3/4 (Verwaltungsakt IV: Aufhebung von Verwaltungsakten, §§ 48–50 VwVfG; Wiederaufgreifen des Verfahrens, § 51 VwVfG ) Flashcards

1
Q

Prüfung der Rechtmäßigkeit der Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts

A

I. Ermächtigungsgrundlage (gibt es spezielle gesetzliche Regelungen?)
-> ansonsten: § 48 I 1 als EGL

II. Formelle Rechtmäßigkeit der Rücknahme

  1. Zuständigkeit der Behörde
  2. Beachtung der Verfahrensvorschriften, insbes. der Anhörung gem. § 28 I VwVfG (ggf Heilung)
  3. Richtige Form, insbes. Begründung gem. § 39 I 1 VwVfG

III. Materielle Rechtmäßigkeit der Rücknahme

  1. Voraussetzungen des § 48 VwVfG
    a) Rechtwidrigkeit des VA, der aufgehoben wird
    - > hier: ggf. vollständige Inzidentprüfung der formellen und materiellen Rechtmäßigkeit des ursprgl. Verwaltungsaktes
    b) Vereinbarkeit mit § 48 I 2, II, III VwVfG (Vertrauensschutz)
    c) Einhalten der Rücknahmefrist
  2. Vereinbarkeit des VA mit sonstigem Recht
  3. Fehlerfreie Ermessensausübung
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2
Q

Prüfung: Vertrauensschutz, § 48 II VwVfG

A
  1. Tatsächliches Vertrauen
  2. Ausschlussgrund, S. 3
  3. Schutzwürdiges Vertrauen durch Verbrauch
  4. Überwiegen des Vertrauensinteresses
    -> Auswirkungen auf Begünstigten
    -> Folgen der Nichtrücknahme für Allgemeinheit
    -> Art und Zustandekommen des VA
    -> Schwere der RW
    -> verstrichene Zeit
    (–> beachte: keine Verhältnismäßigkeitsprüfung)

-> Diff: Differenzierte Rücknahme möglich (“soweit das Vertrauen des Begünstigten reicht”, insb. ex tunc vs. ex nunc Aufhebung)

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3
Q

P: Beginn des Jahresfrist bei § 48 IV VwVfG

A
  • eA: sobald Behörde die zutreffenden Tatsachen kennt (-> bei Rechtsanwendungsfehlern bereits mit Erlass des VA) (frühere M des BVerwG) (engste, bürgerfreundlichste Auffassung)
  • aA: bei Kenntnis von der Rechtswidrigkeit des VA (-> § 48 IV als Bearbeitungsfrist) (hLit)
    pro: Rechtssicherheit, passt am besten zu Wortlaut und Telos
  • wA: erst wenn alle Tatsachen aufgeklärt wurden (-> Entscheidungsfrist) (Großer Senat des BVerwG) (weiteste, behördenfreundliche Auffassung)
    pro: umfassende Grundlage für Bearbeitung nötig
    con: Frist beginnt eigentlich erst, wenn Behördenermittlungen abgeschlossen sind -> sehr weite Auslegung
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4
Q

P: Auf wessen Kenntnis ist bei § 48 IV abzustellen?

A
  • eA: Behörde (hLit)
    pro: Sache der behördeninternen Organisation, für funktionierenden Informationsfluss zu sorgen
  • aA: zuständiger Amtswalter (Großer Senat des BVerwG)
    (+) arg.: § 166 BGB analog – Behörde selbst ist keiner Kenntnis fähig; diese kann nur
    durch menschliche Kenntnis vermittelt werden
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5
Q

