Das vollendete vorsätzliche Begehungsdelikt, Fahrlässigkeitsdelikt, Unterlassungsdelikt Flashcards
Kausalität
Kausal ist jede Bedingung, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele
Handlung (im strafrechtlichen Sinne)
Eine vom menschlichen Willen beherrschte oder beherrschbare Verhaltensweise, die soziale Erheblichkeit besitzt
Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung
Ein Verhalten ist Ursache eines Erfolges, wenn dieser Erfolg mit dem Verhalten durch eine Reihe zeitlich aufeinander folgender Veränderungen (natur-) gesetzmäßig verbunden ist
Objektive Zurechenbarkeit
Der Erfolg ist objektiv zurechenbar, wenn der Täter durch sein Handeln eine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen (oder erhöht hat), die sich in dem Erfolg konkret niedergeschlagen hat
Fallgruppen zum Ausschluss der objektiven Zurechenbarkeit
- Fehlendes rechtlich relevantes Risiko: Schadenseintritt außerhalb des menschlichen Beherrschungsvermögens, sozialadäquates Verhalten (ausdrücklich gestattetes Verhalten, Unerheblichkeit des des Schadens, geringe Schadenwahrscheinlichkeit), Risikoverringerung (eines ansonsten schwereren Schadens, ohne dass der Täter eine neue Gefahr geschaffen hätte)
- Fehlender Risikozusammenhang: Verwirklichung eines an sich neutralen Risikos (allgemeines Lebensrisiko, erlaubtes Verhalten Dritter), atypischer Kausalverlauf (außerhalb aller Lebenserfahrung, sodass damit vernünftigerweise nicht gerechnet werden muss), Risikoverwirklichung außerhalb des Schutzbereichs der verletzten Verhaltensnorm, Schaffung einer völlig neuen Gefahr (Eigenverantwortliches Dazwischentreten Dritter; aber Grundsatz: Auftrennen nach Verantwortungsbereichen), freiverantwortliche Selbstschädigung (nicht strafbar, wenn sich das mit der Selbstgefährdung bewusst eingegangene Risiko realisiert; strafbar bei besserer Risikoeinschätzung durch überlegenes Wissen), Verdrängung des Erstrisikos durch ein neues Zweitrisiko durch dieselbe Person
Vorsatz bei Abweichung vom vorgestellten Kausalverlauf
Abweichungen vom vorgestellten Ablauf sind vom Vorsatz umfasst, die sich ihm Rahmen des nach allgemeiner Lebenserfahrung vorhersehbaren halten und keine andere Bewertung der Tat rechtfertigen
Kumulative Kausalität
Mehrere Täter setzen unabhängig voneinander Bedingungen, die erst in ihrem Zusammenwirken für den Erfolg kausal sind
Alternative Kausalität
Modifizierte csqn-Formel: von mehreren Bedingungen, die zwar alternativ, aber nicht kumulativ hinweggedacht werden können, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele, ist jede für den Erfolg ursächlich
Vorsatzformen
- Absicht (dolus directus I. Grades)
- direkter Vorsatz (dolus directus II. Grades)
- Eventualvorsatz (dolus eventualis)
Absicht (dolus directus I. Grades)
Absicht ist gegeben, wenn es dem Täter gerade darauf ankommt, den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges herbeizuführen oder den Umstand zu verwirklichen, für den das Gesetz absichtliches Handeln voraussetzt
Direkter Vorsatz (dolus directus II. Grades)
Direkter Vorsatz liegt vor, wenn der Täter weiß oder als sicher voraussieht, dass er den gesetzlichen Tatbestand verwirklicht
Bedingter Vorsatz
Dolus eventualis liegt vor, wenn der Täter den Erfolgseintritt als möglich erkannt und diesen billigend inkauf genommen hat
Kognitive Theorien (dolus eventualis)
- Möglichkeitstheorie: Handeln trotz Erkennens der konkreten Möglichkeit der Rechtsgutsverletzung
