3/4 (Verwaltungsakt III: Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen; Rechtswidrigkeit von Verwaltungsakten; Nebenbestimmungen) Flashcards
Rechtmäßigkeitsvoraussetzungen des VA
I. Ermächtigungsgrundlage (EGL)
- Welche kommt in Betracht?
- Ist sie mit höherrangigem Recht (GG, EU-Recht) vereinbar (Vorrang der Verfassung & des EU-Rechts)?
- Wenn keine vorhanden: Bedarf es überhaupt einer gesetzlichen EGL (VdG)?
- Verwaltungsaktbefugnis?
II. Formell rechtmäßige Anwendung der EGL („Formelle RM“)
- Zuständigkeit (sachlich/örtlich/instanziell)
- Verfahren, insb. Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 28 VwVfG)
- Form (§ 37 VwVfG) und Begründung (§ 39 VwVfG)
III. Materiell rechtmäßige Anwendung der EGL („Materielle RM“)
- Tatbestandsvoraussetzungen der EGL (ggf. Beurteilungsspielraum)
- Rechtsfolge der EGL (ggf. Ermessen)
- Verhältnismäßigkeit (grds. bei 2.)
- Bestimmtheit (zu 2.)
- Keine rechtliche oder tatsächliche Unmöglichkeit (ggf. vorher prüfen)
Fehlerkalkül - Fehlerregime beim VA
Rechtsfolgen der Rechtswidrigkeit:
- Grundsatz: vor Ablauf der RM-Frist: Anfechtbarkeit (aber nicht: Nichtigkeit!)
- Grundsatz: nach Ablauf der RM-Frist: Bestandskraft
- Ausnahme: Nichtigkeit § 44 VwVfG
- Ausnahme: Heilung § 45 (-> führt zu Rechtmäßigkeit)
- Ausnahme: Kein subj. Recht auf Aufhebung § 46 (Fehler können sich nicht auswirken)
- Ausnahme: Umdeutung (Konversion) § 47
- Ausnahme: Rücknahme § 48
- Ausnahme: sonstige Unbeachtlichkeit (bspw. Bebauungsplansvoraussetzungen so umfangreich, dass quasi immer Rechtswidrigkeit: Abschichtung an beachtlichen Fehlern nötig)
Keine Frage der Rechtswidrigkeit: offenbare Unrichtigkeit iSv § 42 VwVfG (bspw. Behörde hat sich verschrieben
Allgemeines zu Nebenbestimmungen eines VA
- Jeder VA enthält begriffswesentlich eine Regelung (s. § 35 S. 1 VwVfG)
- Nebenbestimmungen sind zusätzliche Regelungen, welche die Hauptregelung ergänzen oder beschränken, § 36 VwVfG
- Nebenbestimmungen können Bestandteile des HauptVA sein und seinen zeitlichen Geltungsbereich (innere Wirksamkeit) bestimmen ODER
- NB können auch auf den HauptVA bezogen und von ihm rechtlich unabhängige, eigene Sachregelungen sein
- Weicht der Inhalt eines VA ungünstig von dem ab, was der Bürger beantragt hat, liegt nicht schon deshalb eine NB vor (modifizierte Gewährung)
Zulässigkeit von NB
- Spezialgesetzliche Regelung
- subsidiär § 36 VwVfG
a. Gebundene Verwaltung: § 36 I
- > NB gesetzlich zugelassen
- > Sicherstellung der Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen
b. Ermessensverwaltung: § 36 II
- > Befristung
- > Bedingung
- > Auflage
- > Auflagenvorbehalt
Beachte: Soweit spezialgesetzlich nichts anderes geregelt ist, steht Hinzufügen einer NB grds. im Ermessen der Behörde (§ 36 I, II: “darf”)
Prüfung: Begründetheit einer isolierten AK gegen NB
I. Rechtswidrigkeit der NB
- Zulässigkeit der konkreten NB
a) Spezialgesetzliche EGL?
b) wenn (-), Nebenbestimmungsfeindlichkeit des HauptVA? (insbes. Statusentscheidungen wie Einbürgerung)
c) wenn (-), gebundener oder Ermessens-HauptVA? - Formelle Rm
- Materielle Rm
a.
