Irrtumslehre Flashcards

1
Q

Error in persona vel obiecto

A

Der error in persona vel objecto ist ein Irrtum über das Handlungsobjekt. Ihm liegt eine Fehlvorstellung des Täters über die Identität bzw. sonstige Eigenschaften des Tatobjekts oder der betroffenen Person zugrunde.

I. Unstreitig: Tatbestandliche Ungleichwertigkeit von vorgestelltem und verletztem Tatobjekt: Sind vorgestelltes und tatsächlich angegriffenes Objekt tatbestandlich nicht gleichwertig, ist der Vorsatz des Täters nach § 16 I 1 ausgeschlossen, denn dem Täter fehlt die Kenntnis von der Tatbestandszugehörigkeit des verletzten Tatobjekts. In diesen Fällen kann der Täter nur wegen Versuchs bezüglich des vorgestellten Objekts, gegebenenfalls in Tateinheit mit fahrlässiger Tat hinsichtlich des getroffenen Objekts, bestraft werden.

II. Unterschiedliche Begründungen, unstreitiges Ergebnis: Tatbestandliche Gleichwertigkeit von vorgestelltem und verletztem Tatobjekt: Sind vorgestelltes und tatsächlich getroffenes Objekt tatbestandlich gleichwertig, so ist die Verwechslung für die Strafbarkeit des Irrenden deshalb ohne Bedeutung, weil § 16 I nur auf die äußeren Umstände abstellt, nicht jedoch auf die Identität des Tatobjekts
Einigkeit besteht über dieses Ergebnis, nicht aber über die Begründung:
1. hM: stellt darauf ab, dass der Täter dasjenige Handlungsobjekt getroffen hat, auf welches sich sein Vorsatz konkretisiert hat
2. mM: das Konkretisierungskriterium ist gesetzesfremd; die bloße tatbestandliche (“gattungsmäßige”) Gleichwertigkeit von vorgestelltem und getroffenem Tatobjekt reicht aus

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2
Q

Irrtum über den Kausalverlauf

A

Der Kausalzusammenhang zwischen Handlung und Taterfolg muss vom Vorsatz gedeckt sein, § 15. Da der Täter nie alle Einzelheiten des Tatgeschehens in seiner Vorstellung antizipieren kann, muss der Vorsatz den Kausalverlauf nur in seinen wesentlichen Umrissen umfassen. Bei der Prüfung stellt sich die Frage, wann das Vorgestellte vom tatsächlichen Tatgeschehen so wesentlich abweicht, dass der Irrtum über den Kausalverlauf den Vorsatz entfallen lässt, § 16 I 1
In solchen Fällen ist im Rahmen der objektiven Zurechnung zu prüfen, ob ein atypischer Kausalverlauf vorliegt. Bei einem solchen entfällt schon der objektive Tatbestand, sodass es auf den Vorsatz und § 16 I 1 nicht mehr ankommt.

Nach h.M. und ständiger Rechtsprechung ist die Abweichung der Vorstellung vom tatsächlichen Geschehen dann unwesentlich, wenn sich die Abweichung noch innerhalb der Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Voraussehbaren hält und keine andere Bewertung der Tat rechtfertigt

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3
Q

Irrtum über Kausalverlauf bei mehraktigem Geschehen (Dolus-generalis-Fälle)

A

Ist auch dann von einem vorsätzlichen Handeln des Täters (§§ 15, 16) auszugehen, wenn er irrtümlich annahm, den Taterfolg bereits durch einen ersten Handlungsakt herbeigeführt zu haben, während er ihn aber tatsächlich erst durch einen zweiten Handlungsakt herbeiführt, bei welchem ihm aber wiederum die für den Vorsatz erforderliche Vorstellung fehlte, den Tod noch verursachen zu können?

