Kolumba Flashcards
Zitat und Aufgabe
„Vielleicht sollte man lieber nicht von Stil sprechen, sondern von einer bestimmten Herangehensweise, von einer spezifischen Gewissenhaftigkeit bei der Lösung der Aufgaben“
Mit dieser Gewissenhaftigkeit hat Zumthor den Wettbewerb für das Diözesanmuseum für sich entschieden
Aufgabe: für die zu groß gewordene Sammlung des erzbischöflichen Kunstmuseums auf dem Ruinenfeld der ehemaligen Pfarrkirche St. Kolumba ein neues Haus zu errichten
Geschichte
St. Kolumba eine der größten und bedeutendsten Pfarrgemeinden im mittelalterlichen Köln
Pfarrgemeinde gehört seit Gründung zur Erzdiözese Köln
Namenspatronin: Heilige Kolumba
Spätgotische Emporenbasilika St. Kolumba im 2. Weltkrieg bis auf wenige Mauern zerstört
Inmitten der Trümmer blieb in einem Pfeiler eine spätgotische Madonna erhalten -> für Kölner Symbol des Neubeginns
Gottfried Böhm erbaute ihr die 1950 geweihte Kapelle „Madonna in den Trümmern“ -> kleiner, einschiffiger Bau auf den ehemaligen Turmmauern, dem er einen lichtdurchfluteten oktogonalen Chor mit einem Zeltdach anschloss
Einige Jahre später um eine Sakramentskapelle ergänzt
Bei archäologischen Grabungen um das Oktogon in den 70er Jahren römische Siedlungsreste und eine fünfschiffige Basilika
Kapelle sollte erhalten und in den Neubau integriert werden
Bodendenkmale des Grabungsfeldes sollen mit einem Witterungsschutz versehen werden
Geschichtsträchtiges Grundstück und Anspruch der Museumsleitung, mit dem Neubau auf der Grundlage eines erweiterten Kunstbegriffes eine zukünftige Form musealen Selbstverständnisses zu realisieren -> Herausforderung
Vorgehensweise
Zumthor bezog sich auf das Konzept des Weiterbauens -> arbeitet historische Details nicht heraus, sondern integriert sie
Entwickelte das neue Gebäude konsequent auf den Mauerfunden der alten Pfarrkirche und übernahm dessen Grundriss
Überbaute damit auch die zur Kolumbastraße gehende Front der Böhmkapelle und schloss daran nahtlos im Winkel einen Nordflügel an
Lediglich aufgehende Mauern der alten Sakristei unangetastet
10 Jahre Plan- und Bauzeit
2007 vollendet
43 Millionen Euro Baukosten statt geplante 36 Millionen
5 Millionen aus den Geldern der Denkmalpflege finanziert
Zumthor hat aus den Ruinen einen stimmigen Ort für alte christliche und moderne Kunst geschaffen
Kombination aus einer an den Rand des Möglichen getriebenen mineralischen Bautechnik und handwerklicher Fertigung beseelt die charaktervollen Räume mit einer kontemplativen Atmosphäre
Jährlich wechselnde Ausstellungen
Äußerliche Erscheinung
Dem Betrachter tritt ein Gebäudekomplex entgegen, der an seiner Fassade mehrere Einflüsse und Oberflächen vereint
Aus dem blockhaften, dreigeschossigen Gebäudevolumen erheben sich drei Türme
Alte Gebäudeteile verbinden sich harmonisch mit den strengen und modernen Gebäudeteilen des Museumskomplexes
Neubau beansprucht und dominiert den Stadtraum mit seinem Volumen, tritt aber gleichzeitig durch homogene Materialwahl in das Straßenbild zurück
Schmaler, heller, eigens in Dänemark gefertigte Ziegel in einem warmen Weißgrauton korrespondiert mit dem mittelalterlichen Bestand aus Ziegeln, Tuff und Basalten -> Neues und Altes wird verbunden
Die 54 cm lange und nur 4 cm hohe Steine wurden handwerklich hergestellt
Trotz den dadurch entstandenen minimalen Unregelmäßigkeiten erscheinen die Flächen streng
Kern der Außenwände und die Innenwände bestehen aus Ziegelmauerwerk
Erlaubte sowohl behutsamen Anschluss an die Bestandsmauern als auch das großflächige, doppelschalige „Filtermauerwerk“, mit dem er das Grabungsfeld umfängt
