Steilneset Flashcards
Geschichte
Hexenprozesse zwischen 1600 und 1692, welche für 77 Frauen und 14 Männer im Tod endete
Auf dem Scheiterhaufen verbrannt
Basisinformation
Gedenkstätte an die hingerichteten Hexen und Hexer
Vardo, Finnmark, Norwegen
2100 km langer norwegischer Landschaftsstrich, genau an der Stelle, wo die Hexen und Hexer verbrannt wurden
Im Rahmen des Detour-Projekts gebaut, das den Tourismus in abgelegenen Regionen des Landes stärken soll
2006 bis 2011 erbaut
Louise Bourgeois Teil des Mahnmals 2010 additional gebaut
Baukosten ca. 12 Millionen Euro
Konstruktion aufgeteilt in zwei Gebäude
Eiskalte Linie und Feuerpunkt
Horizontal orientierter Bau mit Haupteingang an der Langseite
Laut Bourgeois sollten mit Licht, Wasser, Feuer und Erde eine Ansicht der Stille erschaffen werden
North-Norwegian-Architecture Prize
Gestell
125 m lange Gestell aus nordischem Kiefer, auf welchem ein weißer begehbarer Stoffschlauch ca. 3m über dem Boden gespannt ist-> lässt historischen Ort bei sich selbst, berührt Ort des Schreckens nicht, räumt ihm seinen eigenen Wirkraum ein
Wird in seiner Länge von der Anzahl der Opfer bestimmt
Balken möglichst schlank und Konstruktion möglichst einfach, um nicht zu beschweren, aber dennoch Stürme standzuhalten
Balken werden, wo sie sich kreuzen, von einer einzigen Schraube zusammengehalten
Kieferbalken erinnern an heimische Fischtrockengestelle
Stoffschlauch
Innerhalb der Holzkonstruktion ein mit Stahlseilen befestigter Stoffschlauch aus mit Teflon überzogenem Fiberglasgewebe -> erinnert an ein helles Segeltuch, bewegt sich sanft
Befestigung inspiriert von Knotentechniken der Segler
Kokon von 59 einheitlich gerasterten Gestellen getragen, je 2,10 m
Wellenförmige gekurvte Umrisslinie durch Spannung mit Stahlseilen erzeugt -> es entsteht in Längsrichtung eine Dreiecksvertiefung
Tuch von 91 kleinen quadratischen Edelstahlrahmen unterbrochen, welche leicht hervorstehen
Liegen sich nie exakt gegenüber, im unregelmäßigen Rhythmus und unterschiedlicher Höhe angebracht, wellenförmig
Innenraum im Kokon erreichbar durch 25m lange, nördlich liegende Holzrampe, welche als Eingang fungiert
Konstruktion
Zwei Betretmöglichkeiten, jedoch gelenkte Tour der Wahrnehmung -> Eingang und Ausgang klar definiert
Holzstege führen zu Metallrahmen und Türen, welche an das Innere des Tuches anknüpfen
Konstruktion von einem zum Meer hin geneigten Blechdach vor Witterungsverhältnissen geschützt
Innen
Innen 1,60m breiter Laufsteg, welcher sich über 110m innerhalb des Schlauches hinwegzieht
Höchster Punkt innerhalb des Kokons beträgt 3,50 m
Im Inneren dunkel -> Kontrast zu der Helligkeit des Stoffes
Einzige Lichtquellen die 91 Luken und 91 nackte Glühbirnen, je für einen Ermordeten zuständig -> Glühbirnen nicht primär Lichtquelle
Es ist eine nordische Tradition, Personen auf deren Heimkehr man wartet, ein Licht ins Fenster zu stellen -> Ortsbezug
„Von Fenster zu Fenster, von Licht zu Licht“ und damit von Opfer zu Opfer
An der Decke links und recht Kabelbündel, welche die Lampen verbinden und mit jeder einzelnen dünner werden -> Gemeinde Vardo wurde durch jedes Opfer weniger
Seidentücher
Auf 91 schwarzen Seidentücher daneben stehen Opfername, Geburtsdatum, Datum der Verbrennung, Anschuldigung des Gerichts, Bekenntnis des Opfers sowie das Urteil
Alle Texte auf derselben Höhe -> gleiche Behandlung der Opfer
Die Historikerin Liv Helene Willumsen verfasste die Texte = „konkrete Poesie“ -> historische Prozesse werden sprachlich kondensiert in eine poetische Form gebracht
Befördern nicht nur ein Prozess schmerzlichen Erinnerns, sondern auch des Gedenkens aus der historischen Distanz ohne Authentizität und emotionales Potential zu verlieren
Wirkung (Strich)
Bedrückende Wirkung von engem Gang durch Wetterverhältnisse verstärkt -> Wind bewegt Stoffwände und Lampen, durch Dunkelheit nur zu hören
Stoffkörper bewegt sich leicht, die Lampen schaukeln vor den Fenstern sanft hin und her
Zumthor arbeitet hier synästhetisch, mit Geräuschen, Wind, Licht und Klang
Schritte des Besuchers klingen durch den Hohlraum zwischen Laufsteg und Gerüst mit und verändern sich auch im Klang