P: Tatsachen iSd § 48 IV

A
  • unstr.: alle für den Erlass des VA rechtlich relevanten tatsächlichen Umstände
  • str.: Rechtsanwendung durch die Behörde (fehlerhafte Rechtsanwendung selbst?)
  • > wenn (-): Rücknahme des VA unterliegt keinerlei Fristbindung ODER die Jahresfrist beginnt mit Erlass des VA zu laufen, weil in diesem Zeitpunkt die Behörde Kenntnis aller Tatsachen hatte, die für den Erlass des VA relevant waren
  • > wenn (+): Jahresfrist beginnt (frühestens) zu laufen, wenn die Behörde erkannt hat, dass sie das Recht falsch angewendet hat
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6
Q

Verwirkung (insbes. der Rücknahme/Widerrufbefugnis)

A
  1. Das Recht muss über längere Zeit nicht geltend gemacht worden sein, nachdem dies dem Rechtsinhaber möglich war (Zeitmoment)
  2. Umstände eintreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen.
    Treuwidrigkeit folgt v.a. aus der Verletzung des Vertrauensschutzes: sie ist gegeben, wenn der von der Rechtsausübung Betroffene infolge eines Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen würde (Vertrauensgrundlage), der Betroffene tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt würde (Vertrauenstatbestand), und sich infolgedessen so eingerichtet hat, dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (Vertrauensbetätigung).
    RF= Rechtshindernd: das verwirkte Recht kann nicht mehr wirksam ausgeübt werden

Vertrauensgrundlage: es reicht das Schweigen bei langem Zeitablauf

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7
Q

Ermessen der Behörde während des Widerspruchsverfahrens zur Aufhebung des VA

A
  1. Möglichkeit: Abhilfe gem. § 72 VwGO im Widerspruchsverfahren
  2. Möglichkeit: Rücknahme gem. § 48 VwVfG in einem eigenständigen Verfahren
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8
Q

P: Wirksamkeit des VA zwingend für dessen Rücknahme/Widerruf

A
  • eA: notwendig
    pro: Aufhebung zielt begriffswesentlich auf Aufhebung der Wirksamkeit
    pro: bei Nichtigkeit (und damit Unwirksamkeit) genügt Feststellung durch Behörde (§ 44 VwVfG) oder Gericht (“ 43 I VwGO)
  • aA: nicht notwendig - § 48 zumindest analog anwendbar
    pro: Verfahrensökonomie
    con: unterschiedliche Voraussetzungen und Rechtsfolgen von Nichtigkeitsfeststellung und Rücknahme
    pro: wenn zwischen Beteiligten str. ist, ob Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit vorliegt, soll Behörde nicht die Möglichkeit genommen werden, VA zurückzunehmen
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9
Q

Teilaufhebung eines VA

A
  1. Im Ermessen der Behörde (anders als bei gerichtlicher Teilaufhebung, die durch § 113 I S. 1 VwGO beschränkt ist)
  2. Sachliche Beschränkung
    - > Bezug: Regelungsgegenstand
    - > Voraussetzung: Teilbarkeit
    - > Konsequenz: Änderung des VA
  3. Zeitliche Beschränkung
    - > Bezug: Regelungsdauer
    - > Voraussetzung: VA mit Dauerwirkung
    - > Konsequenz: Änderung in ex tunc oder ex nunc Widerruf/Rücknahme
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10
Q

P: Behandlung der Teilaufhebung

A
  • eA: Diff. danach, ob Änderung begünstigend oder belastend wirkt
  • > nachteilige Änderung eines belastenden VA wirkt wie die Aufhebung eines begünstigenden VA -> Behandlung nach diesen Regeln
  • > vorteilhafte Änderung eines begünstigenden VA wirkt wie die Aufhebung eines belastenden VA -> Behandlung nach diesen Regeln
  • aA: keine Diff
  • > nachteilige Änderung eines belastenden VA wirkt wie ein belastender VA
    pro: belastender VA (bspw Gebührenbescheid in bestimmter Höhe) enthält nicht die Zusage, dass nur dieser (und kein höherer Betrag) gefordert wird - belastender VA hat nicht automatisch begünstigende Deckelwirkung
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11
Q

P: Widerruf rechtswidriger VA möglich?

