Das Konzept der Gesundheitskompetenz Flashcards
Definition Gesundheitskompetenz
Fähigkeit, Gesundheitsinformationen zu finden, zu verstehen, zu beurteilen & anzuwenden, um im Alltag angemessene Entscheidungen zur Gesundheit und dem Gesundheitsverhalten treffen zu können
- Gesundheitskompetenz gehört zur Bildung und umfasst Wissen, Motivation und Handlungsfertigkeiten
- Sie wird Bereichen der Krankheitsbewältigung, der Prävention und der Gesundheitsförderung für sich selbst, für seine Nächsten und für Menschen, für die man Verantwortung trägt, benötigt
- Eine gute Gesundheitskompetenz ermöglicht die Lebensqualität während des ganzen Lebens zu erhalten oder zu verbessern
Was ist Health Literacy?
o … Wissen wo Informationen erhältlich sind
o … Verstehen dieser Informationen
o … Handlungen daraus ableiten und umsetzen können
o … sich im Gesundheitssystem zurechtfinden
o … von Professionellen ernst genommen werden
o … Konsequenzen des eigenen Handelns antizipieren
Warum ist Gesundheitskompetenz so wichtig?
- Positive Effekte auf:
o Gesundheitsbezogene Entscheidungen und Handlungen (z.B. mehr Bewegung)
o Adäquate Nutzung von Angeboten des Gesundheitssystems (z.B. mehr Prävention, weniger Notfallbehandlungen)
o Bessere Gesundheit, weniger chronische Erkrankungen – vor allem im höheren Alter! - Bessere Gesundheit ist u.a. wichtig für…
o Gute schulische Leistungen
o Gesellschaftliche Innovationen, ökonomische Leistungsfähigkeit und nachhaltige Entwicklung
Gesundheitsverhalten – Definitionen
- Gesundheitsoffen (gesundheitsunspezifisch)
o Reaktions- & Verhaltensweisen, die mit Gesundheit & Krankheit zu tun haben
o das je nach Persönlichkeitsstruktur unterschiedl. Verhalten eines Individuums zu gesundheitsrelevanten Fragen - Gesundheitsbezogen (gesundheitsspezifisch)
o Jedes Verhalten, das der Entwicklung und Erhaltung von Gesundheit dient
o Verhalten, Verhaltensmuster, Handlung oder Gewohnheit, die mit der Erhaltung, der Wiederherstellung oder mit der Verbesserung der Gesundheit in Zusammenhang steht
Gesundheitsverhalten – Health Behavior
- Zentrales Forschungsgebiet der Gesundheitspsychologie
- Komplexes Konstrukt
- Schwierigkeiten in der Definition → Gesundheitsbezogene vs. gesundheitsoffene Definitionen
- Funktionalität → Festlegung, ob bestimmtes Verhalten als gesundheitsrelevant/- bezogen zu bezeichnen ist, hängt von seinen Konsequenzen ab
- Carmody (1997) → Health related behavior
o Differenzierung von gesundheitsbezogenem Verhalten in
o Verhalten mit kurzfristiger oder langfristiger, positiver oder negativer und direkter oder indirekter Wirkung
Gesundheitsverhalten nach Lippke & Renneberg (2006)
- Gesundheitsverhalten ist jegliches Verhalten, das…
o die Gesundheit fördert und langfristig erhält
o Schäden und Einschränkungen fernhält und
o die Lebenserwartung verlängert - Gesundheitsverhalten kann auch die Unterlassung eines Risikoverhaltens sein, als wenn Verhaltensweisen, die die Gesundheit gefährden, aufgegeben & reduziert werden
Differenzierungen im Konzept des Gesundheitsverhaltens
- Konsequenzen des Verhaltens: Gesundheitsförderliches vs. Gesundheitsgefährdendes/riskantes GV
- Bewusstheit des Verhaltens: bewusstes/gezieltes vs. implizites/unbewusstes GV
- Dauer/Stabilität des Verhaltens: Aktuelles vs. habituelles/gewohnheitsmäßiges GV
- Art der Wirkung: Direkte/unmittelbare vs. indirekte/mittelbare Wirkung
- Ebenen des GV
o Offenes/beobachtbares vs. verdecktes/nicht beobachtbares GV
o Handlung vs. Gedanken, Einstellungen - Einstellung vs. Handlung: Gesundheitsbezogene Einstellungen vs. Gesundheitsbezogenes Verhaltensweisen
Studie von Breslow & Entstrom
Lebenserwartung bei Ausführung von 4 und mehr gesundheitsbezogenen Verhaltensweisen über 14 Jahre deutlich höher
Determinanten des Gesundheitsverhaltens
- Geschlecht/Geschlechtsrolle (Gender)
- Sozio-ökonomischer Status/Bildung
