Das vollendete vorsätzliche Begehungsdelikt, Fahrlässigkeitsdelikt, Unterlassungsdelikt Flashcards

1
Q

Kausalität

A

Kausal ist jede Bedingung, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele

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2
Q

Handlung (im strafrechtlichen Sinne)

A

Eine vom menschlichen Willen beherrschte oder beherrschbare Verhaltensweise, die soziale Erheblichkeit besitzt

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3
Q

Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung

A

Ein Verhalten ist Ursache eines Erfolges, wenn dieser Erfolg mit dem Verhalten durch eine Reihe zeitlich aufeinander folgender Veränderungen (natur-) gesetzmäßig verbunden ist

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4
Q

Objektive Zurechenbarkeit

A

Der Erfolg ist objektiv zurechenbar, wenn der Täter durch sein Handeln eine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen (oder erhöht hat), die sich in dem Erfolg konkret niedergeschlagen hat

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5
Q

Fallgruppen zum Ausschluss der objektiven Zurechenbarkeit

A
  1. Fehlendes rechtlich relevantes Risiko: Schadenseintritt außerhalb des menschlichen Beherrschungsvermögens, sozialadäquates Verhalten (ausdrücklich gestattetes Verhalten, Unerheblichkeit des des Schadens, geringe Schadenwahrscheinlichkeit), Risikoverringerung (eines ansonsten schwereren Schadens, ohne dass der Täter eine neue Gefahr geschaffen hätte)
  2. Fehlender Risikozusammenhang: Verwirklichung eines an sich neutralen Risikos (allgemeines Lebensrisiko, erlaubtes Verhalten Dritter), atypischer Kausalverlauf (außerhalb aller Lebenserfahrung, sodass damit vernünftigerweise nicht gerechnet werden muss), Risikoverwirklichung außerhalb des Schutzbereichs der verletzten Verhaltensnorm, Schaffung einer völlig neuen Gefahr (Eigenverantwortliches Dazwischentreten Dritter; aber Grundsatz: Auftrennen nach Verantwortungsbereichen), freiverantwortliche Selbstschädigung (nicht strafbar, wenn sich das mit der Selbstgefährdung bewusst eingegangene Risiko realisiert; strafbar bei besserer Risikoeinschätzung durch überlegenes Wissen), Verdrängung des Erstrisikos durch ein neues Zweitrisiko durch dieselbe Person
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6
Q

Vorsatz bei Abweichung vom vorgestellten Kausalverlauf

A

Abweichungen vom vorgestellten Ablauf sind vom Vorsatz umfasst, die sich ihm Rahmen des nach allgemeiner Lebenserfahrung vorhersehbaren halten und keine andere Bewertung der Tat rechtfertigen

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7
Q

Kumulative Kausalität

A

Mehrere Täter setzen unabhängig voneinander Bedingungen, die erst in ihrem Zusammenwirken für den Erfolg kausal sind

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8
Q

Alternative Kausalität

A

Modifizierte csqn-Formel: von mehreren Bedingungen, die zwar alternativ, aber nicht kumulativ hinweggedacht werden können, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele, ist jede für den Erfolg ursächlich

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9
Q

Vorsatzformen

A
  1. Absicht (dolus directus I. Grades)
  2. direkter Vorsatz (dolus directus II. Grades)
  3. Eventualvorsatz (dolus eventualis)
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10
Q

Absicht (dolus directus I. Grades)

A

Absicht ist gegeben, wenn es dem Täter gerade darauf ankommt, den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges herbeizuführen oder den Umstand zu verwirklichen, für den das Gesetz absichtliches Handeln voraussetzt

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11
Q

Direkter Vorsatz (dolus directus II. Grades)

A

Direkter Vorsatz liegt vor, wenn der Täter weiß oder als sicher voraussieht, dass er den gesetzlichen Tatbestand verwirklicht

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12
Q

Bedingter Vorsatz

A

Dolus eventualis liegt vor, wenn der Täter den Erfolgseintritt als möglich erkannt und diesen billigend inkauf genommen hat

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13
Q

Kognitive Theorien (dolus eventualis)

A
  1. Möglichkeitstheorie: Handeln trotz Erkennens der konkreten Möglichkeit der Rechtsgutsverletzung
  2. Wahrscheinlichkeitstheorie: Handeln trotz Haltens der Rechtsgutsverletzung für wahrscheinlich (nicht nur für bloß möglich)
  3. Vermeidetheorie: Handeln ohne ernsthafte Vermeidebemühungen
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14
Q

Voluntative Theorien (dolus eventualis)

A
  1. Gleichgültigkeitstheorie: Täter hat keine innerliche Einstellung zum Erfolg, da dieser ihm gleichgültig ist
  2. Ernstnahmetheorie: Täter hat die konkrete drohende Rechtsgutsverletzung erkannt, ernst genommen und sich mit ihr abgefunden
  3. Billigungstheorie: Täter hat den Erfolg als möglich und nicht ganz fernliegend erkannt und ihn gebilligt (bzw. billigend Einkauf genommen - kein Gutheißen, sondern ein Sich-Abfinden)
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15
Q

Bewusste Fahrlässigkeit

A

Liegt vor, wenn der Täter mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und ernsthaft - nicht nur vage darauf vertraut, der tatbestandliche Erfolg werde nicht eintreten

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16
Q

Dolus alternativus

A

Vorsatzkombination in Bezug auf zwei oder mehrere Tatbestände, die sich gegenseitig ausschließen
eA) allein Vorsatz des schwereren Delikts findet Berücksichtigung (aber: unbillig, wenn nur geringeres Delikt vollendet)
aA) Vorsatz für das objektiv verwirklichte Delikt (Versuch für das unvollendete)

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17
Q

Dolus cumulativus

A

Vorsatz bezüglich mehrerer, voneinander unabhängiger Deliktsverwirklichungen

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18
Q

Notwehr / Nothilfe (Aufbau)

A
  1. Notwehrlage
  2. Notwehrhandlung
  3. 1 Verteidigung durch Eingriff in die Rechtsgüter des Angreifers
  4. 2 Erforderlichkeit
  5. 3 Gebotenheit
  6. Notwehrwille
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19
Q

Notwehrlage

A
  1. Gegenwärtiger: unmittelbar bevorstehend, gerade stattfindend, oder noch fortdauernd (ohne weitere Zwischenschritte)
  2. Rechtswidriger: im Widerspruch zur Rechtsordnung (aA: wenn der Betroffene ihn nicht zu dulden braucht)
  3. Angriff: jede Bedrohung (objektiv aus der ex-post-Perspektive) rechtlich geschützter Interessen durch menschliches Verhalten (notwehrfähig grds. jedes Individualrechtsgut)
  4. auf den Verteidiger oder einen Dritten
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20
Q

Notwehrhandlung: Verteidigung

A

Verteidigung: schneidiges Notwehrrecht gibt nur ein Recht zum Eingriff in Rechtsgüter des Angreifers, nicht aber in Rechtsgüter dritter, unbeteiligter Personen (Tötung eines Hundes, den nicht der Besitzer auf einen hetzt - nicht Notwehr, sondern Defensivnotstand!)