  1. Lehre vom dolus generalis: in derartigen Fällen liegt ein Gesamtvorsatz bzw. genereller Vorsatz des Täters vor. Eine Differenzierung zwischen den beiden Handlungsakten ist demnach nicht erforderlich, beide Teilhandlungen stellen eine einheitliche Handlungsbegehung dar. Folglich ist auch der zweite, eigentlich erst zum Taterfolg führende Handlungsakt vom Vorsatz umfasst.
    con: widerspricht dem Grundsatz, dass jede Strafbarkeit an eine konkrete menschliche Handlung anknüpft (Koinzidenzprinzip)
    con: es wird verkannt, dass der Täter eine ganz bestimmte Art und Weise der Begehung für seine Tat ins Auge gefasst hat, dass für ihn also auch die Art der Tatbegehung und nicht nur der Taterfolg maßgeblich ist.
  2. Trennungstheorie: eine strikte Trennung der Geschehensabläufe muss vorgenommen werden. Der Täter sei bezüglich des ersten Begehungsaktes wegen Versuchs und hinsichtlich des zweiten wegen Fahrlässigkeit strafbar.
    con: ein einheitlicher Handlungskomplex liegt vor, der dann willkürlich auseinander genommen wird. Bereits die erste Handlung ist ursächlich für das schließlich zum Tode führende Geschehen. Es genügt, wenn der Vorsatz zum Zeitpunkt der tatbestandsmäßigen Handlung bestand, ein Fortwirken bis zum Erfolgseintritt ist nicht erforderlich
    con: es stellt sich die Frage, woraus folgen soll, dass der Täter mit im Abweichungsfalle vorsatzausschließender Wirkung den zum Erfolg führenden Kausalverlauf in sein Vorstellungsbild aufgenommen haben muss
  3. Planverwirklichungstheorie: der Erfolg wird dem Täter nur dann zugerechnet, wenn er das Motiv seines Handelns war oder ihm hinsichtlich weiterer verfolgter Ziele nützt. Eine vorsätzliche Tat liegt demnach nur dann vor, wenn der Täter im Hinblick auf den Taterfolg absichtlich (also mit dolus directus 1. Grades) handelt. Liegt hingegen nur eine andere Vorsatzform bezüglich des Taterfolgs vor, so besteht lediglich eine Versuchsstrafbarkeit.
    con: im StGB findet sich kein Hinweis, der eine derartige Differenzierung stützt; sie erweist sich damit als willkürlich con: die Zurechnung eines Erfolges darf nicht davon abhängen, ob er den weiteren Zielen und Wünschen des Täters entspricht.
  4. Lehre vom Irrtum über den Kausalverlauf: es muss danach differenziert werden, ob die Abweichung des durch die Zweithandlung tatsächlich eingetretenen vom ursprünglich vorgestellten Kausalverlauf als wesentlich oder unwesentlich anzusehen ist. Eine nur unwesentliche Abweichung und damit die Möglichkeit einer Bestrafung wegen vollendeter vorsätzlicher Tat liegt vor, wenn der Erfolgseintritt sich in den Grenzen des nach allgemeiner Lebenserfahrung Vorhersehbaren hält und auch der Blick auf den Verwirklichungswillen des Täters keine andere Bewertung rechtfertigt
    con: Eine genaue Differenzierung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Abweichungen gestaltet sich schwierig. Insbesondere ist die Lehre vom Irrtum über den Kausalverlauf nicht in der Lage, aus sich selbst heraus Kriterien für die Bewertung der Diskrepanz zwischen vorgestelltem und realiter abgelaufenem Kausalverlauf zu nennen
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4
Q

Aberratio ictus

A

Fehlgehen der Tat, bei dem der Verletzungserfolg an einem anderen Objekt als demjenigen eintritt, auf welches sich im maßgebenden Zeitpunkt der Vorsatz des Täters bezog.

I. Unumstritten: Ungleichwertigkeit der Tatobjekte:
Fallen anvisiertes und getroffenes Tatobjekt unter verschiedene Straftatbestände, so liegt ein nach § 16 I beachtlicher Tatbestandsirrtum vor. Es wird einhellig eine Versuchsstrafbarkeit bezüglich des anvisierten und gegebenenfalls eine dazu in Tateinheit stehende Fahrlässigkeitsstraftat in Bezug auf das tatsächlich getroffene Opfer angenommen

