Systemische Therapie Flashcards
- Unter welchen Umständen und wann ist die systemische Therapie entstanden?
Historische Aspekte
- Nachkriegsjahre in den USA: Therapeuten sind ausgelastet + hoher Bedarf
- Entstehung an verschiedenen Orten,praxisorientiert
- Reaktion der Familien eher abweisend auf Veränderung/Fortschritt der Einzelpatienten
- Hauptsächlich Behandlung von Schizophrenie (damals Breitbanddiagnose)
- Zugehörige Theorie fehlte zunächst (Rückgriff auf humanistische und analytische Grundlagen)
- Interaktionsstrukturen und Muster fielen auf woraus sich später Ansatz entwickelte
- Seit wann ist sie in Deutschland sogenanntes Richtlinienverfahren und was sind ihre Besonderheiten?
2019 Systemische Therapie für Erwachsene wird vom Bundesausschuss anerkannt und von der GKV als Leistung angeboten (erster Antrag 1998)
- > Systemische Therapie kann auch im Mehrpersonensetting Anwendung finden
- Was sind Kernelemente der Systemischen Therapie?
Systemische Kernfragen
- Realität: Was ist wirklich?
- Sprache: Wie erzeugen wir soziale Wirklichkeiten?
- Kausalität: Was verursacht was?
- Veränderung: Wie kommt es zu Ordnungsübergängen?
- Was ist jeweils typisch für die psychodynamische Perspektive ?
- Übertragung einzeltherapeutischer Konzepte auf die Familie (z.B.: Durcharbeitung ungelöster Trauervorgänge)
- Fokus auf Beziehungen
- Mehrgenerationale Perspektive und deren Erarbeitung mit der Idee des Schuldkontos und von Schuldverschreibungen
- Aspekt der „Ko-Individuation“: Gleichgewicht in der Entwicklung von Autonomie und Aufrechterhaltung von guten Bindungen
- Bedeutung von früheren Erfahrungen für die Bedeutsamkeit eines Themas im aktuellen Beziehungsgeschehen wird betont
- Heutige Relevanz: Allparteilichkeit, Aktivität, Betonung des Positiven, Mobilisierung der Ressourcen der Familie
- Was ist jeweils typisch für die strukturelle Perspektive?
- Geprägt durch Salvador Minnuchin seit den 60ern in den USA
- Fokus auf familiären Subsystemen und deren Grenzen bei Unterteilung in eheliches, elterliches und geschwisterliches Subsystem
- Kritik: stark normativ und kulturabhängig
- Heutige Relevanz: Unterscheidung in elterliches und eheliches Subsystem, Netzwerkzeichnungen und Genogramme, Triangulation
- Systemzeichnungen: Bildliche Darstellung von der Art von Beziehungen zwischen Personen
- Was ist jeweils typisch für die wachstumsorientierte Perspektive?
- Eng verbunden mit Virginia Satir
- Zentrale Aspekte: Wachstum, Autonomie, Selbstwert, humanistische Grundlagen, Gestalttherapie, Psychodrama
- Aktuelle Beziehungs- und Kommunikationserfahrungen werden ebenso betrachtet wie zurückliegende individuelle und familiäre Erfahrungen
- Selbstwertverstärkung durch Kommunikation und Erreichen einer kongruenten Kommunikation
- Heutige Relevanz: Skulpturarbeit und der Fokus auf Körperempfindungen
- Was sind Systemzeichnungen und wozu kann eine „Family Map“ genutzt werden?
Systemzeichnungen: Bildliche Darstellung von der Art von Beziehungen zwischen Personen
____________undurchlässige Grenzen: Angst vor Nähe und Emotionalität, Autonomie ist hoch, Loyalität und Zugehörigkeit ist wenig ausgebildet
__ __ __ __ __ durchlässige Grenzen: normaler Bereich, Grenzen können verändert werden, falls notwendig. Mitglieder der Subsysteme haben Kontakt zu Mitgliedern anderer Subsysteme
_ _ _ _ _ _ _ _ diffuse Grenze: Autonomie des einzelnen ist beeinträchtigt, kognitiv-affektive Fähigkeiten werden beschnitten, Angst vor Trennung durch mangelnde Trennung der Subsysteme, Individualisierung wird kaum zugelassen
- Was ist jeweils ein typisches Element oder eine Technik, die sich der strategischen Perspektive zuordnen lässt ?