A
  • hM: (+) (sofern Widerrufsgrund gegeben)
    pro: Rechtswidrigkeit soll nicht zur Einengung, sondern zur Erhöhung der Aufhebbarkeit des VA führen
    pro: § 48 will die Widerrufsgründe des § 49 nicht ausschließen, sondern ergänzen (§ 48 ist im Ermessen der Behörde und ist somit nicht die einzige Möglichkeit, rechtswidrige VA aufzuheben)
    pro: rechtswidriger VA verdient keinen Schutz
    pro: wenn schon rechtmäßiger VA aufgehoben werden kann, dann erst recht rechtswidriger
  • aA: (-)
    pro: Wortlaut
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12
Q

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines VA

A

Grundsätzlich ist auf den Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes bzw. der letzten Verwaltungsentscheidung abzustellen
-> Etwas anderes gilt, wenn sich die Sach- oder Rechtslage nach dem Erlass des VAs ändert und aus besonderen Gründen auf den Erlasszeitpunkt zurückwirkt (z. B. rückwirkende Aufhebung des rechtmäßigen Gesetzes, auf dem der Verwaltungsakt beruht, durch den Gesetzgeber)-> rückwirkend rw VA-> § 48 VwVfG
(P) RW gewordener Dauer VA: VA zunächst rechtmäßig sind, später jedoch rechtswidrig
- eA: geht davon aus, dass ein rw gewordener VA ein Fall des Widerrufs gem. § 49 VwVfG sei
(+) VA sei rechtmäßig gewesen und die Aufhebung rm VAe sei in § 49 VwVfG geregelt. In § 49 II 1 Nr. 3,4 VwVfG sei geregelt, dass ein VA widerrufen werden könne, wenn die Voraussetzungen später wegfallen, sich also die Tatsachen oder Normen nachträglich ändern. Ein rw gewordener VA betreffe genau diesen Fall (siehe auch Nr. 4)

  • Rspr. (hM): stellt bei ursprünglich rechtmäßigen, aber rw gewordenen VA mit Dauerwirkung auf den Zeitpunkt der Aufhebungsentscheidung ab und lässt die Rücknahme trotz ursprünglicher Rechtmäßigkeit nach § 48 VwVfG zu
    (+) ab der Rechts- oder Sachlageänderung ist der Dauerverwaltungsakt rechtswidrig.
    (+) Rechtsstaatsprinzip, Art. 20 III GG: Der Erst-VA sei rechtswidrig. Zumindest liege jedoch ein rw gewordener VA vor. Zwar regelt § 48 VwVfG v.a. den Normalfall, dass der VA von Anfang an rechtswidrig gewesen sei. Wenn der VA später rechtswidrig werde, spreche das Rechtsstaatsprinzip jedoch dafür, zumindest ab diesem Zeitpunkt eine Rücknahme vorzunehmen, um den rw Zustand zu beseitigen
    (-) hist.: → Anlass für das Abstellen auf den Aufhebungszeitpunkt war die früher uneingeschränkt bestehende ex nunc-Wirkung des Widerrufs (§ 49 II VwVfG) und Subventionen dann nicht mehr zurückgefordert werden konnten. Das Problem ist durch § 49 III VwVfG gelöst→ (P) wenn Abs.3 nicht einschlägig ist
    vor, auf den die Rücknahmeregelungen anzuwenden sind
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13
Q

Vertrauensschutz (durch die Rspr. entwickelte Kriterien)

A
  1. Begünstigter hat auf Bestand des VA vertraut
  2. Vertrauen ist schutzwürdig
  3. Vertrauensinteresse überwiegt öffentliches Interesse an der Wiederherstellung der Gesetzmäßigkeit
    - > Regelmäßig: nur Aufhebung ex nunc
    - -> Ausnahme: auch nicht ex nunc, wenn Begünstigter seine Lebensverhältnisse einschneidend, dauernd und nicht mehr korrigierbar umgestellt hat
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14
Q

