Revision - Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzungen Flashcards

1
Q

Allgemeines

A
  • Verletzt ist das Verfahrensrecht, wenn eine gesetzlich vorgeschriebene Handlung unterblieben ist, wenn sie fehlerhaft vorgenommen worden ist oder wenn eine vom Tatgericht vorgenommene Handlung unzulässig war
  • Revisionsführer muss davon beschwert sein, muss also in seinen Rechten oder schutzwürdigen Interessen unmittelbar beeinträchtigt sein
    —> Nicht der Fall, wenn Verfahrensfehler sich vorteilhaft auswirkt oder nur andere Verfahrensbeteiligte betrifft
  • müssen bewiesen werden, d.h. zur vollen Überzeugung des Gerichts feststehen
    —> Beweis durch Sitzungsprotokoll oder Freibeweis
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2
Q

Beweiskraft des Protokolls

A
  • Nichtbeachtung der wesentlichen Förmlichkeit nach § 273 I StPO kann ausschließlich durch Sitzungsprotokoll bewiesen werden, dem insoweit positive und negative Beweiskraft zukommt
  • Beweiskraft des Protokolls entfällt, wenn dieses an bestimmten inhaltlichen Mängeln wie offensichtlichen Lücken, Unklarheiten oder Widersprüchen leidet
  • Beweiskraft entfällt auch, wenn eine Urkundsperson seinen Inhalt nachträglich für unrichtig erklärt oder durch Erklärung von ihm abrückt
  • grds. besteht Möglichkeit der Protokollberichtigung, aber Beschwerdeführer muss vor Berichtigung angehört werden
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3
Q

Freibeweis

A
  • auch bei freibeweislich zu klärenden Tatsachen kommt es in der Klausur häufig auf das Protokoll an, dass auch außerhalb § 273 I StPO verwertbar ist
  • auch aus den Urteilsgründen
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4
Q

Zwischenrechtsbehelf des § 238 II StPO

A
  • Revisionsführer muss grds. von Zwischenrechtsbehelf des § 238 II StPO Gebrauch machen
    —> Ohne Beanstandung ist die entsprechende Verfahrensrüge daher grds. verwirkt
  • unterbleibt Entscheidung, ist Rüge zu verneinen (sie begründet aber keinen eigenen Revisionsgrund
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5
Q

Wirkung § 338 StPO

A
  • § 338 StPO stellt Vermutung auf, dass ursächlicher Zusammenhang zwischen Verstoß und Urteil besteht
    —> Keine selbstständige Verfahrensvorschrift
  • Daher folgender Aufbau:
    1. Verstoß gegen von § 338 StPO in Bezug genommene Verfahrensvorschrift
    2. Wirkung des § 338 StPO iRd nach § 337 StPO notwendigen Beruhens
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6
Q

Vorschriftswidrige Besetzung § 338 Nr. 1 StPO

A
  • Beim Einstieg immer auf Rügepräklusion nach § 338 Nr. 1 Hs 2 StPO achten, wenn ein Fall des § 222a StPO vorliegt!
  • 5 Fallgruppen: fehlerhafte Mitwirkung einzelner Richter, gesetzwidrige Heranziehung von Schöffen, Mängel der Besetzung aus persönlichen Gründen, Mängel der Geschäftsverteilung, Nichtbeachtung der vorgeschriebenen Richterzahl
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7
Q

Mitwirkung eines ausgeschlossenen Richters, § 338 Nr. 2 StPO

A
  • Ausschließungsgründe nach §§ 22, 23 StPO
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8
Q

