Kriminalisierung der Armen Flashcards

1
Q

Was ist Armut?

A

Armut ist ein sozialer Status, der durch entsprechende Definitions- und Zuschreibungsprozesse entsteht.

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2
Q

Was sind die drei verschiedenen Definitionen der Armut?

A
  • Absolute Armut
  • Relative Armut
  • Relative Deprivation
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3
Q

Was ist Absolute Armut?

A

Ein Zustand, in dem sich ein Mensch die Befriedigung seiner wirtschaftlichen und sozialen Grundbedürfnisse nicht leisten kann.

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4
Q

Was ist Relative Armut?

A

Armut steht im Verhältnis zum jeweiligen gesellschaftlichen Umfeld eines Menschen.
-> Haushalte mit einem Einkommen unterhalb von 60% des durchschnittlichen Einkommens
-> Armutsgefährdete Personen

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5
Q

Was ist Relative Armut

A

Lebenslagen, in denen eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, z.B. an kulturellen Veranstaltungen (Kino, Restaurantbesuche, Konzerte) nicht mehr möglich sind.

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6
Q

Was garantiert Art. 1 GG im Hinblick auf die Armut in Deutschland?

A

Er sichert jedem Hilfsbedürftigen diejenigen materiellen Vorraussetzungen zu, die für eine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen Leben unerlässlich ist.
-> Es wird ein Anspruch auf ein menschenwürdiges Existenzminimum garantiert.

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7
Q

Wie misst man Armut nach der Weltbank?

A
  • Wer weniger als 2,15 US-Doller/Tag zur Verfügung hat ist extrem Arm
    -> ist das Minimum das ein Mensch zum Leben braucht
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8
Q

Was sind Erfassungsprobleme des Dunkelfelds (“verdeckte Armut”)?

A
  • Indikatoren der Erfassung sind meist unklar
    -> eingeschränkte Vergleichbarkeit
  • Verzerrungseffekt dadurch, dass die Betroffenen aus Scham oder Unwissenheit ihre Ansprüche bei den staatlichen Stellen nicht geltend machen oder bei Umfragen falsche angaben machen.
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9
Q

Wie hat sich die Armut im Laufe der Pandemie entwickelt?

A

Es entstand ein historischer Anstieg

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10
Q

Wie unterschied sich die Prognose für 2022 der Weltbank im Gegensatz zu der des Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung?

A

Prognose der Weltbank:
ca. 700 Mio. Menschen

Prognose des Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung:
ca. 750 Mio. Menschen

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11
Q

Für wen wurde der Multidimensional Poverty Index (MPI) geschaffen?

A

Für die statistische Abbildung von Armut in den Entwicklungsländern

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12
Q

Was misst der Multidimensional Poverty Index (MPI)?

A

Wie stark ein Haushalt unter Entbehrungen in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Lebensstandard leidet

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13
Q

Wer gilt nach dem MPI als arm?

A

Wer einen Deprivationswert (Entbehrungswert) von mindestens 33,3 % aufweist.
Schwere Armut ab einem wert von 50 %

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14
Q

Wie hoch wäre der Anteil an deutschen armutsgefährdeten ohne die Umverteilung von Sozialleistungen?

A

jede vierte Person.

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15
Q

Wann spricht man von einer verdeckten Armut?

A

Wenn Personen ihre Ansprüche auf Sozialhilfe oder andere Grundsicherungsleistungen nicht in Anspruch nehmen

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16
Q

Wieso ist die Datenlage zur verdeckten Armut schlecht?

A

Es gibt nur wenige Untersuchungen zum Ausmaß der verdeckten Armut

17
Q

Worin liegt die Schwierigkeit in der Datenlage der Kriminalität der Armen?

A

-> Amtliche Statistiken erfassen keine finanziellen oder sozioökonomischen-ökonomischen Hintergründe, somit nur anhand Dunkelfelderhebungen überprüfbar

-> Ergebnisse vorhandener Dunkelfelderhebungen sind widersprüchlich und nicht eindeutig

! Es kann bis jetzt nicht angewiesen werden, dass Arme tatsächlich eine höhere Kriminalitätsbelastung haben.