- Alter
- Ethnische & kulturelle Aspekte
Determinanten für Genderdifferenzen (Brinkmann, 2014)
- Geschlechterrollen-Stereotype: bes. relevant in Jugend & jungem Erwachsenenalter
- Erhöhte Risikobereitschaft bei Männern: Risikojobs, Risikoverhalten, Risikosport
- Unterschiedliche Ernährungsgewohnheiten
o Mädchen/Frauen essen mehr Obst, Gemüse, Milchprodukte, Vollwertnahrung
o Jungen/Männer essen mehr Fleisch, Zucker, Salz und Fett - Unterschiedliche Köper- und Veränderungssensibilität
o Bei Männern reduziert, bei Frauen erhöht
o Bei Männern geringes Körperbewusstsein - Interessen und Orientierung: Männer deutlich geringeres Interesse an gesundheitsrelevanten Themen
Geschlechterrollen und Gesundheitsverhalten
- Die Geschlechtervorstellungen haben eine Funktion für die Identitätsbildung (Selbstkonzept)
- Riskantes Verhalten gilt demnach als „männlich“, z.B. schnelles Autofahren, starkes Trinken, Rauchen, riskante Sportarten, Waffengebrauch, Kampf…
- Alkoholkonsum= „Schlüsselkomponente“ zur Darstellung der männl. Geschlechtsrolle
- Bewusstes Achten auf die Gesundheit wird als unmännlich angesehen
Das Modell der gesundheitlichen Ungleichheit
- Angehörige soz. Unterschichten→erhöhtes gesundheitliches Risiko
- Soz. Ungleichheit geht einher mit erhöhten gesundheitl. Belastungen, schlechterer gesundheitl. Versorgung….
- Gesundheitliche Ungleichheit geht zurück auf soziale Ungleichheit
Arten von Theorien des Gesundheitsverhaltens
- Kontinuierliche Modelle: keine Unterscheidung in Phasen der Entwicklung des gesundheitlichen Verhaltens
o Motivationale Modelle → Furcht-Appell-Theorien
1) Modell gesundheitlicher Überzeugungen (Health-belief-model, HBM)
2) Theorie der Schutzmotivation (Protection Motivation, PM)
o Kognitive Modelle
1) Theorie des geplanten Verhaltens (theory of planned behavior)
2) Sozial-kognitive Theorie des Gesundheitsverhaltens - Diskontinuierliche Modelle/Phasenmodelle
o Volitionale Modelle des Gesundheitsverhaltens
o Transtheoretische Modelle der Verhaltensänderung - Integrative Modelle
Motivationale Modelle → Furcht-Appell-Theorien
- Grundidee: Menschen müssen mit den Risiken und Gefahren ihres Verhaltens konfrontiert und auf diese Weise wachgerüttelt werden, damit sie ihr Verhalten ändern
- Zugrunde liegende „Theorie“: Gesundheitsaufklärung & Gesundheitsinformierung führt zur Ausbildung gesundheitsbezogener Erwartungen/Überzeugungen→ Motivation → Gesundheitsverhalten
Health Belief Modell
- Soll erklären, warum Menschen es unterlassen, sich an präventive Maßnahmen zu halten
- Konzentriert sich auf gesundheitsbezogene Kognition (Bestimmungsfaktor für Gesundheitsverhalten)
- Überzeugungen beziehen sich auf: Anfälligkeit, Schwere, Nutzen von Empfehlungen, Barrieren
- Eines der ältesten Modelle zur Erklärung von Gesundheits-& Risikoverhalten (1950er)
- Menschl. Verhalten wird rational erklärt aus der Tradition der Erwartungs- x-Wert- Modelle
- Entscheidende Variablen:
o Wert eines Ziels
o Wahrscheinlichkeit der Zielerreichung
Grundannahmen des Health Belief Modells
o Bestimmte Verhaltensweisen erhöhen die Wahrscheinlichkeit, eine bestimmte Erkrankung zu bekommen
o Individuelle Verhaltensänderungen können dieses Risiko reduzieren
o Die Überzeugung, dass eine bestimmte Aktivität die Krankheit vermeiden hilft, ist ausschlaggebend für die angenommene Wahrscheinlichkeit der Zielerreichung
o Das Gesundheitsverhalten wird von bewussten Kosten-Nutzen-Überlegungen bestimmt
Faktoren des Health Belief Models
o Erkennbarkeit eines Nutzens und der Effektivität eigenen präventiven Verhaltens („Wenn ich körperlich aktiv bin, verringert sich die Wahrscheinlichkeit, dass ich herzkrank werde.“)
o Bewertung der Gefährlichkeit der Erkrankung
o subjektive Einschätzung der eigenen Krankheitsanfälligkeit (persönliche Gefährdung/Verwundbarkeit)
