Revision - Sachlichrechtliche Gesetzesverletzungen Flashcards
Sachlichrechtliche Gesetzesverletzung
- Gericht prüft richtige Gesetzesanwendung, also ob tatrichterliche Feststellungen die Anwendung der Rechtsnorm rechtfertigen oder ob Rechtsnormen irrig nicht oder falsch angewendet worden sind
- Darüber hinaus auch Darstellungsprüfung, also ob die Tatsachenfeststellungen Mängel aufweisen
- Grundlage ist ausschließlich die Urteilsurkunde
- Beruhen ergibt sich grds. ohne weiteres aus dem Urteil selbst
- Auch bei ausnahmsweise fehlender Beschwer sollte in Klausur Fehler dargestellt werden
Darstellungsprüfung
- Sachlichrechtlicher Mangel liegt danach vor, wenn Darstellung und Würdigung des festgestellten Sachverhalts unklar, widersprüchlich oder ersichtlich nicht vollständig sind, wenn sie Denkfehler enthalten oder Erfahrungssätze missachten
—> Ist dies der Fall wird Urteil aufgehoben, auch wenn Gesetzesanwendung als solche nicht zu beanstanden ist
——> Sinn und Zweck ist Prüfung der Plausibilität der Darstellung von Feststellungen als Voraussetzung der Kontrolle der gerichtlichen Gesetzesanwendung
Darstellungsprüfung - Persönliche Verhältnisse
- dienen überwiegend der Berurteilung der Rechtsfolgenfrage
- Fehlen Feststellungen im Urteil, sind sie lückenhaft, widersprüchlich oder verstoßen sie gegen Denkgesetze und Erfahrungsgrundsätze, so kann dies zur Aufhebung des Rechtsfolgenausspruchs führen
Darstellungsprüfung - Sachverhaltsschilderung
- Sachverhalt muss dem Revisionsgericht die rechtliche Überprüfung der Entscheidung ermöglichen
- Feststellungen erfordern daher einen in isch geschlossenen, vollständigen, eindeutigen und widerspruchsfreien Sachverhalt
—> Auch verfahrensfehlerhaft zustande gekommene Beweismittel! - Rechtsbegriffe dürfen nicht als Ersatz sachlicher Feststellungen verwendet werden! (zB Verwendung nur des Begriffs „gewaltsam“)
Darstellungsprüfung Beweiswürdigung
- Beweiswürdigung muss auf einer tragfähigen, verstandsmäßig einsehbaren Tatsachengrundlage beruhen, der Schluss auf die Schuld des Angeklagten muss aus rationalen (intersubjektiv vermittelbaren und einsichtigen) Gründen möglich sein
—> Keine Überprüfung der subjektiven Gewissheit des Tatrichters! - Beweiswürdigung rechtsfehlerhaft, wenn sie lückenhaft, widersprüchlich oder unklar ist oder gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt
- Lücken weißt sie auf, wenn nicht alle aus dem Urteil ersichtlichen Umstände gewürdigt sind, die Schlüsse zugunsten oder zuungunsten des Angeklagten zulassen
- Bei Sachverständigengutachten müssen wenigstens die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Darlegungen des Sachverständigen wiedergeben werden, ein pauschaler Verweis genügt nicht
- in dubio pro reo ist verletzt, wenn Tatrichter den Angeklagten verurteilt hat, obwohl er ausweislich des Urteils Zweifel an der Schuld hatte
—> Keine Frage der einwandfreien Urteilsdarstellung!
Darstellungsprüfung Formulierungsvorschlag bei keinen Fehlern
Die tatsächlichen Feststellungen sowie die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils weisen Rechtsfehler nicht auf. Insbesondere sind sie nicht in sich widersprüchlich, lückenhaft oder unklar und verstoßen nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze. Die Erhebung der sogenannten Darstellungsrüge ist daher nicht geboten.
Gesetzesanwendung
- erfolgt ausschließlich auf Grundlage der Urteilsurkunde!
- Auf den Inhalt des Protokolls darf bei der Überprüfung der Gesetzesanwendung des Tatgerichts mit keinem Wort eingegangen werden!
- Einleitungssatz: „Fraglich ist, ob die Feststellungen des angefochtenen Urteils die Verurteilung wegen … tragen.“
- Auch Prüfung von übersehenen Tatbeständen
—> Dann Hinweis in Zweckmäßigkeitserwägung, dass die übersehenen Tatbestände für Mandant meistens keine Bedeutung haben, wegen § 358 II 1 StPO - Bei fehlender Angabe der Schuldform im Schuldspruch, entgegen § 260 IV 1 StPO, nur Berichtigung des Schuldspruchs nach § 354 I StPO analog
Rechtsfolgenausspruch - Strafrahmen
- Strafrahmen bei mehreren möglichen nicht mitgeteilt
—> Genaue Berechnung muss bei mitgeteiltem Strafrahmen aber nicht angegeben werden - Fehler bei Anwendung des Strafrahmens
—> Beruhen = Revisionsgericht entscheidet nach eigenem Ermessen, ob nach dem Gesamtinhalt des Urteils auszuschließen ist, dass der Mangel Einfluss auf die Strafbemessung gehabt hat - Übersehen eines minder schweren Falles, obwohl die Feststellungen zur Annahme drängen
- § 52 II 1 StGB ist zu beachten! Höchstes Strafe und höchstes Mindermaß können zu kombinieren sein!
