Polizei- und Ordnungsrecht Flashcards
Prävention vs. Repression: Doppelfunktionale Maßnahme
- hM: Schwerpunkt der Maßnahme aus Sicht eines verständigen Bürgers (bzw. nach der Zwecksetzung der Polizei)
-> eA: Objektiv: wie für durchschnittlichen Amtswalter sich darstellt
-> aA: Subjektiv: vom konkreten Amtswalter bezweckt - aA: Wahlrecht des Betroffenen
> keine Rechtswegverdoppelung: Streitgegenstand gem. § 17 II S. 1 GVG unter allen rechtlichen Aspekten zu beurteilen
wA: es liegen zwei VA vor, für die der jeweilige Rechtsweg beschritten werden muss
con: künstliche Konstruktion
Prävention vs. Repression: Verhütung von Straftaten und Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten
- Verhütung von Straftaten, § 1 IV Alt. 1 HSOG = Teilschutzgut der öffentlichen Sicherheit, das auch bei der bevorstehenden Begehung von Straftaten betroffen ist
- umfasst auch Vorfeldmaßnahmen, bei denen noch keine Gefahr vorliegt - Vorsorge für die Verfolgung künftiger Straftaten
= in zeitlicher Hinsicht präventiv, gegenständlich aber repressives Strafverfahren
- Anwendungskonflikt mit StPO (-), da Verdacht (-)
- aber: Gesetzgebungskompetenz des Bundes als Annex zum gerichtlichen Verfahren gem. Art. 74 I Nr. 1 GG
-> BVerfG: (eher) Annexkompetenz, bei der jeweiligen Vorschrift ist zu prüfen, ob Bund abschließend Gebrauch gemacht hat
-> BVerwG: kein repressives Polizeihandeln
-> Dritte Kategorie, da weder Gefahr noch Verdacht, sodass weder Prävention noch Repression -> Art. 70 GG (Landeskompetenz)
Schutzgut: Öffentliche Sicherheit
- Zustand der Unversehrtheit
- der subjektiven Rechte und Rechtsgüter jedes Einzelnen,
- der objektiven Rechtsordnung
- der Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates und sonstiger Hoheitsträger
Schutzgut: Öffentliche Sicherheit: Unversehrtheit der objektiven Rechtsordnung
- umfasst alle (geschriebenen und ungeschriebenen) Rechtsnormen, die Verbote und Gebote aufstellen (nur Außenrecht!)
Ausnahme: Legalisierungswirkung von Genehmigungen (es liegt eine behördliche Erlaubnis zur Verletzung der objektiven Rechtsordnung vor)
Schutzgut: Öffentliche Sicherheit: subjektive Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen
- Subsidiaritätsklausel: § 1 III HSOG
-> greift nur ein, wenn privates Recht ausschließlich privatrechtliche geschützt ist
-> bei einem Fall, bei dem auch eine Verletzung der objektiven Rechtsordnung gegeben ist, entfällt § 1 III HSOG
Schutzgut: bei Selbstgefährdung
- Art. 2 I GG schließt Recht auf Selbstgefährdung ein (Selbstbestimmungsrecht)
- bei Suizid:
1. Formelle Rechtmäßigkeit
-> Zuständigkeit: je nach EGL - § 1 III HSOG (Subsidiaritätsklausel) greift nicht, da nur ausschließlich private Rechte vorliegen dürfen; Leben ist jedoch aus Art. 2 II GG auch subjektiv-öffentliches Recht
2. Materielle Rechtmäßigkeit
> Gefahr:
-> eA: (-)
pro: “Recht auf Suizid”
-> aA: (+)
pro: Wertung des § 32 I Nr. 1, IV HSOG zeigt, dass Selbsttötung rechtlich missbilligt ist und die Staatsgewalt hiergegen polizeirechtlich vorgehen kann - Bürger hat mitunter Anspruch auf staatlichen Schutz vor sich selbst
> Besondere Prüfung der Polizeipflichtigkeit im Einzelfall
> Einfluss Urteil des BVerfG
Schutzgut: Öffentliche Sicherheit: Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates oder sonstiger Hoheitsträger
- Einrichtungen = Behörden, Körperschaften, Anstalten etc (Sachkomplexe)
- Veranstaltungen = ad hoc gebildete Handlungskomplexe
- idR spezialgesetzlicher Schutz
- aber bspw. bei Naturereignissen oder Photographierverbot von SEKs relevant
Schutzgut: Öffentliche Ordnung
= Gesamtheit außerrechtlicher ungeschriebener Regeln für das Verhalten des Einzelnen in der Öffentlichkeit, deren Beachtung nach den jeweils herrschenden Anschauungen für ein geordnetes staatsbürgerliches Zusammenleben unerlässlich ist
- Reservefunktion
Gefahr: Konkrete Gefahr
Gefahr = Sachlage, die bei ungehindertem Ablauf des objektiv zu erwartenden Geschehens in absehbarer Zeit mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einem Schaden für ein polizeiliches Schutzgut führen wird
> Prognose im Hinblick auf die Wahrscheinlichkeit und der zeitlichen Nähe des Schadenseintritts: je größer das Ausmaß des Schadens, umso geringere Anforderungen sind an die Wahrscheinlichkeit und die zeitliche Nähe des Schadenseintritts zu stellen (die ex-ante Perspektive eines fähigen, besonnenen und sachkundigen Beamten)
Konkret = im betreffenden Einzelfall besteht Gefahr tatsächlich (zu dem Zeitpunkt der Verfügung)
