Revision: Begründetheit wegen relativen Revisionsgründen Flashcards

1
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Beruhen

A
  1. Beruhen (iSd § 337 StPO) = wenn im konkreten Einzelfall ein rechtsfehlerfreies Verfahren möglicherweise zu einem anderen Ergebnis geführt hätte
    -> Kausalzusammenhang muss nicht erwiesen sein; es reicht aus, dass er nicht auszuschließen ist
  2. Kein rechtmäßiges Alternativverhalten = wenn das Verfahren nach einer anderen Vorschrift rechtmäßig ist
    -> bspw. andere Verlesungsnorm oder anderer Beweisantragsablehnungsgrund (nur bei Hilfsbeweisanträgen!)
  3. Keine Heilung = abhängig von der Art des Verfahrensfehlers die Nachholung der fehlerhaft unterlassenen oder die Wiederholung der fehlerhaft vorgenommenen Verfahrenshandlung
    -> M-G/S § 337 Rn. 39
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2
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Rollenvertauschung (§ 2 II StPO)

A
  • Mitangeklagter kann solange nicht Zeuge sein, wie er zusammen mit Angeklagtem in einem gemeinsamen, nach § 2 ff., 237 StPO miteinander verbundenen Verfahren verfolgt wird
  • Abtrennung darf jedoch nur aus Gründen der Zweckmäßigkeit erfolgen
    -> nicht zweckmäßig, wenn Angeklagter zu demselben Tatgeschehen, das auch ihm selbst zur Last gelegt wird, als Zeuge gehört werden soll
    -> allerdings möglich, wenn Abtrennung nur erfolgte, da anderer Angeklagte flüchtig ist (Zweck ist nicht Umgehung der Verfahrensrolle, sondern Verfahrensbeschleunigung)
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3
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Verwertungsverbot nach § 52 StPO

A
  • Belehrungsfehler
    -> durch Tatgericht: bei § 52 III S. 1 StPO zu erörtern
    -> im Ermittlungsverfahren: bei § 261 StPO zu erörtern (wenn dann durch Vernehmung oder Verlesung eingeführt)
  • auch Belehrungsfehler, wenn Zeuge irrtümlich von keiner Verwandtschaft/Schwägerschaft ausgeht und er nicht weiter aufgeklärt wird (bspw. rechtlich auch Schwägerschaft mit Stiefmutter)
  • Belehrung trotz fehlender Eigenschaft nach § 52 StPO und Aussageverweigerung
    -> bei Vorladung: Verletzung von § 245 I S. 1 StPO
    -> Zeuge war nicht vorgeladen: ggf. Verstoß gegen § 244 II StPO
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4
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Verwertungsverbot nach § 52 StPO: keine Angehörigen des Angeklagten

A
  • dennoch Verweigerungsrecht, wenn Angehöriger einer Person, die in irgendeinem Verfahrensabschnitt einmal wegen derselben prozessualen Tat in einem einheitlichen Verfahren gemeinsam mit dem jetzigen Angeklagten verfolgt worden war, auch wenn die Aussage jetzt nurmehr den Mitangeschuldigten/-angeklagten betrifft
  • Verweigerungsrecht erlischt, wenn Mitbeschuldigter verstorben oder Verfahren rechtskräftig abgeschlossen (
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5
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Verwertungsverbot nach § 52 StPO: Feststellung und Beruhen

A
  • Belehrung als wesentliche Förmlichkeit iSd § 273 StPO (-> Beweiskraft des Protokolls)
  • Zwischenrechtsbehelf nach § 238 II StPO bedarf es nicht, da Unterlassen einer gesetzlich gebotenen Handlung
  • Beruhen (-), wenn
    a. Fehler rechtszeitig geheilt
    b. Zeuge seine Rechte gekannt hat oder
    c. sicher ist, dass er auch nach Belehrung ausgesagt hätte
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6
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Verwertungsverbot nach § 252 StPO: über den Wortlaut hinaus

A
  • jede andere Verwertung der bei einer nichtrichterlichen Vernehmung gemachten Aussage
    -> auch (an sich) zulässige Verlesung eines Haftbefehls nach § 249 I StPO, aus dem sich Aussage ergibt
    -> auch Verlesung eines Briefes der bestätigt, “wie XY ausgesagt hat”, da hierzu auf polizeiliche Aussage zurückgegriffen werden müsste
  • Zusammentreffen von § 52 StPO und § 55 StPO: Klärung, von welchem Verweigerungsrecht der Zeuge Gebrauch machen will
    -> § 252 StPO erstreckt sich nicht auf § 55 StPO
  • “vernommener” Zeuge ebenfalls weit zu verstehen
    = alles, was der weigerungsberechtigte Zeuge früher in förmlichen Vernehmungen oder bloß vernehmungsähnlichen Situationen - in welchem Straf- oder Zivilverfahren auch immer - erklärt hat
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7
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Verwertungsverbot nach § 252 StPO: Ausnahmen

A
  1. Aussage vor oder außerhalb von Vernehmungen aus freien Stücken
    -> insb. auch dann, wenn Polizist die Sachlage nur unter dem Aspekt der Prävention und nicht der Repression erfragt (kein amtliches Auskunftsverlangen in diesem Sinne)
  2. Vernehmung des früheren Vernehmungsrichters, wenn er den weigerungsberechtigten Zeugen nach § 52 StPO belehrt oder dieser das Angehörigenverhältnis verschwiegen hatte
    -> qualifizierte Belehrung nicht erforderlich
    -> nur durch Vernehmung, nicht jedoch durch Verlesung des richterlichen Vernehmungsprotokolls möglich
    -> dennoch Verwertungsverbot, wenn Zeugnisverweigerungsrecht erst nach richterlicher Vernehmung entstanden ist (denn hier liegt kein bewusster Verzicht (!) auf das Verweigerungsrecht vor)
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8
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Verwertungsverbot nach § 252 StPO: Aussagen vor nicht amtlichen Verhörspersonen