In den oberen Geschossen der flächigen Fassade wie vorgehängt sind fünf große Fensteröffnungen
Foyer und Garten
Foyer im Wettbewerbsentwurf noch eine zur Straße öffnende Halle, hat sich im Laufe der vielen Überarbeitungen zurückgezogen
Betritt Museum durch eine fast schaufensterartige Öffnung vor einer zurückgesetzten Wand, entlang der der Weg nach innen führt
Nach Materialhomogenität des Äußeren fast ein wenig überwältigt von der Vielfalt der Innenausstattung
Großflächige Muschelkalkplatten des Bodens
Tresen aus Eukalyptusholz, Bücherregale in Roseneiche, in Birnbaum ausgekleidete Garderobe
Dunkelgrau-schwarz heben sich der Kassenbereich, Toilettenräume und Küchenbereich vom restlichen Gebäude ab -> basaltgrauer Beton
Vom Foyer öffnet sich der Blick in den von einer rötlichen Stampfbetonwand eingefassten, mit Christdornbäumen bepflanzten Gartenhof, einer Sitzbank und der Figur „Große Liegende“ von Hans Josephsohn
Ausgrabungsbereich
Aus Foyer kann man durch einen schweren ledernen Vorhang in das Dämmerlicht des 900 Quadratmeter großen Ausgrabungsbereich treten
Raum im Halbdunkel, von Filtermauerwerk flirrend einfallendes Tageslicht und einige Hängeleuchten erhellte Halle
Pendelleuchten werfen spottartiges Licht auf bestimmte Details
Filtermauerwerk erhält Außenklima -> Vorteil für Ruinen
Im Grabungsfeld stehen 14 schlanke, 12m hohe Betonstützen, die den Verlauf des ehemaligen, leicht trapezförmigen Mittelschiffs nachzeichnen
Schlanke Stahlpfeiler mit Stahlimplantaten -> Baugrund sehr geschont, nur punktuelle Eingriffe in den Boden vorgenommen
Zumthor lagerte auf diese sowie weiteren im alten Mauerwerk platzierten Stützen die die Kapelle und Ruinenstätte überlagernde Mörteldecke auf
Besucher wird entlang eines gezackt über das Gelände gelegenen roten Stegs aus Padoukholz vorbei an den Ruinen und Böhms Kapelle in die offene Sakristei geleitet, wo Richard Serras Skulptur „The Drowned and the Saved“ steht
Weg führt zurück über den Steg, vielleicht erahnt man erst beim zweiten Überqueren und aus dieser Perspektive eine Ordnung in der Stellung der Betonstützen
Sogwirkung des intensiv roten Steges daraufgelegt, nach einem ersten, schnellen Durchqueren den Benutzer zum Perspektivenwechsel aufzufordern
Einhausen der Marienkapelle mit den Ruinen hat nicht nur bei Böhm, sondern auch bei vielen Kölnern anfänglich Entrüstung hervorgerufen -> Ruhepunkt im Einkauferleben der nahen gelegenen Hochstraße
Nordflügel
Im unterkellerten Nordflügel Depots untergebracht
- OG
Ausstellungsräume für die sehr divergente Sammlung aus sakraler Kunst der Jahrhunderte beginnen kleinteilig im fensterlosen ersten Obergeschoss des Nordflügels, zu dem ein schmaler Treppenschacht hinaufführt
Fugenlose, helle Terazzoboden ist gegen die mit einem warmen graubeigen Lehmputz versehenen Wände einen Spalt breit abgesetzt
Für den Deckputz wurde in Zusammenarbeit mit einem Lehmexperten eine spezielle Lehmmischung im Farbton „Kolumbagrau“ entwickelt
Kolumbagrau Mischung aus ca. 10% schwarzem Schiefermehl und 90% porzellanweißem Kaolin
Mörteldecken korrespondieren mit einem leicht gelblichen Grau
Rebecca Horns „Blindenstab“, Warhol und mittelalterlicher Schmerzensmann sollen hier mit dem Betrachter in den Dialog treten
Gegen „Plakatierung“ der Wände hatte sich Zumthor vehement ausgesprochen -> von samtig-erdiger Glätte der Wände zu prominent abgesetzt
Niedriges Kabinett, das um eine 4cm hohe Stufe versetzt gleichsam aus der Wand ausgehöhlt zu sein scheint, bildet eine Art Ouvertüre des im 2. Obergeschoss bestimmenden Themas von Platz, „Kabinetthäusern“ und Türmen
