Kapitel 4 Flashcards
Verhältnis Recht – Moral
→Fülle divergierender Positionen
→mit verschiedenen methodischen Auffassungen u. kulturellen Faktoren →maßgebend = geschichtlicher Verständnishorizont
- unterschiedliche Auffassungen d. Moralbegriffs
→grds. Perspektive unter d. menschliches Handeln als moralisch beurteilt werden soll
Grundpositionen
- Einheitsthese:
- Recht u. Moral als integrative Bestandteile einer umfassenden Ordnung →tragenden Ethos des menschlichen Zusammenlebens - Trennungsthese:
- Geltung u. zentrale Inhalte des Rechts grds. unabhängig v. moralischen Anforderungen - Recht kann jeden beliebigen Inhalt haben - vermittelnde Auffassung:
- Recht u. Moral begrifflich unterschieden
- Recht hinsichtlich seiner Legitimation auf elementare moralische Grundlagen verwiesen - Recht u. Moral in grds. Spannungsverhältnis
→moralische Prinzipien als kritischer Maßstab f. rechtliche Regulierungsaufgaben
A. Tugendethik oder Pflichtenethik (Deontologisch Ethik)
- in europäischen philosophischen Theorien
- in Alltagsauffassungen dominieren Ethikmodelle des deontologischen Typus „Pflichtenethik“ - Befolgung moralischer Pflichten gefordert
→autonome Moral:
→Verpflichtung beruht auf verantwortliche Selbstbestimmung →exemplarisch = Kants Verständnis v. Autonomie bzw. Moralität
→aus einem Katalog materialer Pflichten bestehend: →„heteronome“ Moralauffassung
Philosophen d. Antike / Mittelalter→Tugendethik
- gemeinschaftlichen Konsens u. Traditionen bestimmend
- Ausbildung einer dauerhaften u. verlässlichen sittlichen Haltung
→orientiert sich an Vorbild anderer - Verwirklichung eines umfassen geglückten Lebens
→keine Ethik des „Sollens“, sondern des „Sein-Könnens“ - Recht→kommunikativ-erzieherische Funktion - Zwang→hintergründlich
- exemplarisch = ethisches Modell d. Aristoteles
→im angloamerikanischen Raum zentrale Rolle - moderne tugendethische Ansätze: - Anforderung v. Moralität u. gemeinschaftlichen Ethos zu verbinden - Bsp. f. Tugenden:
- Haltung d. Toleranz / Integrationsbereitschaft gegenüber Fremden
Schema d. Moralentwicklung nach Kohlberg:
- Differenzierung zwischen:
1. konventioneller
2. postkonventioneller (kritischer) Moral
- konventionelle Moral:
- Moral identifiziert mit gesellschaftlicher Sitte u. Konvention
- Recht u. Moral nebeneinander existierende parallele Normenkomplexe
- Recht nimmt gelegentlich auf gesellschaftliche Verhaltensstandards Bezug
→Verweis auf „gute Sitten“
- postkonventionelle (kritische) Moral:
- strikte Unterscheidung Moral – Sitte ‘
- moralische Qualität d. Handelns abhängig v.
→freiheitlichen verantwortlichen Stellungnahme des Einzelnen - entscheidendes Kriterium moralischen Handelns→Handlungsmotivation - Kants Begriff d. „Moralität“ = kritisches Moralverständnis
A. Die Einheitsthese
- politischen Ethos d. Gemeinschaft:
- Recht u. Moral→integrative Bestandteile
- Ausgerichtet auf→Verwirklichung des guten geglückten Lebens / Gemeinwohl
- entscheidend f. Modell:
→tragende Rolle eingelebter Sitten, →Gewohnheiten u.
→durch Einübung erworbene Tugenden - Übergang Moral – Sitten – Recht→fließend
→beruhend auf Voraussetzung eines Grundkonsenses ü. sittliche Handlungsziele
- Einheitsvorstellung Recht u. Moral
→Charakteristikum v. Frühformen (bis Aufklärung relevant) →Plausibilität f. wenig differenzierte, traditionell geprägte u. kleinere Gemeinschaften →Recht soll unmittelbar d. Umsetzung d. moralischen Gutes dienen
Wie kann jmd. durch d. Recht zum sittlich guten Handeln gezwungen werden?