- Wahrscheinlichkeitstheorie: Handeln trotz Haltens der Rechtsgutsverletzung für wahrscheinlich (nicht nur für bloß möglich)
- Vermeidetheorie: Handeln ohne ernsthafte Vermeidebemühungen
Voluntative Theorien (dolus eventualis)
- Gleichgültigkeitstheorie: Täter hat keine innerliche Einstellung zum Erfolg, da dieser ihm gleichgültig ist
- Ernstnahmetheorie: Täter hat die konkrete drohende Rechtsgutsverletzung erkannt, ernst genommen und sich mit ihr abgefunden
- Billigungstheorie: Täter hat den Erfolg als möglich und nicht ganz fernliegend erkannt und ihn gebilligt (bzw. billigend Einkauf genommen - kein Gutheißen, sondern ein Sich-Abfinden)
Bewusste Fahrlässigkeit
Liegt vor, wenn der Täter mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und ernsthaft - nicht nur vage darauf vertraut, der tatbestandliche Erfolg werde nicht eintreten
Dolus alternativus
Vorsatzkombination in Bezug auf zwei oder mehrere Tatbestände, die sich gegenseitig ausschließen
eA) allein Vorsatz des schwereren Delikts findet Berücksichtigung (aber: unbillig, wenn nur geringeres Delikt vollendet)
aA) Vorsatz für das objektiv verwirklichte Delikt (Versuch für das unvollendete)
Dolus cumulativus
Vorsatz bezüglich mehrerer, voneinander unabhängiger Deliktsverwirklichungen
Notwehr / Nothilfe (Aufbau)
- Notwehrlage
- Notwehrhandlung
- 1 Verteidigung durch Eingriff in die Rechtsgüter des Angreifers
- 2 Erforderlichkeit
- 3 Gebotenheit
- Notwehrwille
Notwehrlage
- Gegenwärtiger: unmittelbar bevorstehend, gerade stattfindend, oder noch fortdauernd (ohne weitere Zwischenschritte)
- Rechtswidriger: im Widerspruch zur Rechtsordnung (aA: wenn der Betroffene ihn nicht zu dulden braucht)
- Angriff: jede Bedrohung (objektiv aus der ex-post-Perspektive) rechtlich geschützter Interessen durch menschliches Verhalten (notwehrfähig grds. jedes Individualrechtsgut)
- auf den Verteidiger oder einen Dritten
Notwehrhandlung: Verteidigung
Verteidigung: schneidiges Notwehrrecht gibt nur ein Recht zum Eingriff in Rechtsgüter des Angreifers, nicht aber in Rechtsgüter dritter, unbeteiligter Personen (Tötung eines Hundes, den nicht der Besitzer auf einen hetzt - nicht Notwehr, sondern Defensivnotstand!)
Notwehrhandlung: Erforderlichkeit
Recht braucht Unrecht nicht zu weichen (keine Güterabwägung)
- Verteidigungshandlung muss nach objektivem ex-ante Urteil geeignet sein, den Angriff abzuwehren (zur sofortigen und endgültigen Beseitigung des Angriffs)
- Bei mehreren gleich wirksamen Mitteln ist das relativ Mildeste zu wählen (3- Stufen-Regel bei tödlichen Waffen: Androhen - Kampfunfähig - Tötung nur als letztes Mittel)
- Aus Rechtsbewährungsprinzip (Verteidigung der Rechtsordnung): Fehlende Erforderlichkeit bei sofort verfügbarer und effektiver obrigkeitsstaatlicher Hilfe
Notwehrhandlung: Gebotenheit
Einschränkungen bei
- Bagatellangriffen (wenn Notwehrlage bejaht wird, darf Notwehrhandlung nicht Grenze zur Körperverletzung überschreiten)
- Krasses Missverhältnis (jedoch keine regelmäßige Güterabwägung - beschränkt auf Extremfälle: Schuss auf apfelstehlende Jugendliche)
- Angriff schuldlos Handelnder
- 1 Kinder, Betrunkene, Geisteskranke, durch Notwehrexzess und Notstand Entschuldigte (Stufen: Ausweichen - Schutzwehr - Trutzwehr unter Möglichstes Schonung)
- 2 Schuldlosigkeit durch Irrtum: Irrtum soll zunächst aufgeklärt werden
- Persönliche Nähebeziehung: Notwehrbeschränkung bei intakten familiären Nähebeziehungen (hM, aber str!)
