Arbeitsrecht: AGB-Kontrolle und sonstige Probleme der Begründetheit Flashcards
AGB-Kontrolle: allgemein
- AG ist Unternehmer, AN ist Verbraucher (nicht weiter zu problematisieren)
- Lehre der personalen Teilunwirksamkeit von AGB: Klausel ist nur für AN unwirksam, AG bleibt an seine Klausel gebunden (Schutzrichtung der AGB-Kontrolle), anderes ergibt sich allenfalls aus §§ 134, 138 BGB
- tatsächliche Vermutung für AGB iSd § 305 I BGB der Bestimmungen des Arbeitsvertrages, wenn neben den Daten des AN keine individuellen Besonderheiten mehr enthalten sind
- Einmalbedingungen nach § 310 III Nr. 2 BGB:
-> Einflussnahme des AN gegeben = wenn der Verwender die Klausel im Kerninhalt ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verwendungsgegner Gestaltungsspielraum einräumt, damit dieser seine Interessen wahren kann (Verwender muss sich deutlich und ernsthaft zur möglichen Änderungen bereits erklären)
-> wenn Einflussnahmemöglichkeit str.: qualifiziertes Bestreiten des Verwenders erforderlich, wenn Verwendungsgegner seine fehlende EInflussnahmemöglichkeit behauptet
–> Beweis des ersten Anscheins zugunsten des Verwendungsgegners, wenn die Klausel umfangreich und kompliziert ist
AGB-Kontrolle: Besonderheiten im Arbeitsrecht, § 310 IV S. 2 BGB
- Vertragsstrafe ist entgegen § 309 Nr. 6 BGB zulässig
-> § 888 III ZPO verhindert Vollstreckung der Verpflichtung des AN zur Erbringung der Arbeitsleistung
-> AG hat ein Bedürfnis nach Sanktionsinstrumenten, um AN zu Arbeitsleistung anzuhalten
AGB-Kontrolle: Ausschlussfristen (Verfallsfristen)
- materiell-rechtlich wird das Erlöschen des Anspruchs bewirkt (keine Verjährungsabrede)
- Abweichung vom Verjährungsrecht (§ 307 II Nr. 1 BGB)
- Unangemessene Benachteiligung
-> nur für AN
-> unter 3 Monaten ab Fälligkeit
-> bei Zweistufigkeit (außergerichtliche und gerichtliche Geltendmachung): jede Stufe muss mindestens 3 Monate lang sein - Verstoß gegen § 202 BGB, soweit auch SEA aus Vorsatz umfasst sind (§ 134 BGB)
- Verstoß gegen Transparenzgebot, wenn entgegen § 3 S. 1 MiLoG auch gesetzlicher Mindestlohn umfasst ist bzw. dieser nicht aus Anwendungsbereich der Klausel ausgenommen ist (“irreführende Täuschung über wahre Rechtslage”)
- bei vorgerichtlichen Vergleichsverhandlungen: Verfallsfrist ist gem. § 203 S. 1 BGB analog gehemmt
AGB-Kontrolle: Klageverzichtsvereinbarungen
- unangemessene Benachteiligung nach § 307 I S. 1 BGB, wenn AN für seinen Verzicht auf Kündigungsschutz keine Kompensation erhält
-> Kompensation muss angemessene Gegenleistung sein
–> idR Abfindung unangemessen, wenn sie deutlich unter § 1a II KSchG liegt (0,5 Monatsverdienste pro Jahr des Bestehens des AV)
–> Erteilung eines Zeugnisses unangemessen (Anspruch besteht ohnehin)
–> Nichtaussprechen einer fristlosen Kündigung, wenn ein verständiger AG diese in der konkreten Situation ohnehin nicht erwogen hätte
AGB-Kontrolle: Fortbildungskosten
- Rückzahlung von vorgestreckten Fortbildungskosten an den AG