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21
Q

Notwehrhandlung: Erforderlichkeit

A

Recht braucht Unrecht nicht zu weichen (keine Güterabwägung)

  1. Verteidigungshandlung muss nach objektivem ex-ante Urteil geeignet sein, den Angriff abzuwehren (zur sofortigen und endgültigen Beseitigung des Angriffs)
  2. Bei mehreren gleich wirksamen Mitteln ist das relativ Mildeste zu wählen (3- Stufen-Regel bei tödlichen Waffen: Androhen - Kampfunfähig - Tötung nur als letztes Mittel)
  3. Aus Rechtsbewährungsprinzip (Verteidigung der Rechtsordnung): Fehlende Erforderlichkeit bei sofort verfügbarer und effektiver obrigkeitsstaatlicher Hilfe
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22
Q

Notwehrhandlung: Gebotenheit

A

Einschränkungen bei

  1. Bagatellangriffen (wenn Notwehrlage bejaht wird, darf Notwehrhandlung nicht Grenze zur Körperverletzung überschreiten)
  2. Krasses Missverhältnis (jedoch keine regelmäßige Güterabwägung - beschränkt auf Extremfälle: Schuss auf apfelstehlende Jugendliche)
  3. Angriff schuldlos Handelnder
  4. 1 Kinder, Betrunkene, Geisteskranke, durch Notwehrexzess und Notstand Entschuldigte (Stufen: Ausweichen - Schutzwehr - Trutzwehr unter Möglichstes Schonung)
  5. 2 Schuldlosigkeit durch Irrtum: Irrtum soll zunächst aufgeklärt werden
  6. Persönliche Nähebeziehung: Notwehrbeschränkung bei intakten familiären Nähebeziehungen (hM, aber str!)
  7. Art. 2 EMRK: Auslegung des § 32 danach würde Tötungen zum Schutz von Sachwerten konventionswidrig machen, aber hM bezieht Art. 2 nur auf Staat-Bürger
  8. Schuldhafte Herbeiführung der Notwehrlage (separat)
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23
Q

Schuldhafte Herbeiführung einer Notwehrlage

A
  1. Absichtsprovokation: der Angriff wurde gerade mit dem Ziel herausgefordert, unter dem Deckmantel der Notwehr verletzen zu können (str. mM nimmt keinerlei Beschränkungen an, aA verlangt Ausweichen, hM lässt Notwehr vollständig entfallen, tw. wird Provokation als Einwilligung, als Angriff, als Selbstgefährdung, nicht mehr zur Verteidigung der Rechtsordnung, als rechtsmissbräuchlich ohne Vereidigungswillen handelnd)
  2. Sonst vorwerfbar herbeigeführte Notwehrlage
  3. 1 Zurechnungszusammenhang zwischen provozierendem Vorverhalten und dem ausgelösten Angriffsverhalten
  4. 2 Schuldhaft: Rechtswidriges Vorverhalten, aber auch str. sozialethisch zu missbilligendes Verhalten (1.Klasse-Fall)
  5. Enger zeitlicher und örtlicher Zusammenhang

Allgemein: je schwerer die rechtswidrige und verwertbare Provokation der Notwehrlage wiegt, umso größere Zurückhaltung ist ihm bei der Abwehr zuzumuten

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24
Q

Actio illicita in causa

A

Ein Angegriffener soll nicht für die in Notwehr gerechtfertigte Handlung zur strafrechtlichen Verantwortung gezogen werden, sondern für die verwerfbare Verursachung der Notwehrlage (hM nimmt diese Konstruktion nicht an)

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25
Q

Abwehrprovokation

A

“Überrüstung” in Erwartung eines Angriffs (str. um Folgen: eA Notwehrablehnung wie bei Notwehrprovokation, aA BGH: wäre Widerspruch, wenn Befugnis zur Ausübung des Notwehrrechts bestünde und gleichzeitig eine Bestrafung angedroht würde)

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26
Q

Verteidigungswille (Notwehrwille)

A

Täter muss die Umstände kennen, die die Notwehrlage begründen und die Erforderlichkeit der konkret gewählten Verteidigungshandlung ausmachen. Darüber hinaus muss Verteidigungsabsicht vorliegen (und ggü anderen Motiven dominieren) - bei Unkenntnis der Notwehrlage: str. ob aus Vollendung oder Versuch zu bestrafen

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27
Q

Nothilfe

A
  1. Notwehrvoraussetzungen- und Einschränkungen sind aus dem Verhältnis von Angreifer und Angegriffenem abzuleiten
  2. Nothilfe hat sich am Willen des Betroffenen zu orientieren
  3. “Allgemeinheit” ist kein anderer (Funktion der staatlichen Organe)
  4. Staatsnothilfe
  5. 1 Anderer als juristische Person: Staatsnothilfe möglich, wenn der Staat als Träger von Individualrechtsgütern betroffen ist
  6. 2 Staat als Hoheitsträger: nur wenn der Staat in seinem Bestand als solchem evident gefährdet ist und nicht in der Lage, sich durch seine eigenen Organe zu verteidigen
  7. Str., ob Hoheitsträger bei amtlichem Handeln auf Nothilfe sich berufen können (Metzler-Fall)
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28
Q

Selbsthilfe zur Anspruchssicherung (§§ 229 ff. BGB)

A
  1. Selbsthilfelage
  2. 1 Einredefreier zivilrechtlicher Anspruch
  3. 2 Gefahr der Vereitelung oder Erschwerung
  4. 3 Staatlich Hilfe nicht rechtzeitig zu erlangen
  5. Selbsthilfehandlung
  6. 1 Wegnahme, Beschädigung oder Zerstörung einer Sache
  7. 2 Bei Fluchtverdacht Festnahme
  8. 3 Beseitigung von Widerstand
  9. 4 In allen Fällen: Verhältnismäßigkeit und nur vorläufige Anspruchssicherung erlaubt (§ 230 I); ferner Selbsthilfegrenzen des § 230 II-IV, insbesondere bei Wegnahme einer Sache: Beantragung von Sicherheitsarrest
  10. Selbsthilfewille
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29
Q

Selbsthilfe des Besitzers (§ 859 BGB)

A
  1. Besitzstörung / Besitzentziehung durch verbotene Eigenmacht
  2. 1 Besitzstörung muss noch andauern
  3. 2 Besitzentziehung muss noch frisch sein
  4. Besitzwehr- / Besitzkehrhandlung
  5. 1 Bei Besitzstörung: durch angemessene Gewaltanwendung
  6. 2 Bei Besitzentziehung: gewaltsame Wegnahme
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30
Q

Vorläufige Festnahme durch Jedermann (§ 127 I S. 1 StPO)

A
  1. Festnahmelage
  2. 1 Andere Person auf frischer Tat betroffen oder verfolgt (nicht bei Fahndung oder bei Gefängnisausbruch!)
  3. 2 Fluchtverdacht (nach Umständen oder Lebenserfahrung berechtigte Annahme, der Betroffene werde sich der Strafverfolgung durch Flucht entziehen) oder Identität nicht sofort feststellbar (Name nicht bekannt und Verweigerung der Angaben/ kann sich nicht ausweisen)
  4. Festnahmehandlung
  5. 1 Erklärung der Festnahme und zwangsweise Durchsetzung
  6. 2 Verhältnismäßigkeit (insbesondere keine Handlungen, die ernsthafte Gesundheitsschädigung oder Lebensgefährdung nach sich ziehen könnten)
  7. Festnahmeabsicht
  8. 1 Kenntnis der die Festnahme begründenden Umständen
  9. 2 Absicht, den Betroffenen der Strafverfolgung zu übergeben
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31
Q

Streit um Taterfordernis bei § 127 I S. 1 StPO

A

eA materielle Theorie: Straftat muss wirklich begangen worden sein: Scheinangriff begründet auch keine Notwehr; Systematik des § 127: wenn wie für Abs. 2 dringender Tatverdacht auch für Abs. 1 ausreichen würde, wäre Abs. 2 überflüssig; Festnahme durch Private als Ausnahme und daher eng auszulegen; Duldungspflicht kann Betroffenem nur bei tatsächlicher Tat abverlangt werden
aA prozessuale Theorie: Zusammenschau der Umstände ergibt zweifelsfreien dringenden Tatverdacht; alle anderen Eingriffsnormen der StPO lassen dringenden Tatverdacht genügen; Bürger können nicht mehr Sorgfalt abverlangt werden als Behörden; bei Risiko würde sonst keine mehr 127 anwenden

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32
Q

Rechtfertigender Notstand (Schema)

A
  1. Notstandslage: Gegenwärtige Gefahr für ein rechtlich geschütztes Interesse des Verteidigers oder eines Dritten
  2. Notstandshandlung
  3. 1 Gefahr nicht anders als durch Eingriff anwendbar
  4. 2 Interessensabwägung
  5. 3 Angemessenheit
  6. Gefahrabwendungswille
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33
Q

