Foliensatz 3 Flashcards
Geltungsvorrang der BV
-Bundesgesetze müssen verfassungsmässig sein:
- sich auf eine Verfassungsgrundlage stützen
- dürfen keine Normen enthalten, die der Verfassung widersprechen.
> sonst: Gesetz ist verfassungswidrig.
- Art. 190 BV: Die Justiz kann ein verfassungswidriges Bundesgesetz nicht aufheben.
Anwendungsvorrang des Bundesgesetzes vor der BV gibt
- keine Hierarchiefrage, sondern Kompetenzverteilung zwischen Legislative und Judikative, kein Vorrang des Demokratie- vor dem Rechtsstaatsprinzip
- die Frage nach Verfassungsmässigkeit der Gesetze von Anfang an die Politik überprüfen sollte und nicht die Justiz im Nachhinein.
Relativierung der Tragweite von Art.190:
- Anwendungsgebot, aber kein Prüfungsverbot
> Das Bundesgericht kann trotz Art. 190 BV die Verfassungsmässigkeit prüfen und in Urteilserwägungen feststellen - verfassungskonforme Auslegung möglich - Völkerrecht ist nach Art.190 BV genauso massgebend wie Bundesgesetze, zwingendes Völkerrecht steht über der BV, somit über 190 BV
Unselbstständige Verordnungen
= stützen sich auf ein Bundesgesetz
> Geltungsvorrang der BV gilt indirekt
Selbstständige Verordnungen
= stützen sich direkt auf BV
> ihr Geltungsvorrang gilt direkt
unselbstständige und selbständige Verordnungen die auf einem verfassungswidrigen Gesetz basieren
- und sich an die Grenzen der im Gesetz eingeräumten Befugnisse hält), kann nichts gemacht werden (Massgeblichkeit der Bundesgesetze nach 190 bleibt)
- kann etwas getan werden, da 190 BV nicht gilt > muss sich aber an Zweck der BV gehalten haben, darf anderen Verfassungsbestimmungen nicht widersprechen ausser BV ermächtigt zu Abweichungen, zB. Notverordnungen nach Art.185 Abs.3 BV
- Prüfschema zur Beurteilung der Verfassungsmässigkeit unselbstständiger Bundesverordnungen:
- Rechtsanwendung (Wurde die Verordnung auf den Einzelfall richtig angewendet?). nein > Verfügung ungültig. Ja > Normenkontrolle:
- Gewaltenteilung (Hält sich die Verordnung an das Gesetz oder an die Delegationsnorm?) nein > Verfügung ungültig, ja >
- Verfassungsmässigkeit (Hält sich die Verordnung an die Verfassung?). ja > Verfügung gültig, nein >
- Ermächtigung (Ist die Verfassungswidrigkeit der Verordnung im Gesetz selbst angelegt?). nein > Verfügung ungültig, Ja > die Verordnung muss wegen Art. 190BV trotzdem angewendet werden.
Voraussetzungen: Verfassungskonforme Auslegung
- Die auszulegende Norm muss mehrere Deutungen zulassen (offene Normen).
- Wahrscheinlichkeit verfassungsgetreuer Rechtsanwendung: wie hoch Risiko der Verfassungsverletzung, wenn Behörden der verfassungskonformen Auslegung nicht folgen?
> Bedeutung der betroffenen Rechte (existenzielle Rechtsgüter wie Leib und Leben?)
> Umstände der Normanwendung
> Gewicht einer möglichen Rechtsverletzung (Möglichkeit schwerer behördlicher Übergriffe?)
> Wirksamkeit des Rechtsschutzes (rechtzeitiger gerichtlicher Beistand nur mit Mühe zu erreichen?). falls Voraussetzungen bejaht, dann eher nicht verfassungskonform Gericht kann sich auch mit einer Zusicherung der zuständigen Behörden begnügen, die Norm verfassungskonform anzuwenden (schont kantonalen Gesetzgeber) - Grenzen der verfassungskonformen Auslegung: nach 190 BV zwar erlaubt, ausser der Sinn der Norm des Bundesgesetzes stellt klar, dass Gesetzgeber über BV hinweggehen will
Es darf vom klaren Wortlaut abgewichen werden, wenn es triftige Gründe gibt, dass er nicht den wahren Sinn der Norm wiedergibt, insb. wenn der wahre Sinn verfassungskonform ist
>vom wahren Rechtssinn der Norm darf nicht abgewichen werden