IPÖ, neogramscianische Perspektiven, Weltsystemtheorie Flashcards
Feld der IPÖ
-untersucht Wechselbeziehungen zwischen Politik und Ökonomie im globalen Maßstab
->doch dabei ist weder Konsens: was ist „Politik“, „Ökonomie“, die Wechselbeziehung
-interessiert sich für den „doppelten Punkt der Vermittlung […] zwischen Ökonomie und Politik sowie zwischen nationalen und inter- bzw.
transnationalen Entwicklungen“ (Bieling 2007)
-erlebte einen „Boom“ im Globalisierungsschub der 1980er & 1990er Jahre
-greift zugleich auf lange Traditionen der Politischen Ökonomie zurück
-Mediale Präsenz ‘großer‘ ipÖ-Themen durch spezifische Probleme
zb Probleme bei Lieferketten, Impfstoffproduktion, Handelskonflikt USA-China; Rolle von High-Tech, Ausbeutung des Südens durch Norden: „imperiale Lebensweise“
-Im deutschsprachigen Raum: Teilgebiet der Internationalen Politik (IP)
-International, vor allem im angelsächsischem Raum: Herausbildung als
eigenständige Disziplin, vor allem seit neoliberaler Globalisierung
-Grundsätzlich: Perspektive der IPÖ geht über zwischenstaatliche
Beziehungen und internationale Institutionen hinaus
- „Inter-Disziplin“: an der Schnittstellen von Politikwissenschaft,
Wirtschaftswissenschaft, aber auch Geschichte und Soziologie
→ allgemein: Fragen von Macht (Dominanz und Hegemonie) und
Kontinuität und Wandel von Welt(um)ordnung … hochaktuell
Klassische Ökonomie
-Adam Smith (1723-1790) als Pionier der Politischen Ökonomie
- Verfolgen von Eigeninteresse + Tausch fördern Wohlstand
-Liberale Außenhandelstheorie: Wohlstandsmehrung durch Freihandel
- gegen Merkantilismus (staatliche Exportförderung, internationaler Handels als Nullsummenspiel)
-weiterentwickelt durch David Ricardo („komparativer Kostenvorteil“)
-„Politische Ökonomie“ statt ‚reiner Ökonomie‘ und Selbstregulierung des Marktes in Neoklassik
Marx Kritik der Politischen Ökonomie
-Karl Marx (1818-1883) Kapitalismus als historisch spezifische Produktionsweise
-Strukturprinzipien:
* Privateigentum an Produktionsmittel + Lohnarbeit
* Konkurrenz und Profitorientierung
* Ausbeutung von Arbeiter*innen und Natur (auch zentrale Motive
des Begriffs imperiale Lebensweise)
* Klassengegensätze und Krisenhaftigkeit statt allgemeiner Wohlstandsvermehrung
Neomerkantilismus
zb Friedrich List (1789-1846), Alexander Hamilton (1757-1804); erster Finanzminister der USA
-Von Freihandel profitieren nur am höchsten entwickelte Ökonomien
-Nachholende Entwicklung (Preußen, USA) benötigt Schutzzölle und Industriepolitik
-In den vergangenen Jahrzehnten: ostasiatische Ökonomien wie Südkorea
Dependenz-Ansatz
-ab Mitte 20. Jhd
-zb C. Furtado, F. E. Cardoso, E. Faletto (v.a. 1960er-1970er)
-Entwicklung und Unterentwicklung bedingen sich wechselseitig
-Hierarchische internationale Arbeitsteilung zwischen Zentrum und Peripherie
Weltsystemtheorie
-ab ca 1980er
-the „big four“: Samir Amir, Giovanni Arrighi, Andre Gunder Frank, Immanuel
Wallerstein
-modernes Weltsystem: ökonomische Einheit, politisch nicht integriert, strukturiert Entwicklungsbedingungen verschiedener
Regionen
-entstand in der Zeit von 1450 bis 1640 („Handelskapitalismus“)
→ also nicht nur Ansammlung von Staaten, dennoch methodologischer Nationalismus – drei Typen
Zentren in der Weltsystemtheorie
-starke und produktive Wirtschaften, hohe Gewinne, v.a. Leitindustrien
-Firmensitze tendenziell dort
-relativ hoher Wohlstand
-Staaten sind steuerungsfähig, öffentlicher Sektor funktioniert (mehr oder weniger)
-Klassenkompromisse
-ggf. militärische Einflussnahme international zur Machtsicherung
Semi-Peripherie in der Weltsystemtheorie
-oft als „Schwellenländer“ bezeichnet
-relativ gute öffentliche Verwaltung
-nationale Entwicklungsprojekte; nationales und transnationales Kapital
-relativ kleine wirtschaftliche und politische Elite
-„Brückenköpfe“ zwischen Zentren und Peripherie: Länder, Städte, herrschende Klassen
Peripherie in der Weltsystemtheorie
-schwache Wirtschaften, außenabhängig
-vor allem Rohstoffförderung und –exporte („Extraktivismus“)
-Billige Arbeitskräfte