- > bei gebundenen VAen: Sicherstellung der Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen des HauptVA, § 36 I VwVfG
- > bei ErmessensVAen: Prüfung auf Ermessensfehler, § 36 II VwVfG
b. sachlicher Zusammenhang mit HauptVA
c. Keine Zweckwidrigkeit, § 36 III VwVfG
II. Verletzung des Klägers in seinen Rechten durch Rechtswidrigkeit der NB
III. Verbleibende Restregelung noch rechtmäßig und sinnvoll (§ 44 VwVfG analog) (hM)
P: Rechtsschutz gegen NB
- eA: isolierte AK für Auflage, Verpflichtungsklage auf Erlass des VA ohne Bedingung/Befristung im Übrigen
pro: Auflage als eigener Regelungsgegenstand
con: oft stehen auch Auflage und VA in engem Regelungszusammenhang
con: Beseitigung lediglich einer Befristung verlangt Erlass eines komplett neuen VA (Prozessökonomie) - aA: bei Ermessens-VA nur VK zulässig
- wA: kein isolierter Rechtsschutz möglich, da alle NB in engem sachlichem Regelungszusammenhang mit VA stünden
- hM: isolierte Anfechtung stets zulässig bei echter NB, Rechtmäßigkeit in der Begründetheit zu prüfen. Sie ist dann begründet, wenn die Nebenbestimmung rechtswidrig ist und der begünstigende Verwaltungsakt ohne die Nebenbestimmung sinnvoller- und rechtmäßigerweise bestehen bleiben kann.
pro: hM entspricht am ehesten dem Wortlaut des § 113 I 1; wA und hM ergebnisgleich
Die isolierte Anfechtbarkeit einer Auflage ergibt sich bereits aus deren Verwaltungsaktcharakter. Die isolierte Anfechtung von Befristungen und Bedingungen lässt sich damit begründen, dass auch die Teilanfechtung von Verwaltungsakten möglich und zulässig ist. Das wird zwar in der Verwaltungsgerichtsordnung nicht ausdrücklich gesagt, ergibt sich aber im Rückschluss aus § 113 I 1 VwGO („Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, …“). Sollte man die Auflage ebenfalls als integrierenden Bestandteil des Hauptverwaltungsaktes betrachten, ergäbe sich dasselbe.
Im Rahmen der Begründetheit ist dann zu prüfen, (1) ob die jeweilige Nebenbestimmung rechtswidrig ist und (2) ob die im Falle ihrer Aufhebung verbleibende Hauptregelung noch rechtmäßig und sinnvoll ist. Dabei kann § 44 IV VwVfG entsprechend herangezogen werden: Wenn die nach der Aufhebung der Nebenbestimmung verbleibende Hauptregelung rechtswidrig würde oder von der Behörde so nicht erlassen worden wäre, ist die Anfechtungsklage unbegründet. Der Kläger kann dann – evtl. nach Klageänderung – Verpflichtungsklage auf Erlass eines Verwaltungsaktes ohne die beanstandete Nebenbestimmung erheben, die, wenn sie erfolgreich sein sollte, in der Regel mit einem Bescheidungsurteil enden wird.
Prüfungsreihenfolge bei von Beginn an dem HauptVA beigefügten NBen (nach jüngerer Rspr. des BVerwG)
Untrennbarkeit von HauptVA und NB?
