. Entschuldigungsgründe zu bestimmen - dann gegeben, wenn der Person ein schuldhaftes Handeln vorgeworfen werden könnte, wenn er statt seiner selbst eine andere Person geschädigt hätte
    pro: Exkulpationsregeln stecken Rahmen für Verantwortlichkeit des eigenen Handeln ab
  2. Einwilligungslösung: Freiverantwortlichkeit gegeben, wenn der Eingriff nach den Regeln der Einwilligung (hinsichtlich der subjektiven Voraussetzungen) gerechtfertigt wäre
    pro: zu enge Bestimmung bei Exkulpation, die sich nach Schuld an einer Fremdschädigung richtet - bei einer Selbstschädigung jedoch ist auf eine solch enge Bestimmung nicht zurückzugreifen
    pro (bei Tötung): Wertungswiderspruch, wenn Einwilligung in Lebensgefährdung niedrigere Anforderung hätte als Einwilligung in Körperverletzung
18
Q

Mittelbare Täterschaft (Aufbau)

A

A. Strafbarkeit Tatnächster
B. Strafbarkeit des Hintermannes als mittelbarer Täter
Vorprüfung: fehlt ganz offensichtlich Täterqualität, ist auch mT abzulehnen
I. Tatbestandsmäßigkeit
1. Objektiver Tatbestand
a. Deliktspezifische äußere Merkmale
b. Zurechnung der fremden (Tat-) Handlung, § 25 I Alt. 2
-> Vornahme der Handlung durch einen anderen
-> Zurechenbare Verursachung des tatbestandsmäßigen Geschehens durch tatbeherrschende Steuerung des Vordermannes
a. deliktisches Minus
b. “Täter hinter dem Täter”
c. ggf. Abgrenzung zur Teilnahme
2. Subjektiver Tatbestand
II. Rechtswidrigkeit
III. Schuld

19
Q

“Täter hinter dem Täter” / mT durch Organisationsherrschaft

A

Fallgruppe: Vordermann ist als Täter einer Vorsatztat strafbar, jedoch besitzt der Hintermann ein faktisch oder psychologisches (aber kein rechtliches) Übergewicht

  • Täter handelt durch einen Befehls innerhalb eines Machtapparats, der seine Organisationsherrschaft begründet
    1. Fungibilität (Austauschbarkeit) des unmittelbar Handelnden
    2. Rechtsgelöstheit (außerhalb des Rechts) der Organisation (NS- oder DDR-Regime) (aber tw. auch innerhalb rechtskonformer Organisationen)
20
Q

Manipulation des Ausführenden hinsichtlich des konkreten Handlungssinns seiner Tat (irrelevanter Motivirrtum vs. täterschaftsbegründende Fehlvorstellung)

A
  1. Herbeiführen oder Ausnutzung eines Irrtums über gesetzliche Qualifikationsmerkmale (pro Täterschaft: erhebliches Unwertgefälle; Tat als Werk des lenkenden Hintermannes; pro Teilnahme: Vordermann kein unfreies Werkzeug aus bloßer Unkenntnis über Qualifikationsumstände, angemessene Strafmöglichkeit bleibt aus Teilnahme)
  2. Manipulierter error in persona vel obiecto (pro mT: konkrete Tat an diesem Opfer fällt Hintermann zur Last; pro unmittelbare T: Ausnutzen des Verbrechensplanes des Vordermannes für eigene Zwecke und durch Manipulation selbst darauf hingewirkt; pro Teilnahme: konkrete Tatförderung bzw. Einwirkung auf Willen des Tatentschlossenen)
  3. Vermeidbarer Verbotsirrtum (pro mT: mT als “offenes Wertungsproblem” laut BGH -> mT derjenige, der durch bewusst ausgelösten Irrtum das Geschehen gewollt auslöst, sodass der Irrende bei wertender Betrachtung ein (wenn auch schuldhaft handelndes!) Werkzeug darstellt)
  4. Gradueller Tatbestandsirrtum
    pro mT: allein Hintermann kennt den konkreten Handlungssinn der Tat (jedoch muss der ihm bekannte Schaden den vom Vordermann vorsätzlich herbeigeführte wesentlich überwiegen)
    vermittelnd: Hintermann Teilnehmer, solange der Vordermann das Unrecht seiner Tat erkennt, Täter, solange dieser blind handelt
    pro Tn: keine klare Abgrenzung zwischen graduellem TBI und bloßem Motivirrtum
    (Entscheid: mT abzulehnen aufgrund der Abgrenzungsproblematik und mangelnder Kriterien hierfür - Bestrafung auch unproblematisch über § 26 möglich)
21
Q