A
  1. Zeugenaussagen, die der Verteidiger außerhalb der Hauptverhandlung protokolliert hat
    -> wenn schon eine vor den zur Objektivität verpflichteten Strafverfolgungsorganen gemachte Aussage nach den Umständen unverwertbar ist, muss dies erst recht für die Verwertung eines Protokolls eines einseitig die Interessen des Beschuldigten wahrnehmenden Anwalts gelten
  2. Mitteilungen eines nach § 52 I StPO weigerungsberechtigten Zeugen gegenüber einem Sachverständigen über Zusatztatsachen (= das Gutachten vorbereitende Anknüpfungstatsachen, zu deren Ermittlung und Wahrnehmung keine besondere Sachkunde erforderlich ist)
  3. Weigerungsberechtigter Zeuge war im betreffenden Zusammenhang früher selbst Beschuldigter
    -> Ausnahme: Gründe des § 251 I, II StPO
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9
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Verwertungsverbot nach § 252 StPO: Zeitpunkt

A
  • Gleichgültig, ob Angehörigenverhältnis vor oder nach der früheren Vernehmung entstanden ist
  • Verwertungsverbot besteht nicht, wenn Angehöriger verstorben ist, es sei denn, er hat die nachträgliche Aussageverweigerung erklärt
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10
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Verwertungsverbot nach § 252 StPO: Anwendung bei §§ 53, 53a StPO

A
  • ebenfalls umfasst
  • Zeitpunkt: Zeugnisverweigerungsrecht muss schon bei früherer Vernehmung bestanden haben
  • bei Entbindung von der Schweigepflicht besteht kein Verwertungsverbot (maßgeblicher Zeitpunkt ist der der früheren Vernehmung, späterer Widerruf der Schweigepflichtentbindung ist unschädlich)
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11
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: §§ 54, 55, 57 StPO

A
  • § 54 StPO: Verschwiegenheitspflicht öffentlicher Bediensteter
    -> auch nicht bei Verstoß gegen Beratungsgeheimnis aus § 43 DRiG
  • § 55 StPO: Belehrung über Auskunftsverweigerungsrecht bei Verfolgungsgefahr
    -> Belehrung gar nicht erforderlich, wenn Verfolgungsgefahr zweifelsfrei ausgeschlossen
  • § 57 StPO: Ermahnung zur Wahrheit und Eidesbelehrung

-> nach Rechtskreistheorie des BGH nicht revisibel

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12
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Zeugenvereidigung (§ 59 StPO)

A
  1. Nichtvereidigung
    a. bei ausdrücklichem Absehen: wegen Ermessen des Gerichts trotz Einschlägigkeit der Nrn. nicht revisibel
    b. keine Entscheidung über das Absehen: feststellbar über HV-Protokoll (§ 273-Förmlichkeit) und beruhen, wenn es bei einer ordnungsgemäßen Entscheidung zu einer Vereidigung gekommen und nicht auszuschließen wäre, dass Zeuge in diesem Fall andere, wesentliche Angaben gemacht hätte
  2. Vereidigung
    -> Voraussetzungen lagen nicht vor
    –> Urteil kann nicht darauf beruhen, dass das Gericht die Wahrheit mit einem stärkeren Mittel erforscht hat, als es das Gesetz vorsieht
  3. Abweichung im Protokoll
    -> Verstoß gegen § 261 StPO, wenn Aussage trotz Vereidigung als uneidliche protokolliert wurde und gerade wegen Wertung des eidlichen Aussagecharakters Verurteilung erfolgte
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13
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Vereidigungsverbote (§ 60 StPO)

A
  1. Eidesmündigkeit, § 60 Nr. 1 StPO
  2. Mitwirkung, § 60 Nr. 2 StPO
    = Mitwirkung in strafbarer Weise und in derselben Richtung wie der Angeklagte
    -> grds. Strafbarkeit außerhalb der HV
    -> aber: Verdacht, Zeuge sage bei aktueller Vernehmung falsch aus, hindert Vereidigung nicht
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14
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Vereidigungsverbote (§ 60 StPO): Beruhen

A
  • idR (+), da das Gericht der Aussage eines vereidigten Zeugen meist größere Glaubhaftigkeit bemisst als eines anderen
    -> jedoch (-), wenn Urteilsgründe bereits erkennen lassen, dass auch beeideten Zeugen nicht geglaubt wird
  • Heilung: erfodert anderweitige Würdigung (als uneidliche Aussage) und Hinweis an die Verfahrensbeteiligten (da denkbar, dass Eidescharakter weitere Verteidigung beeinflusst hat und ggf. vom Stellen von Beweisanträgen abgesehen wurde)
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15
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Belehrung über Eidesverweigerungsrecht (§ 61 StPO)

A
  • anknüpfend an Recht aus § 52 StPO
  • § 273-Förmlichkeit
  • Beruhen idR (+), da sich nicht ausschließen lässt, dass das Gericht die Glaubwürdigkeit des betreffenden Zeugen anders beurteilt hätte, wenn dieser den Eid nach Belehrung abgelehnt hätte
  • Heilung: anderweitige Würdigung und entsprechender Hinweis
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16
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Höchstdauer der Unterbrechung einer Hauptverhandlung (§ 229 StPO)

A
  • §§ 229 I, IV = völlig neue HV, wenn der Fortsetzungstermin nicht spätestens am 22. Tag nach der letzten Sitzung stattfindet
  • Beruhen idR (+)
    -> Konzentrationsmaxime des § 229 StPO soll Abschwächung des lebendigen Eindruckes der mündlichen Verhandlung verhindern
  • “Fortgesetzt” aber nur, wenn zur Sache verhandelt wird und das Verfahren gefördert wird
    -> kein bloßer Schiebetermin ausreichend, der allein der Einhaltung der Unterbrechungsfrist dient
  • Spezialregelung des § 268 III S. 2 StPO: Unterbrechung zwischen Ende der HV und Urteil nur zwei Wochen
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17
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Gang der Hauptverhandlung (§ 243 StPO)