- Art. 2 EMRK: Auslegung des § 32 danach würde Tötungen zum Schutz von Sachwerten konventionswidrig machen, aber hM bezieht Art. 2 nur auf Staat-Bürger
- Schuldhafte Herbeiführung der Notwehrlage (separat)
Schuldhafte Herbeiführung einer Notwehrlage
- Absichtsprovokation: der Angriff wurde gerade mit dem Ziel herausgefordert, unter dem Deckmantel der Notwehr verletzen zu können (str. mM nimmt keinerlei Beschränkungen an, aA verlangt Ausweichen, hM lässt Notwehr vollständig entfallen, tw. wird Provokation als Einwilligung, als Angriff, als Selbstgefährdung, nicht mehr zur Verteidigung der Rechtsordnung, als rechtsmissbräuchlich ohne Vereidigungswillen handelnd)
- Sonst vorwerfbar herbeigeführte Notwehrlage
- 1 Zurechnungszusammenhang zwischen provozierendem Vorverhalten und dem ausgelösten Angriffsverhalten
- 2 Schuldhaft: Rechtswidriges Vorverhalten, aber auch str. sozialethisch zu missbilligendes Verhalten (1.Klasse-Fall)
- Enger zeitlicher und örtlicher Zusammenhang
Allgemein: je schwerer die rechtswidrige und verwertbare Provokation der Notwehrlage wiegt, umso größere Zurückhaltung ist ihm bei der Abwehr zuzumuten
Actio illicita in causa
Ein Angegriffener soll nicht für die in Notwehr gerechtfertigte Handlung zur strafrechtlichen Verantwortung gezogen werden, sondern für die verwerfbare Verursachung der Notwehrlage (hM nimmt diese Konstruktion nicht an)
Abwehrprovokation
“Überrüstung” in Erwartung eines Angriffs (str. um Folgen: eA Notwehrablehnung wie bei Notwehrprovokation, aA BGH: wäre Widerspruch, wenn Befugnis zur Ausübung des Notwehrrechts bestünde und gleichzeitig eine Bestrafung angedroht würde)
Verteidigungswille (Notwehrwille)
Täter muss die Umstände kennen, die die Notwehrlage begründen und die Erforderlichkeit der konkret gewählten Verteidigungshandlung ausmachen. Darüber hinaus muss Verteidigungsabsicht vorliegen (und ggü anderen Motiven dominieren) - bei Unkenntnis der Notwehrlage: str. ob aus Vollendung oder Versuch zu bestrafen
Nothilfe
- Notwehrvoraussetzungen- und Einschränkungen sind aus dem Verhältnis von Angreifer und Angegriffenem abzuleiten
- Nothilfe hat sich am Willen des Betroffenen zu orientieren
- “Allgemeinheit” ist kein anderer (Funktion der staatlichen Organe)
- Staatsnothilfe
- 1 Anderer als juristische Person: Staatsnothilfe möglich, wenn der Staat als Träger von Individualrechtsgütern betroffen ist
- 2 Staat als Hoheitsträger: nur wenn der Staat in seinem Bestand als solchem evident gefährdet ist und nicht in der Lage, sich durch seine eigenen Organe zu verteidigen
- Str., ob Hoheitsträger bei amtlichem Handeln auf Nothilfe sich berufen können (Metzler-Fall)
Selbsthilfe zur Anspruchssicherung (§§ 229 ff. BGB)
- Selbsthilfelage
- 1 Einredefreier zivilrechtlicher Anspruch
- 2 Gefahr der Vereitelung oder Erschwerung
- 3 Staatlich Hilfe nicht rechtzeitig zu erlangen
- Selbsthilfehandlung
- 1 Wegnahme, Beschädigung oder Zerstörung einer Sache
- 2 Bei Fluchtverdacht Festnahme
- 3 Beseitigung von Widerstand
- 4 In allen Fällen: Verhältnismäßigkeit und nur vorläufige Anspruchssicherung erlaubt (§ 230 I); ferner Selbsthilfegrenzen des § 230 II-IV, insbesondere bei Wegnahme einer Sache: Beantragung von Sicherheitsarrest
- Selbsthilfewille
Selbsthilfe des Besitzers (§ 859 BGB)
- Besitzstörung / Besitzentziehung durch verbotene Eigenmacht
- 1 Besitzstörung muss noch andauern
- 2 Besitzentziehung muss noch frisch sein
- Besitzwehr- / Besitzkehrhandlung
- 1 Bei Besitzstörung: durch angemessene Gewaltanwendung
- 2 Bei Besitzentziehung: gewaltsame Wegnahme
Vorläufige Festnahme durch Jedermann (§ 127 I S. 1 StPO)
- Festnahmelage
- 1 Andere Person auf frischer Tat betroffen oder verfolgt (nicht bei Fahndung oder bei Gefängnisausbruch!)