- Th. v. Aquin (Mittelalter):
→„Zwang zum Guten“ im Hinblick auf menschliches Gewissen = kritisch gesehen →„geschieht nichts gut, mag auch etwas Gutes tun“
→Recht hat Aufgabe „zum Laster geneigte Mensch“ davon abzuhalten Leben d.
tugendhaften zu beeinträchtigen - Konzept v. Tugendethik lt. Aquin:
→Erfordernisse d. Einübung u. Habitualisierung d. guten Handelns = entscheidend →Gesetz dient zum sittlich richtigen Handeln anzuleiten
→idR. „Mahnworte“ ausreichend
→besonders „lasterhafte / widerspenstige“ Menschen→durch Zwang v. „bösen
Treiben“ abgehalten werden →Recht erfüllt: - Schutzfunktion
- erzieherische Aufgabe →Gesetz = sittenbildende Kraft
- Neuzeit: und Gegenwart
- Neuzeit:
→Verbindung Recht – Moral = Eingriff in menschliche Gewissensfreiheit →moralisches handeln = Handeln aus Freiheit
→versucht Recht zum Handeln zu zwingen = Widerspruch in sich selbst - Gegenwart:
→Bedeutungszuwachs f. enge Verbindung Recht – traditionelle Moralvorstellungen
Die Trennungsthese
- radikale Trennung Recht – Moral→„Rechtspositivismus“ - prägend = Hans Kelsen „Reine Rechtslehre“
- Hans Kelsen:
→rein „normative“ (positiven RO immanente) Begründung d. Rechtsgeltung →vorausgesetzte Grundnorm
→außerrechtliche / vorpositive Rechtsgrundlagen scheiden aus
→methodischer Fehlschluss v. „Sein auf Sollen“
- Kelsens moralischer Werterelativismus:
„was Menschen tatsächlich zu verschiedenen Zeiten an verschiedenen Orten f. gut / böse, gerecht / ungerecht halten, ist so verschieden, dass man keine „absoluten“ Werte ableiten kann“
→bloße Existenz nur v. „relativen Moralwerten“ beruhend auf subj. Moralvorstellungen
→bloß faktische Überzeugungen „Sein“
→indirekt in RO einfließen (Gesetzgebungsverfahrensweg)
- Geltung d. Rechts:
→v. allen moralischen Anforderungen unabhängig
→beruht auf formal ordnungsgemäßen Erzeugung u. Mindestanforderungen d. Effektivität →verweist ausschließlich auf „Erzeugungszusammenhang“ im Stufenbau d. RO
- Unterscheidungsmerkmal Recht – Sitte / Moral: →organisierter Rechtszwang
- Versuch moralischer Rechtfertigung / Kritik des Rechts = ausgeschlossen - Recht kann jeden beliebigen Inhalt haben
- Aufgabe d. Rechtswissenschaft:
→Recht nicht zu rechtfertigen, sondern zu beschreiben
Bedenken:
→werden methodische Anforderungen d. Rechtserzeugung u. -anwendung ausreichend
reflektiert
- bzgl. Verhältnis Recht – Moral:
→Entstehung v. gesetzlichem Unrecht begünstigt durch Zurückhaltung moralisch zentraler Wertungsfragen
- Rechtspositivismus = kein genuin zur Kritik massiv menschenrechtverletzender Gesetze
Vermeidung strikter Trennung u. unmittelbare Einheit Recht – Moral
- Charakteristisch:
- deutliche begriffliche Abgrenzung
- differenzierte Verhältnisbestimmung
→prinzipieller Perspektivenwechsel im Verhältnis Recht – Moral - Recht soll nicht zum moralisch guten handeln anleiten - Hauptaufgabe d. Rechts hinsichtlich moralischen Handelns: →Ermöglichung d. moralischen Handelns
= menschlicher Freiheit einen äußeren Entfaltungsbereich zur Verfügung zu stellen u. diesen zu sichern - vermittelnde Theorien idR.
