3. Zur Genese der Subjektivität in der (frühen) Kindheit aus Sicht der empirischen Säuglings- und Kleinkindforschung Flashcards

1
Q

Skizziere das Bild des Säuglings wie man es früher betrachtet hat und wie man es heute sieht.

A

Früher: der passive, abhängige, wahrnehmungsdiffus-verschmolzene Säugling

Heute: der aktive bzw. „kompetente“ Säugling (Drei zentrale Kompetenzbereiche: Wahrnehmungsfähigkeit, Affektregulation und Affekthaushalt, Kommunikationsfähigkeit)

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2
Q

Was besagt die Theorie der Momente?

A

Annahme: Psychoanalytische Entwicklungstheorien haben

bestimmte Momente des Erlebens von Säuglingen dramatisiert;

und diese Momente überbewertet, indem sie diese zu weitreichenden Entwicklungsthemen erklärt haben.

Momente, in denen sich Säuglinge etwa oral-fixiert, symbiotisch-verschmolzen oder paranoid-schizoid verfolgt erleben,

kommen in jedem (Säuglings-)Leben vor

erlangen aber erst durch „interaktionelle Vergrößerung“ entwicklungspsychologische oder klinische Relevanz

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3
Q

Was ist die Grundannahme von Bindung(stheorien)?

A

Universelles menschliches Bedürfnis (Motivation) nach engen affektiven Bindungen, das sich vor allem in Gefahrensituationen zeigt
Bindung stellt eine besondere Art von Bezogenheit dar und
veranlasst das Kleinkind, im Fall von objektiv vorhandener oder subjektiv erlebter Gefahr (Angst, Schmerz, Bedrohung, …) Nähe und damit Schutz bzw. Beruhigung bei seinen Bindungspersonen zu suchen

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4
Q

Nenne zwei schillernde Figuren der Bindungstheorie.

A

John Bowlby,

Mary Ainsworth

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5
Q

Was versteht man unter einem Bindungssystem?

A

Bindungssystem ist

als Motivationssystem relativ unabhängig von sexuellen oder aggressiven Triebbedürfnissen

genetisch vorgeprägt und bei allen Primatenkindern – besonders aber beim Menschen – zu finden ist (biologischer Fokus der Bindungstheorie)

weniger von der Quantität, sondern vielmehr von der Qualität der Interaktion im ersten Lebensjahr abhängig

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6
Q

Was ist Bindung?

A

Bindung ist ein theoretisches Konstrukt und stellt die innere Organisation des Bindungsverhaltenssystems und der zugehörigen Gefühle dar

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7
Q

Was ist Bindungsverhalten?

A

Bindungsverhalten ist eine Klasse von variablen und austauschbaren Verhaltensweisen oder Signalen, die das Kind mit seiner Bindungsperson in Verbindung bringen sollen (Weinen etc.).

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8
Q

Die Signale im Dienste der Bindung werden nur dann geäußert, wenn…..?

A

wenn das Bindungsverhaltenssystem aktiviert wird, z.B. wenn das Kind Angst, Schmerz, Müdigkeit etc. empfindet.

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9
Q

Skizziere inwiefern das Konzept der Bindung Hinweise darauf liefern kann warum Vernachlässigung mit kognitiven Defiziten einhergehen kann.

A

Neugier und Lernen kann nur entstehen, wenn das Grundbedürfnis nach Bindung und Sicherheit erfüllt ist, demnach können Kinder ohne die secure base ihre Umwelt nicht so gut erkunden und sich kognitiv nicht so gut entwickeln wie Kinder mit einer secure base, von der aus diese Kinder ihre Umwelt explorieren können

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10
Q

Welche Punkte beinhaltet die Mütterliche/Elterliche Feinfühligkeit als zentrale Voraussetzung zur Entwicklung sicherer Bindung?