Notstandslage

A
  1. Notstandsfähiges Rechtsgut: alle Rechtsgüter des Einzelnen und der Allgemeinheit, sofern sie in der konkreten Situation schutzbedürftig und schutzwürdig sind
  2. Gegenwärtig Gefahr meint einen Zustand, dessen Weiterentwicklung den Eintritt oder die Intensivierung eines Schadens ernstlich befürchten lässt, sofern nicht alsbald Abwehrmaßnahmen ergriffen werden (objektive ex-ante-Prognose: objektiver Beobachter unter Berücksichtigung etwaigen Sonderwissens des Notstandstäters)
  3. Gegenwärtigkeit auch: Dauergefahr, wenn die gefährliche Situation jederzeit in einen Schaden umschlagen kann und sofortiges Handeln angezeigt is,t, um ihm wirksam begegnen zu können)
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34
Q

Erforderlichkeit der Notstandshandlung

A

Gefahr darf nicht anders als durch die Eingriffshandlung des Täters abwendbar sein, ie geeignetes (Rettungschance enthaltendes) und zugleich relativ mildestes Mittel (jede Abwehrmaßnahme ist heranzuziehen, ggf. auch eine bloße Ausweichmöglichkeit)

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35
Q

Interessenabwägung bei der Notstandshandlung

A

Bei Abwägung der widerstreitenden Interessen muss das geschützte das eingegriffene wesentlich überwiegen. Abwägungsgesichtspunkte sind:

  1. Strafrahmenvergleich
  2. Wertgefälle der Rechtsgüter
  3. Intensität der drohenden Rechtsgutsverletzung
  4. Grad der drohenden Gefahr
  5. Keine Abwägung Leben gegen Leben
  6. Autonomieprinzip (Eingriff richtet sich gegen Dritte)
  7. Verschulden der Notstandslage (kein Ausschluss, aber Abwägekriterium)
  8. Besondere Pflichtenstellung (Polizist etc, aber: Risikopflicht, keine Aufopferungspflicht!)
  9. Individuelle Bedeutung der Schäden für die jeweils Betroffenen
  10. Entstehung einer Gefahr aus der Sphäre des Eingriffsopfers (s. Fallgruppen)
36
Q

Wesentliches Überwiegen des geschützten Interesses beim rechtfertigenden Notstand

A

Ein Interessenübergewicht muss zweifelsfrei und eindeutig sein, wenn eine Rechtfertigung erfolgen soll und bei unklarem Abwägungsergebnis keine Rechtfertigung erfolgen kann

37
Q

Angemessenheit der Notstandshandlung

A

Zusätzliches Korrektiv, sodass sichergestellt werden soll, dass das Verhalten des Notstandstäters auch nach den anerkannten Wertvorstellungen der Allgemeinheit als eine sachgemäße und dem Recht entsprechende Lösung der Konfliktlage erscheint

38
Q

Voraussetzungen des rechtfertigenden Notstands bei Hoheitsträgern

A
  1. Interessenskonflikt ist nicht vom Gesetzgeber wegen seiner Ungewöhnlichkeit vorausgesehen
  2. Gesetzgeber wartet mit einer entsprechenden konkreten Kodifizierung des § 34 für diesen Fall noch ab
39
Q

Erklärte rechtfertigende Einwilligung

A
  1. Disponibilität des betroffenen Rechtsguts: alle Individualrechtsgüter aus dem menschlichen Leben (arg. e § 216 StGB)
  2. Verfügungsberechtigung: der Einwilligende muss Rechtsgutsträger sein oder als Vertreter zu Einwilligung befugt sein
  3. Erklärung der Einwilligung: explizit oder konkludiert, jedenfalls vor dem Abschluss des Rechtsgutseingriffes
  4. Einwilligungsfähigkeit: Einwilligende muss nach seiner geistigen und sittlichen Reife in der Lage sein, Art und Tragweite des Rechtsgutseingriffs zu erkennen und sachgerecht zu beurteilen
  5. Keine wesentlichen Willensmängel (wie Täuschung oder Verletzung der Aufklärungspflicht des Arztes); Täuschungen, die nicht rechtsgutsbezogen sind, sind nach eA unerheblich
  6. Kein Verstoß gegen die guten Sitten (bei §§ 223 ff.)
  7. Handeln in Kenntnis und aufgrund der Einwilligung
40
Q

Streit: Einwilligungsfähigkeit bei Eingriff in das Rechtsgut Vermögen/Eigentum

A
  1. eA: geistige und sittliche Reife
  2. aA: zivilrechtliche Regelungen der Geschäftsfähigkeit (§§ 104 ff. BGB)
    pro: Einheit der Rechtsordnung
    con: Unterschiedliche Zielsetzungen von Straf- und Zivilrecht
    con: Wertungswiderspruch, wenn Eingriffe in körperliche Unversehrtheit möglich wären, aber nicht in Vermögen
41
Q

Kriterien für die ärztliche Aufklärungspflicht

A
  1. Aufklärung über den Verlauf des Eingriffs, seine Erfolgsaussichten, Risiken und mögliche Behandlungsalternativen mit wesentlich anderen Risiken
  2. Aufklärung muss inhaltlich “im Großen und Ganzen” erfolgen
  3. Hinweis auf das schwerste mögliche Risiko
  4. Erläuterung des sicher oder regelmäßig eintretenden post-operativen Zustandes
42
Q

Grundprinzipien der mutmaßlichen Einwilligung

A
  1. Handeln im materiellen Interesse des Betroffenen (Prinzip der Interessenbehauptung): Maßgeblich ist ein Wahrscheinlichkeitsurteil ex ante über den wahren Willen des Betroffenen zum Tatzeitpunkt (abzustellen ist auf die individuellen Interessen, Bedürfnisse, Wünsche, Wertvorstellungen - wenn nicht vorhanden: was allgemein als sachgerecht und vernünftig anzusehen ist)
  2. Prinzip aus mangelndem Interesse: unter Respektierung der persönlichen Interessen des Betroffenen fehlt es an einem schutzwürdigen Erhaltungsinteresse
43
Q

Mutmaßliche Einwilligung

A
  1. Verfügbarkeit des geschützten Rechtsguts
  2. Verfügungsbefugnis
  3. Einwilligungsfähigkeit
  4. Subsidiarität: keine zumutbare Möglichkeit, die Einwilligung rechtzeitig einzuholen
  5. Ermittlung des mutmaßlichen Willens unter gewissenhafter Prüfung der individuellen Präferenzen des Rechtsgutsinhabers
  6. Subjektives Rechtfertigungselement
44
Q

Tatbestandsausschließende Einwilligung (Einverständnis)

A

Wirkt tatbestandsausschließend (objektives Tatbestandsmerkmal):

  1. allein der innere Wille zum Tatzeitpunkt ist maßgeblich (Willensrichtungstheorie)
  2. Voraussetzung ist die natürliche Willensfähigkeit (nicht Einsichtsfähigkeit wie bei der Einwilligung)
  3. Willensmängel sind unbeachtlich
  4. Kenntnis des Täters ist nicht erforderlich
45
Q

Hypothetische Einwilligung

A

(Arztrecht) Ein eigentlich rechtswidriger Eingriff ist gerechtfertigt, wenn davon auszugehen ist, dass der Patient bei ordnungsgemäßer Aufklärung in diesen eingewilligt hätte und wenn der Arzt lege artis vorgegangen ist

con: Ärztliche Aufklärungspflicht wird ausgehöhlt
con: kein anzuerkennendes Bedürfnis nach dieser Konstruktion

46
Q

Der strafrechtliche Rechtmäßigkeitsmaßstab für öffentlich-rechtliche Handlungen

A
  1. Amtsträger muss für die konkrete Handlung zuständig sein
  2. Wesentliche Regeln des Ob und Wie der Maßnahme müssen gewahrt sein
  3. Bestehendes Ermessen muss pflichtgemäß ausgeübt sein
  4. Wille des Amtsträgers, zum Zwecke der Amtsausübung tätig zu sein
47
Q