Anstiftung (Aufbau)

A

I. Tatbestand

  1. Objektiver Tatbestand
    a) Vorsätzliche rechtswidrige Haupttat
    b) Bestimmen zu dieser Tat
  2. Subjektiver Tatbestand (sog. Doppelter Anstiftervorsatz)
    a) Vorsatz bezüglich der Vollendung der vorsätzlichen rechtswidrigen Haupttat
    b) Vorsatz bezüglich des Bestimmens

II. Rechtswidrigkeit
III.Schuld

22
Q

Bestimmen

A

das Hervorrufen des Tatentschlusses beim Täter
- muss die objektiven Komponenten der konkreten Tat enthalten: Objekt, Ort, Zeit und sonstige Umstände der Tatausführung

  1. Verursachungstheorie: das Bestimmen jedes (mit-)kausale Hervorrufen des Tatentschlusses genügt
    con: Bestrafung “gleich dem Täter” verlangt restriktive Auslegung (Unrechtsgehalt von Täterschaft und Teilnahme müssen sich entsprechen)
  2. Kommunikationstheorie: Bestimmungshandlung verlangt eine kommunikative Beziehung, einen geistigen Kontakt zum Haupttäter
    pro: Bestrafung erfordert einen solchen Grad der Einwirkung, dass die eigene fehlende Tatherrschaft in ihrem Unrechtsgehalt kompensiert ist. Dies ist der Fall, wenn der Anstifter dem Täter das “entscheidende Motiv” liefert (jedoch unterschiedliche Facetten dieser Theorie)
  3. Planherrschaft: Herrschaft über die Planung der Tat entspricht der Tatherrschaft des Täters und liefert Grund für Bestrafung “gleich dem Täter”
    con: zu restriktiv - reine Beauftragung des Täter, der ansonsten in der Tatausführungsgestaltung frei ist, bliebe unberücksichtigt
23
Q

Omnimodo Facturus

A

Person ist bereits zur Tat entschlossen und kann daher nicht mehr angestiftet werden (Objektive Voraussetzung des § 26 ist, dass die Bestimmungshandlung ursächlich für den Tatentschluss war)
-> versuchte Anstiftung / Beihilfe prüfen

24
Q

Abgrenzungsfälle zum omnimodo facturus

A
  1. Tatgeneigtheit: bloß tatgeneigte Personen können angestiftet werden (=Unschlüssigkeit darüber, ob Tat begangen werden soll oder nicht)
  2. Allgemeine Bereitschaft: Anstiftung liegt vor, wenn die allgemeine Bereitschaft durch die Bestimmungshandlung konkretisiert wird
25
Q

Bestimmen zu einer Beschlussänderung

A

Ein bereits zu einer Tat Entschlossener wird vom Anstifter zu einer Änderung seines Entschlusses gebracht

  1. Umstiftung: Bereits Tatentschlossener wird zu einer anderen Straftat bestimmt
  2. Abstiftung: Bereits Tatentschlossener wird zu einer leichteren Begehungsweise bestimmt
    - Anstiftung liegt nicht vor, da ein Tatentschluss bereits gegeben ist
    - (psychische) Beihilfe ist dann im Rahmen der objektiven Zurechnung diese zu verneinen, da die Person das rechtliche Risiko lediglich verringert hat
  3. Aufstiftung: Bereits Tatentschlossener begeht durch Einwirkung eine schwerere Tat (nur bei Qualifikationstatbeständen; bei Raub liegt eine eigene Anstiftung zum Raub vor aufgrund des wesentlich anderen eigenen Unrechtsgehalts)
26
Q