-> grds. zulässig, da AG von AN erwarten darf, die vertragliche Arbeitsleistung ohne Weiteres zu erbringen (Risikosphäre des AN)
-> weitere Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten geht über den Aufwand von Austausch von Leistung und Gegenleistung im AV hinaus
-> Interessenabwägung v.a. danach, ob AN mit der Fortbildung einen geldwerten Vorteil erlangt (insb. Verwertung außerhalb des Beschäftigungsbetriebs, etwa Förderung der allgemeinen Karrierechancen) oder ob es vor allem um innerbetrieblichen Nutzen geht - Klauseln mit “Bleibedruck” (Rückzahlung ist abhängig von weiterem Verbleib im Betrieb): nur dann angemessen, wenn es der AN selbst in der Hand hat, durch eigene Betriebstreue der Rückzahlungsverpflichtung zu entgehen (unangemessen, wenn Klausel auch ausbleibenden Verbleib wegen Kündigung durch AG bzw AG-veranlasst umfasst)
-> Bleibedruck kann auch darin bestehen, Lohnfortzahlung wieder zurückzahlen zu müssen (-> zeitliche Grenzen des BAG: Grüneberg § 611 Rn. 94)
AGB-Kontrolle: Sonderzahlungen
- soweit ausdrücklich arbeitsvertraglich vereinbart
- abhängig davon, ob Sonderzahlung mit Entgeltcharakter (Gegenleistung für die vom AN im Bezugsraum geleistete Artbeit, bspw. 13 Monatgehalt oder umsatz/gewinnabhängiger Bonus) oder Sonderzahlung zur Belohnung der Betriebstreue (rein wegen Bestehen des AV, bspw. Jubiläumszahlung)
- Sonderzahlung mit Entgeltcharakter
-> wird zeitanteilig im Lauf des Jahres erarbeitet
-> bereits anteilig erarbeiteter Teil darf nicht genommen werden
-> daher idR starre Stichtagsregelungen unangemessen - Sonderzahlung ohne Entgeltcharakter
-> grds. sind Stichtags- und Rückzahlungsklauseln nicht unangemessen
–> Dauer der Bindung durch Rückzahlungsklausel: vgl. Grüneberg § 611 Rn. 90
AGB-Kontrolle: Überstunden
= die über den vertraglich geschuldeten Umfang hinaus geleistete Arbeitszeit
-> (-) bei Arbeitsweg (es sei den Außendienst), (+) ggf. bei Umkleidezeit oder Reisezeit
- Überstundenvergütung nach § 612 I BGB
- Darlegungslast des AN:
1. Tage und Zeiten der Überstunden
2. Normalarbeitszeit
3. Nachweis der Arbeit an sich
4. Konkrete Tätigkeiten
5. Mehrarbeit war vom AG angeordndet, gebilligt, geduldet oder war jedenfalls zur Erledigung der geschuldeten Arbeit erforderlich - Transparenzverstoß: wenn mit Vergütung auch “erforderliche Überstunden” abgegolten werden (Transparenzgebot gilt auch für Hauptleistungspflichten, § 307 III S. 2 iVm § 307 I)
-> aber: wenn genau beziffert, ist es nicht Aufgabe des Gerichts, den gerechten Preis zu ermitteln (keine AGB-Kontrolle wegen Hauptleistungspflicht)
-> § 138 BGB: wenn Arbeitsvergütung nicht einmal zwei Drittel eines in der betreffenden Branche üblicherweise gezahlten Tarifentgelts erreicht
-> Verstoß gegen § 3 S. 1 MiLoG
Sonstige Probleme: Annahmeverzug
- lex specialis hinsichtlich
-> § 326 II S. 1 Var. 2 (Annahmeverzug des Gläubigers) - > § 326 II S. 1 Var. 1 (zu verantwortende Unmöglichkeit), soweit es um den Wegfall des Leistungssubstrats geht (-> hier: kein Verantwortlichkeit erforderlich!)