II. Umstritten: Gleichwertigkeit der Tatobjekte

  1. Gleichwertigkeitstheorie: der Täter ist wegen vorsätzlich vollendeten Delikts bezüglich des tatsächlich getroffenen Objekts zu bestrafen (Gattungsgleichheit der Tatobjekte)
    con: unterstellt, dass eine Gattungsvorstellung Grundlage der Entscheidung des Täters war und spricht dem Tätervorsatz somit eine Objektindividualisierung ab. Berücksichtigt man aber, dass bei einer Individualisierung des Tatobjekts der Täter das tatsächlich getroffene Objekt eigentlich nicht treffen wollte, so widerspricht diese Ansicht auch den tatsächlichen Vorstellungen des Täters. Sie schiebt dem Täter ein nicht gewolltes Tatobjekt als gewolltes unter (Fiktion).
  2. Konkretisierungstheorie (hM): der Täter macht sich nur wegen Versuchs bezüglich des ursprünglich ins Auge gefassten Objekts und gegebenenfalls wegen Fahrlässigkeit bezüglich des wirklich getroffenen Objekts strafbar. Der auf ein bestimmtes Tatobjekt konkretisierte Vorsatz erweist sich als höherwertig, als so genanntes aliud, gegenüber dem bloßen Vorsatz, irgendein Objekt der Gattung zu verletzen
    con: Die Strafbarkeit wegen Versuchs und gegebenenfalls Fahrlässigkeit wird dem Unrechtsgehalt der Tat nicht gerecht. Die Straftatbestände schützen Rechtsgüter nur ihrer Gattung nach. Hat der Täter jedoch einen Menschen treffen wollen und habe er einen Menschen getroffen, so ist er wegen vollendetem Delikt zu bestrafen. Wäre es anders, ließe sich bei einem ungezielten Schuss in eine Menschenmenge nie eine vorsätzliche Tötung bejahen – ein offensichtlich unhaltbares Ergebnis.
  3. Differenzierende Ansicht: das Fehlgehen der Tat führt nur bei der Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter, nicht aber bei übertragbaren Rechtsgütern (Eigentum und Vermögen) zum Vorsatzausschluss. Die Individualität des Angriffsobjekts ist nur bei Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter für das im Tatbestand vertypte Unrecht von Bedeutung.
    con: Vergleiche Kritik zu Ansicht 1
    con: Hinzu kommt, dass die Differenzierung nach höchstpersönlichen und nicht höchstpersönlichen Rechtsgütern inkonsequent ist
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5
Q

Parallelwertung in der Laiensphäre

A

Erfassen des rechtlich-sozialen Bedeutungsinhalts nach Laienart

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6
Q

Erlaubnistatbestandsirrtum

A

Der Täter stellt sich Umstände lediglich vor, durch die er, wenn sie tatsächlich vorliegen würden, in seinem Handeln gerechtfertigt wäre.

I) Theorien, nach denen dem Erlaubnistatbestandsirrtum vorsatzausschließende Wirkung zukommt

  1. Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen: die Rechtfertigungsgründe sind Bestandteile eines Gesamt-Unrechtstatbestandes. Die einzelnen Rechtfertigungsvoraussetzungen werden als negative Tatbestandsmerkmale verstanden. Der Vorsatz des Täters muss daher u.a. auch das Nichtbestehen der negativen Tatbestandsmerkmale (= Rechtfertigungsvoraussetzungen) umfassen. Ein Irrtum bezüglich Rechtfertigungsvoraussetzung (bspw. Notwehrlage) führt daher zu einer direkten Anwendung des § 16 I 1. Demgemäß entfiele der Vorsatz und es bliebe lediglich die Möglichkeit, aus einem Fahrlässigkeitsdelikt zu bestrafen.
    con: In § 16 I sei mit “gesetzlicher Tatbestand” die Tatbeschreibung des Besonderen Teils gemeint, sodass eine direkte Anwendung des § 16 I ausscheide
  2. Eingeschränkte Schuldtheorie: In analoger Anwendung des § 16 I 1 ebenfalls Vorsatzausschluss. Der Irrtum über die rechtfertigende Situation sei wie ein Tatbestandsirrtum zu behandeln, weil der Täter im Einklang mit den Normen des Rechts agieren wollte und ihm daher allenfalls eventuell Fahrlässigkeit vorzuwerfen wäre
    con: Im klassischen Fall des Tatbestandsirrtums erschließt sich dem Täter schon gar nicht die Warnfunktion des Strafdelikts, schließlich erfasst der Täter den Sachverhalt unzutreffend, weshalb er keine Beziehung zum Tatbestand und dessen Warnfunktion herstellen kann. Der Fall eines Erlaubnistatbestandsirrtums unterscheidet sich hiervon aber insoweit, als dass der Täter von der Warnfunktion des Strafdelikts durchaus erreicht wird. In dem Fall stellt sich die Frage, ob derjenige, den die Warnfunktion erreicht, nicht gehalten ist, genau zu prüfen, ob Rechtfertigungsvoraussetzungen vorliegen.