Rechtsfolgenausspruch - Fehler nach § 49 I StGB
- Gericht muss sowohl Höchst- als auch Mindestmaß senken und entsprechend den Strafrahmen feststellen
—> Gemilderte Obergrenze beträgt drei Viertel
—> Gemilderte Untergrenze in § 49 I Nr. 3 StGB enthalten - Strafrahmen, die in Untergrenze auf Geldstrafe lauten sind von Reduzierung nach § 49 I Nr. 3 StGB also nicht betroffen
- Teilweise wird obligatorische Strafrahmenverschiebung auch komplett übersehen
- Bei fakultativen Milderungsgründen kann Darstellungsmangel vorliegen, wenn das Urteil zu § 49 I StGB vollständig schweigt
- Versagung einer fakultativen Strafmilderung darf nur erfolgen, wenn eingetretene Schuldminderung durch im Urteil näher darzulegende schulderhöhende Umstände aufgewogen wird
Strafzumessungserwägungen
- Tatgericht hat bestimmte Zumessungserwägungen unberücksichtigt gelassen
—> Darstellungsmangel, wenn sie besorgen lässt, dass das Tatgericht sich aus dem selbst ergebende, wesentliche Milderungsgründe nicht berücksichtigt hat, zB Straflosigkeit, Geständnis, Mitverschulden des Verletzten - Einziehungen haben Strafcharakter und müssen in der Gesamtschau berücksichtigt werden
- Doppelverwertungverbot, ie. Umstände werden erneut verwertet, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind
- zulässiges Verteidigungsverhalten darf nicht strafverschärfend angerechnet werden
- Fehlen von Strafmilderungsgründen hat keine strafschärfende Wirkung
- Auch Verstoß gegen § 265 StPO analog möglich, wenn nach §§ 154 II, 154a II StPO ausgeschiedener Verfahrensstoff strafverschärfend angerechnet wird
Kurze Freiheitsstrafe
- nach § 47 I StGB darf kurze Freiheitsstrafe verhängt werden, wenn besondere Umstände in der Tat oder Persönlichkeit des Angeklagten vorliegen, die eine solche Strafe zur Einwirkung unerlässlich machen
- Darstellungsmangel, wenn unterbliebene Erörterung des § 47 I StGB nach den festgestellten Umständen naheliegt, die Feststellungen bei Verhängung einer solchen Strafe also eher gegen ihre Erforderlichkeit sprechen
Gesamtstrafenbildung
- Urteilsgründen müssen für jede verwirklichte Tat die Einzelstrafe sowie die Strafzumessungsgründe enthalten
—> Fehlen einer Einzelstrafe führt zu Aufhebung der Gesamtstrafe - vollständiges Fehlen von Ausführungen iR des § 54 I 3 StGB führt wegen Darstellungsmangel zur Aufhebung der Gesamtstrafe
- Gesamtstrafe darf nach § 54 II 1 StGB nicht die Summe der Einzelstrafen erreichen
Nachträgliche Gesamtstrafenbildung
- Verstoß gegen § 55 StGB wird auf die Sachrüge hin zur Urteilsaufhebung führen
- § 55 StGB fordert Härteausgleich wenn Gesamtstrafenbildung nicht mehr erfolgen kann, weil Vorstrafe bereits vollstreckt, verjährt oder erlassen ist
Strafaussetzung zur Bewährung
- für Tatgericht besteht bei Ablehnung der Strafaussetzung eine Begründungspflicht, wenn die festgestellten Umstände zur Annahme einer Strafaussetzung drängen
—> Wenn dann keine (vollständige)Erörterung Darstellungsmangel
Sachrüge Obersatz
Bei der Sachrüge beschränkt sich das Revisionsgericht nicht darauf zu prüfen, ob dass materielle Strafrecht auf den festgestellten Sachverhalt richtig angewendet worden ist. Es prüft vielmehr auch, ob die Urteilsfestellungen überhaupt eine tragfähige Grundlage für diese Prüfung bieten, insbesondere ob sie frei von Lücken, Widersprüchen und Verstößen gegen Denk- und Erfahrungssätze sind. Auch wenn im Zweifel die Erhebung einer allgemeinen Sachrüge nach § 344 II StPO ausreicht, damit das Revisionsgericht eine vollumfängliche Prüfung der Rechtsanwendung vornimmt, so empfiehlt es sich doch stets, die Sachrüge zu spezifizieren.