o Wahrnehmung eigener Einschränkungen und Opfer, die durch das präventive Verhalten bedingt sind (Bilanzierung des Nutzens gegenüber möglichen „Kosten“)
o Glaube an die Effektivität und den Nutzen einer bestimmten Handlung, z.B. medizinische Hilfe
o objektiver Schweregrad der Erkrankung
Theorie der Schutzmotivation/ Protection Motivation Theory (Rogers, 1975)
- Baut auf Health Belief Models auf, versucht aber einige Schwächen zu überwinden:
o Nichtberücksichtigung von Selbstwirksamkeit und
o Intention (=Schutzmotivation) → zentrales Konstrukt (Mediator)
o Stärkere Einbeziehung von Furchtappellen - Berücksichtigung von „Informationsquellen“ → generieren Bedrohungseinschätzung
o Informationen aus der Umwelt/Furchtappelle
o Beobachtungslernen
o Subjektive Überzeugungen
o Persönlichkeitsmerkmale
o Persönliche Erfahrungen
Probleme von Furcht-Appellen
o Unerwünschte Reaktionen werden durch Furchtappelle generiert: Reaktanz, Abwehr/Herunterspielen des Risikos
o Dauer der Effekte: Furchtappelle → eher kurzfristige Reaktionen/Effekt
→ Langfristige Effekte durch Furcht-Appelle kaum erzielbar
o Hohe interindividuelle Variabilität
Grundkonzept kognitiver Modelle
Einstellungen, subjektive Normen & Wahrgenommene Verhaltenskontrolle/ Selbstwirksamkeitserwartung führen zu Intentionsbildung und diese geht dann in Verhalten über
o Intentionalszentraler Mediator
o Intentionsbildung= Handlungsplanung
o Genügend Intention muss vorhanden sein für Verhalten
o Einstellungen spielen wichtige Rolle in der Intentionsbildung (r= .51)
o Subjektiven Normen kommt nicht so hohe Bedeutung bei der Intentionsbildung zu (r=.34)
Grundannahmen des Phasenmodells des Gesundheitsverhaltens
- Verhaltenssteuerung und -änderung ist kein linearer, sondern ein non-linearer, diskontinuierlicher Prozess, der am besten über Phasen der Verhaltensänderung erklärt und beschrieben werden kann
- Die Stadien unterscheiden sich qualitativ voneinander, d.h. Menschen in den unterschiedlichen Stadien sind unterschiedlicher als die sich im gleichen Stadium befindlichen
- Auf die unterschiedlichen Stadien wirken unterschiedliche Faktoren,d.h. Personen reagieren primär auf die in den einzelnen Stadien relevanten Reize
- Sind die passenden Reize erfolgreich, kommt es zu einem Wechsel in das nächste Stadium
→stadienspezifische Interventionen; matched interventions - Der Prozess der Veränderung kann jederzeit unterbrochen werden
Volitionale Modelle des Gesundheitsverhaltens
- Volitionale Modelle
o Fokussierung der Verbindung zwischen Intention und Verhalten
o Prozess der Umsetzung von Intentionen und Plänen in Verhalten - Problemstellung:
o Vergangenes Verhalten erklärt etwa 1⁄4 bis 1/3 zukünftigen Verhaltens
o Intentionen, Ziele, Wünsche erklären meist nur zwischen 7 und 10% des
Verhaltens
→Was erklärt, dass Menschen an ihren Intentionen festhalten und das Verhalten umsetzen? - Modelle
o Rubikon-Modell (Heckhausen, 1989) – das allgemeine motivationstheoret.
o Sozial-kognitives Prozessmodell (Schwarzer, 1992)→= Erweiterung des soz. kog. Modells von Bandura
Integratives Modell
- Health Action Process Approach (HAPA) (Schwarzer, 1992, 2008) → Prozessmodell gesundheitlichen Handelns
Abschließendes Resümee – Theorien des Gesundheitsverhaltens
- Theorien des Gesundheitsverhaltens sind wichtig, um
o GV zu erklären, insbesondere seine Determinanten
o Veränderungen vorherzusagen und
o Interventionen abzuleiten und zu ermöglichen - Unterschiedliche Theorien entwickelt
- Beste Evidenz für lineare/non-lineare Prozessmodelle
o Sozial-kognitives Prozessmodell (HAPA) (Schwarzer, 1992) - Interventionen sollten
o Theoretisch fundiert sein
o Die verschiedenen Stadien und Rahmenbedingungen berücksichtigen
o Nicht zu komplex sein
o Überprüfbar sein - Weiterentwicklungen nötig und sinnvoll, insbesondere
o Prüfungder Generalisierbarkeit der Modelle
o Berücksichtigung von spezifischen Gruppen (Alter, Subpopulationen)