Gesamtkritik: Die Theorien, die im Falle eines Erlaubnistatbestandsirrtums einen Vorsatzausschluss annehmen, sehen sich der Kritik ausgesetzt, dass sie dafür Strafbarkeitslücken in Kauf nehmen. Schließlich könne ein bösgläubiger Tatbeteiligter nicht zur Verantwortung gezogen werden (= Tatbeteiligung setzt eine vorsätzliche und rechtswidrige Haupttat voraus, vgl. §§ 26 f. StGB). Angesichts der dann möglichen Strafbarkeit des bösgläubigen Tatbeteiligten als mittelbarer Täter betrifft diese Lücke im Ergebnis aber nur Pflichtdelikte. Entscheidender ist daher, dass die Handlung des sich in einem Erlaubnistatbestandsirrtums Befindenden bei Annahme eines Vorsatzausschlusses kein Unrecht mehr darstellen würde. Der so Angegriffene hätte dann selbst kein Notwehrrecht mehr und dürfte sich des Angriffs nicht erwehren. Das Irrtumsrisiko ist aber dem Irrenden und nicht dem irrtümlich Angegriffenen aufzuerlegen. Dies spricht dafür, die unter dem Einfluss eines Erlaubnistatbestandsirrtums begangene Handlung als Unrecht zu werten und dem Irrtum lediglich entschuldigende Wirkung zukommen zu lassen.

II) Theorien, nach denen dem Erlaubnistatbestandsirrtum entschuldigende Wirkung zukommt

  1. Strenge Schuldtheorie: nur solche Irrtümer, die sich auf die Merkmale eines Delikttypus beziehen, sind dem § 16 unterzuordnen. Insoweit ist der Erlaubnistatbestandsirrtum dem § 17 zuzuordnen.
    con: Vorwurf, dass ein tragende Wertunterschied verkannt wird. Der klassische Fall des § 17 sei dadurch geprägt, dass der Handelnde die Dimensionen von Recht und Unrecht verkenne. Beim Erlaubnistatbestandsirrtum liegt jedoch keine fehlerhafte Rechtsauslegung vor, sondern eine Verkennung der Tatsachen, bei deren Vorliegen der Handelnde sich doch im Einklang mit der Rechtsordnung befände.
  2. Rechtsfolgenverweisende Schuldtheorie (wohl hM): verneint eine vorsatzausschließende Wirkung des Erlaubnistatbestandsirrtums. Sie unterscheidet sich im Ergebnis aber nicht von der eingeschränkten Schuldtheorie. Die eingeschränkte Schuldtheorie ist für die Kritik, die an der strengen Schuldtheorie geäußert wurde, empfänglich und sieht mit jener im Einklang auf Seiten des Täters nur einen verminderten Schuldgrad. Folgerichtig müsse die Tat in den Rechtsfolgen einer fahrlässigen Begehung – soweit strafbar – gleichgestellt werden. Dieses Ergebnis wird über eine Analogie zu § 16 I StGB erreicht, der sich aber nicht auf den Vorsatz, sondern lediglich auf die Vorsatzschuld beziehe. Die Vorsatzschuld als Element der Schuld wird aber als Voraussetzung für eine Bestrafung aus einem Vorsatzdelikt gewertet. Der Erlaubnistatbestandsirrtum wird von dieser Theorie aufgrund des geminderten Schuldgehalts des Täters lediglich in den Rechtsfolgen unter § 16 I 1 subsumiert. Diese Theorie nimmt für sich in Anspruch, dass sie die Bestrafung eines bösgläubigen Teilnehmers ermöglicht.
    con: Dieser Ansicht wird entgegengehalten, dass es wenig überzeugend sei, trotz der Annahme eines vorsätzlichen Handlungsunrechts lediglich aus einem Fahrlässigkeitsdelikt zu bestrafen. Ferner wird die Notwendigkeit dieser Konstruktion bestritten, da der bösgläubige Teilnehmer oftmals als mittelbarer Täter zu verstehen sei und es insofern nur in wenigen Ausnahmefällen zu den behaupteten Strafbarkeitslücken bei der Lehre von den negativen Tatbestandsmerkmalen bzw. der Theorie, wonach das Vorsatzunrecht ausgeschlossen ist, käme
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7
Q

Verbotsirrtum

A

Der Täter verwirklicht in Sachkenntnis aller Umstände einen Straftatbestand, ist sich jedoch nicht über das Unrecht seiner Tat bewusst oder glaubt, dass sein Tun bzw. Unterlassen von der Rechtsordnung gebilligt ist.