- Wenn ja: nur VK statthaft
- Wenn nein:
a) isolierte Teil-AK statthaft
b) aber unbegründet, wenn
(1) Rest-VA nicht rechtm, vgl. § 44 IV VwVfG analog
(2) VA im (noch nicht ausgeübten) behördlichem Ermessen
-> str., aA BVerwG
-> dann kann nur VK helfen
-> aus Klägersicht gestufter Klageantrag sinnvoll:
Hauptantrag - AK sowie Hilfsantrag VK
P: Kann die Behörde Gründe bei andernfalls fehlerhaftem Verwaltungshandeln nachschieben (allgemein)
eA (mM): (-)
pro: Schutz des Bürgers, Rechtssicherheit
aA (hM): (+)
pro: § 45 II LVwVfG (Handlungen können bis zu letzten Tatsacheninstanz nachgeholt werden)
pro: Untersuchungsgrundsatz; das Gericht hat auch nach Gründen zu suchen, die außerhalb der behördlichen Ausführung liegen
pro: Prozessökonomie (Verwaltung würde sonst einfach einen neuen, richtig begründeten VA erlassen)
pro: Schutz des Betroffenen auch ausreichend dadurch, dass er angesichts der neuen Begründung das Verfahren auch für erledigt erklären kann
P: Automatische Heilung des Anhörungsmangels durch die Durchführung des Widerspruchverfahrens? (iRv § 45 I Nr. 3 VwVfG)
Rspr.: die Durchführung des Vorverfahrens gem. §§ 68 ff. VwGO ist als Nachholung der behördlichen Anhörung anzusehen
(+) Durch die Widerspruchseinlegung gem. § 69 VwGO hat der Bürger die Möglichkeit wahrgenommen, sich zum Verwaltungsakt und den in ihm ggf. mitgeteilten behördlichen Erwägungen zu äußern. Die Einwände des Bürgers müssen nun von der Ausgangs- und Widerspruchsbehörde in die Entscheidung, ob der Verwaltungsakt aufrechterhalten bleiben soll, miteinbezogen werden.
Ausnahmen:
- Der Widerspruchsbescheid wird nunmehr auch auf solche Tatsachen gestützt, die dem Bürger nicht bekannt waren und zu denen er sich nicht geäußert hat.
- Die Behörde hat die Einwände, die der Bürger im Widerspruch vorgebracht hat, bei ihrer Entscheidung über den Widerspruch nicht in Erwägung gezogen.
- Die Ausgangsbehörde hatte beim Erlass einen Ermessens- oder Beurteilungsspielraum, die Nachholung der Anhörung erfolgte aber nur durch die Widerspruchsbehörde (nicht auch durch die Ausgangsbehörde), die aufgrund besonderer gesetzlicher Bestimmungen oder Rechtsgrundsätze nur die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts, nicht auch seine Zweckmäßigkeit überprüfen durfte.
- aA: Theorie der realen Fehlerheilung: das Widerspruchsverfahren führt nicht gleichsam automatisch zur Fehlerheilung; zur vollwertigen Gewährung des Anhörungsrechts muss gem. § 45 Abs. 1 Nr. 3 LVwVfG ein Tätigwerden der Behörde verlangt werden, das auf die reale Heilung des Verfahrensfehlers gerichtet ist.
