Revision: Begründetheit wegen Verfahrenshindernissen & absoluten Revisionsgründen Flashcards
Begründetheit: allgemein
= wenn eine von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung fehlt oder das Urteil nach § 337 StPO auf einer verfahrens- oder sachlichrechtlichen Verletzung des Gesetzes beruht
Verfahrenshindernis: allgemein
- Fehlen einer Verfahrensvoraussetzung steht der Sachentscheidung des Tatgerichts entgegen, da bereits dadurch die Sachentscheidungsbefugnis fehlt
- Verfahrensvoraussetzungen sind von Amts wegen und in jeder Lage des Verfahrens zu berücksichtigen
Verfahrenshindernis: sachliche Zuständigkeit: Verbrechen vs. Vergehen
- Maßstab, ob Verbrechen abgeurteilt wurde: auf Grund der Urteilsfeststellungen nach objektiven Gesichtspunkten
-> wird Tat als Verbrechen abgeurteilt, obwohl nach Urteilsfeststellungen objektiv nur Vergehen vorliegt, war der Strafrichter sachlich nicht unzuständig (eigene rechtliche Tatbewertung ist insofern nicht maßgeblich) - § 355 StPO: Verweisung an das zuständige Gericht
Verfahrenshindernis: sachliche Zuständigkeit: Straferwartung
- § 269 StPO: größere sachliche Zuständigkeit schließt die geringere aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit und zur Verfahrensbeschleunigung ein
- Ausnahme: Art. 101 I S. 2 GG: Willkürlicher Entzug des gesetzlichen Richters
-> maßgeblich ist die bei zutreffender rechtlicher Würdigung des angeklagten Sachverhalts im Augenblick der Eröffnung des Hauptverfahrens zu erwartende Strafe
-> Prognosespielraum berücksichtigen - Strafrichter hat dabei volle Strafgewalt des AG (4 Jahre) - allerdings auch hier Willkürprüfung
-> auch, wenn Strafrichter nicht erkennt, dass er nach § 55 StGB zweijährige Freiheitsstrafe berücksichtigen muss - Sachliche Zuständigkeit des Berufungsgerichts ist nicht weiter als der ersten Instanz
Verfahrenshindernis: sachliche Zuständigkeit: Überschreitung der Strafgewalt
- kein Fall des § 338 Nr. 4 StPO
- Verweis nach § 355 StPO
- ggf. Strafgewalt berücksichtig, nicht aber Instanzenzug
-> bspw. wenn kleine Strafkammer als Berufungsinstanz eine quasi-erstinstanzliche Rolle einnimmt (Amtsgericht hatte unzulässigerweise einen Einspruch verworfen, sodass noch gar keine Sachentscheidung ergangen war - Verstoß gegen § 411 I S. 2 StPO)
Verfahrenshindernis: Strafantrag
- gem. § 158 II StPO: Schriftlich (hM: Unterschrift erforerlich)
- auch andere als der Verletzte berechtigt, § 77 StGB
-> insb. Vertretung Minderjähriger, § 77 III StGB
-> Betreuerbefugnis umfasst nicht Antragsvertretung - Rücknahme nach § 77d möglich
-> keine besondere Form
-> nur inhaltlich: muss zweifelsfrei erkennen lassen, dass der Antragsteller die Verfolgung nicht mehr will - Bedeutung des Strafantrags aber nur insoweit, als Tatgericht überhaupt zu einer Sachentscheidung gelangt
Verfahrenshindernis: besonderes öffentliches Interesse statt Strafantrag
- ersetzt Strafantrag nur bei den relativen Antragsdelikten
- Strafverfolgungsbehörde ist immer nur die zuständige StA
- kann auch konkludent zum Ausdruck gebracht werden
-> bspw. Abrücken vom Offizialdelikt und Beantragung einer Verurteilung wegen Antragsdelikt
Verfahrenshindernis: Anklage und Eröffnungsbeschluss
- wirksame Anklage nach § 200 StPO
- wirksamer Eröffnungsbeschluss nach § 203 StPO
-> Mängel der Anklage sind wegen des integrierenden Charakters zugleich Mängel des Eröffnungsbeschlusses
-> Mängel, die ausschließlich die Informationsfunktion der Anklage betreffen, sind grds. kein Verfahrenshindernis
-> Verfahrenshindernisse können jedoch aus der Verletzung der Umgrenzungsfunktion erwachsen
–> Angeschuldigter oder die ihm zur Last gelegte Tat ist nicht so genau identifizierbar, dass der angeklagte Vorfall gegenüber anderen Geschehnissen unverwechselbar ist
–> ggf. Problem der Nachtragsklage gem. § 266 StPO
–> ggf. Verstoß gegen Hinweispflicht nach § 265 StPO
Verfahrenshindernis: Anklage und Eröffnungsbeschluss: formelle Mängel des Eröffnungsbeschlusses