-> keine eigene AGL, sondern Anspruchserhaltungsnorm (zu § 611a II BGB) - Annahmeverzug
-> § 294 BGB: Arbeitskraft wird in eigener Person, zur rechten Zeit, am rechten Ort und on der rechten Weise angeboten
–> AN außerstande, vertragsgemäße Leistung zu erbringen: kein Annahmeverzug (§ 297 BGB)
–> streikender AN ist leistungsunwillig
-> Streit um Bestehen des AV: nach § 295 BGB genügt wörtliches Angebot des AN, da AG mit Berufung auf Ende des AV erklärt, er werde keine weitere Leistung des AN mehr annehmen (ausdrücklich durch AN oder auch konkludent durch Bestandsschutzklage)
-> Kündigungsschutzprozess (Arbeitnehmer arbeitet nach Kündigung nicht mehr, gewinnt jedoch Kündigungsschutzprozess):
1. Arbeitnehmer leistungsfähig, § 297 BGB
2. Arbeitgeber nimmt Leistung nicht an, § 293 BGB
3. Kein Angebot erforderlich, BAG (Kündigungsaussprache als Erklärung, Leistung nicht annehmen zu wollen - Gedanke des § 296 Nr. 1 - bzw. kalendermäßig bestimmte Mitwirkungshandlung liegt mit der fehlenden Zurverfügungstellung eines Arbeitsplatzes nicht vor, § 296 Nr. 1)
4. Kein Ausschluss nach § 242 BGB (bei ungewöhnlich schweren Verstößen des AN und daraus folgender unmittelbarer und nachhaltiger Gefährdung strafrechtlich geschützter Interessen)
- Ausschluss/Anrechnung nach § 615 S. 2 BGB
-> spezielle Vorschrift des § 11 KSchG (bei gerichtlicher Entscheidung)
Sonstige Probleme: Verteilung des Betriebsrisikos, § 615 S. 3 BGB
= wenn Arbeitgeber ohne eigenes Verschulden den Arbeitnehmer aus betriebstechnischen Gründen nicht beschäftigen kann (will Leistung annehmen, kann aber nicht)
- früher: § 615 regelt nur Annahmeunwilligkeit; Lehre vom Betriebsrisiko (BAG) iVm allgemeinem Schuldrecht regelte Annahmeunmöglichkeit
- heute: § 615 S. 3 gibt einen Rechtsfolgenverweis auf S. 1, 2 - Rechtsgrund (“in den Fällen des Betriebsrisikos”) durch Figuren der Betriebsrisikolehre zu bestimmen, i.e. Umstände aus der Risikosphäre des Arbeitgebers
> Versagen von Betriebsmitteln
> äußere Einwirkungen („höhere Gewalt“)
> Betriebsunterbrechungen aufgrund behördlicher Anordnung
Ausnahme: wenn bei einer Lohnfortzahlung die Existenz des Betriebs bedroht wäre oder wenn ein Betrieb ein besonderes Risiko wegen der gewählten Produktionsmethoden des AG trifft
Sonstige Probleme: Auflösungsantrag, § 9 KSchG
- Voraussetzung: Kündigung ist sozialwidrig iSd § 1 KSchG (und AV besteht zum Auflösungszeitpunkt noch, § 9 II KSchG)
- AN stellt Antrag: weitere Unwirksamkeitsgründe der Kündigung sind unschädlich
-> nicht zuzumuten, wenn der AG ihn anlässlich der Kündigung oder im KSchP diskriminiert, schikaniert oder sonst unzumutbar nachteilig behandelt - AG stellt Antrag: nicht aus anderen Gründen unwirksam
-> weitere zweckdienliche Zusammenarbeit nicht zu erwarten, wenn die objektive Lage die Besorgnis rechtfertigt, dass die weitere gedeihliche Zusammenarbeit mit dem AN gefährdet ist
-> nicht bei außerordentlicher Kündigung möglich, § 13 I S. 3 KSchG - Maßstab unter 2/3: streng, da KSchG kein Abfindungs-, sondern ein Bestandsschutzgesetz ist
Sonstige Probleme: Aufwendungsersatz
- § 670 BGB analog
-> auch Sachschäden, wenn sie dem Betriebsrisiko des AG zuzuordnen sind (bspw. Unfallschaden bei Einsatz des privaten Kfz mit Billigung des AG bei Auslieferung von Ware) - Herausgabeanspruch des AG entsprechend § 677 BGBbeck