Unter einem Verbotsirrtum versteht man einen Irrtum über das Verbotensein einer Tat. Dabei kennt der Täter die Verbots- oder Gebotsgrenze nicht; ihm fehlt bei voller Tatsachenkenntnis “die Einsicht, Unrecht zu tun” (§ 17), wodurch er eine rechtlich unzutreffende Bewertung vornimmt, namentlich, dass sein Verhalten straflos wäre.
Da der Täter weiß, was er tut, also eindeutig vorsätzlich handelt, wird der Verbotsirrtum erst im Rahmen der Schuld prüfungsrelevant – unter dem Prüfungspunkt “Unrechtbewusstsein”. Unrechtsbewusstsein liegt dann vor, wenn der Täter den Irrtum hätte vermeiden können, vgl. § 17 S. 1. War der Irrtum vermeidbar, so kommt lediglich eine Strafmilderung nach § 49 in Betracht, vgl. § 17 S. 2.
Unvermeidbarkeit wird erst dann angenommen, wenn es dem Täter auf Grund seiner sozialen Stellung und nach seiner individuellen Fähigkeiten auch bei der ihm zumutbaren Anspannung seines Gewissens unter Zuhilfenahme anderer möglicher Erkenntnisquellen nicht möglich war, das Unrecht der Tat einzusehen.
-> bei den geringsten Zweifeln: Erkundigungspflicht!
Hat er keine Zweifel, so ist danach zu fragen, ob er die Unrechtseinsicht haben könnte. Damit ist ein Verbotsirrtum faktisch nur in sehr wenigen Fällen unvermeidbar, so z.B. wenn der Täter auf Nachfrage eine falsche Rechtsauskunft erhalten hat, es sich um eine sehr umstrittene Rechtsfrage handelt oder der BGH seine langjährige Rechtsprechung zu Ungunsten des Täter ändert

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8
Q

Putativnotwehrexzess

A

Putativnotwehr liegt vor, wenn der Täter in vermeintlicher Notwehr handelt, eine Notwehrlage in Wirklichkeit aber nicht vorliegt. Grundsätzlich befindet sich der Täter somit im Erlaubnistatbestandsirrtum. Fraglich ist jedoch, wie solche Fallgestaltungen zu behandeln sind, bei denen der Täter sich einerseits über das Vorliegen einer Notwehrlage im Irrtum befindet und daneben die zulässigen Grenzen der Verteidigung überschreitet - also in der vorgestellten Konstellation gem. § 33 entschuldigt wäre (Exzessproblematik)

  1. Ansicht (hM): Anwendung der allgemeinen Irrtumsregeln (Doppelirrtum): § 17 ist anzuwenden; § 33 komme bereits deshalb nicht in Betracht, da die Norm einen tatsächlichen Angriff voraussetzt (die Abwehr eines solchen ist die § 33 tragende Unrechtsminderung)
    pro: Ansonsten würde eine Entschuldigung allein schon aufgrund eines asthenischen Affekts erfolgen
  2. Ansicht: analoge Anwendung des § 33 insoweit, als dass das Opfer den Irrtum über die Rechtfertigungslage des Täters zu verantworten hat und der Irrende schuldlos ist - wenn also beispielsweise das Opfer einen Angriff vorgetäuscht hat.
  3. Ansicht: Schuld entfällt immer analog § 33, wenn für den Täter die Notwehrlage “trotz objektiv pflichtgemäßer Prüfung” nicht erkennbar war

cons gegen Analogie: Gegen die analoge Anwendung spricht aber der Umstand, dass § 33 auf § 32 aufbaut und daher einen tatsächlichen Angriff voraussetzt. In dieser Fallgestaltung liegt aber gerade kein gegenwärtiger Angriff – auch kein drohender Angriff – vor, der eine Überreaktion heraufbeschworen hat. Hierin liegt auch der Unterschied zum vorzeitigen extensiven Notwehrexzess. Bei diesem liegt eine Gefahr vor, die lediglich nicht gegenwärtig ist.

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9
Q

Irrtum über persönlichen Strafausschließungsgrund

A

Persönliche Strafausschließungsgründe sind gesetzlich normierte Umstände, die zur Straflosigkeit führen, wenn sie bereits bei Begehung der Tat vorgelegen haben.