pro: Kenntnisnahme und Auseinandersetzung mit den vorgebrachten Argumenten nötig, sodass § 28 LVwVfG nicht leerläuft
Allein in der Klageerhebung des Bürgers und der Klageerwiderung der Behörde kann keine Nachholung der Anhörung gesehen werden→ Denn die Nachholung der Verfahrenshandlung muss in einem Verwaltungsverfahren erfolgen und kann nicht durch eine verwaltungsprozessuale Handlung vorgenommen werden. Allerdings kann die verwaltungsverfahrensrechtliche Nachholungshandlung auch während des Verwaltungsprozesses erfolgen
OS: Begründetheit von AK gegen NB
soweit die NB rechtswidrig ist, der Kläger in seinen Rechten verletzt ist und der Haupt-VA auch ohne die NB rechtmäßig ist und sinnvollerweise isoliert bestehen kann
P: Kann die Behörde Gründe bei andernfalls fehlerhaftem Verwaltungshandeln nachschieben (Tatbestandserwägungen)
- grds. möglich, § 114 S. 2 VwGO (analog)
- aber unzulässig, wenn kein Nachschieben, sondern erstmaliges Anstellen von Erwägungen (bspw. im Rahmen des Prozesses einer FFK, wenn schon längst Erledigung des VA eingetreten ist)
P: Kann die Behörde Gründe bei andernfalls fehlerhaftem Verwaltungshandeln nachschieben (Ermessenserwägungen - Voraussetzungen)
§ 114 S. 2 VwGO
- > materielles Recht lässt Erwägungen zu
- > nachträglich angegebene Gründe lagen schon bei Erlass vor
- > keine Wesensänderung des VA
- > Betroffener wird nicht in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt
Maßgeblicher Zeitpunkt für Rechtmäßigkeitserfordernis bei
a) regulärem VA
b) VA mit Dauerwirkung
a) Zeitpunkt der Bekanntgabe
-> Etwas anderes gilt jedenfalls dann, wenn sich die Sach- oder Rechtslage nach dem Erlass des Verwaltungsakts ändert und aus besonderen Gründen auf den Erlasszeitpunkt zurückwirkt (z. B. rückwirkende Aufhebung des rechtmäßigen Gesetzes, auf dem der Verwaltungsakt beruht, durch den Gesetzgeber). Der ursprünglich rechtmäßige Verwaltungsakt wird also rückwirkend rechtswidrig. Hier richtet sich die Aufhebung nicht nach § 49 VwVfG, sondern nach § 48 VwVfG.
→ Grund dafür ist, dass der ursprünglich rechtmäßige Verwaltungsakt rückwirkend rechtswidrig wird.
b) umstr.
- eA (Rspr): Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung
pro: verfahrensrechtlich war VA zum Zeitpunkt der Bekanntgabe rm, er ist aber materiellrechtlich rw geworden -> § 48 (Rücknahme)
(+) Rechtsstaatsprinzip, Art. 20 III GG: Der Erst-Verwaltungsakt sei rechtswidrig. Zumindest liege jedoch ein rechtswidrig gewordener Verwaltungsakt vor. Sicherlich regele der Normalfall des § 48 VwVfG, dass der Verwaltungsakt von Anfang an rechtswidrig gewesen sei. Wenn der Verwaltungsakt später rechtswidrig werde, spreche das Rechtsstaatsprinzip jedoch dafür, zumindest ab diesem Zeitpunkt eine Rücknahme vorzunehmen, um den rechtswidrigen Zustand zu beseitigen
- aA (teilw Lit): nicht wie ein ursprünglich rw VA zu behandeln -> § 49 (Widerruf)
pro: der Verwaltungsakt sei rechtmäßig gewesen. Die Aufhebung rechtmäßiger Verwaltungsakte sei jedoch in § 49 VwVfG geregelt; sowie § 49 II 1 Nr. 3, 4 VwVfG (Regelungen für rw gwordene VA indizieren, auch diese Form so zu behandeln)
Verwaltungsaktbefugnis
= Verwaltung muss dazu befugt sein, gerade in der Form des VA zu handeln
- > hL/Rspr: Vorbehalt des Gesetzes erstreckt sich nicht nur auf Inhalt, sondern auch auf die Form des Tätigwerdens der Verwaltung
- > muss nicht explizit normiert sein; ausreichend ist, dass sich die Berechtigung aus der systematischen Stellung und dem Zweck der EGL ergibt (bspw. Bereiche des klassischen Subordinationsverhältnisses zwischen Staat und Bürger)
Verwaltungsaktbefugnis: Fallgruppen: Ansprüche der Verwaltung aus Verwaltungsvertrag
- Ebene der Gleichordnung: Durchsetzung vertraglicher Leistungsansprüche durch VA (-)
- Ausnahme: wenn Gesetz ausdrücklich dazu ermächtigt und dies besonders gerechtfertigt ist (str.)