Mitwirkung eines angelehnten Richters § 338 Nr. 3 StPO

A
  • Rüge des § 338 Nr. 3 StPO ist, wie aus § 28 II StPO folgt, ihrer Natur nach sofortige Beschwerde, sodass das Revisionsgericht die angefochtenen Entscheidung auch in tatsächlicher Hinsicht prüft und eigenes Ermessen hat
  • Tatgericht muss durch willkürliche Bejahung der Voraussetzungen des § 26a I StPO oder durch Missachtung der Zuständigkeitsvorschriften des § 27 I StPO in falscher Besetzung über das Ablehnungsgesuch entscheiden und dadurch das Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt haben
    —>Willkür besteht, wenn der abgelehnte Richter sein eigenes Verhalten wertend beurteilt, sich also inhaltlich mit den Gründen seiner beanstandeten Prozesshandlungen auseinandersetzt und so zum Richter in eigener Sache macht
    —> IRd § 27 StPO geht es um Besorgnis der Befangenheit nach § 24 I, II StPO, es muss also ein Grund vorliegen, der das Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters rechtfertigt
    ——> Abblende muss bei verständiger Würdigung des ihm bekannten Sachverhalts Grund zu der Annahme gehabt haben, dass der abgelehnte Richter ihm gegenüber eine innere Haltung eingenommen hat, die seine Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen könnte
  • § 29 StPO beachten! Verstoß ist aber nur relativer Revisionsgrund
  • § 74 I 1 StPO Ablehnung von Sachverständigen, aber auch nur relativer Revisionsgrund
  • Ablehnung eines Staatsanwalts auch nur relativer Revisionsgrund
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9
Q

Unzuständigkeit des Gerichts § 338 Nr. 4 StPO

A
  • betrifft örtliche Zuständigkeit, sowie die besonderen Strafkammern nach § 74e GVG und die Jugendgerichte (hier auch keine Rügepräklusion)
  • Nicht die sachliche Zuständigkeit nach § 6 StPO (diese ist Verfahrensvoraussetzung)
  • Auf Rügepräklusion nach § 6a S. 3, 16 S. 3 StPO achten
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10
Q

Vorschriftswidrige Abwesenheit von Verfahrensbeteiligten, § 338 Nr. 5 StPO

A
  • Abwesenheit muss bei einem wesentlichen Teil der Hauptverhandlung bestehen, da sonst das Beruhen des Urteils denkgesetzlich ausgeschlossen ist
  • Abwesenheit des Angeklagten: Grundregel § 230 I StPO
    —> Ausnahmen: §§ 231 II ff., 231b I und 247 StPO
  • § 231 II StPO liegt bei eigenmächtigen Entfernen vor, also wenn der Angeklagte seiner Anwesenheitspflicht ohne Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe wissentlich nicht genügt
  • § 231b I StPO ist einschlägig, wenn die Anwesenheit des Angeklagten nicht unerlässlich ist, die Befürchtung einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des Ablaufs der Hauptverhandlung besteht und dem Angeklagten Gelegenheit zur Äußerung gegeben wurde
    —> vorheriger Beschluss nach § 177 GVG
  • § 247 StPO lässt weitere Ausnahmen im Interesse der Sachaufklärung sowie des Schutzes von Zeugen und des Angeklagten zu erfordert begründeten Beschluss
    —> konkrete Gefahr für die Wahrheitsfindung; oder
    —> Gefahr eines schwerwiegenden Gesundheitsnachteils (kann auch vorübergehend sein)
    —> Angeklagter darf nur während der Vernehmung ausgeschlossen werden
    —> Nach Abwesenheit muss Angeklagter über wesentlichen Inhalt der Verhandlung unterrichtet werden, § 247 S. 4 StPO, dies ist dann aber relativer Revisionsgrund
  • Abwesenheit des Pflichtverteidigers nach § 140 StPO in den Fällen der §§ 141 I, II, 145 I 1 StPO
    —> Wird Anwalt als Zeuge vernommen, ist er nicht zugleich Anwalt und somit abwesend!
    —> Anwesenheit steht nicht zur Disposition des Angeklagten und kann nur schwer verwirkt werden
  • Nichtanwesenheit des Wahlverteidigers kann Verstoß gegen Gebot eines rechtsstaatlichen, fairen Verfahrens sein, ist aber relativer Revisionsgrund
  • Beweis durch Hauptverhandlungsprotokoll
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11
Q