Beurteilungsgrundlage für Rücknahme statusrechtlicher Bescheide

A
  • eA (frühere Rspr): § 48 II
    pro: regelmäßig sind mit Status Geld- oder Sachleistungen verknüpft
  • aA (hM): § 48 III
    pro: unterschiedliche Regelungsakte von Status-VA und weiteren LeistungsVA
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15
Q

Zuständigkeit der Behörde

a) für den Rücknahmebescheid, wenn Rechtswidrigkeit gerade in der Unzuständigkeit der Ausgangsbehörde liegt
b) für den Rückforderungsbescheid

A

a) Zuständige Behörde iSd § 48 V

b)
- > eA: Ausgangsbehörde
pro: Mittel fehlen in ihrem Haushalt
- > aA: Rücknahmebehörde
pro: dogmatische Anknüpfung des § 49a an §§ 48, 49 -> § 48 V einschlägig
pro: Bürger muss sich nicht mit mehreren Behörden auseinandersetzen

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16
Q

P: Ermessen der Behörde bei der Rücknahme gem. § 48 III VwVfG

A
  • eA: (-)
    pro: Wortlaut
    pro: Entschädigungsmöglichkeit kompensiert ausreichend
  • aA: (+)
    pro: Verfassungsrechtlicher Rang des Vertrauensschutzes (aus Rechtssicherheit/Rechtsstaatlichkeit oder GR, str.)
    pro: Entschädigung kann nicht in jedem Fall Vertrauensschutz kompensieren
    pro: § 48 III soll Handlungsspielraum der Behörde erweitern, die nicht nur zwischen Nichtrücknahme und Rücknahme, sondern auch noch Rücknahme mit Entschädigung wählen kann
17
Q

“Öffentliches Interesse” iSd § 48 III VwVfG

A

= fiskalisches Interesse, dass sich auf die Vermeidung zur Pflicht zum Nachteilsausgleich bezieht, nicht auf die Beseitigung des rw VA als solchem
( § 48 II VwVfG)

18
Q

Einfluss des Unionsrechts auf die Auslegung des § 48 VwVfG

A

= nationale Regelungen dürfen nicht dazu führen, dass die nach Unionsrecht verlangte Rücknahme praktisch unmöglich gemacht wird; bei der Rücknahme muss das Interesse der Union in vollem Umfang berücksichtigt werden (EuGH)

  • > Durchsetzung des Unionsrechts und Einhaltung der Unionsverträge durch Deutschland als öffentliches Interesse überwiegt idR das Begünstigteninteresse
  • > Ermessensreduktion auf Null
  • > Keine Fristgebundenheit (Unionsrecht soll nicht durch bewusstes Verstreichenlassen der Frist durch Behörde unterlaufen werden)
19
Q

Prüfung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs eines begünstigenden Verwaltungsakts

A

I. Ermächtigungsgrundlage (gibt es spezielle gesetzliche Regelungen?)

  • > § 49 II als EGL für ex nunc
  • > § 49 III als EGL für ex tunc

II. Formelle Rechtmäßigkeit der Rücknahme

  1. Zuständigkeit der Behörde
  2. Beachtung der Verfahrensvorschriften, insbes. der Anhörung gem. § 28 I VwVfG (ggf Heilung)
  3. Richtige Form, insbes. Begründung gem. § 39 I 1 VwVfG

III. Materielle Rechtmäßigkeit der Rücknahme

  1. Voraussetzungen des § 49 II/III VwVfG
    a) Begünstigender VA
    - > P: Rechtmäßigkeit nach Wortlaut erforderlich, jedoch auch Widerruf rechtswidriger VA möglich (s. P: Widerruf rechtswidriger VA möglich?)
    b) Widerrufsgrund nach § 49 II/III
    c) Einhalten der Widerrufsfrist
  2. Vereinbarkeit des VA mit sonstigem Recht
  3. Fehlerfreie Ermessensausübung
20
Q

P: Muss Widerrufsvorbehalt iSd § 49 II 1 Nr. 1 VwVfG rechtmäßig sein oder reicht Wirksamkeit aus?