A

die Wahrnehmung der Verhaltensweisen des Säuglings

die zutreffende Interpretation seiner Äußerungen

die prompte Reaktion darauf

die Angemessenheit der Reaktion

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11
Q

Nenne vier Auswirkungen/Entwicklungsfolgen von Bindungserfahrungen

A

Unterschiede in der Bindungssicherheit hat langfristige Folgen für die Entwicklung

Bindungserfahrungen führen zur Repräsentanzenbildung („inner working models“), die als Prototypen – im Sinne von Erwartungshaltungen – für spätere soziale Beziehungen dienen

Bindungssicherheit nimmt vor allem Einfluss auf Affektregulation (Zusammenhang Lernen)

Bindungsbeziehungen sind verhältnismäßig stabil, wenngleich zu einem gewissen Grad plastisch

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12
Q

Definiere die sichere Bindung Typ B. Skizziere das Verhalten in der Testsituation (Fremde Situation)

A

Kinder, die Nähe und Distanz angemessen regulieren können.
Verhalten in Testsituation:

kurzfristig irritiert und weinen meist, wenn die Bezugsperson den Raum verlässt

lassen sich von der Testerin trösten und beruhigen sich schnell

spielen auch mit der Testerin

laufen Bezugsperson bei Wiederkehr entgegen und begrüßen diese freudig

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13
Q

Definiere Unsicher vermeidende Bindung (Typ A). Skizziere das Verhalten in der Testsituation.

A

Kinder, die ein Pseudounabhängigkeit und auffälliges Kontakt-vermeidungsverhalten zeigen. Beschäftigen sich primär mit Spielzeug im Sinne einer Copingstrategie.

Verhalten in Testsituation:

wirken bei Trennung meist unbeeindruckt

spielen auffallend für sich allein

bemerken Bezugsperson bei Wiederkehr kaum und scheinen durch ignorantes Verhalten Ablehnung zu signalisieren

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14
Q

Adult Attachment Interview (AAI)

Was kennzeichnet Autonome Bindungseinstellung [„free-autonomous“ oder „F“]: ?

A

Bindungspersonen

mit Selbstvertrauen, Frustrationstoleranz, Respekt, Empathiefähigkeit

ist sich negativer und positiver Affekte und Einstellungen gegenüber Bindungspersonen bewusst

kaum unbewusste Identifikationen mit Eltern

eigene Eltern-Kind-Beziehung wird realistisch betrachte (keine Idealisierungen)

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15
Q

Adult Attachment Interview (AAI)

Was kennzeichnet Distanziert-beziehungsabweisende Bindungseinstellung [„dismissing“ oder mit „Ds“]:

A

können sich kaum an ihre eigene Kindheit erinnern [viel verdrängt]
idealisieren eigene Eltern und deren Erziehungsmethoden; meist können aber keine konkreten Situationen aufgezählt werden, welche diese Idealisierung rechtfertigen
berichten zwischen den Zeilen von mangelnder elterlicher Unterstützung und Zurückweisung
verleugnen die Bedeutung ihrer eigenen Erfahrungen mit den Eltern
großes Unabhängigkeitsbestreben
setzten eigene Kinder unter Leistungsdruck und forcieren deren Unabhängigkeit

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16
Q

Adult Attachment Interview (AAI)

Was kennzeichnet Präokkupierte, verstrickte Bindungseinstellung [„entangled-enmeshed“ oder „E“]

A

werden von Erinnerungen an die eigene Kindheit überflutet
unverarbeitete Probleme und Konflikte in Beziehung zur eigenen Bindungsperson
Pendeln zwischen Gefühlen wie Wut und Idealisierung
Sehnsucht nach Abhängigkeit und Wiedergutmachung
Kinder „schwacher Mütter“
gehemmt in Unabhängigkeitsstreben (Schuldgefühle)

17
Q

Adult Attachment Interview (AAI)

Was kennzeichnet Von unverarbeitetem Objektverlust beeinflusste Bindungseinstellung [„unresolved“ oder „U“]

A

unverarbeiteter Trauerprozess oder nicht verarbeitete Erfahrungen von Misshandlung oder sexuellem Missbrauch

Bindungsperson war zugleich häufig Quelle der Angst

18
Q

Skizziere den Wandel der Vaterforschung.