  1. Ansicht: für die Annahme eines Strafausschließungsgrundes ist allein die objektive Sachlage entscheidend. Die persönlichen Strafausschließungsgründe seien objektive Straflosigkeitsbedingungen jenseits von Unrecht und Schuld und brauchen daher vom Vorsatz des Täters nicht umfasst zu werden. Ein Irrtum darüber sei daher unbeachtlich.
    con: Das Schuldprinzip erfordert, dass der Täter nur nach denjenigen Voraussetzungen bestraft wird, die er in seinen Vorsatz aufgenommen hat. Bei einem Irrtum über einen persönlichen Strafausschließungsgrund sei die Schuld des Täters so gering, dass eine Bestrafung verfehlt wäre.
  2. Ansicht: Tätervorstellung ist entscheidend. Persönliche Strafausschließungsgründe beruhen gerade auf Umständen, die die besondere Motivation und den Umfang der Schuld des Täters betreffen
    con: Dies widerspricht der gesetzgeberischen Intention zumindest in solchen Fällen, in denen der Strafausschließungsgrund nicht auf dem Motivationsdruck des Täters beruht, sondern nur bewirken soll, dass sich der Staat aus bestimmten persönlichen Beziehungen heraushält, z.B. beim Haus- und Familiendiebstahl (§ 247).
  3. Ansicht: Schließlich könnte man auch nach dem jeweiligen Strafausschließungsgrund differenzieren: Auf die Tätervorstellung soll es dann ankommen, wenn der Strafausschließungsgrund gerade einer notstandsähnlichen Motivationslage und dem verminderten Schuldgehalt der Tat Rechnung tragen will. In allen anderen Fällen, in denen allein objektive Aspekte den Strafausschließungsgrund bestimmen, ist der Irrtum unbeachtlich

Umstritten ist weiter, in welcher Weise Irrtümer über solche Strafausschließungsgründe, die dem Motivationsdruck Rechnung tragen wollen, dann zu beachten sind. Nach einer Ansicht ist in diesem Fall § 16 II analog anzuwenden. Nach anderer Ansicht findet § 35 II entsprechende Anwendung

con: Persönliche Strafausschließungsgründe sollen nach ihrer Funktion bestimmte Täter und nicht bestimmte Deliktsarten von der Strafbarkeit ausschließen.

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10
Q

Irrtum über Werkzeugeigenschaft des Vordermanns bei mittelbarer Täterschaft (Vordermann handelt ohne deliktisches Minus, Hintermann nimmt dies jedoch an)

A
  1. Ansicht: Subjektive Theorie (Rspr.): Ausreichend, dass Täter Tat als eigene will. Es reicht daher aus, dass der Hintermann subjektiv eine Beherrschung annimmt, der Irrtum über das objektiv nicht bestehende Beherrschungsverhältnis ist unerheblich. Der Hintermann kann dieser Ansicht folgend unproblematisch als mittelbarer Täter bestraft werden
  2. Ansicht: Tatherrschaftslehre (Lit.): die bloß vorgestellte Tatherrschaft genügt nicht, um Täterschaft zu begründen. Die Strafbarkeit des Hintermanns als mittelbarer Täter scheitert daher an der objektiv fehlenden Werkzeugeigenschaft des Vordermanns. Innerhalb der Vertreter der Tatherrschaftslehre ist umstritten, wie der Hintermann sich stattdessen strafbar gemacht hat:

a. bei unmittelbarem Ansetzen des Hintermanns ist eine Strafbarkeit wegen Versuchs zu bejahen. Eine Strafbarkeit als Anstifter müsse jedoch ausscheiden, da zwar eine vorsätzliche, rechtswidrige Haupttat vorliege, der Anstiftervorsatz des Hintermanns aber nicht bejaht werden könne, weil er beim vermeintlichen Werkzeug nicht den Vorsatz zur Begehung einer vorsätzlichen Tat hervorrufen wollte.
con: nur versuchte Tatbegehung in mittelbarer Täterschaft bringt nicht zum Ausdruck, dass der Hintermann an einer vollendeten Tat beteiligt war

b. Hintermann als Anstifter; Anstiftervorsatz als wesensgleiches “Minus” im weitergehenden Tatherrschaftswillen enthalten

c. vollendete Anstiftung in Tateinheit mit versuchter Tatbegehung in mittelbarer Täterschaft
con: doppelte Anrechnung des Vorsatzes (einmal als Teilnehmervorsatz und einmal als Tätervorsatz)

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