A
  • § 243 III S. 1: Verlesung der Anklage: idR Beruhen (+), außer wenn wegen der Einfachheit der Sach- und Rechtslage weder der Gang der HV noch das Urteil irgendwie von dem Verfahrensmangel berührt worden ist oder die Prozessbeteiligten auf andere Weise zweifelsfrei über den Gegenstand des Verfahrens unterrichtet worden sind
    -> auch § 273-Förmlichkeit
    -> im Berufungsverfahren: Verlesung des erstinstanzlichen Urteils (§ 324 I S. 2 StPO)
  • § 243 IV: Verständigung
    -> Dokumentation nach § 273 Ia S. 2 StPO
  • § 243 V: Hinweis auf Aussagefreiheit
    a. Vollständiges Unterbleiben
    -> § 273-Förmlichkeit
    -> Beruhen idR (+), es sei denn der Angeklagte hat sich ohnehin nicht zur Sache eingelassen oder hat seine Aussagefreiheit gekannt

b. Verspätung, insb. bei Angaben zur Sache selbst während der Vernehmung zur Person
-> beruhen jedoch nur, wenn die entsprechenden Angaben in irgendeiner Form für die Schuld- oder Straffrage verwertet wurden
–> jedoch (-), wenn Angeklagter Aussagefreiheit ohnehin kannte oder ohnehin aussagebereit war

c. Aussagebereiter Angeklagter erhielt keine Gelegenheit zur Äußerung (S. 2)

  • § 243 V S. 5 StPO: Feststellung vor der Vernehmung des Angeklagten: idR kein Beruhen
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18
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Aufklärungspflicht (§ 244 II StPO)

A
  • reicht so weit, wie sich das Gericht in rechtlich zulässiger Antizipation des mutmaßlichen Ertrags auf Grund von Akteninhalt und Verfahrensablauf zum Gebrauch von bestimmten Beweismitteln gedrängt sehen musste
    -> nicht gedrängt, wenn einer der Ablehnungsgründe des § 244 III, IV StPO vorliegt (Inzidenzprüfung)
    -> Aufklärungsrüge kommt nur in Betracht, wenn kein (!) entsprechender Beweisantrag gestellt wurde
  • Anlass zur Nutzung weiterer Beweismöglichkeiten umso größer, je weniger gesichert das Beweisergebnis erscheint
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19
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Beweisanträge: Abgrenzung von Beweisanträgen und Beweisermittlungsantrag

A
  • Beweisantrag: nach § 244 III S. 1 StPO, wenn der Antragsteller ernsthaft verlangt, Beweis über eine bestimmt behauptete konkrete Tatsache, die die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betrifft, durch ein bestimmt bezeichnetes Beweismittel zu erheben und dem Antrag zu entnehmen ist, weshalb das bezeichnete Beweismittel die behauptete Tatsache belegen können soll
  • bei Fehlen einer Beweisantragsvoraussetzung: bloßer Beweisermittlungsantrag
    -> idR bei Negativtatsachen
    -> Verlangen des Beweises bzgl. des “ob, warum, wie oder wo” einer Beweistatsache
  • Verkennen eines Beweisantrages (-> Einstufung als bloßer Beweisermittlungsantrag): Rechtsverletzung iFd Unterlassung der Bescheidung
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20
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Beweisanträge: Beweisermittlungsantrag wird als Beweisantrag eingestuft

A
  • idR nicht revisibel, wenn der gewählte Ablehnungsgrund des Anforderungen des § 244 III, IV oder § 245 II genügt (denn dann wird sich Gericht nicht zum Gebrauch des Beweismittels gedrängt sehen müssen)
  • wird ein solcher Antrag jedoch nur unzulänglich zurückgewiesen, beruht das Urteil auf diesem Rechtsfehler, wenn durch diese Begründung hinsichtlich der Bedeutung der Beweisbehauptung eine irreführende Prozesslage geschaffen worden sein kann, die auf das Verteidigungsverhalten Einfluss gehabt haben kann
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21
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Beweisanträge: Ablehnung eines Beweisantrags aus Gründen

A
  • nur aus den in § 244 III, IV und § 245 II StPO genannten Gründen
    -> tatsächliche Voraussetzungen ermittelt das Tatgericht im Freibeweisverfahren und werden nicht nachgeprüft
  • kein Auswechseln von Ablehnungsgründen
    -> durch eine hypothetisch zutreffende Ablehnung hätte der Antragsteller mitunter aus dem Beschluss wesentliche unmittelbare (für sein Antrags-/Erklärungsverhalten) oder mittelbar bezüglich des Ergebnisses der Verhandlung relevante Informationen oder Sachverhaltsannahmen des Gerichts erfahren (bspw. bei Wahrunterstellung)
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22
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Beweisanträge: Hilfsbeweisantrag

A

= Beweisantrag, der für den Fall eines bestimmten Urteilsausspruchs gestellt worden ist
-> wird grds. erst im Urteil entschieden

  • Beruhen: wegen des Zeitpunkt des Bedingungseintritts kann ein dem Gericht hierbei unterlaufener Rechtsfehler in der HV noch gar nicht beeinträchtigend wirken
    -> ausnahmsweise Auswechseln von Ablehnungsgründen zulässig
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23
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Beweisanträge: Austausch eines benannten Beweismittels