Streit: Aufstiftung

A
  1. Qualifikationstheorie: Anstiftung zur gesamten Tat, da jene in ihrem Unrechtsgehalt nicht teilbar ist. Diese neue Tat bildet ein selbstständiges, neues Unrecht und nicht lediglich ein Mehr an Unrecht. Der Täter ist also kein omnimodo facturus in Bezug auf den neuen, wesentlich erhöhten Unrechtsgehalt gewesen. Der wesentlich erhöhte Unrechtsgehalt zeigt sich durch den eigenständigen Qualifikationstatbestand
    con: Erfolg des Grundtatbestand wird Anstifter angelastet, obwohl er dies nicht verursacht hat. Es ist fraglich, ob die Qualifikation ein so wesentlich verschiedenes Unrecht darstellt
  2. Aliud-Theorie: Zu einem Mehr kann nicht angestiftet werden, sondern nur zu einem Aliud (Anderem). Soweit der Täter bereits zu einem Teil einer Straftat entschlossen war, ist er insoweit omnimodo facturus. Der Begriff des Steigerns entspreche nicht dem des Hervorrufens i.S.d. § 26 StGB. Soweit es sich lediglich um ein Mehr handelt, ist an die Möglichkeit der psychischen Beihilfe, § 27 StGB, zu denken. Unproblematisch ist eine Aburteilung des Mehr lediglich dann möglich, wenn diese Aufstiftung einen selbstständigen Tatbestand anspricht. Es ist normativ zu ermitteln, inwieweit der Qualifikationstatbestand ein aliud, (ein wesentlich erhöhtes Unrecht) enthält
    con: erhöhte Anforderungen an den Rechtsanwender durch Abgrenzung von Mehr vs. Aliud ohne klare Kriterien (Rechtsunsicherheit)
  3. Unwertsteigerungstheorie: entscheidend, ob der Unrechtsgehalt des Tatbildes durch die Aufstiftung erheblich erhöht wird. Dies bemisst sich nach normativen Kriterien (erheblich erhöhter Unrechtsgehalt der Qualifikationshandlung, zu der bestimmt wurde)
    con: keine klaren Abgrenzungskriterien (Rechtsunsicherheit)
  4. Wesentlichkeitstheorie: es ist darauf abzustellen, ob sich das Tatbild durch die Aufstiftung wesentlich wandelt. Hierbei werden die Kriterien übernommen, die zur Fragestellung entwickelt wurden, ob eine wesentliche Abweichung vom Kausalverlauf vorliegt
    con: keine klaren Abgrenzungskriterien (Rechtsunsicherheit)
27
Q

Streit: Auswirkung des error in persona des Haupttäters auf den Vorsatz des Anstifters (Rose-Rosahl-Fall)

A
  1. Unbeachtlichkeitstheorie: Unbeachtlichkeit des error-in-persona-Irrtums auf Seiten des Täters wirkt sich auch auf Anstifter aus Gründen der Akzessorität der Teilnahme zur Haupttat aus
    con: Bindingsches Blutbadargument: Wenn der Angestiftete noch den Richtigen tötet, kann sich die Anstiftung nur auf die zweite Tötung bezogen haben, hinsichtlich der tatsächlich Vorsatz bestand
  2. Wesentlichkeitstheorie: Stellt der error in persona des Haupttäters eine wesentliche Abweichung im Kausalverlauf für den Vorsatz des Anstifters dar? Nur bei unwesentlichen Kausalabweichungen ist die Tat noch vom Vorsatz des Anstifters erfasst
    con: Blutbadargument
    con: keine klaren Abgrenzungskriterien für die Wesentlichkeit
  3. Aberratio-Ictus-Theorie: Es macht keinen Unterschied, ob der Täter ein mechanisches Werkzeug verwendet oder ein menschliches Werkzeug losschickt, welches dann fehlgeht. Der vom Anstifter gewollte Angriff wird nicht realisiert, während durch seinen mittelbaren Angriff ein tatbestandlich gleichwertiges Objekt verletzt wird. Rechtsfolgen richten sich nach dem Streitentscheid des Aberratio Ictus (Unbeachtlichkeit vs. versuchte Anstiftung plus Fahrlässigkeitstat)
    con: Täter hat Tat trotz allem verursacht, unbillige Privilegierung des Anstifters, der sich auf seinen Irrtum berufen kann, gegenüber dem Haupttäter, der voll strafbar ist
    con: AI angelegt auf Fallkonstellationen, in denen der Täter das Tatobjekt vor sich hat - nicht auf Anstiftung übertragbar
    con: Strafbarkeitslücken bei Nichtverbrechen (Versuchsstrafbarkeit)
28
Q