→v. kritischen Verständnis v. Moral ausgehend
→v. konventionellen Verständnis v. Moral abrückend
- Kants Unterscheidung von „Moralität“ und „Legalität“
- Recht nach Kant→Schutz gleicher Freiheit dienend
→Regulierungsansprüche d. Rechts auf „äußere Seite“ menschlichen Handelns beschränkt →Frage nach Gesinnung u. pers. Motivation nicht in Zuständigkeit d. Rechts - Ausgangspunkt f. differenzierte Verhältnisbestimmung Kants: →Unterscheidung „Moralität“ u. „Legalität“
→zentrales Unterscheidungsmerkmal = „Triebfelder“ (Handlungsmotivation) - legales Handeln (Legalität):
→Handeln in äußerer Übereinstimmung mit dem Gesetz →Verhalten als „pflichtgemäß“ bezeichnet →Motivation f. Einordnung unerheblich
→legal = gesetzeskonform - Moralität:
→zusätzliches Erfordernis einer bestimmten Motivation
→moralisch handelt nur, wer Gesetz nur wegen: - Pflicht
- „um des Gesetzes selbst willen“ erfüllt →entscheidend = innere Einstellung / pers. Überzeugung
Differenzierung f. Verhältnis v. möglichen Zusammenspiel Recht – Moral:
- moralisches Handeln niemals erzwingbar→durch Recht ermöglichbar - keine völlige Trennung Recht – Moral
- unbedingte Freiheit d. Menschen selbst
→unverfügbares normatives Prinzip, Fundament des Rechts - Rechts kann keinen direkten Zwang zu moralisch gutem Handeln ausüben
→Recht soll Handeln aus Freiheit ermöglichen u. sichern
→ Recht muss mögliche Bedrohungen d. Freiheit durch Übergriffe / Konflikte regulieren - aktuelle Sicht:
→Aufgabe d. Freiheitsermöglichung umfasst auch Verantwortung annähernd gleiche sozial- materielle Ausgangsbedingungen zur Freiheitsverwirklichung zu garantieren
→grundlegende sozialstaatliche Forderungen ableitbar
→Maßnahmen d. Diskriminierungsschutzes (Förderung Geschlechtergleichheit, Inklusion v. Randgruppen) damit verbunden
→grundlegende Forderungen d. Erhaltung natürlicher Lebensgrundlage d. Menschen zählen →zu Implikationen des Freiheitsprinzips
Der kategorische Imperativ
Wie lässt sich ein solches Handeln aus Pflicht näher bestimmen? →lt. Kant:
→Beurteilungsmaßstab f. moralisches Handeln = kategorischer Imperativ
Die Verallgemeinerungsformel
„Handele nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein
allgemeines Gesetz werde.“
- Kant wendet Prinzip der Verallgemeinerung auch bei Legitimation politischer Gesetzgebung an
- mehrere Möglichkeiten: →u.a. „goldene Regel“:
- gedachter Rollentausch
- überlegen, ob man Betroffener des eigenen Handelns sein will
- Überprüfung d. möglichen „Umkehrbarkeit“
- Überprüfung des eigenen Handelns, ob man wollen kann, dass d. anderen auch so handeln
- Verallgemeinerungsformel lt. Kant:
→Fokus nicht so sehr auf konkrete Handeln
→Fokus auf Maxime→Regeln, d. Handlung zu Grunde liegen
Wie kann man d. moralische Qualität eines Vorhabens überprüfen? ( Imperativ )
- Ableitung einer Maxime d. Handlung zu Grunde liegt
→Regel f. Verhalten in ähnlichen Situationen nützlich 2. Maxime verallgemeinern
→Überprüfung ob Maxime zu allgemeinen Gesetz machbar, das alle verpflichtet 3. Beurteilung durch d. Vernunft
