Kreuzschmerz Flashcards
Definition Kreuzschmerz
Schmerzen im Bereich des Rückens zwischen Gesäßfalte und Rippenbogen
Definition unspezifischer und spezifischer Kreuzschmerz
- Unspezifischer Kreuzschmerz: Kein eindeutiger Hinweis auf eine spezifisch zu behandelnde Ursache
- Spezifischer Kreuzschmerz: Feststellbare somatische Ursache
Begriffe Dorsalgie, Lumbalgie, Femoralgie, Ischialgie
- Dorsalgie: Schmerzen der Brustwirbelsäule
- Lumbalgie: Schmerzen der Lendenwirbelsäule
- Femoralgie: Von der Lendenwirbelsäule ausgehende Schmerzen im Innervationsgebiet des N. femoralis
- Ischialgie: Von der Lendenwirbelsäule ausgehende Schmerzen im Innervationsgebiet des N. ischiadicus
Vorkommen
Vorkommen nach Entität
- Unspezifischer Kreuzschmerz: Häufig (85%)
- Spezifischer Kreuzschmerz: Selten (15%)
Sozioökonomische Belastungen durch Kreuzschmerz
- 6% aller direkten Krankheitskosten
- 15% aller Arbeitsunfähigkeitstage
- 18% aller Frühberentungen
Einteilung
Nach klinischer Symptomatik
- Lokal
- Pseudoradikulär
- Radikulär
Nach Dauer
- Akut (<6 Wochen)
- Subakut (6 –12 Wochen)
- Chronisch (>12 Wochen)
- Rezidivierend (wiederholte Beschwerdesymptomatik nach mind. sechsmonatigem beschwerdefreien Intervall)
Nach Schmerzintensität
- Akuter Schmerz: Einteilung anhand der Visuellen Analogskala oder der Numerischen Rating-Skala
- Chronischer Schmerz: Einteilung nach Korff et al. (1992) [1]
Ätiologie (allgemein)
- Wirbelsäulen-spezifische Ursachen
- Extravertebragene Ursachen
Wirbelsäulen-spezifische Ursachen
Entzündlich-infektiös
- Entzündlich-rheumatische Erkrankungen, bspw. ankylosierende Spondylitis
- Spondylitis und Spondylodiszitis
- Spinaler Abszess: Epidural, extra- und intramedullär
Degenerativ
- M. Baastrup
- Bandscheibenvorfall
- Wirbelkörperfraktur
- Degenerative Spinalkanalstenose
- Segmentale Instabilität: Spondylolyse und Spondylolisthesis
- Lumbales Facettengelenkssyndrom
- Diskogenes Lumbalsyndrom bei Osteochondrosis vertebralis
Funktionell
- Myofasziale Dysfunktion
- Hypomobile segmentale Dysfunktion der LWS
Deformitäten der Wirbelsäule
- Skoliose, Kyphose und Lordose
- M. Scheuermann
Extravertebragene Ursachen
- Konsumierende Grunderkrankung: Malignome, Infektionserkrankungen
- Systemische Krankheiten: Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen, Psoriasis-Arthritis, reaktive Arthritis
- Abdominelle und viszerale Prozesse: Pankreatitis, Cholezystitis, Myokardinfarkt, maligne Prozesse etc.
- Gefäßveränderungen: Aortendissektion, -aneurysma, spontane Subarachnoidalblutung etc.
- Gynäkologische Ursachen: (Rupturierte) Ovarialzyste, Endometriose etc.
- Urologische Ursachen: Urolithiasis, Pyelonephritis, Abszesse etc.
- Neurologische Ursachen: Herpes zoster (Gürtelrose) etc.
Diagnostik bei Erstkontakt
Ziel: Differenzierung von unspezifischen und spezifischen Kreuzschmerzen im Rahmen einer ausführlichen Diagnostik
- Ausschluss von Red Flags bei Rückenschmerzen
- Evaluation von Risikofaktoren für eine Chronifizierung
Ablauf
- Durchführung einer ausführlichen Anamnese und körperlichen Untersuchung
- Bei Hinweisen auf spezifische Ursachen und Red Flags: Einleitung einer spezifischen Diagnostik
- Einleitung erster Therapiemaßnahmen
- Anbindung des Patienten an eine weiterführende, individuelle Therapie
Diagnostik - Anamnese
Schmerzanamnese
- Schmerzcharakter und -formen (siehe auch: Schmerztherapie, Sektion: Schmerz und Schmerzformen)
- Lokalisation
- Verlauf
- Auslösende Faktoren
Hinweise auf spezifische Ursachen
Red Flags bei Rückenschmerzen: Warnhinweise auf spezifische Ursachen mit dringlichem Behandlungsbedarf
Risikofaktoren für eine Chronifizierung von Rückenschmerzen
Für weitere Informationen siehe: Inhalt der Anamnese
Red Flags
- Fraktur
- Infektion
- Chronisch-entzündlicher Rückenschmerz
- Radikulopathie
- Neuropathie
- Tumor

Risikofaktoren für Chronifizierung
- Yellow Flags: Psychosoziale Risikofaktoren
- Blue Flags: Arbeitsplatzbezogene Risikofaktoren

Diagnostik - Körperliche Untersuchung
Inspektion
- Allgemeinzustand des Patienten
- Körperliche Beeinträchtigungen und Deformitäten
- Haltung und Beckenstand
- Verletzungen , Entzündungszeichen , Zustand der Haut
Palpation
- Klopf-, Druck- oder Kompressionsschmerz über den Dornfortsätzen
- Druckschmerz über der paravertebralen Muskulatur und begleitend betroffener Muskulatur
- Untersuchung angrenzender Gelenke (BWS: Brustkorb, Schulter; LWS: Iliosakralgelenk, Hüfte)
Funktionsuntersuchung inkl. Erhebung des Neurostatus
- Sensibilitätsprüfung
- Kraft der Kennmuskeln
- Muskeleigenreflexe (siehe auch: Radikuläre Syndrome)
- Wurzeldehnungszeichen
Spezifische Diagnostik
- Labor
- Indikation: Bei V.a. Infektion/Entzündung
- Kleines Blutbild/ Diff-BB: Infektionen, maligne Prozesse etc.