Streit: Irrtumsprivileg des Staates

A
  1. eA: Rechtmäßigkeit trotz Irrtum, wenn der Amtsträger pflichtgemäß geprüft hat
    pro: Diensthandlungen würden erschwert oder praktisch sogar unmöglich gemacht, wenn der Betroffene gegen ihn ein Notwehrrecht hätte
    pro: Handlungskraft in unübersichtlichen Situationen wird gesichert
    con: dem irrtümlich Betroffenen wird sein Notwehrrecht genommen
  2. aA: Bei falscher Sachgrundlage besteht keine Rechtfertigung
    pro: keine Privilegierung (obrigkeitsstaatliches Relikt)
48
Q

Der rechtswidrige verbindliche Befehl

A
  1. Befolgungspflicht: besteht nur, “sofern das ihm aufgetragene Verhalten nicht strafbar oder ordnungswidrig ist und nicht die Würde des Menschen verletzt” (§§ 35, 36 BeamtStG) und dies erkennbar ist
  2. (Keine) strafrechtliche Verantwortung
  3. 1 eA: aus Rechtfertigung (gegenüber dem gehorsamspflichtigen Befehlsempfänger widersinnig, eine Ausführungspflicht zu bejahen, in der Folge aber diese pflichtgemäße Handlung als rechtswidrig einzustufen; Befehlsempfänger gegenüber wären Notwehrhandlungen möglich; Pflichtenkollision für Befehlsempfänger, die nach § 34 zur Rechtfertigung führen würde)
  4. 2 aA: oder Entschuldigung (ein rechtswidriger Befehl kann Unrecht nicht in Recht verwandeln - aber die Tat an sich würde gar nicht rechtens, da sie in mittelbarer Täterschaft begangen sein könnte; Delegation der Handlung kann nicht Rechtswidrigkeit beseitigen; kein Grund für Entziehung des Notwehrrechts beim Betroffenen ersichtlich)
49
Q

Fallgruppen zum rechtswidrigen Befehl

A
  1. Verkennen der sachlichen Eingriffsvoraussetzungen durch den Vorgesetzten: Ausführung rechtmäßig, wenn sie ihm Vertrauen auf die Rechtmäßigkeit der Anordnung erfolgt ist
  2. Verkennen der rechtlichen Voraussetzungen/Einschränkungen durch Vorgesetzten:
  3. 1 eA Vollzugsakt immer rechtswidrig, auch wenn der Untergebene auf Rechtmäßigkeit vertraut hat
  4. 2 aA Rechtfertigung, wenn der Ausführende den vom zuständigen Vorgesetzten erteilten dienstlichen und nicht offensichtlich rechtswidrigen Befehl in gesetzlicher Form vollzieht (Überprüfung nicht notwendig)
50
Q

Notwehrexzess

A
  1. Notwehrexzesslage
  2. 1 Intensiver Notwehrexzess: Notwehrlage
  3. 2 Nachzeitiger extensiver Notwehrexzess (streitig): Phase direkt nach einer Notwehrlage
  4. Notwehrexzesshandlung
  5. 1 Intensiver Notwehrexzess: Überschreitung der Erforderlichkeitsgrenze oder Gebotenheitsgrenze
  6. 2 Nachzeitiger extensiver Notwehrexzess: Überschreitung der Gegenwärtigkeitsgrenze
  7. Asthenischer Affekt als Überschreitungsgrund
  8. 1 Zustand der Schwäche: Verwirrung, Furcht, Schrecken
  9. 2 (Mit-) Ursächlichkeit des Zustands
  10. Problem des bewussten Notwehrexzesses
  11. Verteidigungswille mit Verteidigungsabsicht (str.)
51
Q

Streit: (nachzeitiger/vorzeitiger) extensiver Notwehrexzess

A
  1. eA: gem. Wortlaut muss eine Notwehrlage tatsächlich vorhanden sein; diese fehlt beim extensiven Notwehrexzess
    con: präventive Bestrafungsnotwendigkeit (wie bei intensivem) ist auch bei extensivem NWE nicht gegeben; schlichte Vergeltung ist durch asthenische Affekterfordernis eingeschränkt
  2. aA: Anwendung des NWE auch bei extensiver Ausgestaltung
    con: nicht bei vorzeitigem: hier besteht entgegen dem Wortlaut keine Notwehrlage
    pro: bei nachzeitigem, wenn unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang besteht (Überschreitung wird von einer bereits bestehenden Notwehrlage aus gedacht)
52
Q

Definition der asthenischen Affekte

A
  1. Verwirrung: ein in Ordnung geratener, seelischer oder geistiger Zustand aus dem Affekt der Bedrohung, der zu einer nicht mehr überlegten Gegenwehr führt
  2. Schrecken: Reaktion auf eine überraschende Bedrohung oder einen Reflex auf überraschende Sinnenreize, die zu impulsiven und unkontrollierten Reaktion führen könne
  3. Furcht (“Panik”): gesteigerte Form der Angst als ein Denken und Wollen beherrschendes Gefühl, einer subjektiv empfundenen Bedrohung ausgesetzt zu sein (Todesangst nicht erforderlich)
53
Q

Streit: bewusster Notwehrexzess

A
  1. mM: vertritt rein unbewussten NWE, bei dem der Täter einen so hochgradigen Erregungszustand haben muss, sodass er die Übermäßigkeit seiner Notwehrhandlung entweder gar nicht erkennt oder falsch einschätzt
    con: Wortlaut § 33, der keine Einschränkung kennt; einschränkende Auslegung wäre als nachteilige Auslegung für den Täter gem. 103 II GG verfassungswidrig
    con: ursprüngliche Differenzierung zwischen bewusster und unbewusster Form wurde verworfen
  2. hM: auch bewusster NWE, bei dem der Täter als das Überschreiten gedanklich umfasst, fällt unter die Regeln des § 33
    pro: auch wer weiß, was er tut, kann sich in einer psychischen Ausnahmesituation empfinden, aus der heraus ihm sein Handeln nicht vorgeworfen werden kann
    pro: an die Ausnahmesituation der Notwehrlage dürfen keine übermäßig erhöhten Anforderungen gestellt werden, da die Notwehrhandlung mit einem gewissen Fehlschlagrisiko behaftet ist und eine effektive Angriffsabwehr gesichert sein soll
    pro: ansonsten erforderliche Abgrenzung zwischen bewusster und unbewusster Form durch Vorsatz vs. Fahrlässigkeit dürfte praktisch kaum umsetzbar sein
54
Q

Entschuldigender Notstand

A
  1. Voraussetzungen
  2. 1 Notstandslage
  3. 1.1 Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit
  4. 1.2 des Täters, eines Angehörigen oder einer anderen nahestehenden Person
  5. 1.3 Gegenwärtigkeit der Gefahr
  6. 2 Notstandshandlung
  7. 2.1 Begehen einer rechtswidrigen Tat
  8. 2.2 Erforderlichkeit (“nicht anders abwendbar”)
  9. 3 Rettungsabsicht
  10. Zumutbarkeit der Gefahrenhinnahme
  11. 1 Selbstverursachung der Gefahr
  12. 2 Bestehen eines besonderen Rechtsverhältnisses
  13. 3 Sonstige Fälle (Beschützergaranten mit besonderen Obhutspflichten aus privatem Rechtsverhältnis; gewisse Proportionalität)
55
Q

Notstandslage (§ 35)

A
  1. Notstandsfähige Rechtsgüter
  2. 1 Leben: physische Existenz (auch ungeborenes Leben nach hM)
  3. 2 Leib: aus Systematik (mit Leben) wird drohende schwerwiegende Beeinträchtigung angenommen
  4. 3 Freiheit: aus Systematik (Körperbezogenheit) physische Bewegungsfreiheit, nicht Freiheit der Willensbetätigung
  5. Rettungsfähige Personen
  6. 1 Angehörige (in § 11 I Nr. 1 legaldefiniert)
  7. 2 Andere nahestehende Person (Bestehen eines auf Dauer angelegten zwischenmenschlichen Verhältnisses, das über die alltäglichen Sozialkontakte hinaus reicht und einem Verwandtschaftsverhältnis der Intensität nach vergleichbar ist)
  8. Gegenwärtige Gefahr (auch Dauergefahr)
56
Q