Anstiftervorsatz beim agent provocateur

A

eine Person überredet jemanden zu einer Straftat, um diese bei Begehung der Straftat festnehmen zu können

  1. Lehre von der formellen Vollendungsgrenze: Anstiftung scheidet aus, wenn der Anstifter es lediglich zum Versuch der Haupttat kommen lassen will und den Haupttäter in der Versuchsphase festnehmen möchte (Vorsatz zur formellen Vollendung als Voraussetzung für eine Anstiftung)
    con: Strafbarkeitslücken beim Knüpfen der Strafbarkeit an Vollendungsgrenzen
  2. Lehre von der materiellen Vollendungsgrenze: formelle Vollendung genügt nicht für eine Strafbarkeit, sondern Haupttat muss auch materiell vollendet (beendet sein) -. Strafbarkeit des Teilnehmers beruht nämlich auf Rechtsgutsangriff; dieser sei aber nicht vom Vorsatz des Anstifters umfasst, wenn dieser nach (formeller) Vollendung der Tat bspw. das Diebesgut wieder sichern möchte
    con: weitreichende Strafbarkeit trotz Rechtsgutsgefährdung
  3. Theorie der Rechtsgutsgefährdungsgrenze: knüpft die Strafbarkeit des Anstifters an das Merkmal der Rechtsgutsgefährdung. Nur wenn der Anstifter eine solche nicht in seinen Vorsatz aufnehme und es lediglich zu einem Versuch kommen lassen wolle, liege keine vollendete Strafbarkeit vor. Soweit der Anstifter eine Rechtsgutsgefährdung also nicht ausschließen könne, liege eine vollendete Anstiftung vor. Begründet wird dies mit dem Angriff auf das Rechtsgut, der in der Anstiftung als solcher liege. Der rechtsgutsverletzende Charakter der Anstiftung werde durch die Abwehrbereitschaft des agent provocateur nicht aufgehoben
    con: bewusste Fahrlässigkeit wird als ausreichend für eine vorsätzliche Anstiftung erachtet
  4. Theorie der irreparablen Rechtsgutsverletzung: stellt darauf ab, ob der Täter eine irreparable Schädigung des Rechtsgut vorsätzlich in Kauf nimmt oder ob er diese auf jeden Fall verhindern und somit dem Opfer gerade keinen Schaden zufügen will, in einem solchen Fall fehle es an dem Rechtsgutsangriff, der strafbarkeitsbegründend für die Teilnahme sei
    con: Unklare Kriterien für die Grenzen einer “irreparablen” Rechtsgutgefährdung
29
Q

Exzess des Angestifteten

A

Anstifter haftet grds. nur soweit, wie sein Anstiftervorsatz erstreckt war - Ausnahmen:

  • bei unwesentlichen Abweichungen vom Kausalverlauf sind auch solche vom Anstiftervorsatz umfasst
  • Angestifteter begeht leichteres statt schweres Delikt: Anstiftung bzgl. dem leichteren (bspw. Diebstahl) in Tateinheit mit versuchter Anstiftung zum schwereren (Raub; bei Anstiftung zum Raub)
30
Q