- Dominiert in den 70ern bis 90ern: Fokus auf familiäre Interaktionsstrukturen und deren Veränderung (weil diese zur Aufrechterhaltung der Symptomatik beitragen)
- Klinische Probleme als Ausdruck dysfunktionaler (und nicht entwicklungsgerechter familiärer) Strukturen gesehen
- Familien sind regelgesteuerte Systeme, die von außen erkennbar sind und therapeutisch beeinflussbar sind
- Varianten der Einwegspiegel-Arbeit und strategischer „Verschreibungen“
- Heutige Relevanz: Reflecting-Team, zirkuläres Fragen, Verschreibungen und paradoxe Interventionen (Symptomverschreibungen: Verhalten in sozialer Interaktion ist immer mit Funktion verbunden; das als problematisch verstandene Verhalten wird noch gefördert)
- Daneben: Neutralität, Hypothetisieren, Zirkularität (Teufelskreise)
- Was ist jeweils ein typisches Element oder eine Technik, die sich der narrativen Perspektive zuordnen lässt ?
- Zentral: Kooperation auf Augenhöhe und Beisteuern therapeutischer Kenntnisse zur Erweiterung des Möglichkeitsraumes
- Von der distanzierten Intervention zur kooperativen Kommunikation unter Beteiligten
- Fokus darauf, wie durch Sprache Realität und Identität mitkonstruiert wird
- Narrative Therapien mit Fokus auf Geschichten, Diskurs und Position
- Geschichten: Welche Art von Geschichte mit welchem Standpunkt und welcher Zuhörerschaft, Interpretationen wird eingeladen?
- Position: Verortung der Person in den Geschichten, Standortbestimmungen gegenüber den Diskursen, Möglichkeiten der Beschreibung der therapeutischen Beziehung und Konversation, dem Therapeuten kommt eine dezentrale Position im Prozess zu
- Was ist jeweils ein typisches Element oder eine Technik, die sich der lösungsorientierten und der hypnosystemischen Perspektive zuordnen lässt?
- Explizite Abgrenzung von der systemischen Therapie, da auf das Reden über Ursachen ganz verzichtet wird
- Ursprung Mitte der 70er mit Vertreter Steve de Shazer (Türschlossmetapher: Problem und Lösung haben nicht zwingend miteinander zu tun)
- Heutige Relevanz: Ziel- und Lösungsorientierung, Ausnahmen, Wunderfragen
- Hausaufgaben nach Typus
Besucher: Komplimente
Klagende: Beobachtungs- und Denkaufgaben
Kunden: Beobachtungs- und Verhaltensaufgaben - Fokus auf Leichtigkeit, Kreativität und ungewöhnlichen Interventionen
- Hypnosystemische Ansätze: Wertschätzung des problem talk und gleichzeitig auch als Informationsquelle für Bedürfnisse
- Aufmerksamkeitsfokussierung auf zukünftig Erwünschtes
-> Zielfokussierung, Pacing, Imaginationen, Utilisation
- Was ist der markanteste Unterschied zwischen lösungsorientierter und hypnosystemischer Perspektive?
Lösungsorientierte Perspektive:
Fokus auf Ressourcen und Lösungen statt auf Probleme und Symptome
Hypnosystemische Perspektive:
???
- Wie würden Sie erklären, was systemische Therapie ist? Was sind typische kennzeichen und Grundlagen?
Grundlagen:
- Problem als Prozessgeschehen und nicht als etwas „dringliches“
- > Wie beschreibt wer das Problem? (nicht wer hat es)
- > Beispiel: Wie würde ihre Tochter beschreiben, was sie als depressiv bezeichnen?