Notstandshandlung (§ 35)

A
  1. Geeignetheit (Täter muss sich auf unsicheres Mittel nicht verlassen)
  2. Relativ mildestes Mittel
    Keine Interessenabwägung!
57
Q

Rettungsabsicht (§ 35)

A
  1. Kenntnis der Gefahr

2. Rettungsabsicht/ Gefahrabwendungswille (anders als bei §§ 32, 34 unbestritten)

58
Q

Streits: Zumutbarkeit nach § 35 I S. 2

A
  1. Notstandshelfer hat die Gefahr für Angehörigen verursacht
    hM § 35 I S. 2 Alt. 1 greift nicht (nur Verursacher wird zur Hinnahme verpflichtet)
    mM § 35 ist für denjenigen ausgeschlossen, der die Gefahrenlage verschuldet hat, unabhängig davon, wem die Notstandshandlung zugute kommen soll
    E: Verursacher soll seinen Schaden wieder gut machen könne; con: Wortlaut
  2. Angehöriger hat Gefahr selbst verursacht
    hM § 35 I S. 2 Alt. 1 greift nicht (Wortlaut: Notstandstäter hat Gefahr nicht “selbst” verursacht)
    mM Notstandshelfer ist zumutbar, dass er Gefahrtragungspflicht des Verursachers hinnehme
    E: Verkürzende Auslegung führt zu einer Strafbegründung entgegen Art 103 II GG
59
Q

Zumutbarkeit nach § 35 I S. 2 bei “besonderem Rechtsverhältnis”

A

Berufsspezifische Pflichten gegenüber der Allgemeinheit - berufstypische Gefahren sind hinzunehmen (daraus verbietet sich auch eine Notstandshilfe zugunsten dieser Personen)

60
Q

Zumutbarkeit nach § 35 I S. 2 bei weiteren “Umständen”

A
  1. Obhutsgarantenstellungen iSv § 13
  2. aus Duldungspflichten (§§ 32, 34)
  3. aus Unverhältnismäßigkeit (“krasses Missverhältnis”, insbesondere Tötung zur Gefahrabwendung von niederen Rechtsgütern nur in Ausnahmefällen, vgl. auch Haustyrannenfall)
61
Q

Übergesetzlicher entschuldigender Notstand

A
  1. In Literatur und Rspr. grundsätzlich anerkannt (Behandlung der Euthanasie-Fälle)
  2. Notstandslage
  3. 1 Gegenwärtige Lebensgefahr für Personenkreis außerhalb von § 35
  4. 2 Entscheidungskonflikt des Täters: Tod der gefährdeten Person(en) oder Gefahrabwendung durch aktive Rechtsverletzung
  5. Notstandshandlung
  6. 1 Einziges Mittel zur Gefahrenabwehr
  7. 2 Schaden schafft ethisch geringeres Übel oder opfert ohnedies Todgeweihte (Problem der Gefahrengemeinschaft - keine vorher Ungefährdeten dürfen geopfert werden, Weichenstellerfall)
  8. 3 Keine Gefahrtragungspflicht analog § 35 I S. 2
  9. Gefahrabwendungswille (Rspr. verlangt hier gewissenhafte Prüfung des Vorliegen der Notstandssituation)
62
Q

Fahrlässigkeitsdelikt (Aufbau)

A
I. Tatbestandsmäßigkeit
1. Handlung - Erfolg - Kausalität
2. Objektive Komponenten der Fahrlässigkeit
2.1 Objektiver Sorgfaltspflichtverstoß
2.2 Objektive Vorhersehbarkeit des Erfolgseintritts
3. Objektive Zurechnung des Erfolges
II. Rechtswidrigkeit
III. Schuld
1. Schuldfähigkeit
2. Individuelle Komponenten der Fahrlässigkeit
2.1 Individueller Sorgfaltpflichtverstoß
2.2 Individuelle Vorhersehbarkeit
2.3 Entschuldigungsgründe
63
Q

Fahrlässigkeit und Leichtfertigkeit

A

Leichtfertig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich hohem Maß verletzt (grober Sorgfaltspflichtverstoß)

64
Q

Objektiver Sorgfaltspflichtverstoß

A

Das Außer-Acht-Lassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt, zu ermitteln durch

  1. Verstoß gegen gesetzliche Norm
  2. Sonstige Bestimmungen und Vorschriften (Unfallverhütung im Betrieb etc)
  3. Maßgeblich, wie sich ein besonnener und gewissenhafter Mensch in Betrachtung der Situation ex ante in der konkreten Lage und sozialen Position des Handelnden verhalten hätte (Sonderfähigkeit und -kenntnisse beachtlich, unterdurchschnittliche Fähigkeiten und Kenntnisse unbeachtlich)
65
Q

Begrenzung der Sorgfaltspflicht

A

Vertrauensgrundsatz: Man darf auf das verkehrsgerechte Verhalten Dritter vertrauen und muss sein Handeln nicht nach allen eventuellen Sorgfaltswidrigkeiten durch andere ausrichten

  1. Nur bei eigenem verkehrsgerechtem Verhalten
  2. Nicht gegenüber solchen, die erkennbar sich nicht nach ordnungsgemäßem Verhalten ausrichten können (Kinder etc)
  3. Bestimmte Umstände indizieren das nicht-verkehrsgemäße Verhalten Dritter
66
Q

Objektive Vorhersehbarkeit

A

Objektiv vorhersehbar ist alles, was ein umsichtiger Mensch aus dem Verkehrskreis des Täters unter Berücksichtigung der konkreten Umstände nach allgemeiner Lebenserfahrung in Rechnung stellen würde

67
Q

Streit: fraglicher Pflichtwidrigkeitszusammenhang bei der objektiven Zurechnung innerhalb des Fahrlässigkeitsdelikts

A
  1. eA (hM): wäre der Erfolg bei rechtmäßigen Pflichtverhalten des Täter mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit trotzdem eingetreten, war der Erfolg objektiv unvermeidbar und ist daher dem Täter nicht objektiv zurechenbar
    pro: entspricht in dubio pro reo
    con: Schaffung eines unerlaubten Risikos, das sich möglicherweise sogar im Erfolg niedergeschlagen hat, findet keine strafrechtliche Würdigung
  2. aA (mM, Risikoerhöhungstheorie): für objektive Zurechenbarkeit ist ausreichend, dass das sich im Erfolg realisierte Verhalten den Erfolgseintritt erhöht hat
    (Ausnahmen: sicherer Erfolgseintritt auch bei pflichtgemäßen Verhalten; zweifelhafte Risikoerhöhung: idpr)
    pro: bei unerlaubten Risiko besteht kein Grund mehr, den Täter von den Folgen seines Handelns zu entlasten
    con: idpr wird zu Lasten des Täters verkürzt, da dieser schon bei nachgewiesener Risikoerhöhung haftbar gemacht wird
    pro: idpr gilt nur auf Tatsachenebene; Risiko nicht in erlaubtes oder unerlaubtes Element aufteilbar
    con: verwandelt Verletzungsdelikte in konkrete Gefährdungsdelikte (so nicht zutreffend, da auch Verletzungselemente eine Gefährdung beinhaltet, die sich dann aber zusätzlich in einer Rechtsgutsverletzung realisiert; diese Struktur bleibt unangetastet)
    aber con (!): verstößt gegen Wortlaut, Verletzung muss durch Fahrlässigkeit erfolgen (dies ist nur der Fall wenn ohne Zweifel feststeht, dass der Erfolg bei rechtmäßigem Alternativverhalten nicht eingetreten wäre)
    con: gibt keine Kriterien für die Beurteilung der Risikoerhöhung zur Hand
68
Q