18
Q

Warum gibt es trotz der Erkenntnis, dass Armut mit Kriminalität keinen Zusammenhang aufweist, Studien bezüglich diesem Zusammenhang?

A

Es wird schlicht für die Tatsache, dass es Kriminalität gibt, eine Erklärung gesucht und dabei dann Armut als eine plausible Ursache auserkoren

  • zudem:
    -> Fürsorgliche Dramatisierung - frage einer besseren Sozialpolitik
19
Q

Welche zwei Erklärungsansätze gibt es, welche das Verhältnis von Armut und Kriminalität behandeln?

A
  • das ätiologische Paradigma
    -das Kontrollparadigma
20
Q

Was besagt das ätiologische Paradigma?

A

Armut ist eine Ursache von Kriminalität
- Anomietheorien
- Drucktheorien
- Situational-Action-Theory
- Theorie der sozialen Desorganisation

21
Q

Anomietheorie
- Merton
- Durkheim
- Messner & Rosenfeld

A
  • Nach der Anomietheorie von Merton ist kriminelles Verhalten eine Möglichkeit, wie auf das Auseinanderklaffen zwischen den gesellschaftlich als legitim anerkannten Zielen und den dem Individuum zustehenden Mitteln reagiert werden kann

-Nach Durkheims Anomietheorie ist die Ursache von kriminellem Verhalten in den geschwächten Beziehungen zwischen den Gesellschaftsmitgliedern in Zeiten sozialer Umbrüche, was nichts mit Armut zu tun haben muss, damit aber einhergehen kann

  • Nach Messner und Rosenfeld wird von dem US-amerikanischen Leitmotiv, dem American Dream, ausgegangen, das die Gesellschaft für Anomie und Kriminalität anfällig mache, da ein hoher Druck bestünde, diese ökonomischen Bestrebungen zu verfolgen.
22
Q

Drucktheorien

A

Es wurden neben Druck und Belastung, auch Zusammenhänge von negativen Emotionen wie Angst und Ärger mit sozialer Ungleichheit (z.b. niedriges Einkommen) festgestellt, die im Zusammenhang mit der jeweiligen sozialstrukturellen Lage standen

23
Q

Situational-Action-Theory

A

Die Situational-Action-Theory könnte insofern der Erklärung der Kriminalität von Armen dienen, als sozial Benachteiligte eine höhere Kriminalitätsneigung entwickeln und häufiger kriminogenen Umwelteinflüssen ausgesetzt seien. Die soziale Benachteiligung (social disadvantage) setzt sich aus einem Mangel an ökonomischen sowie sozialen Ressourcen zusammen, überschneidet sich also nur bedingt mit dem Begriff der Armut.

24
Q

Theorie der sozialen Desorganisation

A

Kriminalität wird mit räumlichen Faktoren in Verbindung gebracht

25
Q

Welche zwei Theorien umfasst das Kontrollparadigma?

A
  • Labeling approach
  • Marxistische Theorien
26
Q

Labeling approach

A

Sie nimmt die Reaktionen auf abweichendes Verhalten in den Blick. „Kriminell“ ist hiernach nicht die Qualität einer Handlung, sondern schlicht das Ergebnis eines Zuschreibungs- und Definitionsprozesses

27
Q

Marxistische Theorie

A

Sie erklärt die Kriminalität in der kapitalistischen Gesell- schaft damit, dass die aus Kapitalisten bestehende mächtige Klasse die Definitionsmacht über Gesetze und Regeln innehat und diese so ausgestaltet, dass sie ihrer Machterhaltung dienen. Der machtlosen Arbeiterklasse wird Chambliss zufolge gezielt der Status „kriminell“ zugewiesen

28
Q

Warum ist § 265a StGB ein gutes Beispiel für das Delikt der Armen?

A

Es ist ein besonderes mit der Armut in Verbindung hängendes Delikt.