A
  • eA: Rechtmäßigkeit
    pro: Gesetzesmaterialien erfordern für rechtmäßigen Widerruf einen rechtmäßigen Widerrufsvorbehalt
    pro: Behörde soll aus Rechtswidrigkeit keine Vorteile ziehen dürfen
    pro: Behörde stehen weitere Widerrufsgründe zur Verfügung
  • aA: Wirksamkeit ausreichend
    pro: Bestandskraft des VA umfasst auch Widerrufsvorbehalt
    pro: Rechtmäßigkeit kann im Ermessen des Widerrufsbescheids berücksichtigt werden
21
Q

Inhaltliche Anforderung an den Widerrufsvorbehalt iSd § 49 II 1 Nr. 1 VwVfG

A
  • Widerruf muss durch sachliche Gründe gerechtfertigt sein, was sich nach der Zwecksetzung des Gesetzes bestimmt, das Grundlage des zu widerrufenden VA ist
22
Q

Besondere Anforderungen an die Nichterfüllung einer Auflage iSd § 49 II 1 Nr. 2 VwVfG

A
  • Erforderlichkeit: besonders zwangsweise Durchsetzung der Auflage ist zu prüfen
  • Verhältnismäßigkeit: Genehmigungswiderruf bei bereits fertiger Anlagen wegen geringer Auflagenverstöße idR unverhältnismäßig
23
Q

Vertrauensschutz bei § 49 II 1 Nr. 1, 2 VwVfG

A
  • besteht nicht, da bei Widerrufsvorbehalt und Auflagennichterfüllung kein schutzwürdiges Vertrauen entstehen kann
  • > konsequent auch keine Entschädigung nach § 49 VI S. 1
24
Q

Ermessen bei der Rücknahme belastender VA nach § 48 I S. 1 VwVfG

A
  • grds. Ermessen (Wortlaut)
  • Ermessensreduktion auf Null
  • > wenn die Aufrechterhaltung des VA “schlechthin unterträglich” wäre (Rspr.), Gedanke der materiellen Gerechtigkeit
  • -> Verstoß gegen die guten Sitten
  • -> Verstoß gegen Treu und Glauben
  • -> Verstoß gegen Art. 3 I (Selbstbindung durch Aufhebungspraxis in ähnlichen Fällen)
  • -> Rechtswidrigkeit “drängt sich auf” (jedoch keine Nichtigkeit)
  • -> (-), wenn ErmessensVA bestandskräftig, aber EGL rechtswidrig (-> jedoch: VA nicht mehr vollstreckbar, vgl. §§ 79 II BVerfGG, §§ 183, 47 V 3 VwGO -> entspricht ex-nunc-Rücknahme)
  • -> wenn alle RS-Möglichkeiten ausgeschöpft sind, das letztinstanzliche Gericht das Unionsrecht jedoch ohne Vorabentscheidungsverfahren falsch ausgelegt hat, und sich der Betroffene in Kenntnis der wahren Rechtslage an die Behörde wendet
  • -> (-) nur bei allgemeiner Unionsrechtswidrigkeit
25
Q

Ermessen beim Widerruf belastender VA nach § 49 I

A
  • sofern nicht unzulässig, Ermessen
  • Ermessensreduktion auf Null
  • > wenn sich die tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse geändert haben und der VA deshalb nicht mehr erlassen werden dürfte
  • -> DauerVA mit GReinschränkungen, wenn durch Änderung der Sach- oder Rechtslage die Voraussetzungen für die GRbeschränkung weggefallen sind
26
Q

P: Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen Beurteilung der Rechtmäßigkeit im Anfechtungsverfahren, wenn sich darin herausstellt, dass Gewerbetreibender, der gegen Gewerbeverbot nach § 35 GewO vorgeht, nicht mehr unzuverlässig