A

Vaterforschung noch ein verhältnismäßig junges Gebiet
Lange Zeit wurde vorwiegend der pathologische Einfluss von Vätern auf die kindliche Entwicklung fokussiert (Alkoholismus, Gewalt, Vernachlässigung)„Fathers are both understudied and overblamed“
Heute zusehends Perspektive auf den distinktiven positiven Einfluss des Vaters auf die kindliche Entwicklung

19
Q

Nenne drei Phasen der Vaterforschung

A

Phase 1: Peripherer Status des Vaters (Defizitmodell 1)
Phase 2: Der Vater im Vergleich zur Mutter (Defizitmodell 2)
Phase 3: Distinktive Charakteristika des Vaters

20
Q

Skizziere distinktive Aspekte des Vater I

A

Im Vergleich zu Müttern gehen Väter ab den ersten Lebenstagen signifikant qualitativ anders mit ihren Kindern um. Sie legen mehr Gewicht auf die …

Betonung von Spiel- und Freizeitaktivitäten mit starkem Fokus auf den Körper und die Motorik des Kindes

Förderung von Selbständigkeit und Individuation des Kindes

Akzentuierung des Geschlechts des Kindes (Spielaktivitäten mit Töchtern sind sanfter, unterstützender, weicher und vermeintlich weibliche Eigenschaften werden attribuiert. Mit Jungen wird wilder, strenger und direkter gespielt)

Stimulierung und affektivem Arousal (Väter gestalten selbst Pflege- und Fütterhandlungen „aufregend“; „Secure excitment“ [Snarey 1993])

Mütter sozialisieren ihre Kinder tendenziell eher in Richtung expressiver Funktionen („face to face“), Väter tendenziell in Richtung instrumenteller Funktionen („side by side“) (Seiffge-Krenke 2004, S. 209)

21
Q

Skizziere distinktive Aspekte des Vaters II

A

Vater-Bindung vs. Mutter-Bindung: Bindung zum Vater ist nicht wie von Bowlby ursprünglich angenommen sekundär, sondern anders

Strange-Situation im „Trilog“: Spielfeinfühligkeit des Vaters ist für den langfristigen Aufbau von sicheren inneren Arbeitsmodellen und Repräsentanzen ebenso bedeutsam, wie die mütterliche Bindungsfeinfühligkeit (Spielfeinfühligkeit: aktive, affektive Beteiligung am Spiel, die eine angemessene Herausforderung – keine Überstimulation – beinhaltet. Neugier, Exploration und Angst müssen unter Rücksicht auf Entwicklungsstand ausbalanciert sein)

22
Q

Was sind Kennzeichen der Spieleinfühligkeit beim Vater?

A

„Bei Ängstlichkeit Zuversicht vermitteln
Neugier in kompetentes Handeln verwandeln
Während der Kooperation neue, machbare Ideen anbieten
Werke des Kindes durch Bezeichnung ihrer Bedeutung aufwerten
Loben
Lehren und vormachen, was das Kind begreifen kann
Erreichbare Ziele setzen
Angemessene Verhaltensregeln erwarten und einfordern.“

23
Q

Was versteht man unter Kamikaze Play?

A

„Kamikaze-Play“ – der „aufregende“ und zugleich regulierende Vater (Sprechrate und Erklärungsverhalten in Angstsituationen)

24
Q

Die jüngere Psychoanalyse betont vor allem die Bedeutung des Vaters für die frühe Triangulierung (Abelin)
Auf was nimmt frühe Triangulierung Einfluss?

A

die Ablösung und Individuation („Körper für zwei“)
die Entwicklung von Symbolisierungs- und Mentalisierungsfähigkeit (Intersubjektivität)
Auf die Affektregulation und
auf Lernen im Allgemeinen (Bezug auf eine „Drittes“)