(3) Interviewereffekte in der quantitativen & qualitativen Sozialforschung Flashcards
Definition von Interviewereffekten
Die Effekte, die durch die Anwesenheit des Interviewers, die Wahrnehmung seiner Merkmale oder seines Verhaltens entstehen.
Einflussnehmende Faktoren des Interviewers
- Verhalten des Interviewers (Fälschung, Interviewstil, Kompetenz, …)
- Primäre Einflussfaktoren (Geschlecht, Alter, Stimme, …)
- Sekundäre Einflussfaktoren (Bildung, Erfahrung, Erwartung, Einstellung, …)
Primäre Faktoren
Sichtbare Merkmale des Interviewers:
• Hautfarbe, Geschlecht, Alter, …
=> äußere Merkmale insbesondere dann wirksam, wenn sie im Bezug zur Thematik des Fragebogens stehen
=> Ergebnisse bei sensiblen Fragen umso weniger verzerrt, je geringer die soziale Distanz zwischen Interviewern und Befragten
Latente Merkmale
Nicht direkt beobachtbare und messbare Merkmale, die das Antwortverhalten von Befragten unbewusst beeinflussen
-> v.a. Einstellungen und Erwartungen des Interviewers: Bildung, Intelligenz, Weltbild, Werte,…
=> Meinungen des Interviewers besonders wirksam, wenn die Priorität des Fragethemas für den Interviewer hoch und für den Befragten niedrig ist
-> v.a. bei politischen Inhalt der Fragen
Soziale Erwünschtheit
Tendenz, das tatsächliche Verhalten/Meinung zugunsten des allg. sozial erwarteten Verhaltens/Meinung zu verzerren
=> Bestreben, sich dem Gegenüber positiv zu präsentieren
- Positiv besetzte Eigenschaft => überbewertet
- Negativ besetzte Eigenschaft => unterbewertet
=> Sensitive Fragen: Fragen, die Merkmale oder Verhaltensweisen beschreiben, die als sozial nicht wünschenswert gelten => tendenziell unterbewertet (z.B. Gewicht, Krankheiten, Drogen, Alkohol,…)
=> Fragen, die auf sozial erwünschte Merkmale oder Verhaltensweisen => tendenziell überbewertet (z.B. Buchlektüre, Spendenverhalten, Ehrenamt)
Gegenmaßnahmen für Soziale Erwünschtheit
- Möglichst neutrale Formulierungen
- Gegenteilige Strategien suggestiver Fragen
- Antwort in Kuvert verschließen
- Randomized-Response-Technik zur vollständigen Anonymisierung
Wie beeinflusst die Interviewsituation (Zeit/Ort) die Befragung?
Interviewort: • natürliche Umgebung => Lebenswelt der Befragten • ruhig und ungestört • vom Thema abhängig => Bsp.: Wohnzufriedenheit
Zeitpunkt der Befragung:
• Zeitdruck
• Arbeit
=> Bsp.: Interview während eines Fußballspiels
Was beeinflusst die Interviewsituation neben Zeit und Ort noch?
Anwesenheit Dritter führen zu:
• Modifizierung der Situationsdefinition von Interviewern und Befragtem
• veränderten Erwartungshaltungen
• Verschiebung des Kontextes der Fragen
-> Unterschiede im Antwortverhalten besonders bei:
• Fragen, die sozial erwünschte Antworten auslösen
• sensiblen Themen
• besonders problematischen Befragungen
-> ABER: positiver Effekt, wenn dritte Person Kontrollfunktion einnimmt bsp. Gehalt
Welche 3 Möglichkeiten der Fälschung hat der Interviewer?
Fälschungen sind der extremste Interviewereffekt!
• Totalfälschungen
• Teilfälschungen
• Befragung der falschen Zielperson
Was sind Totalfälschungen?
Vollständiges Ausfüllen des Fragebogens durch den Interviewer (keine Kontaktaufnahme mit Zielperson)
• Orientierung an Stereotypen
• Rein zufälliges Ausfüllen
• Schwer Erreichbare als Verweigerer klassifizieren
=> Nutzen: Kostenersparnis
=> Schwierigste Fälschungsart und leicht aufzudecken
Was sind Teilfälschungen?
Teilweise Ausfüllen des Fragebogens durch den Interviewer (Zielperson wird aufgesucht
• Grundlegendes wird abgefragt, Einstellungen vom Interviewer beantwortet
• Oder: Auslassen von Fragen und Überspringen von Filterfragen
=> Nutzen: Verkürzung des Interviews und Zeitersparnis
Drei Prinzipien nach Dorsch (1994):
- Kernfragen stellen
- Kontakte sichern
- Bögen am heimischen Schreibtisch vervollständigen
=> Leichtere Durchführung, häufigste Fälschungsart und schwer aufzudecken
Was ist mit Befragung falscher Zielpersonen gemeint?
-> Kontaktierung nicht vorgesehener Haushalte (bevorzugt leicht erreichbare, zentral gelegene Haushalte in sicherer Gegend)
-> Befragung nicht vorgesehener Personen (bevorzugt zu der Zeit anwesende Personen)
=> Nutzen: Zeitersparnis und geringer Aufwand
=> leichteste Durchführung & geringer Aufwand für den Interviewer und schwer nachzuweisen
Wie können diese Effekte (Fälschung) minimiert werden?
- Neutrale Frageformulierung -> wenig Interpretationsspielraum
- Geringer Workload für Interviewer
- Einsatz von Randomized Response Technik
- Interviewertraining
- Verhinderung der Intervention der Dritten
- Bezahlung unabhängig von Dauer der Interviews
Wie können Interviewer kontrolliert werden?
-> Ziel: Aufdeckung von Fälschungen
• Wiederholte Befragung zentraler Fragen durch andere Interviewer
• Ausgabe von nicht existierenden Adressen oder Adressen von anderen Mitarbeitern der Erhebungsorganisation
• Kontrolle durch auffällig hohe Ausfallquoten
• Vergleich der Daten aus dem Interview und dem Melderegister
2 Prinzipien wichtig:
• Jeder Interviewer muss zumindest einmal pro Feldzeit kontrolliert werden
• Kontrolle muss für Interviewer unvorhersehbar sein
Qualität einer Befragung:
• Längere Feldzeiten
• Angemessene Bezahlung und Schulung des Interviewers