A
  • eA: Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung bzw. bei DauerVA: letzte mündliche Verhandlung vor VG (hLit)
  • > ex nunc Aufhebung
  • aA: Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, auch bei DauerVA (BVerwG)
    pro: § 35 VI GewO ordnet als lex specialis an, dass Wiedergestattungsverfahren angestrebt werden muss (erst ein Jahr nach letzter Unterlassungsverfügung möglich)
27
Q

Systematik des Wiederaufgreifens

A
  1. Stufe: Behörde entscheidet verfahrensrechtlich über das Wiederaufgreifen (Durchbrechung der Bestandskraft)
  2. Stufe: ggf. neue Sachentscheidung (Aufhebung, Änderung, Beibehaltung)
28
Q

P: Rechtsnatur der wiederholenden Verfügung (Ablehnung des verfahrensrechtlichen Wiederaufgreifens iSd 1. Stufe)

A
  • eA: bloßer Hinweis auf die ursprüngliche Ablehnung
    pro: kein neuer Regelungscharakter
  • aA: VA (BVerwG)
    pro: kein neuer materieller Regelungscharakter, aber eine verfahrensrechtliche Regelung wird getroffen
29
Q

Wiederaufgreifen im engeren vs. im weiteren Sinn

A
  • im engeren Sinn: § 51 VwVfG
  • im weiteren Sinn: aus §§ 48, 49 VwVfG (iVm § 51 VwVfG) ergibt sich ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über das Wiederaufgreifen auf 1. Stufe (heute ganz hM)
30
Q

Prüfung: Wiederaufgreifen gem. § 51 VwVfG

A

A. Zulässigkeit
I. Antrag bei der zuständigen Behörde, § 51 IV
II. Unanfechtbarer VA, § 51 I
-> auch wenn gerichtlich bestätigt
III. Vortrag eines Wiederaufgreifensgrundes (hM: Plausibilitätsprüfung), den der Betroffene ohne grobes Verschulden (besonders qualifizierte Pflichtverletzung) außerstande war, in einem früheren Verfahren geltend zu machen, § 51 II
IV. Frist, § 51 III

B. Begründetheit
I. Wenn ein Wiederaufgreifensgrund tatsächlich vorliegt
-> § 51 I Nr. 1-3

31
Q

P: Rspr.-Änderung als neue Rechtslage iSd § 51 I Nr. 1 VwVfG

A
  • hM: (-) bzw. allenfalls ausnahmsweise
    pro: gerichtliche Entscheidungen sind eine rechtliche Würdigung des Sachverhalts am Maßstab der vorgegebenen Rechtsordnung und demnach weder geeignet noch darauf angelegt, die Rechtslage konstitutiv zu verändern
    pro: wenn bisherige Rechtsauffassung unzutreffend war, war der VA von Anfang an rechtswidrig, nicht erst durch die “geänderte” Rspr.
    pro: kann im Rahmen des Ermessens bei einer Wiederaufnahme im weiteren Sinne Berücksichtigung finden
32
Q

P: Rechtsfolge (neue Entscheidung in der Sache) bei § 51 I VwVfG

A
  • eA: maßgeblich für die Zweitentscheidung sind die einschlägigen Normen der Erstentscheidung, nicht die §§ 48, 49 VwVfG
    pro: das Wiederaufgreifen des Verfahrens soll in den Zustand vor der ursprünglichen Entscheidung zurückversetzen
    pro: wenn nach ursprgl. EGL eine gebundene Sachentscheidung vorliegt, wäre es widersprüchlich, dass über das Wiederaufgreifen die Behörde nach den §§ 48, 49 Ermessen bekommen würde
  • aA: maßgeblich sind die §§ 48, 49
    pro: Ermessensreduktion möglich, sodass im Falle des Vorliegens des § 51 VwVfG eine Rücknahme erfolgen muss
33
Q