Am Ende der Raumfolge, über Böhms Kapellenhalle gelegen, verschließen schwere, schwarze Samtportieren den Blick in das ebenfalls mit schwarzen Samt ausgekleidete Armarium, aus dessen Dunkel der fast aufdringlich angestrahlte Kirchenschatz sein Geheimnis preisgibt
- OG
Der Weg ins Licht des 2. Obergeschosses führt über eine Himmelsleiter, über die der weißgraue Terazzobelag, von den Wänden abgesetzt, fugenlos hinaufzugleiten scheint
An ihrem Ende öffnet sich ein raumhohes Fenster -> Blick auf Dom
Im eigentlichen Ausstellungsbereich über dem Gräberfeld zeichnet der Terrazzo platzartig den Verlauf des darunter liegenden Stützenrasters nach
An abgesetzten Kanten, einzelnen Häuserfluchten ähnlich, gehen die Wände der Kabinette auf
Zwischen deren Fluchten öffnen sich zwei helle, seitliche Plätze, die über breite, geschosshohe Fenster belichtet werden und Blicke auf Köln rahmen -> Weiterführung des innen wahrnehmbaren Stadtthemas
Auch von außen mit der Fassade vorgehängter Fensterkonstruktion erinnert an Rahmen
Im Verhältnis zur Raumhöhe sehr niedrige Einschnitte in die Wände führen in drei dunkel gehaltene Eingangskabinette, an die sich helle, turmartige Räume anschließen
Licht fällt hier aus hoch liegenden satinierten Seitenfenstern ein -> unterstützt Sogwirkung des Raumes
Durch Scheiben belichtet erscheint der Lehmputz blau grau
Im Inneren der Räume, wo er wärmer ausgeleuchtet wird, reflektiert er das Licht ockergrau
Lesesaal
Lesesaal vom Boden über Wände bis Decke mit Mahagoni Holzpaneelen in großflächiger Maserung ausgekleidet -> dominant auf sich selbst und den geschosshoch gerahmten Blick auf die Stadt konzentriert
Sitzmöbel speziell für diesen Raum von Zumthor entworfen und haben expressionistische Rundungen
Literatur in Bibliothek beschäftigt sich ausschließlich mit dem Museum
Intention und Kritik
Inmitten dieser spannungsreichen, dabei in sich ruhenden Räumen, tritt sakrale Kunst vieler Jahrhunderter mit moderner, weltlicher Kunst in den Dialog und lädt den Besucher ein, daran teilzuhaben
Kuratoren haben sich auf zurückhaltend wenig Exponate ihrer Sammlung beschränkt -> bauen darauf, dass ihr Konzept der Gegenüberstellung dem Besucher ein intensives Erleben ermöglicht und ihn wiederkommen lässt, um immer neue Gespräche in häufig wechselnden „Kunstgruppierungen“ zu führen
Gelegentlich an Kolumba geäußerte Kritik: Zumthor habe ein Gefäß geschaffen, in dem profane Kunst in ihrer Gegenüberstellung mit sakraler eine dieser immanente, höhere Bedeutungsebene erhalte
Man stellt aber eher die Mündigkeit der Besucher in Frage
Bauaufgabe lautet, einen Raum zu schaffen, der spirituelles Erleben erlaubt
Wirkung
Archaisch in seiner Wirkung
Mit seiner fast archetypisch zu nennender Bilder- und Erlebniswelt spricht es tief verwurzelte Wahrnehmungsebenen an
„ahnungsschwingende“ Mehrdeutigkeit, verbunden mit einer sehr klaren Formensprache, macht die Qualität von Kolumba aus
In ihr zeigt sich der lange Entwurfsprozess -> Gebäude lädt zur vielschichtigen Interpretierbarkeit ein
Licht, Klima, Geräusche, Geruch und das wechselnde Tageslicht werden bruchstückhaft und gefiltert in das Innere übertragen durch das Filtermauerwerk
Filtermauerwerk schafft durch die Offenheit einen Bezug zur Außenwelt
Prinzip Raum im Raum: durch starke Kontraste wirken Räume wie kleinere Räume, die in einen größeren Raum hineingesetzt wurden
Licht und Schatten prägen Raumeindruck
Jeder Raum unterschiedliche Größe, Form und Proportion -> ganz eigene sinnliche Qualität
Bodentiefe Glasflächen -> Eindruck Verschmelzung innen und außen
Grenzen verschwimmen, Atmosphäre der Offenheit und Unbegrenztheit spürbar