- Störung: wegen Fortsetzung, Intensivierung oder Auslösung neuer Gefahren möglich, daher auch bereits realisierte Gefahr eine Gefahr in diesem Sinne
Gefahr: Abstrakte Gefahr im HSOG
- Konkrete Gefahr ist tatbestandliche Voraussetzung für §§ 11-43 HSOG
- Abstrakte Gefahr = Gefahr, die in gedachten, typischen Fällen, dh aus bestimmten Arten von Handlungen oder Zuständen, in abstracto zu entstehen pflegt (typischerweise gefährlich)
- Abstrakter Gefahr wird mit § 71 HSOG begegnet (Gefahrenabwehrverordnung)
Gefahr: Anscheinsgefahr
= wenn im Zeitpunkt des polizeilichen Eingriffs die Polizei aufgrund einer sorgfältigen Sachverhaltserforschung eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung annehmen durfte, es sich aber im Nachhinein zeigt, dass doch keine Gefahr bestanden hatte
(Kostentragung: Anscheinsstörer nur dann, wenn er bei rückschauender Betrachtung nach Aufklärung des SV tatsächlich die Anscheinsgefahr veranlasst und zu verantworten hat)
Gefahr: Gefahrverdacht
= Konstellation, in der im Zeitpunkt des polizeilichen Eingreifens der SV noch nicht vollständig bekannt ist (=Diagnose unsicher) oder aus anderen Gründen die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadens für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung noch nicht ausreichend prognostiziert werden (= Prognose unsicher)
- Genaue Bestimmung der hinreichenden Wahrscheinlichkeit - idR handelt es sich um ein Problem auf Rechtsfolgenseite (nur Gefahrerforschungseingriff, gestützt auf PGK (str.) direkt oder analog oder aus behördlichem Amtsermittlungsgrundsatz, §§ 24 I, 26 I LVwVfG (eher (-))
Gefahr: Putativgefahr
= wenn nach bloßer subjektiver Gefahreinschätzung ohne hinreichend objektivierbare Anhaltspunkte eine Gefahr angenommen wird
- Maßnahmen, die aufgrund einer Putativgefahr getroffen werden, sind stets rechtswidrig
Gefahr: Gegenwärtige Gefahr
= wenn die Einwirkung des schädigenden Ereignisses auf das geschützte Rechtsgut bereits begonnen hat oder mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zeitlich unmittelbar bevorsteht
- erforderlich bei bestimmten HSOG-Maßnahmen
Gefahr: Erhebliche Gefahr
= drohender Schadenseintritt für ein bedeutsames Rechtsgut
-> Leben, Gesundheit, Freiheit, Bestand des Staates
Gefahr: Gefahr im Verzug
= wenn die grundsätzlich vorgeschriebene Einhaltung von Verfahrensnormen (insb. Einschaltung einer Behörde oder eines Richters) nicht rechtzeitig vor Eintritt des zu erwartenden Schadens möglich ist, dh wenn ohne sofortiges Einschreiten der drohende Schaden eintreten würde
Verantwortlichkeit: Verhaltensstörer, § 6 HSOG
- Theorie der unmittelbaren (bzw. der letzten) Verursachung (hM)
= derjenige ist verhaltensverantwortlich, dessen Verhalten in einer Kausalkette möglicher Gefahrenverursachungsbeiträge die letzte (die eigentliche und wesentliche) Ursache vor dem Eintritt der Gefahr gesetzt hat und damit die Gefahrengrenze überschritten hat, nicht aber derjenige, dessen Verhalten nicht oder nur mittelbar zur Entstehung der Gefahr beigetragen hat
-> entscheidend ist das Fehlen wesentlicher Zwischenursachen
-> “Zweckveranlasser” = wer die Gefahr bezweckt oder eine Ursache setzt, durch die andere zur Herbeiführung der Gefahr veranlasst werden
–> subjektive Theorie: Billigende Inkaufnahme der Gefahr
–> objektive Theorie: Gefahr ist typische Konsequenz der gezeigten Verhaltensweise
–> vermittelnde Theorie: Störereigenschaft dessen, der die Störung subjektiv bezweckt oder aus dessen Verhalten sie zwangsläufig folgt
Verantwortlichkeit: Zustandsstörer, § 7 HSOG
- Anknüpfungspunkt: Gefahr von Sache selbst oder von ihrer Lage im Raum
- Inhaber der tatsächlichen Gewalt (tatsächliche Einwirkungs- oder Verfügungsmöglichkeit)
-> Herrschaftswille nicht erforderlich
pro: Effektivität der Gefahrenabwehr - Eigentümer
-> Zivilrecht
-> Dereliktion ausgeschlossen, § 7 III HSOG - Andere berechtigte Personen
-> dinglich Verfügungsberechtigter
-> schuldrechtlich Verfügungsberechtigter - grds. parallele Verantwortlichkeit, jedoch Ausschluss der Eigentümerverantwortlichkeit (Ermessensebene), wenn Inhaber der tatsächlichen Gewalt ohne Willen des Eigentümers (§ 7 II S. 2 HSOG)
- Altlastenfälle
-> eA: keine Deckelung (gerade hinsichtlich Kosten)
-> BVerfG: Art. 14 GG iVm Verhältnismäßigkeitsprinzip (Kriterien: Kosten übersteigen Verkehrswert; Herkunft der Gefahr; Vorverhalten; Nutzung)
Verantwortlichkeit: Unmittelbare Ausführung, § 8 HSOG
- Subsidiär zu §§ 6, 7 HSOG
- keine Befugnisnorm, nur iVm Eingriffsnormen
- insb. P: Abgrenzung zum sofortigen Vollzug
- Prüfung:
1. Hypothetischer Grund-VA
2. Eilbedürftigkeit