A
  • Zulässig immer dann, wenn das Gericht ein besseres oder gleichwertiges Beweismittel benutzt
  • Austausch eines bestimmten benannten Zeugen zulässig, wenn der Zeuge nicht über ein eigenes Erlebnis, sondern über Feststellungen Auskunft geben soll, die von subjektiven Vorstellungen und der eigenen Beobachtungsgabe unabhängig sind
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24
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Beweisanträge: Auslegung

A
  • Beweisanträge sind der Auslegung zugänglich
    -> Heranziehung der übrigen Ausführungen des Antragstellers und ggf. bei mehreren Möglichkeiten Wahl der für diesen günstigsten Alternative
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25
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Beweisanträge: mittelbare Beschwer

A
  • auf fehlerhafte Ablehnung können sich auch solche Prozessbeteiligte berufen, die den Antrag nicht selbst gestellt haben, deren Interessen aber mit denjenigen des Beweisantragstellers so erkennbar übereinstimmen, dass das Gericht auch ihnen ggü zur rechtlich einwandfreien Behandlung des Antrages verpflichtet ist
    -> bspw. Mitangeklagter bei mittäterschaftlicher Tatbegehung
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26
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Beweisanträge: Unzulässigkeit der Beweiserhebung (§ 244 III S. 2)

A
  • insb. §§ 52, 250, 252 StPO
  • bei voraussichtlicher Berufung auf Zeugnisverweigerungsrecht (-) bzw. nur, wenn sich Gericht mangelnder Aussagebereitschaft hinreichend versichert hat
27
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Beweisanträge: Bedeutungslosigkeit der Beweistatsache (§ 244 III S. 3 Nr. 2 StPO)

A

= wenn sie selbst im Fall ihres Erwiesenseins die Entscheidung aus tatsächlichen Gründen - was das Tatgericht darzulegen hat - nicht beeinflussen könnte, weil sie nur mögliche - nicht aber zwingende - Schlüsse zulassen und das Gericht diese möglichen Schlüsse gerade nicht ziehen will

28
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Beweisanträge: Erwiesenheit (§ 244 III S. 3 Nr. 3 StPO)

A
  • nur bzgl. der nach dem Beweisantrag zu beweisenden Tatsache
    -> sieht das Gericht jedoch das Gegenteil der im Beweisantrag bezeichneten Tatsache als bereits erwiesen an, liegt eine verbotene Beweisantizipation vor
29
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Beweisanträge: völlige Ungeeignetheit (§ 244 III S. 3 Nr. 4 StPO)

A

= Gericht kann mit dem angebotenen Beweismittel das in dem Beweisantrag in Aussicht gestellte Ergebnis nach sicherer Lebenserfahrung nicht erzielen

30
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Beweisanträge: Unerreichbarkeit des Beweismittels (§ 244 III S. 3 Nr. 5 StPO)

A

= wenn alle seiner Bedeutung entsprechende Bemühungen des Gerichts, es beizubringen, erfolglos geblieben sind und keine begründete Aussicht besteht, es in absehbarer Zeit herbeizuschaffen

31
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Beweisanträge: Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens (§ 244 IV S. 2 StPO)

A
  • grds. maßgeblich
  • jedoch kann der Beweisantrag nach § 244 IV abgelehnt werden, jedoch die besondere Schwierigkeit des Falles wegen der Aufklärungspflicht aus § 244 II StPO ein weiteres Gutachten erforderlich machen
32
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Beweisanträge: Anträge auf Augenscheinsbeweis und Vernehmung von Auslandszeugen

A
  • Einschränkungen des Verbots der Beweisantizipation
    -> daher Ablehnung auch deswegen möglich, wenn die Beschaffenheit des Augenscheinsgegenstandes bzw. das Gegenteil der vom Auslandszeugen zu bekundenden Beweistatsache schon aufgrund der erhobenen Beweise feststeht
    –> jedoch: ist Augenscheinnahme gerade zu dem Zweck beantragt, die Aussagen eines Zeugen zu widerlegen, muss er idR erhoben werden (anders bei Auslandszeuge vs. vernommenen Zeugen)
33
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Beweisanträge: präsente Beweismittel (§ 245 StPO)

A
  • bei den aufgeführten präsenten Beweismitteln (Personen: auch (!) erschienen, nicht nur geladen): Beweiserhebung von Amts wegen, außer wenn
    a. Beweiserhebung unzulässig (§ 245 I S. 1 aE)
    b. Zustimmung von StA, Verteidiger und Angeklagtem (§ 245 I S. 2)
  • nicht unter Abs. 1 fallende Beweismittel (insb. solche durch den Angeklagten!) setzen einen Beweisantrag voraus
    -> Ablehnungsgründe sind enger als die in § 244 III-V StPO
34
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Unmittelbarkeitsgrundsatz (§ 250 StPO)

A
  • Verfasser von Vernehmungsprotokollen und Erklärungen von Sachverständigen oder Zeugen sind grds. persönlich zu vernehmen
    -> Einschränkung der Verlesung nach § 249 I StPO
  • aber: Verlesung eines Strafurteils gegen Mittäter des Angeklagten (+) auch zum Zweck der Tatsachenfeststellung, wenn es darum geht, wie sich ein Zeuge oder der Angeklagte früher geäußert hat (allerdings dürfen Feststellungen des früheren Urteils nichts ungeprüft übernommen werden)
35
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Unmittelbarkeitsgrundsatz (§ 250 StPO): Vorhalt

