Bruder Klaus Flashcards
Basisinformation
Architekt: Peter Zumthor
Kapelle zu Ehren des Mystikers Nikolaus von Flüe, eines heiliggesprochenen Eremiten aus dem 15. Jh., welcher in der Innerschweiz lebte
Errichtet auf Anhöhe des leicht ansteigenden Geländes, inmitten von Wiesen und Feldern, in Mechernich-Wachendorf, Eifel
Idee und Finanzierung
Ungewöhnliche Idee, inmitten einer baulich unberührten Landschaft einen Ort der Einkehr und Andacht zu schaffen, geht auf Wunsch eines ortsansässigen Bauern zurück
Hermann-Josef Scheidtweiler und seine Frau Trudel wollten aus religiöser Dankbarkeit eine Bruder Klaus Kapelle stiften
Zumthor verzichtete auf einen Gutteil seines üblichen Honorars und beließ es bei der Erstattung seiner Unkosten
Ließ sich mehr als acht Jahre Zeit für die Reifung der Idee und Planung der Bauwerksgestalt
2005 konnte mit dem Bau begonnen werden
Mai 2007 fand die feierliche Einweihung statt
Aus der Ferne
In einer sanft hügeligen Landschaft aus Wiesen, Äckern und Waldfluren ragt ein wuchtiger, asymmetrischer Betonturm zwölf Meter in den Himmel
Schmaler, geschotterter Fußpfad führt geradlinig den Besucher zur Kapelle
Wirkt aus der Ferne wie ein Schutz- und Verteidigungsbau aus kriegerischen Zeiten
Schroffe Kantige des massiven, fensterlosen Baus wirkt abweisend und wehrhaft
Zahlreiche, über die ganze Fläche der Längswand verteilte kleine Löcher haben fast bedrohliche Wirkung
Eingang ungewöhnlich und seltsam: riesiges, massiv gebautes Dreieck mit spitzem Winkel nach oben gerichtet
Aus der Nähe
Bauwerk nicht aus Einzelsteinen gemauert, sondern in einer Art Schalung in vielen Schichten aus Beton geformt
Unregelmäßig verlaufende, horizontale Schichten in etwa gleicher Stärke, welche sich auch farblich leicht unterscheiden
Grundriss, Längs- und Querschnitt
Schwarze Fläche im Grundriss Aufschluss über sehr unterschiedlich massiv ausgeführte Mauerstärke
Hellgrau dargestelltes Band umschließt Bauwerk fast vollständig
Innenform absolut gegensätzlich zur Außenform
Kristallin anmutende Außengestalt birgt in ihrem Inneren eine organisch sich entwickelnde Hohlform
Durch Aufrisse der Längs- und Querschnitte entpuppt sich Innere als zeltartig geformter Raum, welcher als enger Gang vom Portal her in einer Biegung nach innen führt, um sich im Zentrum sowohl in seiner Weite als auch in seiner Höhe zu öffnen
Im Inneren
Theoretisch gewonnene Erkenntnisse bekommen durch das tatsächliche Betreten eine wichtige sinnliche Erfahrung und Bereicherung
Grottenartig wirkende, enge und niedrige Gang kontrastiert mit nüchterner Glätte und exakter Kantigkeit des Außenbaus
Fast einem Stollengang im Bergwerk gleichend neigen sich die Wände des Ganges zueinander
Rippenartige Oberflächen rau, stellenweise scheint ein Feuer seine rußenden Spuren darauf hinterlassen zu haben
Tageslicht vom Eingang reicht nur bis Biegung des Weges, der restliche Verlauf verschwindet im Dunkel
Dunkelgraue Boden des Ganges zeigt reliefartiges Muster an Oberfläche, welches an eine erstarrte Flüssigkeit erinnert
Schreitet man in das Innere der Kapelle, öffnet sich das folgende Raumvolumen
1,04 m Sitzfläche und ein Kerzenständer
Auf einer Stele steht eine Büste des Bildhauers Hans Josephsohn (Freund Peter Zumthors), welches das Antlitz von Bruder Klaus zeigen soll
Wände ringsum rußgeschwärzt und haben alle ein ähnliches, rippenartiges Reliefmuster auf der Oberfläche
Zwischen den Rippen führen deutliche Holzkehlen konkav nach oben und prägen so den Charakter des Raumes
Unscheinbar und fast verloren befindet sich an der zerklüfteten Wand ein filigran wirkendes Radzeichen mit sechs Speichen
Blick im Zentrum des Raumes nach oben ist überwältigend
Öffnung zum Himmel erscheint wie ein riesiges, strahlendes Auge
Helle Glaskugeln wie Sterne am Nachthimmel verteilt
Konkave Holzkehlen der Wandstruktur lassen auf ihrer dunklen, teilweise glatten Oberfläche wie auf Bahnen das Tageslicht von oben nach unten gleiten
Bauprozess
Viele tiefgreifende Überlegungen notwendig, um in der über achtjährigen Planungsphase zu der letztendlich gültigen Form zu finden
Ehepaar Scheidtweiler hatte für das Projekt nur begrenzte Mittel, daher überlegte sich Zumthor ein Bauprozess, bei dem die Eigenmittel und Eigentätigkeiten der Bauherren optimal eingebracht werden können