Sonderfälle der Anstiftung

A
  1. Kettenanstiftung: Anstiftung zur Anstiftung (behandelt als Anstiftung zur Haupttat)
  2. Beihilfe zur Anstiftung: behandelt als Beihilfe zur Haupttat
  3. Anstiftung zur Beihilfe: behandelt als Beihilfe zur Haupttat (!)
31
Q

Strafgrund der Teilnahme

A
  1. Schuldteilnahmetheorie: der Teilnehmer verstricke den Täter in Schuld.
    pro:  Dieses Begründungsmuster wird im Falle eines Anstifters, der einen anderen zu dessen Tat be-stimmt und ihn somit zum Täter macht, plastisch.
    con: § 26 StGB setzt aber keine schuldhafte Tat voraus („zu dessen vorsätzlich begangener rechts-widrigen Tat“). Durch die Klarstellung in § 29 StGB überholt
  2. Verursachungs- bzw. Förderungstheorie: Abstellen auf die mittelbare Einwirkung des Teilnehmers auf das durch die Tathandlung betroffene Rechtsgut - der Teilnehmer agiert also mittelbar durch den Täter rechtsgutsfeindlich. Entweder fördere der Teilnehmer die Tat (§ 27 StGB) oder er verursache sie (§ 26 StGB)
    con: Es fehlt an der Benennung einer eigenständigen Schuld des Teilnehmers. Der Teilnehmer muss sich damit lediglich die Schuld des Täters zurechnen lassen, sein eigenes Unrecht wird also lediglich durch die konkrete Tathandlung des Täters ausgedrückt. Diese Theorie blickt damit zu stark auf das verwirklichte Erfolgsunrecht, ohne in angemessener Weise das Handlungsunrecht beim Teilnehmer zu erfassen, was insbesondere dann zu Problemen führen kann, wenn das ange-griffene Rechtsgut dem Teilnehmer gegenüber gar keinen Schutz genießt; Bsp.: Nach der reinen Verursachungstheorie wäre etwa der Eigentümer zu bestrafen, der einen anderen zum Diebstahl einer ihm gehörenden Sache anstiftet.
    pro: Gleichzeitig verdeutlicht ein akzessorietätsorientierter Ansatz der Verursachungstheorie (vgl. Ro-xin Strafrecht AT II § 26 Rn.11 f.), dass der Teilnehmer nicht selbst die im Deliktstatbestand liegen-de Norm verletzt, sondern sein Unrecht in der Mitwirkung an der Normverletzung durch den Tä-ter besteht.
    pro: Die Orientierung am Erfolgsunrecht ermöglicht es, den Teilnehmer nicht zu bestrafen, der an ei-nem von ihm als solchen erkannten untauglichen Versuch des Haupttäters teilnimmt. Zwar ist auf Täterseite volles Handlungsunrecht gegeben. Wer aber den Erfolgsunwert weder herbeiführen noch fördern will, macht sich nicht als Teilnehmer strafbar
  3. Theorie des selbstständigen Rechtsgutsangriffs des Teilnehmers: erklärt, der Teilnehmer nehme einen selbstständigen Rechtsgutsangriff vor und darin sei der Strafgrund zu sehen. Denn der Teilnehmer begehe eigenes Unrecht. Das Unrecht wird durch die Teilnahmehandlungen der §§ 26, 27 StGB beschrieben. Diese Teilnahmehandlungen kennzeichneten das Handlungsunrecht des Teilnehmers.
    con: Gegen diese Theorie spricht, dass sie die Akzessorietät der Teilnahme – § 28 StGB (hierzu in den KK zu § 30) – zu der Haupttat nicht ausreichend berücksichtigt. Denn das Handlungsunrecht allein führt nicht stets zu einer Bestrafung; vgl. die straflose Teilnahme an einer Selbsttötung
32
Q

Streit: qualifikationslos-dolos handelndes Werkzeug

A

Dem vorsätzlich handelnden Werkzeug fehlt die besondere Täterqualität des Tatbestandes, welche allein beim Hintermann vorliegt