A
  • kein Urkundenbeweis, sondern Vernehmungsbehelf
    -> kann zum Zweck des Vorhalts auch ausgehändigt oder vorgelegt werden
  • jedoch: Vorhalt darf nicht dazu dienen, einen unzulässigen Urkundenbeweis zu umgehen oder die Grenzen zwischen Urkunden- und Zeugenbeweis zu vermischen
    -> Zeuge muss sich an das Vorgehaltene selbst erinnern und kann dies nicht pauschal bestätigen
    -> da Inhalt des Protokolls aber dadurch nicht Teil der Zeugenaussage wurde, verstößt das Gericht gegen § 261 (Mündlichkeitsgrundsatz), da Protokoll selbst nicht in die HV eingeführt wurde
    -> aber: kein Verfahrensfehler, wenn Verlesung nach § 249 StPO (§ 250 S. 2 StPO verbietet nur den totalen Vernehmungsersatz, nicht aber die bloße Ergänzung einer erfolgten Sachvernehmung (selbst dann, wenn der Zeuge erklärt, er erinnere sich nicht mehr, habe aber damals wahrheitsgemäße Angaben gemacht)
36
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Unmittelbarkeitsgrundsatz (§ 250 StPO): Ausnahme nach § 251 StPO

A
  • § 251 I: Verlesung richterlicher und nichtrichterlicher Vernehmungsprotokolle sowie sonstiger Schriftstücke
  • § 251 II: Verlesung richterlicher Vernehmungsprotokolle
  • richterliche Vernehmungsprotokolle: setzen ordnungsgemäße Errichtung voraus (M-G/S § 251 Rn. 32 für Fehlerquellen)
    -> Verwertung als nichtrichterliches Protokoll eines solchen fehlerhaft errichteten richterlichen Protokolls bedarf analog § 265 StPO eines Hinweises
  • Begründeter Beschluss nach § 251 IV StPO für Verlesung erforderlich
    -> Fehlen begründet für sich bereits Revision
    -> aber selbst wenn auf einen begründeten Beschluss nicht verzichtet werden kann, beruht das Urteil nicht auf dem Verfahrensfehler, wenn allen Beteiligten der Grund der Verlesung bekannt war (bspw. allen bekannter Tod des Zeugen)
  • Unmöglichkeit der Vernehmung nach § 251 I Nr. 3 StPO kann auch aus rechtlicher Unmöglichkeit des Gerichts folgen, den Zeugen zu einer Aussage zu bewegen
    -> bspw. bei Bedrohungslage für den Zeugen: Zeugnisverweigerungsrecht aus § 34 StGB (M-G/S § 70 Rn. 6)
37
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Unmittelbarkeitsgrundsatz (§ 250 StPO): Ausnahme nach § 254 StPO

A
  • Verlesung bzgl. Geständnis (= Zugestehen einer Tat selbst, auch das Einräumen all solcher den Angeklagten be- oder entlastender Tatsachen, die zur Entscheidung über die Schuld- oder Straffrage von Bedeutung sein können)
    -> Frage, ob tatsächlich Geständnis enthalten ist, ist nicht revisibel, da Frage der richterlichen Beweiswürdigung
  • Rollenvertauschung: ursprünglich richterliche Zeugenvernehmung; Protokoll soll in HV verlesen werden (jetzt nicht mehr Zeuge, sondern Angeklagter)
    -> kein Verstoß (trotz fehlender Belehrung nach § 136 StPO), da § 254 StPO nicht zwischen Zeuge und Angeklagtem differenziert
38
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Unmittelbarkeitsgrundsatz (§ 250 StPO): Ausnahme nach § 256 StPO

A
  • bzgl. ärztlichem Attest: nur diejenigen Teile verlesbar, die die in Rede stehende KV selbst betreffen, nicht jedoch die vom Arzt darüber hinausgehend getroffenen Feststellungen (etwa Erklärungen des Untersuchten zur Entstehung der Verletzung)
  • bzgl. Sachverständigengutachten nach Nr. 1b: kann vollständig (auch bzgl. Zusatztatsachen!) verlesen werden
39
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Befragung des Angeklagten und Erklärungsrechte (§ 257 StPO)

A
  • grds. nach jeder Beweiserhebung
    -> Einhaltung des § 257 I StPO ergibt sich in Klausuren oft aus Protokollvermerk am Ende der Beweisaufnahme
  • jedoch beruht das Urteil nicht auf Verletzung des § 257 StPO, wenn dem Angeklagten das rechtliche Gehör insgesamt gewährt worden ist, idR jedenfalls durch Gewährung des letzten Wortes nach § 258 II StPO
40
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Schlussvorträge (§ 258 StPO)

A
  • überhaupt keine Gelegenheit zu Schlussvortrag
  • keine (ausreichende) Zeit für Vorbereitung des Schlussvortrags
    -> effektive Wahrung des rechtlichen Gehörs vor dem Hintergrund des Umfangs der Beweisaufnahme und der Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage
    -> Beruhen idR (+), da ein (besser) vorbereiteter Schlussvortrag das Gericht ggf. stärker zugunsten des Angeklagten hätte beeinflussen können
41
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: letztes Wort des Angeklagten (§ 258 StPO)

A

= Gelegenheit zur abschließenden Äußerung, auch wenn anderer Prozessbeteiligter noch auf das “letzte Wort” hin eine Erklärung abgegeben hat
-> ausdrücklicher Hinweis erforderlicher (§ 273-Förmlichkeit)

  • Abwesenheit des Angeklagten
    -> Angeklagtem muss nach Beendigung der Abwesenheit auch dann noch das letzte Wort erteilt werden, wenn nur noch die Urteilsverkündung aussteht
    -> idR muss der Versuch gemacht werden, den Angeklagten auch bei Entfernung wegen ordnungswidrigen Benehmens wieder hinzuzuziehen (absehbar nur, wenn Versuch wegen vorangegangener Ausschreitungen von vornherein aussichtslos wäre)
  • auch nach Wiedereintritt in die Beweisaufnahme bzw. Wiedereröffnung der Verhandlung
    -> da jede solche Handlung die rechtliche Bedeutung des “letzten” Wortes aufhebt, kommt es auf den sachlichen Umfang der Handlung nicht an
    –> Einzelheiten bei M-G/S § 258 Rn. 29ff.
  • Unzulässige Beschränkung des letzten Wortes
    -> insb. durch Aufforderung des Richters ggü Angeklagten, sich kurz zu fassen, sofern kein Missbrauch des letzten Worts vorliegt
  • Beruhen idR (+), da nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Angeklagte die Überzeugungsbildung und Entscheidung des Gerichts mit seinen Ausführungen beeinflusst hätte
42
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Urteilsberatung (§ 260 I StPO)