-oft Dominanz transnationalen Kapitals
-entsprechend: wirtschaftlich herrschende Klasse „Kompradorenbourgeoisie“
-schwache, oft autoritäre Staaten
Verhältnis der Länder/Regionen zueinander in der Weltsystemtheorie
-politisch: wer setzt Regeln? -> Hegemonie
- Staaten unterstützen oft „ihre“ Firmen
-wirtschaftlich-politischer Mechanismus: „ungleicher Tauschs“ -> Reproduktion ungleichheit -> Peripherie tauscht agragüter etc gegen industriegüter in schlechtem tausch
-wichtige Rolle Semiperipherie
-Waren- und Wertschöpfungsketten (z.B. Gary Gereffi)
-historisch: Hegemoniezyklen
Hegemoniezyklen
starke Dynamiken neben kapitalistischer Expansion
*Kommodifizierung
*Urbanisierung
*Industrialisierung
*Vertiefung globaler Ungleichheit
-Phase der Expansion (Zunahme „Realwirtschaft“)
-Stagnation („Signalkrise“, Indikator: Zunahme Finanzmärkte ->erstes krisenphänomen zb anbnahme realinvestition
-(End-) Krise: ende einer phase zb pax britannica
vier Hegemoniezyklen
* Habsburger Reich, Niederlande, Großbritannien, USA
Kritik an Weltsystemtheorie
-eurozentrische Perspektive – historisch war bis 13. Jahrhundert China /Asien wirtschaftliches Zentrum
-Makrotheorie – positiv: „große“ politische und wirtschaftliche Prozesse
-weniger Alltagsdimension, wenig zu Widersprüchen
-Aufstieg Chinas war etwas gegen Grundannahmen der Theorie
-Organisierungsprozesse Arbeiter*innen wichtig für kapitalistische Entwicklung
-Analyseeinheit Nationalstaaten: weniger Ungleichheit innerhalb Nationalstaaten
-Stärke der Weltsystemansätze „liegt darin, die
Tiefenstrukturen der kapitalistischen Akkumulationsdynamik und der
globalen Sozialstrukturen umreißen zu können.“
Neo-Gramscianische IPÖ
-Verfeinerung der Weltsystemtheorie
-seit 1980er Jahren
-begründet durch Robert W. Cox -> seither stark ausdifferenziert
Kritik am (Neo-)Realismus:
1. ahistorisch – kann Wandel der Grundstruktur des internationalen Systems nicht erfassen
2. Nationalstaaten als black boxes, Bedeutung anderer Akteure (NGOs, transnationale Konzerne) nicht berücksichtigt
3. Überbetonung militärischer Gewalt (hard power) – stattdessen auch: ökonomische Macht, Ideen und Normen
Zentraler Vordenker und Namensgeber: Antonio Gramsci (1881-1937)
-„Gefängnishefte“: Analyse der
Bestandsfähigkeit kapitalistischer
Gesellschaften?
-Zentrales Erklärungskonzept: Hegemonie
-Verallgemeinerung partikularer Interessen
-durch Konsens (Zustimmung + einzelne
materielle Zugeständnisse), gepanzert mit
Zwang
-Zentrale Rolle: “Zivilgesellschaft“ → Kirche,
Schule, Medien, Kulturbetrieb
zentrale Inhalte Neogramscianismus
Verbessern der Kritiken
1. Besondere „historische Strukturen“ internationaler Politik, bestehend aus Ideen, Institutionen, materiellen Kapazitäten
2. Öffnen der black box Nationalstaat: soziale Kräfte (Klassen und Klassenfraktionen, aber auch andere Gruppen)
3. Hegemonie: nicht nur Zwang (militärische Macht), sondern auch ethisch-politische Führung durch materielle Einbindung und
ideologische Überzeugungskraft
4. Kritische Theorie: Möglichkeit von Veränderung, Überwindung
von Machtverhältnissen
-Ideen, materielle Kapazitäten und Institutionen stehen in gegenseitigen Verhältnis
Dynamik: Niedergang und Herausbildung einer neuen historischen Struktur im Zusammenwirken von
* soziale Kräfte; eng verbunden mit Entwicklungsweisen: liberaler Kapitalismus des 19. Jahrhunderts und Fordismus
* Staatsformen
* Weltordnungen: Pax Britannica und Americana
Weiterentwicklung des Neo-Gramscianismus
Transnationaler Neogramscianismus - Amsterdamer Schule (Kees v. d. Pijl):
-Herausbildung neoliberaler Hegemonie durch transnationale Elitennetzwerke
-Übertragung auf europäischen Integrationsprozess (Bastian v. Apeldoorn, Laura Horn)
Konstitutionalistischer Neo-Gramscianismus (Stephen Gill):
-„transnationale Managerklasse“ / transnationale kapitalistische Klasse
-verankert Interessen durch „neuen Konstitutionalismus“
-Festschreiben neoliberaler Wirtschaftspolitik in internationalen Vertragswerken
-demokratischen Entscheidungsverfahren weitgehend entzogen