- Klinische Chemie (bspw. Leber- und Nierenparameter, CRP, PCT): Entzündungsparametern oder bei V.a. extravertebragene Ursachen für den Kreuzschmerz
- Spezifische Labordiagnostik (bspw. HLA-B27 bei V.a. M. Bechterew)
- Bildgebung
- Röntgen
- Indikation: Bei V.a. Frakturen, entzündliche oder degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, maligne Genese, Z.n. Trauma
- Durchführung: Betroffener Wirbelsäulenabschnitt (BWS, thorakolumbaler Übergang, LWS, Iliosakralgelenk) in 2 Ebenen
- Bei traumatischer Genese: Ggf. zusätzlich Beckenübersicht, Thorax a.p.
- MRT
- Indikation: Bei V.a. Radikulo- oder Neuropathie, Spondylodiszitis, weitere entzündliche oder maligne extra- und intraspinale Veränderungen und raumfordernde Prozesse , Diskusprolaps
- Durchführung: Initial nativ, bei Pathologien oder V.a. infektiöse oder maligne Genese kann Kontrastmittel appliziert werden
- CT
- Indikation: Bei V.a. Spinalkanalstenose oder Spondylolisthesis, zur Ausweitung der konventionellen Röntgendiagnostik (bspw. bei Wirbelkörperfraktur oder Knochentumore
- Röntgen
Interventionell:
- Liquorpunktion: Bei V.a. entzündliche Prozesse im ZNS, zum Nachweis von Tumorzellen
- Infiltrationen: Periradikuläre Infiltration (PRT) bei Bandscheibenprolaps zur Abgrenzung von Schmerzen radikulärer oder peripherer Genese oder zur lokalen Schmerzstillung am Spinalnerv
Therapiemaßnahmen - allgemein
Therapieziel: Schmerzreduktion und Wiederherstellung der protektiven, statischen und dynamischen Funktion der Wirbelsäule
Symptomatische Therapie: Medikamentöse und nicht-medikamentöse Schmerzreduktion
Kausale Therapie: Behandlung und ggf. Beseitigung der Schmerzursache
Symptomatische Therapie - allgemein
Allgemeine Maßnahmen
- Shared Decision Making: Arzt und Patient beschließen gemeinsam Therapieschritte und -ziele
- Realistische Zielsetzung unter Berücksichtigung der individuellen Möglichkeiten und der Belastbarkeit des Patienten
Prävention
Präventionsmaßnahmen des unspezifischen Kreuzschmerzes
- Regelmäßige körperliche Aktivität und Bewegung
- Patientenedukation
- Maßnahmen am Arbeitsplatz im Sinne einer Verhaltensprävention bzw. einer ergonomischen Arbeitsplatzgestaltung
Präventionsmaßnahmen des spezifischen Kreuzschmerzes
- Individuell je nach Ursache
- Häufig nur sekundär-präventive Maßnahmen möglich
- Bspw. rückengerechtes Lastenheben und -tragen zur Prävention eines Bandscheibenprolaps
- Bspw. forciertes Aufbautraining der Rücken- und Bauchmuskulatur (Rückenschule) bei hypomobiler Lendenwirbelsäule
Nicht-medikamnetöse Therapie
Aufnahme bzw. Aufrechterhaltung der körperlichen Aktivität
- Ziel: Leistungssteigerung ohne Schmerzsteigerung
- Keine Bettruhe
Einleitung einer Bewegungstherapie
- Bei subakuten und chronischen Schmerzen: Evtl. Rehabilitationssport oder gezieltes Funktionstraining einleiten
Edukative Maßnahmen:
- Patientenaufklärung und -schulung
Supportive Maßnahmen: Bspw. progressive Muskelrelaxation, kognitive Verhaltenstherapie
Medikamentöse Therapie
Die medikamentöse Schmerztherapie sollte als unterstützende Therapie zur Umsetzung der aktivierenden Maßnahmen gesehen werden.
Nicht-Opioid-Analgetika
NSAR: In der niedrigsten effektiven Dosis über den kurzmöglichsten Zeitraum:
- Ibuprofen
- Diclofenac
- Naproxen
Bei Kontraindikation für NSAR
- COX-2-Hemmer (unter strenger Indikationsstellung), z.B. Celecoxib
- Metamizol (Novaminsulfon)
Nicht angewendet werden sollten:Paracetamol, Flupirtin
Opioidanalgetika
Indikation: Bei fehlendem Ansprechen auf Nicht-Opioid-Analgetika bzw. Kontraindikationen; unter regelmäßiger Reevaluation der Therapie
Wirkstoffe: Bspw. Tramadol oder Oxycodon
Bevorzugt: Kurzzeittherapie (bis max. 12 Wochen) mit oraler Applikation
Beendigung der Therapie, wenn die Therapieziele innerhalb von 3 Monaten nicht erreicht werden konnten
Weitere medikamentöse Maßnahmen
Bei bestehenden Risikofaktoren für gastrointestinale Komplikationen: Protonenpumpeninhibitoren, bspw. Pantoprazol oder Omeprazol
Bei opioidinduzierter Übelkeit: Dimenhydrinat oder Ondansetron