Gruppen und Gruppenprozesse Flashcards
Definitionen von Gruppen
Rosenstiehl und Nerdinger (2011)
- mehrere Personen
- zeitliche Stabilität
- direkter Kontakt
- Rollen, Normen, Wir-Gefühl
Tajfel (1981)
- zwei oder mehr Personen
- subjektives Empfinden (Personen verstehen sich als Mitglieder einer Gruppe)
Lewin (1948)
- gemeinsames Schicksal
- gemeinsame Ziele
Sherif/Sherif (1969)
- soziale Struktur (Rollen, Normen, Standards)
Theorien zur Gruppenbildung
Die soziobiologische Sichtweise
Die soziobiologische Sichtweise betont die Adaptionsfähigkeit, die durch Gruppenzugehörigkeit ermöglicht wird. In der Frühzeit der Evolution war es vorteilhaft, eine Prädisposition zum Gruppenbilden zu besitzen. Dies lässt darauf schließen, dass es sich beim Gruppenbilden um eine angeborene, evolutionär bedingte Tendenz handelt
Theorien zur Gruppenbildung
Die kognitive Auffassung
geht davon aus, dass Gruppen Menschen dabei helfen, ihre Welt besser zu verstehen. In dieser Annahme sind die Theorie des sozialen Vergleichs, die Theorie der sozialen Identität und die Selbstkategorisierungstheorie eingeordnet, auf die im Laufe der Lektion näher eingegangen wird. An dieser Stelle sei nur gesagt, dass die Einordnung des Selbst und anderer Personen zu Gruppen bei dem Individuum Unsicherheiten reduzieren und der Welt mehr Sinn verleihen kann
Theorien zur Gruppenbildung
Die utilitaristische Auffassung
Die utilitaristische Auffassung basiert auf der Theorie des sozialen Austauschs. Individuen befriedigen demnach ihre Bedürfnisse durch Austauschprozesse innerhalb sozialer Beziehungen. Dieser Austausch beschränkt sich nicht nur auf materielle Güter oder Hilfe zwischen Personen, sondern umfasst auch psychologische „Tauschwaren“, z. B. Zuneigung. Um diese Austauschbeziehung auf Dauer möglichst effizient zu organisieren, werden Gruppen gebildet, von denen sich ein Individuum mehr Nutzen als Kosten oder eine Ausgewogenheit zwischen beidem erhofft
Beispiele für Gruppenarten und ihre Funktionen
Gruppe mit emotionaler Nähe Familienmitglieder, romantische Partner
Befriedigung des Zugehörigkeitsbedürfnisses
aufgabenbezogene Gruppe Sportmannschaft, Geschworene
Befriedigung des Leistungsmotivs
soziale Kategorie Frauen, Männer, Amerikaner
nähere Bestimmung der eigenen Identität
lockere Verbindung Publikum im Kino; Menschen, die in derselben Gegend leben
keine explizit zugewiesene
Was ist eine Gruppensozialisation?
Beschreibt eine Interaktion zwischen Individuum und Gruppe von Initiation bis Erinnerung: Gruppe ist bestrebt, Individuum an Gruppennormen zu gewöhnen.
Modell der Gruppensozialisation
Nenne und beschreibe die erste Stufe
Gruppen suchen Menschen, die Beiträge zu einer potenziellen Zielerreichung der Gruppe leisten können. Künftige Mitglieder orientieren sich zu Gruppen hin, die ihre Bedürfnisse potenziell befriedigen können. Wird eine Gruppe von einem (potenziellen) Mitglied als lohnend empfunden, wird es versuchen, in die Gruppe einzutreten bzw. als Mitglied bestehen zu bleiben. Am Ende der Erkundungsphase kann es zur Initiation kommen.
Je nach Gestaltung der Initiation entwickelt sich die Stärke der Verbundenheit und die Wertschätzung des Mitglieds der Gruppe gegenüber. Die Initiation kennzeichnet einen Rollenübergang – den Eintritt in eine Gruppe – auf dem Weg zum Vollmitglied (Jonas/Stroebe/Hewstone 2014, S. 448f.). Forschungen zu dem Thema der Verbundenheit zeigen, dass die Schwere der „Aufnahmeprüfung“ die Bewertung der Gruppe durch das Gruppenmitglied beeinflussen kann.