A
  • Komplettes Fehlen der Urteilsberatung
    -> weder Beratung noch Nachberatung sind § 273-Förmlichkeiten (-> Freibeweis)
  • kein Verstoß wegen Beratungsdauer möglich
    -> keine Mindestdauer; Beratungsgeheimnis
  • Verstoß gegen § 193 I GVG: bei Beratung und Abstimmung dürfen außer Richtern nur zu ihrer juristischen Ausbildung beschäftigte Personen zugegen sein, soweit der Vorsitzende deren Anwesenheit gestattet (dazu zählen keine Praktikanten!)
43
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Grundsatz der Mündlichkeit (§ 261 StPO)

A

= nur der mündlich vorgetragene und erörterte Prozessstoff darf dem Urteil zugrunde gelegt werden

  • Verletzung des Grundsatzes kann nur geltend gemacht werden, wenn ohne Rekonstruktion der Beweisaufnahme der Nachweis geführt werden kann, dass die im Urteil getroffenen Feststellungen nicht durch die in der HV verwendeten Beweismittel gewonnen worden sind
    -> grds. nur durch Vergleich der schriftlichen Urteilsgründe mit Sitzungsprotokoll (Beweiskraft nach § 274 umfassend hinsichtlich Verwendung oder Nichtverwendung von Beweismitteln)
44
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Grundsatz der Mündlichkeit (§ 261 StPO): Einzelfälle

A
  • Inhalt kurzer und leicht verständlicher Schriftstücke kann auch durch Vorhalt eingeführt werden (weniger Sätze langer Brief wurde nach Vorhalt durch Zeugin dem Inhalt nach bestätigt)
  • Verstoß gegen § 261 StPO, wenn Dokumente nur in Augenschein genommen wurden (laut Protokoll), obwohl es um ihren gedanklichen Inhalt geht
  • Gerichtsbekannt sind nur Tatsachen, die der Richter im Zusammenhang mit seiner amtlichen Tätigkeit zuverlässig in Erfahrung gebracht hat
  • Fehler im Selbstleseverfahren (§ 249 II StPO):
    -> Art und Weise der Durchführung des Selbstleseverfahrens muss nach § 238 II StPO in der HV beanstandet worden sein, um revisibel zu sein
    -> Anordnung des Selbstleseverfahrens kann nur nach rechtzeitigem Widerspruch nach § 249 II S. 2 StPO revisibel sein
  • Geständige Einlassungen des Verteidigers sind dem Angeklagten nur bei ausdrücklicher Bevollmächtigung zurechenbar oder wenn dieser sie sich sonst irgendwie zu eigen gemacht hat
  • Vermerke/Mitschriften von Vorgängen in der HV sind nicht auf Dritte delegierbar (bspw. mitbeobachtender Richter im Zuschauerraum), da sie den Inhbegriff der HV durch einen höchstpersönlichen Akt aufbereiten
45
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Grundsatz der Mündlichkeit (§ 261 StPO): umfassende Beweiswürdigung

A

= dem Urteil müssen grundsätzlich alle ordnungsgemäß in die HV eingeführten Beweise zugrunde gelegt werden
-> äußere Umstände müssen Nichtbeachtung eines nicht in den schriftlichen Urteilsgründen erwähnten Beweises positiv belegen, da keine Pflicht zur umfassenden schriftlichen Würdigung aller eingeführten Beweismittel besteht
–> idR aber angezeigt, wenn Gericht rechtsfehlerhaft von Beweisverwertungsverbot ausgeht

46
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Beweisverwertungsverbote (§ 261 StPO): Allgemein

A
  • Gegenstand der freien Beweiswürdigung nach § 261 StPO kann nur ein Beweismittel sein, dessen Verwertung zulässig ist
  • idR Fehler im Ermittlungsverfahren (eigene Fehler des Tatgerichts sind bereits bei den entsprechenden Verfahrensvorschriften direkt zu behandeln)
    -> Urteil beruht aber nur auf eigenem Rechtsfehler des Gerichts, insoweit dieses einen infolge der Gesetzesverletzung im Ermittlungsverfahren nicht verwertbaren Umstand zum Nachteil des Revisionsführers berücksichtigt hat
47
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Beweisverwertungsverbote (§ 261 StPO): Unterlassene Belehrung nach § 55 II StPO

A
  • Rollenwechsel
    -> Belehrung damals nicht erfolgt, da Zeugenvernehmung
    -> zu prüfen, ob seinerzeit bereits konkrete Anhaltspunkte eine Verfolgungsgefahr iSd § 55 I StPO begründet haben (wegen früher begangener Straftaten oder OWi; Verfolgungsgefahr, die erst aus der Aussage selbst resultiert, reicht nicht aus)
48
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Beweisverwertungsverbote (§ 261 StPO): Verstoß gegen Beschlagnahmeverbot aus § 97 I StPO

A
  • grds. Verwertungsverbot
    -> Anknüpfung an Zeugnisverweigerungsrechte, sodass deren Umgehung verhindert wird
    -> insb. Angehörige/Verteidiger
    –> jedoch ist § 97 StPO auf selbst beschuldigte Zeugnisverweigerungsberechtigte nicht anwendbar
49
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Beweisverwertungsverbote (§ 261 StPO): Missachtung der Durchsuchungsvoraussetzungen der §§ 102 ff. StPO