Schutzzweck der verletzten Norm

A

Diejenige rechtlich missbilligte Gefahr muss sich im konkreten Erfolg realisiert haben, deren Eintritt nach dem Schutzzweck der verletzten Sorgfaltsnorm vermieden werden sollte
bspw. Geschwindigkeitsbeschränkung hat nicht den Sin und Zweck, die Anwesenheit des Fahrers an einem bestimmten Ort zu einer bestimmten Zeit zu verhindern

69
Q

Individuelle Komponenten der Fahrlässigkeit

A

Individuelle Fähigkeit zu pflichtgemäßem Verhalten ist zu bejahen, wenn der Täter aufgrund seiner Intelligenz und Bildung, seiner Geschicklichkeit und Befähigung, seiner Lebenserfahrung und sozialen Stellung in der Lage gewesen ist, entsprechend dem objektiven Maßstab die Gefahr der Erfolgsherbeiführung zu erkennen und durch sorgfaltsgemäßes Verhalten zu vermeiden

70
Q

Fallgruppen der Abgrenzung nach Verantwortungsbereichen bei der objektiven Zurechnung innerhalb des Fahrlässigkeitsdelikts

A

I. Verantwortungsbereich Opfer

  1. Retterfälle: Täter bringt Opfer in eine Gefahrenlage, und ein Dritter wird als Retter verletzt oder getötet - eigenverantwortliche Selbstgefährdung des Retters wird verneint, wenn der Retter zum Eingreifen verpflichtet ist oder sich für ihn eine § 35 entsprechende (psychische) Zwangslage ergibt
  2. Verfolgerfälle: Opfer kommt dadurch zu Schaden, dass es Täte verfolgt (Zurechnung bei verfolgungstypischen, durch die Ausgangsgefahr gesetzten Risiken; nicht bei allgemeinem Lebensrisiko oder besonders riskantem Verfolgerverhalten; Täter schafft einsichtiges Motiv für Verfolgung, bspw. bei Flucht mit Beute)
  3. Fluchtfälle: Zurechnung von Flucht- und Ausweichreaktionen (soweit unfreies Opferverhalten)

II. Verantwortungsbereich Dritter

  1. “Jägerfall”: Täter nimmt geladenes Gewehr von der Garderobe, dass Jäger dorthin gehängt hat - strafbar aus § 222 (Verletzungen von Sicherheitsvorschriften und Garantenpflichten durch Nebentäter): objektive Vorhersehbarkeit (Animieren von anderen Personen zu Vorsatztaten durch Verletzung der eigenen Sorgfaltspflicht), Schutzzweckzusammenhang (Zweck der verletzten Sorgfaltsnorm, Dritte von Vorsatztaten abzuhalten, bei Sicherheitsvorschriften idR zu bejahen)
  2. “Geliebte-Fall”: G überlasst M Gift, M tötet seine Frau - Vertrauensgrundsatz, aber gilt nach hM nicht, wenn durch fahrlässiges Verhalten die erkennbare Tatgeneigtheit des späteren Vorsatztäters gefördert wird
71
Q

Rechtswidrigkeit (Fahrlässigkeitsdelikt)

A
  1. Tat ist insbesondere dann gerechtfertigt, wenn der Täter den Tatbestand auch hätte vorsätzlich verwirklichen dürfen
  2. Rechtfertigungsabsicht kann nicht gegeben sein, vielmehr reicht beim Fahrlässigkeitsdelikt ein Handeln in Kenntnis der Rechtfertigungssituation aus
  3. Bei Fehlen des subjektiven Rechtfertigungselements wird - parallel zum Vorsatzdelikt - der Erfolgsunwert des Fahrlässigkeitsdelikt durch die objektive Rechtfertigungslage kompensiert; mit dem übrig bleibenden Handlungsunwert ergibt sich ein fahrlässiger Versucht, der als solcher nicht strafbar ist
72
Q

Unechtes Unterlassensdelikt

A

I. Tatbestandsmäßigkeit
1. Objektiver Tatbestand
a. Tatbestandsmäßiger Erfolg
b. Unterlassen der Rettungshandlung trotz physisch-realer Handlungsmöglichkeit
c. Quasi-Kausalität (Unterlassen dann kausal, wenn die Vornahme der unterlassenen Handlung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zum Entfallen des konkreten Erfolgs geführt hätte)
d. Objektive Zurechnung: Erfolg muss gerade auf der pflichtwidrigen Unterlassenshandlung beruhen; wenn die Vornahme der erforderlichen Rettungshandlung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zur Erhaltung des gefährdeten Rechtsguts geführt hätte (Insbesondere wieder Schutzzweckprüfung: diente die dem Täter obliegende Handlungspflicht gerade der Vereitelung des konkret eingetretenen Erfolges)
e. Garantenstellung des Täters
f. Entsprechungsklausel gem. § 13 I (entfällt idR bei Erfolgsdelikten)
2. Subjektiver Tatbestand
a. Tatbestandsvorsatz bezüglich aller Merkmale des objektiven Tatbestandes (Irrtum über Garantenstellung oder diese begründende Umstände: Tatbestandsirrtum: Irrtum über Garantenpflicht aus Garantenstellung: Verbotsirrtum): Wille zum Untätigsein in Kenntnis aller Merkmale des objektiven Tatbestandes und in dem Bewusstsein, dass die Abwendung des drohenden Erfolges noch möglich ist
b. Deliktspezifische subjektive TB-Merkmale
II. Rechtswidrigkeit (ggf. rechtfertigende Pflichtenkollision)
III. Schuld (insbes. Unzumutbarkeit)

73
Q

Streit: Abgrenzung Tun - Unterlassen

A
  1. (hM): wertende Betrachtung: wo nach normativer Betrachtung und unter Berücksichtigung des sozialen Handlungssinnes der Schwerpunkt des strafrechtlich relevanten Verhaltens liegt
    con: unklare Schwerpunktbestimmung
    con: Zirkelschlussvorwurf: Schwerpunkt der Vorwerfbarkeit wird durch die Strafwürdigkeit des Verhaltens maßgeblich bestimmt
  2. Entscheidend ist, ob der Täter durch positiven Energieaufwand auf seine Umwelt einwirkt (Tun) oder ob er seine Energie gegenüber einem in Gang gesetzten Kausalverlauf nicht eingesetzt hat (Unterlassen)
    con: unbrauchbar bei mehrdeutigen/ mehraktigen Geschehen
  3. Subsidiaritätsprinzip: Zunächst aktives Tun (Körperbewegung) vs. Unterlassen (keine Körperbewegung) - jedes aktive (vorsätzliche oder fahrlässige) Tun ist auf TB-Mäßigkeit, RW und Schuld zu prüfen, erst dann kommt eine Prüfung infrage, ob der Täter ein zu erwartendes aktives Tun unterlassen hat
    con: Unterlassen ohne irgendein vorheriges Tun ist nicht denkbar
74
Q

Beschützergarantenstellung

A

Beschützergaranten haben ein bestimmtes Rechtsgut vor allen ihm aus beliebigen Quellen drohenden Verletzungen zu schützen

  1. Natürliche Verbundenheit (Ehegatten, Verwandten gerader Linien, Geschwister, Verlobten), aber restriktive Auslegung (konkrete Situation immer miteinzubeziehem bspw. zerrüttete Ehe, “rein biologische” Geschwister)
  2. Enge Lebens- und Gefahrengemeinschaft (Gewähr gegenseitiger Hilfe und Fürsorge in Gefahrensituationen aufgrund gegenseitigem Vertrauensverhältnis)
  3. Treu und Glauben (aus § 242 BGB): Rspr. mittlerweile zurückhaltender, tw. wird zusätzlich besonderes Vertrauensverhältnis gefordert (enge Geschäftsbeziehung)
  4. Tatsächliche (nicht rein vertragliche) freiwillige Übernahme von Schutz- und Beistandspflichten (Obhutsverhältnis über ein total oder partiell hilfloses Rechtsgutsobjekts; Reichweite ist durch konkreten Anvertrauensschluss begrenzt: bspw. Hausarzt - Suizidversuch)
  5. Garantenstellung von Organen und Amtsträgern (Art der Dienstpflicht und maßgeblicher Aufgabenbereich; bspw. Compliance-Officer)
75
Q