Der Begriff Gruppenkohäsion bezeichnet die Geschlossenheit und den Zusammenhalt in einer Gruppe.
Modell der Gruppensozialisation
Nenne und beschreibe die zweite Stufe
Ist der Eintritt in die Gruppe vollzogen, folgt das Stadium der Sozialisation, in dem die neuen Mitglieder mit den Normen der Gruppe vertraut gemacht werden. Normen kennzeichnen bestimmte Richtlinien und Überzeugungssysteme in Bezug darauf, welches Verhalten erwünscht bzw. unerwünscht ist. Sie sind durch die Mitglieder geteilte, aber nicht gesetzlich verankerte Erwartungen bezüglich gruppentypischer Aktivitäten. Gruppenmitglieder zeigen in der Regel Konformität mit den Gruppennormen (Kessler/Fritsche 2018). Dies kann zum einen an Norminternalisierung liegen, also der Verinnerlichung der Norm, zum anderen auch an dem Wissen um mögliche negative Reaktionen der anderen Gruppenmitglieder auf normabweichendes Verhalten. Sozialisation findet jedoch nicht einseitig statt. Auch das Mitglied versucht, auf die Gruppe einzuwirken und sie zu beeinflussen, etwa durch die Veränderung von Bräuchen oder Riten (Akkomodationsprozess). In der Regel ist eine Anpassung des Mitglieds an die Gruppe üblicher als umgekehrt.
Ist das Akzeptanzkriterium erfüllt, wird die besondere Aufmerksamkeit, die dem Mitglied bisher zuteilwurde, nach einer gewissen Zeit nicht mehr benötigt und das Mitglied ist zum Vollmitglied übergegangen (Jonas/Stroebe/Hewstone 2014, S. 450). Wie schwierig dieser Übergang gestaltet wird, hängt unter anderem davon ab, wie hoch oder niedrig der Personalbedarf der Gruppe ist. Haben Gruppen zu wenig Mitglieder, sind sie offener, weniger selektiv und fordern weniger von neuen Mitgliedern.
Modell der Gruppensozialisation
Nenne und beschreibe die dritte Stufe
Hat der Rollenübergang zum Vollmitglied stattgefunden, folgt das Stadium des „Mitglied sein“, in dem die Mitgliedschaft aufrechterhalten wird und die Rollen weiter ausgehandelt werden. Die Festlegung auf die Gruppe besitzt in diesem Stadium ein hohes Niveau, da sowohl die Zugehörigkeit zur Gruppe durch das Mitglied als auch das Mitglied durch die Gruppe als lohnend angesehen wird
Die Beziehung zwischen Gruppe und Mitglied wird als umso gewinnbringender empfunden, je besser die Rollenaushandlung gelungen ist. Im Zuge dieser ist das Mitglied gewillt, sich so in einer Rolle zu positionieren, dass es seine Bedürfnisse als am besten befriedigt sieht. Die Gruppe ist bestrebt, dem Mitglied eine Rolle zuzuweisen, die der Verfolgung der Gruppenziele am ehesten dient. Rollen, die bspw. verteilt werden können, sind…
… die des Gruppenleiters, der die Führung der Gruppe übernimmt,
des „Anwerbers“, der neue Mitglieder akquiriert,
oder des „Trainers“, der in dem zweiten Stadium, der Sozialisation, auf neue Mitglieder einwirkt.