- Nachholung des Eröffnungsbeschlusses in der HV
-> zulässig
-> Nichteinhaltung der einwöchigen Ladungsfrist gem. § 217 StPO: kein Verfahrenshindernis, wenn Angeklagter durch sein Erscheinen und seine Einlassung gezeigt hat, dass ihn die nicht eingehaltene Ladungsfrist nicht in der Vorbereitung seiner Verteidigung behindert hat - allerdings: Problem der Nachholung in der großen Strafkammer, da Eröffnungsbeschluss mit drei Berufsrichtern zu fällen ist, vgl. § 76 II GVG
Verfahrenshindernis: Strafklageverbrauch und anderweitige Rechtshängigkeit
- Strafklageverbrauch
-> formell rechtskräftiges Urteil
-> rechtskräftiger Strafbefehl (§ 410 III StPO)
-> unanfechtbare Beschlüsse (§§ 153 II, 153a II, 153 b, 206a)
-> staatsanwaltliche Einstellung nach § 153a I S. 5 StPO - Anderweitige Rechtshängigkeit
= mit Erlass des Eröffnungsbeschlusses nach § 207 StPO oder mit dem Verfahrensereignis, das der Eröffnung bei den besonderen Verfahrensarten entspricht (bspw. Erlass eines Strafbefehls)
-> Umfang gem. Art. 103 II GG; § 264 StPO (prozessuale Tat)
–> aber: § 84 II OWiG: OWi durch Bußgeldbescheid (!) verhindert Ahndung als Straftat nicht
–> SDÜ (Schengener Durchführungsübereinkommen)
Verfahrenshindernis: Strafverfolgungsverjährung
- Kürzeste Verjährungsfrist: 3 Jahre
- Datum der erstinstanzlichen Entscheidung maßgeblich, nicht Berufungsurteil, § 78b StGB
Verfahrenshindernis: Besonderheiten bei Berufungsurteil
- Zulässigkeit der Berufung
- Berufungsbeschränkung
-> insb. horizontale Teilrechtskraft (Beschränkung auf Rechtsfolgenausspruch) - Verschlechterungsverbot
-> wenn nur Angeklagter Berufung eingelegt hat, § 331 I StPO
–> einseitige, nur zugunsten des Angeklagten wirkende Rechskraft
Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Allgemeines
- Verfahrensrecht = alle Vorschriften, die den Weg bestimmen, auf dem das Gericht zur Urteilsfindung berufen und gelangt ist
-> idR StPO ud GVG - Beschwer: zu verneinen, wenn sich der Verfahrensverstoß nur zu seinem Vorteil auswirkt oder aber der Verfahrensmangel lediglich andere Verfahrensbeteiligte betrifft
-> aber: mittelbare Beschwer = wenn sich die Beeinträchtigung rechtlicher Interessen des Mitangeklagten durch eine Verfahrensverstoß auch auf die rechtlichen Interessen des Betroffenen auswirken (bspw. unzulässig verwertetes Geständnis auch zulasten des anderen Angeklagten) - Beweiserfordernis = Verfahrensverstoß muss zur vollen Überzeugung des Revisionsgerichts feststehen
Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Geltendmachung
- Nichtbeachtung einer wesentlichen Form iSd § 273 I StPO
-> kann nach § 274 S. 1 StPO ausschließlich durch das Sitzungsprotokoll bewiesen werden
-> Beweiskraft entfällt bei
–> offensichtlichen Lücken, Unklarheiten und Widersprüchen
–> Erklärung der Unrichtigkeit oder Abrücken durch eine oder beide Urkundespersonen
–> P: Verbot der Rügeverkümmerung - Nichtbeachtung einer nicht wesentlichen Form iSd § 273 I StPO
-> nur im Freibeweisverfahren (= alle dem Revisionsgericht zugänglichen Erkenntnisquellen) - Grds. vorheriger Zwischenrechtsbehelf gem. § 238 II StPO (ansonsten verwirkt)
-> allerdings kein Anwendungsbereich des § 238 II StPO, wenn
–> Gericht durch Beschluss entschieden hat oder hätte entscheiden müssen
–> Angeklagter ohne Verteidiger aufgetreten ist
–> Vorsitzende eine von Amts wegen vorzunehmende unverzichtbare Handlung unterlassen hat
–> Hinwegsetzen über Verfahrensvorschriften, die keinerlei Ermessensspielraum zulassen
Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Geltendmachung/Bweis: P: Verbot der Rügeverkümmerung
= wenn durch die Berichtigung des Protokolls einer bereits zulässig erhobenen Verfahrensrüge die Tatsachengrundlage entzogen wird
- Problematik des fair trial ohne Verbot der Rügeverkümmerung
- Großer Senat des BGH: grds. kein Verbot mehr, jedoch muss das vom BGH vorgeschrieben Verfahren bei der Protokollberichtigung (inbs. Anhörung des Beschwerdeführers durch die Urkundspersonen)