A
  • Verwertungsverbot nach Ergebnis der Abwägungslehre
  • aber: Grenzen der Durchsuchung
    -> nach Auffinden des Objekts in anderem Gebäude “interessehalber noch weiter umgeschaut”: weder von § 102 noch von § 108 (Zufallsfund) gedeckt
    –> außer bei sehr hohem öffentlichen Interesse wohl Beweisverwertungsverbot (bewusste Umgehung, schwerer Eingriff in Art. 13)
  • Erstrecken des Beweisverwertungsverbots neben dem nicht verwertbaren Augenscheinsobjekt auch auf Durchsuchungsbeamte als mögliche Zeugen
    -> wegen unmittelbaren Zusammenhangs mit dem rechtswidrigen Fund
50
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Beweisverwertungsverbote (§ 261 StPO): Missachtung der Durchsuchungsvoraussetzungen der §§ 102 ff. StPO: Speziell § 105 StPO

A
  • Gefahr im Verzug
    -> nur im Fall schwerwiegender, bewusster oder willkürlicher Umgehung/Verfahrensverstöße, bei denen die grundrechtliche Sicherungen planmäßig oder systematisch außer Acht gelassen wurden
  • fehlende Hinzuziehung von Durchsuchungszeugen
    -> Hinzuziehung nicht möglich (wegen Zeitverlusts)
    -> Abwägungslehre: Verwertbarkeit hängt nicht von Durchsuchungszeugen ab
51
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Beweisverwertungsverbote (§ 261 StPO): Unterlassene Belehrung nach § 136 I S. 2 StPO (Aussagefreiheit)

A
  • grds. Verwertungsverbot
    -> idR Problem bei Vernehmung des Polizeibeamten, also: lag ein Verhör iSd § 136 I StPO überhaupt vor?
    1. Vernehmung
    2. Beschuldigteneigenschaft
    -> materielle Sichtweise: Verdacht gegen die vernommene Person ist so verdichtet, dass diese ernstlich als Täter der untersuchten Straftat in Betracht kommt (dh auch ohne Willensakt der Strafverfolgungsbehörde oder förmliche Einleitung)
    -> formal: Ermittlungen werden aufgrund einer Strafanzeige geführt
  • Ausnahme: “aus freien Stücken” / Spontanäußerung
  • Unterlassen der qualifizierten Belehrung: Abwägung des Interesses an Sachaufklärung und Gewicht des Verfahrensverstoßes
    -> insb. Annahme des Beschuldigten, er könne von seiner früheren Aussage nicht mehr abweichen
  • Widerspruchslösung
52
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Beweisverwertungsverbote (§ 261 StPO): Unterlassene Belehrung nach § 136 I S. 2 StPO (Verteidigerkonsultation)

A
  • Verwertungsverbot hinsichtlich Aussage, wenn Angeklagter in der HV ohne Verteidiger erschienen ist oder wenn rechtzeitig widersprochen wurde
  • auch, wenn trotz entsprechender Bitte nach Verteidigerkonsultation eine Rücksprache mit Verteidiger verweigert wurde
53
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Beweisverwertungsverbote (§ 261 StPO): Verbotene Vernehmungsmethoden bei Zeugen

A
  • nach § 69 III StPO ist § 136a entsprechend anwendbar
  • diese Vorschriften sind verletzt, wenn der Zeuge aussagt, nachdem ihm Maßnahmen nach § 70 StPO (Ordnungsgeld oder Ordnungshaft) durch das Gericht angedroht worden sind, obwohl der Zeuge weigerungsberechtigt war
54
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Beweisverwertungsverbote (§ 261 StPO): Verletzung der Benachrichtigungspflicht der §§ 168c V S. 1, 224 I S. 1 StPO

A
  • Benachrichtigung von Angeklagtem und Verteidiger bei richterlicher Zeugenvernehmung (auch: Vernehmung des Beschuldigten ohne Benachrichtigung des Verteidigers)

-> bei Verstoß und Widerspruch: Beweisverwertungsverbot als richterliches Protokoll (Verlesung nach § 251 II StPO) oder Vernehmung des Ermittlungsrichters
-> da aber Benachrichtigungspflicht bei anderen Vernehmungspersonen nicht besteht, Verwendung als nichtrichterliches Protokoll möglich (durch Verlesung), dann aber wegen geringeren Beweiswerts nach § 265 I StPO analog Hinweis erforderlich

55
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Beweisverwertungsverbote (§ 261 StPO): Unvereidigter Dolmetscher im Ermittlungsverfahren (§ 189 GVG)

A
  • kein generelles Verwertungsverbot
  • da aber Vereidigung eine wesentliche und unverzichtbare Förmlichkeit ist, ist eine richterliche Vernehmung nicht ordnungsgemäß erfolgt, sodass nur Verlesung als nichtrichterliches Protokoll möglich ist
56
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Beweisverwertungsverbote (§ 261 StPO): Nachteilige Schlüsse aus Schweigen des Angeklagtem

A
  • nicht nur wegen Recht aus §§ 136 I S. 2, 243 V S. 1 StPO vollständiges Schweigen, sondern auch unterschiedliche Ausübung des Aussageverweigerungsrechts während verschiedener Verfahrensstadien erlaubt (zeitweises Schweigen)
  • aber teilweises Schweigen: negativer Bestandteil der Aussage, der der richterlichen Beweiswürdigung unterliegt, wenn nach den Umständen Angaben zu diesem Punkt zu erwarten gewesen wären, andere Möglichkeiten des Verschweigens ausgeschlossen werden können und die gemachten Angaben nicht ersichtlich fragmentarischer Natur sind
57
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Beweisverwertungsverbote (§ 261 StPO): Nachteilige Schlüsse aus Schweigen des Zeugen