Ungesetzliche Beschränkung der Öffentlichkeit, § 338 Nr. 6 StPO

A
  • nach § 169 S. 1 GVG ist die Verhandlung öffentlich durchzuführen
  • auch faktischer Ausschluss einzelner Zuschauer führt zu Verstoß
  • Informationspflicht des Gerichts bezüglich Örtlichkeiten der Hauptverhandlung (eg. Aushang, etc.)
  • Verstoß muss auf einem Verschulden des Gerichts beruhen
    —> fehlerhafte Annahme eines Ausschlussgrundes (§§ 171a-173, 175, 177 GVG)
    —> Nichtbeachtung des Verfahrens für die Ausschließung (§174 GVG)
    —> Gericht beseitigt eine ihm bekannte Beschränkung der Öffentlichkeit nicht ——> Verschulden untergeordneten Beamten wird nicht zugerechnet, aber es besteht Aufsichtspflicht
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12
Q

Verspätete oder fehlende Urteilsbegründung, § 338 Nr. 7 StPO

A
  • Urteil enthält keine Gründe oder diese werden nicht in der Frist des § 275 I 2 und 4 StPO zu den Akten gebracht (also Geschäftsstelle)
  • Urteil muss zur Wahrung der Frist alle erforderlichen richterlichen Unterschriften enthalten
  • Auch Fristüberschreitung nach § 274 I 4 StPO oder Unterschriftsverhinderung, § 274 II 2 StPO, wird gerne thematisiert
  • nur zu erörtern, wenn Klausur entsprechende Anknüpfungspunkte enthält
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13
Q

Unzulässige Beschränkung der Verteidigung, § 338 Nr. 8 StPO

A
  • Verstoß gegen konkrete Verfahrensnormen sollte unter § 337 StPO geprüft werden, da § 338 StPO auch eine konkret-kausale Beziehung (Beruhen) zwischen Verfahrensfehler und Urteil verlangt
  • Anwendbar als Auffangnorm, wenn Gesetz gegen Verstoß gegen Verfahrensgrundsätze keine ausdrückliche Regelung getroffen hat
  • In erster Linie geht es dabei dann um Verletzung der Fürsorgepflicht
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14
Q

Relative Revisionsgründe

A
  • hier muss das Beruhen des Urteils auf dem Verfahrensfehler festgestellt werden
  • dies ist der Fall, wenn ein rechtsfehlerfreies Verfahren möglicherweise zu einem anderen Ergebnis geführt hätte
    —> darf nicht auszuschließen sein
  • Ist das Verfahren aufgrund einer anderen Vorschrift rechtmäßig, fehlt es an Beruhen
  • auch rechtzeitige Heilung schließt Beruhen aus
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15
Q

Rollenvertauschung, § 2 II StPO

A
  • Mitangeklagter kann solange nicht Zeuge sein, wie er in einem verbundenen Verfahren mitverfolgt wird
  • Durch Abtrennung nach § 2 II StPO können Verfahren abgetrennt werden, sodass Mitangeklagter dann als Zeuge vernommen werden kann
  • Nur aus „Gründen der Zweckmäßigkeit“ erlaubt
    —> Abtrennung zur Ermöglichung der Zeugenaussage (aber nicht gegen Mitangeklagten selbst oder um Aussage größeres Gewicht zukommen zu lassen)
    —> Beschleunigung des Verfahrens
  • kann auch vor oder nach HV erfolgen (§ 336 S. 1 StPO)
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16
Q