Stampfbeton
Zumthor wählte die Technik des Stampfbetons, ein traditionelles Verfahren, das auch ungeübte Arbeitskräfte leicht ausführen können
Kies uns Sand aus näherer Umgebung werden mit weißem Zement zu einer erdfeuchten Masse vermischt und durch Stampfen mit den Füßen und mit Stampfhölzern verdichtet
In Lagen von 50cm bis zu einer Höhe von 12m geschichtet
Für Formgebung des Mauerwerks musste dafür eine entsprechende Schalung hergestellt werden
Innenform der Kapelle bildete eine Schalung aus schlanken Fichtenstämmen, welche von einem Zimmermann zeltartig gegeneinandergestellt und entsprechend konstruktiv verbunden wurden
Holz der 112 Stämme stammt aus dem Wald der Bauern
Um diese zeltartige Konstruktion herum wurde stufenweise eine übliche, horizontal angeordnete Tafelschalung angebracht
Scheidtweiler und seine Helfer konnten in den so hergestellten Schalungsraum den Stampfbeton einbringen
Mithilfe von Spanneisen äußere Schalungstafeln mit inneren verbunden. Damit die Stäbe nicht einbetoniert werden befinden sie sich in Röhren, welche bei der Gestaltung des Innenraumes später eine wichtige Rolle spielen
Jede Stampfbetonschicht muss innerhalb eines Tages eingestampft werden, Zumthor spricht daher auch von einem Tagwerk
Für die Fertigstellung des Baus waren 24 Tagwerke erforderlich
Grundplatte und Dach
Bauwerk hat zum Teil gewaltige Mauerstärken, sodass man bei dem Gesamtbau von einem immensen Gewicht ausgehen kann
Zumthor ließ eine mehr als drei Meter starke Grundplatte betonieren
Gesamte Dachfläche leicht nach innen geneigt, sodass Regenwasser durch die Dachöffnung fließen kann
Ein Teil ergießt sich direkt nach unten, das Meiste rinnt jedoch an der 12 Meter hohen schrägen Innenwand langsam nach unten
Am Boden sammelt es sich in einer flachen Pfütze direkt unter der Öffnung
Entfernen der Baumstämme
Ein Großteil der als innere Schalung dienende Baumstämme wurde später durch die Öffnung wieder entfernt
Dafür mussten sich die Stämme vom festgestampften Beton lösen
Die frisch geschlagenen, noch feuchten Stämme, wurden über drei Wochen einem Mottfeuer ausgesetzt. Dazu wurde im Inneren der Kapelle ein Feuer in der Art eines Kohlenmeiers entzündet
Durch mehr als 300 Grad heiße Temperatur trockneten die Stämme aus und schrumpften dabei, wodurch sie sich vom Beton lösen ließen
Verbrennungsgase schwärzten zusätzlich die Oberfläche des Stampfbetons
Röhren
Röhren, welche die Spanneisen enthielten, dienen nun als winzige Lichtöffnungen für das Tageslicht
Im Innern sind 350 mundgeblasene Glaspropfen angebracht, welche die Lichtwirkung der Röhrenöffnung verstärken und gleichzeitig als Verschluss wirken und somit vor Zugluft schützen
Bodenbeschaffenheit
Zumthor ließ eine Legierung aus Blei und Zinn schmelzen und portionsweise in den Raum gießen
Beim Erkalten der Metallschmelze entstanden die typischen, reliefartigen Erstarrungsmuster, welche an die gefrorene Oberfläche eines Gewässers erinnern
Kontrast zur Umgebung
Strenge Formgebung der fensterlosen Blockarchitektur grenzt sich hermetisch vom Umraum ab und lässt keinerlei Schlüsse auf das Rauminnere zu
Selbst der Eingang wird durch eine massive Tür in der Form eines spitzwinkligen Dreiecks verschlossen
Kontrast innen und außen
Innenraum wirkt wie eine grottenartige Höhle im Betonmassiv
Statt ebener, vertikaler Mauern begrenzen nach innen geneigte, rau zerklüftete Wände den engen, nach oben sich verjüngenden Hohlraum
Schlauchartige Gang windet sich gleich einem organischen Wesen vom Eingang her in die Tiefe des Gebäudes und weitet sich wie eine Blase im Inneren
Dadurch entstanden gewaltige Dimensionen an Mauerstärke
Form des Innenraums hat lediglich durch ihre längliche Ausrichtung Einfluss aus die Außengestalt des Bauwerkes
Licht
Durch schmalen, offenen Gang fällt das Licht bis zu einer gewissen Tiefe
Selbst wenn die Tür geschlossen ist, kann durch einen bewusst offen gehaltenen Spalt zwischen Tür und Mauerwerk Tageslicht eindringen
Im Zentrum der Kapelle Kegelspitze unabgeschlossen, sodass das Rauminnere von Tageslicht erhellt und der Witterung ausgesetzt ist
Die Spannlöcher der Schalungskonstruktion sind eine weitere Möglichkeit, das Raumdunkel aufzuhellen