Welche Rolle ein Mitglied einnimmt, ist von den individuellen Fähigkeiten, der Persönlichkeit und den Erwartungen, die verschiedene Gruppenmitglieder aneinander stellen, abhängig. Sollte ein Mitglied mit seiner Rolle unzufrieden sein oder eine andere Gruppe finden, in der es seine Bedürfnisse mit einer höheren Wahrscheinlichkeit befriedigt sieht, kann das Interesse an einer Gruppenzugehörigkeit sinken (Divergenz). Auf der anderen Seite kann auch die Festlegung der Gruppe sinken, sollte ein Mitglied den Erwartungen der Gruppe nicht gerecht werden. Dies kann etwa passieren, wenn das Mitglied Gruppennormen missachtet oder seine Rolle nicht erfüllt. In Folge solcher Missachtungen kann das Mitglied als randständig betrachtet werden. Randständigkeit kann zu einem Vorenthalt wichtiger Informationen oder zum Ausüben von Druck auf den Abweichler durch andere Gruppenmitglieder führen. Das Ziel der Gruppe ist es, die Konformität zu erhalten, weshalb die abweichenden Mitglieder dazu bewegt werden, sich zu ändern oder von der Gruppe abgelehnt werden
Modell der Gruppensozialisation
Nenne und beschreibe die vierte Stufe
Die Phase, die sich daraufhin anschließt, wird als „Resozialisierung“ bezeichnet. Bei der Resozialisierung könnten abweichende Mitglieder von der Gruppe dazu bewegt werden, von einem Austritt abzusehen, bspw., indem Wünsche wie Rollenwechsel berücksichtigt werden. Die Gruppenmitglieder wiederum können sich an die gestellten Erwartungen anpassen und versuchen, die Gruppe von einem Ausschluss abzubringen. Misslingt die Resozialisierung, muss ein Mitglied die Gruppe wahrscheinlich verlassen. Je attraktiver mögliche Alternativgruppen, desto eher wird ein Mitglied freiwillig austreten. Dieser Fall kann häufig im Sportbereich beobachtet werden: Ein Spieler verlässt eine Mannschaft, um zu einem Verein zu wechseln, der ein höheres Gehalt bietet. Manche Teammitglieder entwickeln dagegen über eine hohe Identifikation mit ihrem Verein eine Loyalität, die die Wahrscheinlichkeit sinken lässt, dass sie trotz großer monetärer Anreize ihren Verein verlassen. Auch in dieser Phase kann sowohl die Mitglieder- als auch die Gruppenperspektive betrachtet werden
Ist der Austritt vollzogen, schließt sich die letzte Phase der Gruppensozialisation an: die „Erinnerung“. In dieser Phase bewerten das ehemalige Mitglied und die Gruppe einander rückblickend. Sind die Erinnerungen an die Gruppe schmerzlich, können in Extremfällen Racheakte von dem Ex-Mitglied verübt werden
Gruppenentstehung
Forming
Kennenlernen der Mitglieder
Aufgabe steht nicht im Vordergrund, Konzentration der Mitglieder liegt auf sich und der Gruppe.
Storming
Festigung von Positionen
Rollenvergabe
Widerstände gegen Gruppennormen und Intragruppenkonflikte
Zusammengehörigkeitsgefühl wird noch nicht entwickelt.
Norming
Kohäsion entwickelt sich.
Regeln werden von den Mitgliedern akzeptiert.
Performing
Mitglieder widmen sich der eigentlichen Aufgabe.
Gruppe ist arbeits- und entscheidungsfähig.
Adjourning
Gemeinsame Arbeit wird beendet (Auflösungsprozesse).
Sozialer Einfluss
Normativer Einfluss: beruht auf dem Bedürfnis, sich mit anderen Gruppenmitgliedern in einem harmonischen Verhältnis zu befinden oder soziale Zustimmung zu zeigen. Er kann beobachtet werden, wenn Personen (unabhängig von der Wahrheitsfrage) Konformität bezüglich Erwartungen anderer Gruppenmitglieder zeigen, um Strafe oder Ablehnung zu vermeiden
Informationaler Einfluss: basiert auf dem Bedürfnis, Unsicherheit zu reduzieren. Er zeigt sich darin, dass Personen Informationen von Mitmenschen akzeptieren unter der Annahme, dass die Informationen der Realität entsprechen. Er zeigt sich häufig in Krisensituationen oder wenn andere anwesend sind, die als Experten eingeschätzt werden. Zusätzlich können sowohl informativer als auch normativer Einfluss in mehrdeutigen Situationen beobachtet werden oder wenn ein großes Bedürfnis nach Exaktheit vorliegt
Was ist Compliance?
Wirkweise?