Das synästhetische Erlebnis, verstärkt durch die einengende Wirkung der Dreieckskonstruktion, verleiht dem schrecklichen Schicksal der Opfer Nachdruck, ohne den eigentlichen Ort des Geschehens zu verändern
Die Schicksale werden durchschritten und das Mahnmal ist sinnlich erlebbar
Punkt und Strich
Tod als Ereignis der Aggression punktuell, Leben wird prozessual in seiner steten Linearität durchschritten
Länglicher Bau -> Leben der Opfer, Pavillon -> Akt der Verbrennung
Pavillon
Punkt genannte Glaspavillon hat die Maße 10m auf 10m auf 6m und besteht aus siebzehn 2 auf 6m großen Glastafeln
An je acht Punkten frei aufgehängt und überlappen sich schuppenartig -> Raum durchlässig für den Ort / seine Geschichte
Es gibt keine Tür
Wind / Schnee / Kälte dringen durch, adressieren atmosphärisch das leibliche Empfinden
Glasgewebe teflonbeschichtet und besteht aus schwarz gefärbten Parsol -> von außen Spiegel der Umgebung
Dennoch erkennt man durch das Glas hindurch eine brennende Flamme im Innern
Umfassende Glasfassade beträgt ca. 250m^2
Glasquader von Cortenstahl Ständern gefestigt und von überstehendem Cornstahldach bedeckt
Durch kubische Form und Farbe wirkt der „Punkt“ wie ein verkohlter Fremdkörper -> Gefühl der Deplaziertheit und Befremdlichkeit allein durch äußere Erscheinung
Von innen hell und transparent -> Gegenstück zu Zumthors Tunnel
The Damned, the Possessed, the Beloved
Offener Gang auf hellem Schotter führt zu Bourgeois Installation „The Damned, the Possessed, the Beloved“
Sie starb vor der Eröffnung 2010
In der Mitte ein einfacher Aluminiumstuhl von einem ca. 1m hohen, nach außen abgesenkten Betonwall umgeben
Aus Sitzfläche lodert ein Feuer, in sieben großen Spiegeln vervielfacht, welche hoch in einem Kreis um die Flamme aufgehängt sind
Zur Flamme hin leicht gesenkt -> begünstigt Verzerrung und Vervielfachung
Erinnert an Akt der Verbrennung
Durch unterschiedliche Reflexion Erkenntnis, dass die Wahrnehmung der Wirklichkeit anders ausfallen kann und manchmal, wie bei den Prozessen, verzerrt sein kann
Spiegel, welche die Flamme eingrenzen, stehen für Richter, die „Possessed“
Ewige Flamme beleuchtet nur den Aspekt des Verbrennens, des Dekonstruktiven
Wirkung (Punkt)
Besucher durch vielfache Spiegelung in das Feuer hineingezogen und erlebt den Akt des Brennens visuell mit
Synästhetische Erfahrung, bereichert durch den Wind und möglicherweise Regen
Installation beunruhigt durch die vielfache Reflexion und Verzerrung
Erinnerungen an das Grauen in die Gegenwart tragen und sie im Jetzt gewichtig werden zu lassen
Steilneset Memorial: „ plea for a second chance in the present”
Intention
in Denkmäkern/historischen Austellungen raumgewordene traditionelle Erinnerungskultur übt sich zumeist in autoritären Gesten -> das Grauen wird historiographisch wegerklärt, zu einem festen Narrativ historischer Distanziertheit gefügt -> legt sich über die Unmittelbarkeit der Erfahrung
traditionelle historische Denkmäler gehen aus vertikalen Setzungen hervor, kontrastieren mit ihrer Umgebung und wirken dadurch bedeutungsvoll
Steilneset Memorial erstreckt sich hingegen in die Horizontale
Stätten des kollektiven Gedächtnisses besetzen mit vehementer Hand Boden, Zumthors Raum schwebt über dem Grund
Steilneset kein Denkmal im eigentlichen Sinne -> „lieux de memoire“, Erinnerungsort, entbehrt gleich der Topographie des Terrors jeglicher Symbolik
Anschauung und Gefühl begegnen einer Abfolge berührender Fragmente
intime, individuelle, menschliche Erfahrung einzelner historischer Momente
historische Momente speisen sich aus Sinnlichkeit, Empathie und Gefühl, nicht aus den Diskursen des kollektiven Gedächtnisses
kommunikative, lebendige Gedächtnis statt des kulturellen, ritualisierten Gedächtnisses angestoßen
Zumthor arbeitet mit eingeschränkter Materialvielfalt -> benutzt hauptsächlich Holz, Fiberglasgewebe und Stahl, auch Glas für den Kokon
Pavillon besteht nur aus Glas und Stahl
Seine Gebäude beziehen sich daher unmittelbar auf die Landschaft und wären ohne diese nicht denkbar