  1. Subjektive Theorie: das Werkzeug wird als tatbestandslos handelndes angesehen und die Täterschaft für den Hintermann durch sein starkes Tatinteresse begründet
    con: Einwände gegen die subjektive Theorie
  2. Tatherrschaftslehre: rein faktisch hält der Vordermann das Geschehen in den Händen: Hintermann hat keine Tatherrschaft - daher Möglichkeit einer normativ begründeten Täterschaft: nur der Sonderpflichtige als allein tauglicher Täter hat die Macht, auch mithilfe eines Dritten die TB-Verwirklichung herbeizuführen, was er daraus in beherrschender Weise tut
  3. Strenge Tatherrschaftslehre/ Lehre von den Pflichtdelikten: strenge Anwendung der THL ergibt Straflosigkeit - um dies zu vermeiden, wird die Täterschaft bei Pflichtdelikten allein damit begründet, dass der Täter eine tatbestandsspezifische Sonderpflicht verletzt hat (bspw. §§ 203, 266, 348)
    con: völlige Aufgabe des Tatherrschaftskriteriums bei einer bestimmten Deliktsgruppe
    con: Aufgabe der Differenzierung von Täterschaft und Teilname bei diesen Delikten, da alle Sonderpflichtigen bei Verletzung ihrer Pflicht - unabhängig vom Gewicht ihrer Tatbeiträger - als Täter einstuft
33
Q

Beihilfe (Prüfung)

A

I. Tatbestandsmäßigkeit
1. Objektiver Tatbestand
a. (Zumindest versuchte) vorsätzliche rechtswidrige Haupttat
b. Hilfeleisten
2. Subjektiver Tatbestand: Gehilfenvorsatz mit doppelter Ausrichtung
a. bezüglich der vorsätzlichen rechtswidrigen vollendeten Haupttat
b. bezüglich des Hilfeleistens
II. Rechtswidrigkeit
III. Schuld

34
Q

Hilfeleisten

A

Jede Förderung der Haupttat, dh jedes Ermöglichen oder Erleichtern der Tat bzw. Verstärken der tatbestandsmäßigen Unwertverwirklichung

a. psychisches Mitwirken: psychische Beihilfe (Rathilfe)
b. physisches Mitwirken: technische Beihilfe (Tathilfe)

35
Q

Streit: Kausalität der Beihilfe

A
  1. Beihilfe als abstraktes Gefährdungsdelikt: die Vornahme einer nicht völlig ungeeigneten Hilfeleistung durch den Gehilfen ist ausreichend
    con: Strafgrund der Teilnahme liegt in dem mittelbaren Angriff auf ein geschütztes Rechtsgut, wovon nur ausgegangen werden, kann wenn die Teilnahmehandlung in diesem noch fortwirkt
    con: aus § 30 ist die versuchte Beihilfe nicht strafbar - Beihilfe ist nur als vollendetes Delikt strafbar
  2. Rspr: Hilfeleisten ist bereits dann gegeben, wenn die Beihilfehandlung die Haupttat in ihrer konkreten Gestalt gefördert hat, ohne das dies für den Erfolg ursächlich war (bloße Anwesenheit genügt, wenn der Täter dadurch in seinem Tatentschluss gestärkt oder ihm ein erhöhtes Gefühl der Sicherheit gegeben wurde)
    con: widersprüchliche Ansicht, denn wenn die Handlung den Erfolg der Haupttat gefördert hat, dann war sie auch kausal
    con: “Irgendeine Förderung” birgt die Gefahr einer verdeckten Versuchsstrafbarkeit der Beihilfe, die vom Gesetzgeber nicht vorgesehen ist
  3. Modifikationskausalität: Ein kausaler Gehilfenbeitrag liegt vor, wenn der Gehilfenbeitrag die Tatbestandsverwirklichung ermöglicht, erleichtert, intensiviert oder abgesichert hat
    con: Wortlaut des § 27 “Hilfe”, der auf eine Tätigkeit, nicht aber auf eine Erfolg abzielt (wirklich stichhaltiges Gegenargument?)
  4. Risikoerhöhungslehre: keine Kausalität des Gehilfenbeitrags, sondern ausreichend, dass die Hilfeleistung die Erfolgschancen für tatbestandsverwirklichende Handlung erhöht hat
    con: Verletzungsdelikte contra legem als konkrete Gefährdungsdelikte, da sie in der Sache schon den Nachweis der Gefährdung ausreichen lässt
    con: überfordert den Rechtsanwender, da sie ihm keine Kriterien an die Hand geben kann, wann ein Verhalten das Risiko der Verletzung messbar gesteigert hat und wann nich
36
Q