Verwertungsverbot im Zusammenhang mit § 52 StPO

A
  • Es ist zwischen Verstoß in gerichtlichem und Ermittlungsverfahren zu differenzieren
    —> Ereignet sich der Verstoß in der HV kann direkt auf § 52 StPO zurückgegriffen werden, ereignet sie sich im Ermittlungsverfahren, so ist die Problematik im Rahmen des § 261 StPO darzustellen
  • Bei der Belehrung handelt es sich um wesentliche Förmlichkeit iSd § 273 StPO, sodass sich der Verstoß oft zwingend aus der negativen Beweiskraft des Protokolls ergibt
  • Zwischenrechtsbehelf nach § 238 II StPO ist nicht notwendig, da es sich um eine gesetzlich gebotene Handlung handelt
17
Q

Verwertungsverbot im Zusammenhang mit § 252 StPO

A
  • gem § 252 StPO darf Aussage eines vor der Hauptversammlung vernommenen Zeugen, der erst in HV Gebrauch von Schweigerecht macht, nicht verlesen werden
    —> enthält über den Wortlaut hinaus ein allgemeines Verwertungsverbot in Bezug auf jede andere Verwertung der bei einer nichtrichterlichen Vernehmung gemachten Aussage, also auch mittelbare Verwertung!
  • § 252 StPO ist nicht auf Fälle des § 55 StPO anwendbar
18
Q

§§ 54, 55, 57 StPO

A
  • Verstöße gegen diese Normen sind für den Angeklagten nicht revisibel
  • nach Rechtskreistheorie besteht kein allgemeines Recht der Verfahrensbeteiligten, jedes prozessordnungswidrige Verhalten zu rügen, vielmehr muss eine Verletzung der einschlägigen Vorschrift den Rechtskreis des Rechtsmittelführers wesentlich berühren
19
Q

Zeugenvereidigung, § 59 StPO

A
  • Nach § 59 I 1 StPO muss die Vereidigung unterbleiben, wenn diese Vorschrift sie nicht im Hinblick auf die ausschlaggebende Bedeutung der betreffenden Aussage oder die Herbeiführung der wahren Aussage zulässt und das Gericht die Vereidigung für notwendig erachtet
  • Entscheidet Vorsitzender zulässigerweise vorab über Vereidigung, muss gem. § 238 II StPO zunächst das Gericht angerufen werden
  • Im Fall der Nichtvereidigung gibt es zwei relevante Konstellationen
    —> Hat Richter von Vereidigung ausdrücklich abgesehen, muss nicht auf die Voraussetzungen des § 59 I 1 StPO eingegangen werden, da dem Richter Ermessen zukommt. Weiterhin muss die Entscheidung nicht begründet werden. Revision ist somit praktisch unmöglich
    —> Ist Entscheidung überhaupt nicht getroffen (Beweis durch Protokoll) muss insbesondere das Beruhen begründet werden, dass nur besteht, wenn es bei ordnungsgemäßer Entscheidung zu einer Vereidigung gekommen und nicht auszuschließen ist, dass der Zeuge andere Aussagen gemacht hätte
  • ist der Zeuge vereidigt worden, kann Revision nicht begründet werden, da das Urteil nicht darauf beruhen kann, dass das Gericht die Wahrheit mit stärkerem Mittel erforscht hat
20
Q

Verstoß gegen § 243 V 1 StPO

A
  • geht Befragung über die bloße Identitätsfeststellung iSd § 111 OWiG hinaus, insbesondere wenn zu den wirtschaftlichen Verhältnissen befragt wird, muss vorher grundsätzlich nach § 243 V 1 StPO belehrt werden
    —> Beruhen kann aber abzulehnen sein, wenn es zu keiner Geldstrafe kommt
21
Q

Verst0ß gegen § 253 I StPO

A
  • Nur anwendbar, wenn es sich bei dem Zeugen, dessen Gedächtnis unterstützt werden soll, um dieselbe Person handelt, deren Aussage in dem zu verlesenden Protokoll festgestellt wurde
    —> Ausnahmecharakter, der eine Durchbrechung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes darstellt, gemietet restriktive und strenge Handhabung
  • gilt nicht im Rahmen der Vernehmung von Verhörspersonen