- 2 Fluchtverdacht (nach Umständen oder Lebenserfahrung berechtigte Annahme, der Betroffene werde sich der Strafverfolgung durch Flucht entziehen) oder Identität nicht sofort feststellbar (Name nicht bekannt und Verweigerung der Angaben/ kann sich nicht ausweisen)
- Festnahmehandlung
- 1 Erklärung der Festnahme und zwangsweise Durchsetzung
- 2 Verhältnismäßigkeit (insbesondere keine Handlungen, die ernsthafte Gesundheitsschädigung oder Lebensgefährdung nach sich ziehen könnten)
- Festnahmeabsicht
- 1 Kenntnis der die Festnahme begründenden Umständen
- 2 Absicht, den Betroffenen der Strafverfolgung zu übergeben
Streit um Taterfordernis bei § 127 I S. 1 StPO
eA materielle Theorie: Straftat muss wirklich begangen worden sein: Scheinangriff begründet auch keine Notwehr; Systematik des § 127: wenn wie für Abs. 2 dringender Tatverdacht auch für Abs. 1 ausreichen würde, wäre Abs. 2 überflüssig; Festnahme durch Private als Ausnahme und daher eng auszulegen; Duldungspflicht kann Betroffenem nur bei tatsächlicher Tat abverlangt werden
aA prozessuale Theorie: Zusammenschau der Umstände ergibt zweifelsfreien dringenden Tatverdacht; alle anderen Eingriffsnormen der StPO lassen dringenden Tatverdacht genügen; Bürger können nicht mehr Sorgfalt abverlangt werden als Behörden; bei Risiko würde sonst keine mehr 127 anwenden
Rechtfertigender Notstand (Schema)
- Notstandslage: Gegenwärtige Gefahr für ein rechtlich geschütztes Interesse des Verteidigers oder eines Dritten
- Notstandshandlung
- 1 Gefahr nicht anders als durch Eingriff anwendbar
- 2 Interessensabwägung
- 3 Angemessenheit
- Gefahrabwendungswille
Notstandslage
- Notstandsfähiges Rechtsgut: alle Rechtsgüter des Einzelnen und der Allgemeinheit, sofern sie in der konkreten Situation schutzbedürftig und schutzwürdig sind
- Gegenwärtig Gefahr meint einen Zustand, dessen Weiterentwicklung den Eintritt oder die Intensivierung eines Schadens ernstlich befürchten lässt, sofern nicht alsbald Abwehrmaßnahmen ergriffen werden (objektive ex-ante-Prognose: objektiver Beobachter unter Berücksichtigung etwaigen Sonderwissens des Notstandstäters)
- Gegenwärtigkeit auch: Dauergefahr, wenn die gefährliche Situation jederzeit in einen Schaden umschlagen kann und sofortiges Handeln angezeigt is,t, um ihm wirksam begegnen zu können)
Erforderlichkeit der Notstandshandlung
Gefahr darf nicht anders als durch die Eingriffshandlung des Täters abwendbar sein, ie geeignetes (Rettungschance enthaltendes) und zugleich relativ mildestes Mittel (jede Abwehrmaßnahme ist heranzuziehen, ggf. auch eine bloße Ausweichmöglichkeit)