- Wirklichkeitskonstruktion als sozialer Prozess von selbstorganisierter Bedeutungserzeugung: Bedeutung von Erzählungen Einzelner und des Einigungsprozesses
- Beschreibungen dekonstruieren (verflüssigen): die gewohnte Weise Dinge zu sehen wird durcheinandergebracht
- > Beispiel: Tom hat ADHS vs. Tom verhält sich in vielen Situationen aktiver
- Bedeutung von Erwartungs-Erwartungen: Relevanz der Antizipation, wie eine Person glaubt von anderen erlebt und gesehen zu werden
- > Beispiel: Bestimmt finden die anderen es blöd, wenn ich frage, ob meine Freundin mitkommen kann
- Ressourcensensibilität: Nutzung der bereits im System vorhandenen Möglichkeiten
- > Beispiel: Glaube an das Vorhandensein von potenziellen Ressourcen, Erkundung dieser und Einnehmer einer solchen Haltung gegenüber Klienten
- Betonung von Autonomie und Eigendynamik: Interventionen sind „freibleibende Angebote“, keine Erwartung an Wirkung
- > Beispiel: „Realitätenkellner“, „es kann auch alles ganz anders sein“
- Kooperationsbeziehungen aller Beteiligter: Nutzung der Möglichkeiten von allen für ein gutes Ergebnis
- Wertschätzende Beschreibungen und Umdeutungen: den konstruktiven Beitrag hinter dem scheinbar destruktiven Verhalten suchen
= Kennzeichen:
- Fokus auf Prozesse der Veränderung von sozial-interaktive Strukturen, die Symptomatik aufrechterhalten und eigenständige Lösungen blockieren (anstatt Inhalte und Ursachen)
- > Was wirkt jetzt aufrechterhaltend und welche Lösungen sind möglich?
- Fokus auf soziales Umfeld, vor allem Interaktionsstrukturen und gemeinsame „Deutungen der Welt“
- Realität hängt von Wirklichkeitskonstruktionen ab und nicht von objektiven Fakten
- Fokus auf Prinzip der Selbstorganisation, Nutzung der eigenen Potenziale, Veränderung nicht von außen
- Welchen Beitrag leisten Konstruktivismus und Systemtheorien zur Erklärung von Phänomenen wie „Störung“ und Veränderung?
Konstruktivismus
- Realität ist abhängig vom Beobachter und damit subjektiv gebunden
- Es gibt keine objektive Abbildung der Realität
Systemtheorien
- Fokus auf Komplexität und Zirkularität von menschlichen Lebenswirklichkeiten, diese zu erfassen und ihnen gerecht werden ohne vorschnelle Vereinfachung
- Was besagt die Theorie der komplexen dynamischen Systeme?
- Zentrale Frage: Wie entstehen unter bestimmten Bedingungen „Muster von Sinn und Bedeutung in dynamischen Interaktionen“?
- Wie entstehen Ordnungsmuster bzw. Ordnung?
- Dynamische Ordnungsbildungen = Attraktoren
- Beispiel Applaus = „Versklavung der Elemente“
- Vier Prozessebenen: körperlich, psychisch, interpersonell, kulturell
- Ordnung durch Sinnattraktoren, die ein Person aufgrund der „Sinnangebote“ auf diesen Ebenen entwickelt
- Einordnung der sozialen Phänomene ihrer Umwelt
- Komplexitätsreduktion, um „lebensfähig“ zu sein (Chaos, Angst, Ordnung), jedoch Neigung zur Überstabilität von Attraktoren
- Neue Informationen werden also im Sinne einer Komplettierungsdynamik auf einen vorhandenen Attraktor hin integriert (Eigenschaften, Diagnosen)
- Musterbildung über den Zeitverlauf, die durch Wiederholung stabiler werden und sich selbst reproduzieren (Emergenz, Iteration)
- Was versteht man unter Anlass, Anliegen, Auftrag und Kontrakt in der Systemischen Therapie?
- Anlass: Was ist der Anlass Unterstützung zu suchen? Problembeschreibung
- Anliegen: Welches Anliegen der Veränderung hat sich daraus entwickelt?
- Auftrag: Konkretes Ziel/Teilziel wird entwickelt
- Kontrakt: Welche Vereinbarung wird getroffen? Rahmenbedingungen