29
Q

Strafrechtsdogmatischer Exkurs § 265a, Streit ob das schlichte Fahren ohne Fahrschein tatbestandsmäßig ist?

A
  • herrschende Lehre:
    (-) auch das Erschleichen einer Beförderung setze es (wie die anderen Tatvarianten)
    voraus, dass der Täter ein täuschungsähnliches bzw. manipulatives Verhalten an den Tag lege, das über ein
    bloß unauffälliges Auftreten hinausgeht, z.B. die „Entwertung“ eines ungültigen Fahrausweises (MK/Hefendehl, 4. Aufl. 2022, § 265a Rn. 180 ff.).
    -> Nicht hinreichend sei es, dass man sich Zutritt zu einem Beförderungsmittel verschafft ohne dass hierbei Kontroll- oder Zugangssperren umgangen würden. Diese Restriktion wird aus dem Wortlaut „Erschleichen“ und aus der systematischen Stellung des § 265a StGB – vgl. die
    §§ 263 – 265b StGB – gewonnen.
  • BGH:
    (+) eine Beförderungsleistung bereits dann im Sinne des § 265a Abs. 1 StGB erschlichen, wenn der Täter ein Verkehrsmittel unberechtigt benutzt und sich dabei allgemein mit dem Anschein umgibt, er erfülle die nach den Geschäftsbedingungen des Betreibers erforderlichen Voraussetzungen (vgl. BGHSt 53, 122 ff.)
    -> Wortlaut („Erschleichen“) nicht das Ausschalten vorhandener Sicherungsvorkehrungen oder regelmäßiger
    Kontrollen voraussetze, vielmehr genüge nach allgemeinen Wortsinn, die Herbeiführung eines Erfolges auf
    unrechtmäßigem, unlauteren oder unmoralischem Wege.
30
Q

In wie fern ist der § 265a für die Ersatzfreiheitsstrafe relevant?

A

Jeder vierte Ersatzfreiheitsgefangene in Mecklenburg-Vorpommern zw. 2014 und 2017 hatte ursprünglich eine Geldstrafe wegen Erschleichen von Leistungen erhalten.

31
Q

Wer fährt Typischerweise Schwarz?

A

Cluster 1: „Accidental and/or unintentional fare evader passengers“ (23,4 % der Stichprobe): Größtenteils
Autobesitzer, die berufstätig sind, und den Bus aus Gründen nutzen, die nicht mit mangelnden anderen
Reisemöglichkeiten zusammenhängen (z.B. Parkprobleme).

Cluster 2: „Calculating fare evader passengers“ (48,6 % der Stichprobe): Studierende, jung (unter 26 Jahren), nicht arbeitend, kein Auto, mangelnde sonstige Reisemöglichkeiten (neben dem Bus).

Cluster 3: „Chronic fare evader passengers“ (28,0 % der Stichprobe): Häufig arbeitslos, kein Studium, zwischen 26 und 50 Jahre alt, kein Auto, keine sonstigen Reisemöglichkeiten.

32
Q

Entkriminalisierung des Schwarzfahrens? Pro/Contra

A

(+)
- Strafrecht darf nur als ultima ratio des Rechtsgüterschutzes eingesetzt werden.
- Sicherung durch das Zivilrecht, z.B. über sog. „erhöhtes Beförderungsentgelt“, ist ausreichend.
- Entlastung der Polizei, Staatsanwaltschaften und Gerichte.
- Entkriminalisierung würde der Ubiquitätsthese und Episodenhaftigkeit von Jugenddelinquenz
gerecht werden.
- Private haben zumeist Möglichkeiten, durch Sicherungsvorkehrungen und Maßnahmen der
(technischen) Prävention für den Eigentums- und Vermögensschutz Sorge zu tragen.

(-)
- Keine abschreckenden Effekte mehr – wobei diese ohnehin zweifelhaft sind.
- Gerade für Jugendliche würde eine wichtige Grenzziehung entfallen – wobei Jugenddelinquenz
zumeist ohnehin episodenhaft ist und sich „von selbst“ erledigt.