Überwachergarantenstellung

A

Überwachungsgaranten haben Rechtsgüter Dritter vor Schäden zu bewahren, die aus einer von ihnen beherrschten und zu verantwortenden Gefahrenquellen ergeben können

  1. Gefährliches vorangegangenes Vorverhalten, Ingerenz (hM nahe Gefahr des tatbestandsmäßigen Erfolgseintritts)
  2. Aus Überwachungspflichten für Gefahrenquellen (Sachen, Tiere, Anlagen) und Verkehrssicherungspflichten (unabhängig von der Freiwilligkeit der Übernahme und der Pflichtwidrigkeit des vorangegangenen Tuns); Pflicht zur Beaufsichtigung Dritter
  3. Aus besonderer Verantwortung aus der Beherrschung eines räumlich umgrenzten Bereiches (besondere Umstände erforderlich: Vertrauenslage durch Aufnahme eines Gastes in die eigene Wohnung; Räumlichkeit oder Grundstück stellt aufgrund besonderer Umstände eine Gefahrenquelle dar; Pflicht zur Beaufsichtigung der einer Autorität unterstellten Personen, wie Lehrer oder Betriebsleiter)
76
Q

Streit: Ingerenz

A
  1. Existenz dieser Garantenstellung als solcher
    con: Verstoß gegen Bestimmheitsgebot des Art. 103 II GG
    pro: in Lit und Rspr wurden Kriterien zur Eingrenzung entwickelt
    pro: Strafbarkeitslücken des § 323c können gefüllt werden
  2. Qualität des Vorgehalten
    eA: allgemeine Erhöhung des Schadenseintritts genügt, umfasst sind auch erlaubte Risikohandlungen
    pro: ergibt sich aus allgemeinem Verantwortungsgefühl für selbst verantwortete Risiken
    con: sehr weite Ausdehnung der Strafbarkeit
    con: Wertungswidersprüche, da Rechtsordnung einerseits Risikohandlungen erlaubt, sie andererseits dann aber als Anknüpfungspunkt für strafbares Verhalten heranzieht
    aA: nur pflichtwidriges Vorverhalten (Verstoß gegen eine Vorschrift oder Norm, die gerade auf den Schutz des betroffenen Rechtsguts abzielt; ferner: Niederschlagen der Pflichtwidrigkeit im Erfolg)
    s. extra Streit
  3. Anschluss an Vorsatztaten
    eA: Garantenstellung entsteht; tritt aber auf Konkurrenzebene hinter das vorsätzliche vollendete Delikt zurück (es sei denn, Straferschwernisse treten beim Unterlassen hinzu)
    pro: Bestrafungsmöglichkeit Beteiligter
    con: Widersprüchlich, jemanden, dem es auf den Erfolgseintritt ankommt, zu dessen Abwendung zu verpflichten
    con: Daraus ergäbe sich eine Pflicht zum Rücktritt, was Ratio des § 24 zuwiderläuft
    aA Keine Garantenstellung
    con: e forteriori: wenn schon das fahrlässige Herbeiführen für die Begründung einer Garantenstellung ausreicht, dann erst recht eine vorsätzliche Tat
  4. Aus der Schaffung einer Tatgelegenheit für Dritte
    hM nicht bei bloßer Schaffung einer Gelegenheit (bspw. Leihen des Tatwerkzeuges), aber positiv, wenn der Dritte gerade aufgrund des Vorverhaltens nicht mehr eigenverantwortlich entscheiden konnte
77
Q

Streit: Garantenstellung aus Ingerenz bei rechtmäßigem Vorverhalten

A
  1. Verursachungstheorie: ausreichend, dass der Täter durch sein Vorverhalten eine für den Erfolgseintritt nahe, adäquate Gefahr verursacht
    con: weite Ausdehnung; paradox, bspw. jemanden in Notwehr eine Garantenpflicht aufrechtzuerlegen
  2. Pflichtwidrigkeitstheorie: Vorverhalten muss im Bezug auf die realisierte Gefahr pflichtwidrig sein
    pro: nur dann kann wirklich von einer “Verantwortlichkeit” des Handelnden gesprochen werden
    con: widerspricht Einschränkungen bspw. bei Rechtfertigungsgründen (zunächst darf der Angreifer bspw. nicht getötet werden, danach aber ergäbe sich keine Beschränkung mehr, wenn dieser wirklich durch Notwehr in Todesgefahr käme)
  3. modifizierte Verursachungstheorie: wie 1., nur mit der Einschränkung, dass sie nicht für Notwehrsituationen gilt
78
Q

Streit: Rechtfertigende Pflichtenkollision

A

Kollision zweier, zumindest gleichberechtigter Handlungspflichten (Nur eines von zwei Kindern kann gerettet werden)

  1. hM: nicht durch § 34 zu erfassen, da § 34 ein wesentliches Überwiegen eines Interesses erfordert; aber: Verhalten kann nicht als rechtswidrig eingestuft werden, da Rechtsordnung kein “rechtmäßiges” Alternativverhalten bieten kann; um unbillige Wertung zu vermeiden, wird auf Immpossibilium nulla Obligatio est zurückgegriffen, ergo eigenständiger übergesetzlicher Rechtfertigungsgrund
    con: Nicht Gerettetem wird eine Duldungspflicht auferlegt (keine Notwehrrechte etc)
  2. mM: Lösung über § 35, da Duldungspflicht unzumutbar
    con: Rettung einzelner, selbst wenn andere nicht gerettet werden können, als “rechtswidrig” zu klassifizieren wäre unangemessen; vom Retter kann nicht mehr gefordert werden, als ihm möglich ist
79
Q

Abbruch eigener Rettungsbemühungen

A
  • Abbrechen der Rettungsbemühungen, bevor diese das Opfer erreich haben: Unterlassen
  • Abbrechen der Rettungsbemühungen, wenn diese schon das Opfer erreicht haben und sich eine gesicherte Rettungsmöglichkeit ergeben hat
80
Q

omissio libera in causa

A

Konstellation, dass sich der Täter im Vorfeld der Tat vorsätzlich in einen Zustand der Handlungsunfähigkeit versetzt und danach seine Pflichten als Garant nicht mehr erfüllen kann
Lösung nach hM: Vorverlagerung der Pflicht des Garanten, seine Handlungsfähigkeit zum Schutz von vorausgesehenen oder voraussehbaren Rechtsgutsverletzungen zu erhalten - Bestrafung aus vorsätzlichem oder fahrlässigem Unterlassensdelikt

81
Q

Fahrlässiges unechtes Unterlassungsdelikt (Erfolgsdelikt)

A
  1. Vorprüfung (ggf. nicht explizit): Abgrenzung Tun vs. Unterlassen (ggf. schon vorher bei der Prüfung des entspr. Begebungsdelikts oder beim Unterpunkt ‘Unterlassen’); Strafbarkeit der Fahrlässigkeit (§ 15)
    I. Tatbestandsmäßigkeit
  2. Vorliegen der objektiven TB-Merkmale eines fahrlässigen Erfolgsdelikts
  3. Unterlassung einer geeigneten und erforderlichen Verhinderungshandlung trotz physisch-realer individueller Handlungsmöglichkeit
  4. (Hypothetische) Kausalität
  5. Garantenstellung
  6. Objektive Sorgfaltspflichtverletzung
  7. Objektive Zurechnung
    a) Objektive Vorhersehbarkeit des Kausalverlaufs und des Erfolgseintritts
    b) Pflichtwidrigkeitszusammenhang
    c) Schutzzweckzusammenhang
    II. Rechtswidrigkeit
    III. Schuld
  8. Schuldfähigkeit
  9. Subjektive Fahrlässigkeit
  10. Entschuldigungsgründe (insbes. Unzumutbarkeit normgemäßen Verhaltens)
82
Q

Streit: Nötigungsnotstand

A

Vom Nötigungsnotstand spricht man, wenn im Falle eines Notstandes die Notstandslage auf der Nötigung durch einen Dritten beruht, der Täter also zur Begehung einer Straftat genötigt wird.