Zeigt eine Person Compliance, kommt sie einer Bitte nach und verändert ihr öffentliches Verhalten hin zur Normgetreue. Diese Verhaltensänderung findet allerdings ohne eine Einstellungsänderung, also ohne eine Veränderung der privaten Ansicht, statt. Die Bitte geht damit einher, dass die Zielperson unter Druck gesetzt wird, dieser nachzukommen
Ein Prinzip, das bei der Compliance relevant ist, ist das Belohnung-Kosten-Verhältnis. Einer Bitte wird eher nachgekommen, wenn die Kosten für die eigene Person gering sind
Mehr- und Minderheitseinfluss
Die Gruppengröße, soziale Unterstützung, Einstimmigkeit und die Kultur können die Entscheidung zur Übernahme der Meinung der Mehrheit beeinflussen (Jonas/Stroebe/Hewstone 2014, S. 287). Im Untersuchungsparadigma von Asch schlossen sich ein Teil der Versuchspersonen einer fehlerhaften Meinung an und zeigten Konformität. Konformität und Beeinflussbarkeit besitzen auch eine hohe Bedeutsamkeit für den Alltag jeder Person (ebd.): Die Meinung und das Verhalten der Mehrheit gelten als eine Art Daumenregel für angemessenes Verhalten. Zusätzlich dient Konformität mit der Mehrheit drei Hauptzielen (Cialdini/Trost 1998):
Das Individuum glaubt, die Realität nun richtig zu sehen.
Dem Individuum wird nun von anderen, die es als positiv beurteilt, mit Akzeptanz begegnet.
Das Individuum vermeidet ein Selbstkonzept, das abweichend von dem Rest der Gruppe ist.
Äußert eine Minderheit ihre Meinung zu einem bestimmten Thema, die der Überzeugung der Mehrheit widerspricht, wird dadurch Aufmerksamkeit auf das Thema gelenkt. In diesem Zuge wird ein Validierungsprozess ausgelöst, also eine inhaltliche Überprüfung der Minderheitsüberzeugungen.
Gruppenpolarisierung
Das Phänomen Gruppenpolarisierung geht auf die Tendenz zurück, in Gruppendiskussionen keinen „Durchschnitt“ der Meinungen zu bilden, sondern eine Entscheidung zugunsten einer extremeren Auffassung zu treffen. Die extremere Auffassung geht zwar in die Richtung der bereits favorisierten Position, übersteigt deren Durchschnitt aber. Die Meinungen der einzelnen Mitglieder zeigen anschließend eine Tendenz in Richtung dieser Entscheidung
Für den Effekt der Gruppenpolarisierung können drei Erklärungsansätze zur Hilfe genommen werden: persuasive Argumente, sozialer Vergleich und Selbstkategorisierung
Persuasive Argumente: Diese Erklärung besagt, dass Gruppenmitglieder in Diskussionen neue Argumente kennenlernen, die eine Konsensauffassung befürworten. Diese Argumente werden aufgrund ihrer Konsistenz mit der dominanten Tendenz als persuasiver (überzeugender) wahrgenommen. Je höher die Anzahl solcher Argumente, desto stärker die Polarisierung der Gruppenmitglieder. Letztendlich unterliegt diesem Phänomen die Annahme, dass die Einstellung des Gruppenmitglieds dadurch bestimmt wird, wie viele Argumente es aus dem Gedächtnis abrufen kann und welche Überzeugungskraft diese besitzen.
Sozialer Vergleich: Hierbei wird die Polarisierung auf normative Einflüsse zurückgeführt. Gruppenmitglieder sind demzufolge bestrebt, nach einem Vergleich mit anderen positiv gesehen zu werden und Zustimmung von anderen zu erfahren. Gruppenmitglieder wollen sich zwar voneinander unterscheiden, aber auf eine sozial erwünschte Weise, weshalb sie schließlich eine noch extremere Position einnehmen als die anderen Gruppenmitglieder.
Selbstkategorisierung: Dieser Ansatz besagt, dass Gruppenpolarisierung darauf basiert, mit der eigenen Gruppe als ähnlich, jedoch als verschieden von Fremdgruppen wahrgenommen werden zu wollen. Das führt dazu, dass die Polarisierung hin zur Eigengruppennorm bei Anwesenheit einer Fremdgruppe zunimmt.
Groupthink
Was ist Groupthink?
Beim Gruppendenken kann eine Extremform des normativen Einflusses betrachtet werden. Janis beschreibt Gruppendenken als „Denkmodus, in den Personen verfallen, wenn sie Mitglied einer hoch kohäsiven Gruppe sind und wenn das Bemühen der Gruppenmitglieder um Einmütigkeit, alternative Wege realistisch zu bewerten, übertönt“.