→Überlegungen, ob Zustimmung f. ein solches „Gesetz“ vorhanden
→zeigt innere Widersprüchlichkeit→Aufhebung weil, will nicht f. alle verbindlich machen
Die Selbstzweckformel und der Begriff der Menschenwürde
„Handel so, dass du die Menschheit, sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden,
jederzeit zugleich als Zweck [an sich selbst], niemals bloß als Mittel brauchest.“
- besonders bedeutsam f. Legitimation fundamentaler Prinzipien d. ges. RO - Grundsatz verbietet Menschen zu bloßen Objekten zu degradieren
- grundlegendes Rechtsprinzip d. Menschenwürde wird ausgedrückt →Menschenwürde lt. Kant:
→„über allen Preis erhaben, hat eine Würde“ →jeder Mensch hat:
- unvergleichbaren Stellenwert
- unbedingten Achtungsanspruch
→Menschenwürde beruht auf Fähigkeit zu moralisch-vernünftiger Selbstbestimmung → Menschenwürde als Basis f. Gleichheit aller Menschen
→unvergleichbar u. unbedingt→Differenzierungen unzulässig
Die Todesstrafe
- Kant als Befürworter d. Todesstrafe bei bestimmten Delikten - Beccarias:
- gegen Todesstrafe
- mit Menschenwürde unvereinbar
- nicht mit Idee eines Gesellschaftsvertrags in Einklang zu bringen
→niemand kann in seine eigene Tötung einwilligen - Bestreitung d. „Nützlichkeit“ d. Todesstrafe zu Abschreckungszwecken
- heute:
- Todesstrafe als
→Verletzung zentraler Grundrechte
→eklatanter Widerspruch zur Menschenwürde - Todesstrafe nimmt jede Möglichkeit zu künftiger verantwortlicher Selbstbestimmung
→Widerspruch zur Menschenwürde - massive Instrumentalisierung des Einzelnen f. staatliche Sicherheits- u. Präventionsinteressen - dient Instrument der Machtstabilisierung totalitärere Regime
→gezielte erniedrigende Formen der Tötung
Die lebenslange Freiheitsstrafe
- massiver Eingriff in Grundrechte eines Straftäters
- deutsche Bundes-VfGH stellt Frage nach Vereinbarkeit mit Menschenwürde
→Verneinung, da:
→Würde d. Menschen verlangt, dass Straftäter als „selbstverantwortliche
Persönlichkeit anerkannt bleibt - lebenslange Freiheitsstrafe bedeutet:
→endgültiger Ausschluss „aus d. Gemeinschaft freier Bürger“
→Straftäter wird jede konkrete Perspektive „d. Freiheit je wieder teilhaftig zu werden“→
jede Aussicht auf wirkliche Selbstbestimmung genommen - Verbindung kategorischer Imperativ:
→Mensch darf nicht „bloßes Objekt d. Verbrechensbekämpfung“ sein
→Mensch muss immer Zweck an sich selbst bleiben - lebenslange Freiheitsstrafe nur Vereinbar mit Menschenwürde, wenn:
→gleichzeitige Möglichkeit zur vorzeitigen Entlassung →im Rahmen rechtsstaatlichen Verfahrens erreichbar
Die Debatte um die „Rettungsfolter“
- Anwendung v. Folter verletzt Menschenwürde→weitgehend unumstritten
- Folter nach hM→unter allen Umständen moralisch u. rechtlich ausgeschlossen
→Art. 1 Abs. 1 UN-Antifolterkonvention
→Art. 3 EMRK (europäischer u. verfassungsrechtlicher Eben) →Art. 1 Abs. 1 GG (in Deutschland) - Verstöße zur Relativierung d. Folterverbots: - USA:
→Terrorismusbekämpfung nach 9/11
→f. einige Jahre „torture light“ / Einführung „verschärfter Verhörmethoden“ →heftige Kritik an Gefangenenlager „Guantanamo“