  1. Ansicht: Ausschluss der Rechtfertigung aufgrund übergeordneter Rechtsprinzipien - Der Genötigte dürfe nicht selbst “auf die Seite des Unrechts treten”. Selbst wenn das dem Genötigten angedrohte Übel das durch die Verwirklichung des Straftatbestandes verwirklichte Interesse wesentlich überwiegt, sei die Tat des Genötigten rechtswidrig. Es bliebe lediglich die Möglichkeit einer Entschuldigung unter den Voraussetzungen des § 35
    con: § 35 erfasst nur Handlungen zur Abwendung einer Gefahr von sich, einem Angehörigen oder einer anderen nahestehenden Person. Wenn dem Genötigten jedoch mit der Tötung eines Dritten gedroht wird, der nicht in den geschützten Personenkreis fällt, so wäre er, wenn er sich zur Rettung des Dritten entscheidet, wegen der abgenötigten Tat strafbar; würde er die Rettung des Dritten unterlassen, wäre er wegen unterlassener Hilfeleistung strafbar
    con: der Kreis der von § 35 geschützten Rechtsgüter ist enger gefasst, sodass bspw. die Nötigung durch Androhung von Sachbeschädigungen nie entschuldigt ist.
  2. Ansicht: eine zur Abwendung eines angedrohten Übels begangene Straftat ist nach den gleichen Grundsätzen zu beurteilen wie eine Straftat zur Abwendung anderer Gefahren. Sie ist dann nach § 34 gerechtfertigt, wenn das drohende Übel das durch die Straftat beeinträchtigte Interesse wesentlich überwiegt. Das Opfer der abgenötigten Handlung muss diese ebenso dulden wie sonstige Beeinträchtigungen seiner Rechtsgüter, sofern sie zum Schutz wesentlich überwiegender Interessen erforderlich sind
    con: Das Vertrauen in die Geltungskraft der Rechtsordnung würde “zutiefst erschüttert”, wenn gegen eine durch Nötigung erzwungene Tat keine Notwehr möglich sei, da der Genötigte selbst nach § 34 gerechtfertigt wäre
  3. Ansicht: differenzierend wäre grds. § 34 anzuwenden, da § 35 zu enge Voraussetzungen stellt. Erst bei durch die Nötigung erforderlichen schweren Rechtsgutseingriffen wäre § 35 anzuwenden, um ein Notwehrrecht gegen diesen Eingriff zu gewährleisten
83
Q

Alic bei Erfolgsdelikten

A

Alic allgemein: Der Täter befindet sich im Zeitpunkt der eigentlichen Tathandlung im schuldunfähigen Zustand (§ 20). Den Grund für seine Schuldunfähigkeit hat er im Vorhinein allerdings eigenständig gesetzt.

  1. Ausnahmemodell: Anknüpfungspunkt ist weiter die eigentliche Tathandlung. Allerdings macht diese Ansicht eine Ausnahme vom Koinzidenzprinzip des § 20. Demnach handelt derjenige ohne Schuld, der “bei Begehung der Tat” wegen der in § 20 aufgeführten Gründe nicht zur Unrechtseinsicht oder zum Handeln nach dieser Einsicht imstande ist. Grund für die Ausnahme soll die Tatsache sein, dass der Täter rechtsmissbräuchlich handle, wenn er sich auf einen Strafbarkeitsmangel beriefe, den er selbst herbeigeführt habe.
    con: Eine Ausnahme contra legem würde einen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot in Art. 103 II GG darstellen.
  2. Ausdehnungsmodell: Diese Ansicht fasst den Begriff “bei Begehung der Tat” extensiv aus und bezieht den gesamten Zeitraum von Beginn des Sich-Betrinkens bis zur Vollendung der tatbestandsmäßigen Handlung mit ein
    con: Eine Legaldefinition des Begriffes “bei Begehung der Tat” gibt der § 8 S. 1. Eine extensive Auslegung würde mithin ebenfalls gegen Art. 103 II GG verstoßen.
  3. Tatbestands- bzw. Vorverlagerungsmodell: Ein überwiegend vertretenes Modell löst die vorliegende Problemlage über die allgemeinen Zurechnungsregeln: Hierbei lässt sich das Geschehen mithilfe der conditio-sine-qua-non-Formel bis zum Zeitpunkt der Defektbegründung zurückverfolgen. Liegt in diesem Moment ein Schuldbezug vor, kann hieran der Schuldbezug geknüpft werden
    con: Die Kausalität ist nicht mit Sicherheit festzustellen, da nicht mit Sicherheit festgestellt werden kann, ob die Tat ohne das Sich-Betrinken nicht begangen worden wäre.
  4. Modell der mittelbaren Täterschaft: Zuletzt wird der Versuch unternommen eine Parallele zur Figur des mittelbaren Täters zu ziehen: Demnach macht sich der Sich-Betrinkende selbst zum schuldlos handelnden Werkzeug, das den Tatbestand unmittelbar verwirklicht. Diese Einwirkung stellt die tatbestandliche Handlung dar. Im Ergebnis handelt es sich hierbei um eine Ausgestaltung der Ansicht 3.
    con: Dieser Ansicht wird entgegengehalten, dass sie das Wesen der mittelbaren Täterschaft verkenne, wonach der mittelbare Täter aufgrund seiner Herrschaft über den Vordermann bestraft wird. Infolge des Sich-Berauschens fehlt es gerade an dieser Steuerungsmöglichkeit.
  5. Ablehnung der alic-Konstruktion: Eine weit verbreitete Literaturmeinung lehnt die Konstruktion der a.l.i.c. aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken rundherum ab con: Dem ist mit Blick auf das Ausnahme- sowie das Ausdehnungsmodell zuzustimmen (s.o.). Hingegen wird nicht gegen das Schuldprinzip der §§ 20, 21 verstoßen, wenn der bei der eigentlichen Tathandlung vorliegenden Schuldmangel dadurch ausgeglichen wird, dass zwischen der Vorhandlung und der Tathandlung ein erforderlicher Vorwerfbarkeitszusammenhang besteht. Überdies besteht mit Blick auf die begrenzten Möglichkeiten aus § 323a ein erhebliches praktisches Bedürfnis zur Bestrafung schwerer Rauschtaten.
84
Q

Alic bei verhaltensgebundenen Delikten

A

Unter verhaltensgebundenen Delikten versteht man solche Delikte, bei denen der Unrechtsgehalt in der eigenhändigen Tätigkeit selbst liegt. Mithin muss diese Tätigkeit selbst schuldhaft erfolgen (BGHSt 42, 235, 239). So muss beispielsweise i.R.d. §§ 315c, 316 das “Führen” des Fahrzeuges schuldhaft erfolgen. Anknüpfungspunkt kann mithin nicht das schuldhafte “Verursachen des Führens” sein. Folglich können die Gedanken der a.l.i.c. bei verhaltensgebundenen Delikten nicht übertragen werden. Allerdings sind wegen des vergleichbaren Strafrahmens des § 323a keine Strafbarkeitslücken zu erwarten

85
Q

Fahrlässige alic

A

Fraglich ist, ob dem Täter bei der Begehung eines Fahrlässigkeitsdelikts die Berufung auf § 20 mit dem Hinweis der vorherigen Erkennbarkeit des weiteren Tatverlaufs versagt werden kann.

Hierbei bedarf es i.R.d. Erfolgsdelikte keines intensiven Meinungsstreits, da die h.M. zurecht darauf verweist, dass bei einer Strafbarkeit wegen Fahrlässigkeit jedes objektiv pflichtwidrige Verhalten in Betracht kommen kann, so es denn in objektiv zurechenbarer Weise zum Tatbestandserfolg geführt hat. Folglich kann bereits das Sichbetrinken trotz Kenntnis aggressiver Tendenzen im Zustand des § 20 als Anknüpfungspunkt dienen