Vorliegen neuer Beweismittel iSd § 51 I Nr. 2 VwVfG

A
  • neu, wenn sie dem Betroffenen (!) erst nach dem Abschluss des ersten Verwverfahrens bekannt wurden
  • Beweismittel müssen entscheidungserheblich sein
34
Q

Anspruch auf Wiederaufgreifen im weiteren Sinne: Anspruch und Voraussetzungen

A
  • Anspruch auf ermessenfehlerfreie Entscheidung hierüber, § 48 I / 49 I iVm § 51 V
    (-> Ermessensregeln des § 48 I oder § 49 I stehen nicht nur im öffentlichen Interesse, sondern auch im Interesse des Einzelnen -> SÖR, heute ganz hM)
  • Voraussetzungen
    -> Abwägung: Bestandskraft des VA / öffentliches Interesse vs. tatsächliche/rechtliche Gründe, die bisher nicht (ausreichend) berücksichtigt wurden (einfache Behauptung der RW idR nicht ausreichend)
    -> Ermessensreduzierung auf Null: Selbstbindung der Verwaltung (Art. 3 I); “Schlechthinnige Unterträglichkeit” (vgl. Kriterien über Ermessensreduzierung auf Null bei rw, belastendem VA)
35
Q

Anwendungsbereich und Folge des § 50 VwVfG

A
  • Anwendungsbereich: begünstigender VA mit belastender Drittwirkung wird von Drittem angefochten und der VA wird nun während des Widerspruchs-/Anfechtungsverfahrens, aber außerhalb desselben zurückgenommen (§ 50 normiert nicht die Voraussetzungen für eine Abhilfe iSd § 72 VwGO)
  • Folge: VA kann ohne die Vertrauensschutzregeln der §§ 48, 49 aufgehoben werden (kein Vertrauen des Begünstigten, der durch das Verfahren sowieso mit Aufhebung rechnen musste)
  • > auch keine Entschädigung nach § 48 III (aber ggf. StaatshaftungsR)
36
Q

Voraussetzungen des § 50 VwVfG

A
  1. Tatsächliche Einlegung eines förmlichen Rechtsbehelfs gegen den VA
  2. Rechtsbehelf zulässig
  3. Rechtsbehelfsverfahren andauernd
  4. Mit der Aufhebung des VA wäre das mit dem Rechtsbehelfsverfahren bezweckte Ergebnis erreicht
  5. Rechtsbehelf begründet (str.)
    - > eA: Rechtsbehelf weder offensichtlich unzulässig noch offensichtlich unbegründet ist ausreicend
    - > aA: Begründetheit
    pro: Wortlaut (“abgeholfen wird”)
    pro: Telos (Aufhebung durch Behörde/Gericht soll zuvorgekommen werden -> dieselben Maßstäbe sind anzusetzen)
    pro: Grundsatz des Vertrauensschutzes, der wieder greift, wenn der Dritte keinen Anspruch hat
37
Q

P: § 121 VwGO (Bindung durch rechtskräftiges Urteil) als Zulässigkeitshindernis einer Klage auf Wiederaufgreifen des Verfahren

A
  • einerseits: Bindung, soweit über Streitgegenstand entschieden worden ist (soweit Klagegegenstand mit früherem Streitgegenstand identisch ist)
  • andererseits (VGH): keine Identität, wenn Unterschiede bestehen sowohl bzgl Antrag (Klageart) als auch Lebenssachverhalt
38
Q

Begründetheit einer VK auf Rücknahme einer Verfügung nach § 48 VwVfG

A
  1. AGL: § 48 VwVfG auch subj-rechtliche Dimension
  2. TB
    a. rw VA
    b. § 121 VwGO: Sinn und Zweck -> rechtskräftige Zuerkennung oder Aberkennung eines prozessualen Anspruchs ist für den anderen prozessualen Anspruch vorgreiflich, dh präjudizielle Rechtskraft im Interesse von Rechtsfrieden und Beständigkeit des Rechts;
    - > Ausnahme: Änderung der maßgeblichen Sach- und Rechtslage