Streit: neutrale Beihilfehandlungen

A
  1. Ansicht: Neutrales Verhalten ist als Beihilfe genauso strafbar wie jedes andere Beihilfeverhalten
    con: Sozialleben wäre von gegenseitigem Misstrauen und Angst vor Strafbarkeit geprägt
  2. Ansicht: objektiv sozialübliche oder professionell angemessene Handlungen scheiden aus als Beihilfehandlung aus (enge Auslegung im objektiven TB)
    con: § 27 gibt diese enge Auslegung nicht her
    con: Zirkelschluss-Argument: es geht genau um die Frage, ob sozialübliches Verhalten den Bereich des Straflosen verlassen kann (das Argument verneint dies einfach)
  3. Ansicht: Kriterien der objektiven Zurechnung; danach ist der objektive Tatbestand nur dann erfüllt, wenn der Gehilfe die neutrale Handlung der Haupttat anpasst, die Hilfeleistung nur ihm möglich ist (Monopolstellung), spezifische Berufsregeln zum Schutz vor dem Haupttäter verletzt, er den Erfolg kraft seiner Garantenstellung verhindern muss oder die Abwägung von Handlungsfreiheit und Rechtsgüterschutz deutlich zu Gunsten des Rechtsgüterschutzes ausfällt
    con: Figur des unerlaubten Risikos passt nicht zur Teilnahme - das menschliche Verhalten folgt keine allgemein gültigen Regeln, sodass eine Unterstützungshandlung nicht in diesen quantitativen Rahmen des Risikos passt
  4. Ansicht: Lösung im subjektiven Tatbestand: Zielt das Handeln des Haupttäters ausschließlich darauf ab, eine strafbare Handlung zu begehen und weiß (dolus directus 2. Grades) dies der Hilfeleistende, so ist sein Tatbeitrag als Beihilfehandlung zu werten. Weiß der Hilfeleistende dagegen nicht, wie der von ihm geleistete Beitrag vom Haupttäter verwendet wird oder hält er es lediglich für möglich (dolus eventualis), dass sein Tun zur Begehung von Straftaten genutzt wird, so ist sein Handeln regelmäßig noch nicht als strafbare Beihilfehandlung zu beurteilen, es sei denn, das von ihm erkannte Risiko strafbaren Verhaltens des von ihm Unterstützten war derart hoch, dass er sich mit seiner Hilfeleistung die Förderung eines erkennbar tatgeneigten Täters angelegen sein ließ
    con: allein die innere Einstellung des Hilfeleistenden wird maßgeblich, sodass sich ein Gesinnungsstrafrecht ergäbe
  5. Ansicht: Kombination objektiver und subjektiver Komponenten: Während subjektiv entsprechend der Linie der Rspr. nach dolus eventualis und dolus directus des möglichen Gehilfen hinsichtlich des Deliktsentschlusses des Haupttäters differenziert wird, stellt dieser Ansatz darüber hinausgehend darauf ab, ob der Gehilfenbeitrag objektiv einen “deliktischen Sinnbezug” aufweist. Am “deliktischen Sinnbezug” fehlt es, wenn sich der fördernde Beitrag auf eine legale Handlung bezieht, die schon für sich allein genommen für den Täter sinnvoll und nützlich ist, die dieser aber außerdem zur Voraussetzung für ein davon unabhängiges, auf einem selbstständigen Entschluss beruhenden Deliktsverhalten macht