Sonstige Probleme: Betriebsübergang
- Übergang eines Betriebs oder Betriebsteils
a) Betrieb oder Betriebsteil
aa) Betrieb: Wirtschaftliche Einheit (EU-Richtlinie)
bb) Betriebsteil: Abgrenzbare Einheit des Betriebs
b) Übergang
aa) Übernahme sächlicher oder immaterieller Betriebsmittel
bb) Übernahme einer Gesamtheit von Arbeitnehmern
cc) Abgrenzung einzelner Übernahmen: vgl. Grüneberg § 613a Rn. 11 - Übergang auf einen anderen Inhaber: maßgeblich ist allein der Wechsel des Rechtsträgers
- > auch zwischen Konzernunternehmen
- > auch, wenn Kfm Betrieb auf GmbH überträgt, an der er 100% der Anteile hält - Übergang durch Rechtsgeschäft
- > RLkonform auch durch Gesetz oder sonstigen Hoheitsakt (legal transfer)
- > Universalsukzession (v.a. § 1922 I) nicht erfasst
- > keine unmittelbare vertragliche Beziehung erforderlich; auch durch Einschaltung eines Dritten möglich - Kein Widerspruch nach § 613a VI
- > Rechtsfolge des Widerspruchs: Weiterbeschäftigung, hier aber nach § 613a IV 1 BGB betriebsbedingte Kündigung wegen Wegfall des Arbeitsplatzes möglich - Rechtsfolge
a. Vertragsübergang kraft Gesetz, § 613a I S. 1
b. Kollektivrechtliche Folgen nach § 613a I 2–4 BGB
c. Haftungsrechtliche Folgen nach § 613a II, III BGB
d. Beschränktes Kündigungsverbot nach § 613a IV BGB
-> Aufhebungsvertrag nicht erfasst (!), aber nicht bei Umgehungskonstellation (Aufhebung und gleichzeitige Vereinbarung eines AV im “neuen” Betrieb, § 134 BGB iVm § 613a BGB)
Sonstige Probleme: Betriebsübergang: während des laufenden KSchP
- wenn AN und ehemaliger AG Vergleich abschließen, um KSchP zu beenden
- dann will AN Prozess mit Argument weiterführen, der Vergleich wirke nur inter partes: (-)
-> ehemaliger AG analog § 265 II 1 ZPO prozessführungsbefugt
-> kann auch für Rechtsnachfolger nach eA bindende Prozessvergleiche abschließen
-> neuer AG kann jedenfalls Vergleich nach §§ 177 I, 182 II BGB konkludent genehmigen
–> Vergleich wirkt auch ihm ggü, AV ist rückwirkend beendet und Klage abzuweisen
Sonstige Probleme: Datenschutz
- Beweisverwertungsverbot: Abhängig von der Zulässigkeit der Datenverarbeitung
-> § 286 ZPO anhand von informationellem Selbstbestimmungsrecht verfassungskonform auszulegen - Videoüberwachung durch AG (BAG): konkreter Verdacht auf Straftat oder vergleichbar schweren Verstoß und kein milderes Mittel zur Aufklärung des Verdachts mehr möglich
-> auch für Einsatz von Privatdetektiv
-> wenn unzulässig: SEA des AN
Sonstige Probleme: Diskriminierung (AGG): AGG-Verstoß
I. Anwendbarkeit des AGG
- Sachlicher Anwendungsbereich, § 2 I AGG
- Kein Vorrang anderer Gesetze, § 2 II–IV AGG
- Persönlicher Anwendungsbereich der §§ 7–18 AGG, § 6 AGG
-> auch Bewerber, § 6 I S. 2 AGG
II. Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 I AGG
- Benachteiligungsgründe, §§ 1, 4 AGG
- Benachteiligungsformen, § 3 AGG
a) Unmittelbare Benachteiligung (§ 3 I AGG)
b) Mittelbare Benachteiligung (§ 3 II Hs. 1 AGG)
c) Belästigung (§ 3 III AGG)
d) Sexuelle Belästigung (§ 3 IV AGG)
e) Anweisung zur Benachteiligung (§ 3 V AGG) - Keine Rechtfertigung gemäß § 3 II Hs. 2 AGG oder §§ 8–10 AGG (eng auszulegen)
a) Allgemeiner Rechtfertigungsgrund: § 8 AGG
b) Bezüglich Religion oder Weltanschauung: § 9 AGG
c) Bezüglich des Alters: § 10 AGG