A
  • Schweigen des Zeugen, der nach §§ 52, 53, 53a StPO Aussage oder nach § 61 StPO Eid berechtigt verweigert: erlaubt
    -> aber nicht nach § 55 StPO erlaubt (hieraus dürfen nachteilige Schlüsse gezogen werden)
  • teilweises Schweigen: hat Zeuge die Wahl zwischen Reden und Schweigen und will im Rahmen des ersteren einzelne Fragen nicht beantworten, ist dies der Beweiswürdigung zugänglich
    -> jedoch genau prüfen, ob dieses teilweise Schweigen überhaupt den konkreten/eigentlichen Tatvorwurf betrifft
58
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Beweisverwertungsverbote (§ 261 StPO): APR-Verletzung

A
  • Abwägung und Verhältnismäßigkeit
    -> hier insb. im Prozess: Erforderlichkeit (nicht gegeben, wenn Nachweis mit alternativen Beweismitteln geführt werden kann)
  • bei heimlich angefertigten Aufnahmen durch Private: zu prüfen, ob in der Verwendung der betreffenden Beweismittel eine eigenständige Grundrechtsverletzung durch das Tatgericht liegt
    -> Verhältnismäßigkeit (aber auch die Strafbarkeit des Handelns privater nach § 201 StGB steht der Verwertung nicht zwingend im Wege)
59
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Abstimmung (§ 263 I StPO)

A
  • Grundsatz des § 196 I GVG (Entscheidung mit absoluter Mehrheit) wird durchbrochen von § 263 I StPO, wonach für jede dem Angeklagten nachteilige Entscheidung über die Schuld- und Rechtsfolgenfrage eine Zweidrittelmehrheit erforderlich ist
60
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts oder der Sachlage (§ 265 StPO)

A
  • § 265 I
    -> Vollständiges Fehlen
    -> Hinweis ist inhaltlich nicht so ausgestaltet, dass er den Angeklagten und seinen Verteidiger in die Lage versetzt, die Verteidigung auf den neuen rechtlichen Gesichtspunkt einzurichten (-> Erkennbarkeit des in Betracht kommenden Strafgesetzes und der Tatsachen, die das Gericht für den möglicherweise erfüllten TB heranzieht)
  • § 265 II Nr. 1
    -> Qualifikationstatbestand oder Regelbeispiel
    -> Anordnung einer Maßnahme; Verhängung einer Nebenstrafe/Nebenfolge
  • § 265 StPO analog
    -> wenn nach § 154 II, § 154a II StPO ausgeschiedene Teile der Anklage strafverschärfend herangezogen werden (denn: idR wird Vertrauen erweckt, dass sich Angeklagter hier nicht mehr verteidigen muss) oder noch im Rahmen der Beweiswürdigung eine Rolle spielen sollen
  • Beruhen idR (+) wegen erwartbaren Verteidigungsverhalten nach Hinweis
  • Rücknahme eines bereits erteilten Hinweises (Gericht will also an ursprünglicher Bewertung festhalten)
    -> keine Verpflichtung des Gerichts, Rücknahme explizit zu erklären
    pro: Hinweis ist nach Wortlaut und Telos nur erforderlich, wenn eine von der Anklage abweichende Verurteilung auch tatsächlich erfolgt
  • § 265 III
    -> Aussetzung der HV bei veränderter Sach- und Rechtslage
61
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Urteilsverkündung (§ 268 StPO)

A
  • Nichtbeachtung von “Im Namen des Volkes” nicht revisibel
  • Verkündungsfrist nach § 268 III StPO
  • Abweichende Urteilsformel (HV-verkündete und Urteilsurkunde)
    -> maßgeblich ist die im HV-Protokoll verkündete, § 274 StPO
    -> § 268 StPO ist hier als Verfahrensvorschrift verletzt, da die Übereinstimmung zwischen der verkündeten und der schriftlichen Urteilsformel sichergestellt werden soll
  • Abweichung von Urteilsformel im schriftlichen Urteil und schriftlichen Urteilsgründen
    -> Schreibfehler?
    -> wenn Widerspruch, sodass die wirklich gewollte Strafe ungewiss ist, liegt darin eine materielle Rechtsverletzung, die grundsätzlich auf die Sachrüge zur Aufhebung des (Gesamt-) Strafausspruchs führt
    –> Beschwer entfällt allerdings, wenn die Strafe in der Urteilsformel geringer ist als die in den Urteilsgründen begründete
62
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Rechtsfehler in der HV bei Dolmetscher

A
  • § 189 I GVG - bei Fehlen von § 189 II GVG (allgemeiner Eid), § 273-Förmlichkeit
    -> Beruhen laut BGH idR (+), jedoch (-), wenn Richtigkeit der Übersetzung leicht kontrollierbar oder anderweitig bestätigt
  • Person des Dolmetschers: § 190 GVG
  • Absoluter Revisionsgrund (!): Anwesenheit nach § 338 Nr. 5 StPO erforderlich (grds. während gesamter Verhandlung, § 185 GVG)
  • § 191 S. 1 GVG: Ablehnungsgründe
  • § 185 I S. 1 GVG: Aufgabe des Dolmetschers (Vermittlung des Prozessverkehrs zwischen dem Gericht und den der deutschen Sprache nicht mächtigen Beteiligten)
    -> Sachverständigenstellung, wenn außerhalb des Prozesses abgegebene Erklärung übersetzt wird
63
Q

Verfahrensrechtliche Gesetzesverletzung: Relativer Revisionsgrund: Konventionswidrige Verfahrensverzögerung (Art. 6 I S. 1 EMRK)

A
  • vgl. M-G/S Art. 6 EMRK Rn. 7 ff., insb. Prüfreihenfolge nach Rn. 9d
  • idR Beruhen, wenn als Kompensation die Vollstreckungslösung in Betracht kommt