Rechtstheoretische und Methodische Grundlagen Flashcards
ÖR
welche Arten
von Rechtsnormen gibt es?
- Zwangsnormen
- Zwangsnormvollzugsnormen
- Erzeugungsnormen
Zwangsnormen
Gebieten oder verbieten ein bestimmtes Verhalten und ordnen eine Sanktion oder Rechtsfolge für den Fall der Nichtbefolgung an.
Teil der Zwangsnormen:
- Gebotsteil: Bestimmt das zu gebietende oder verbietende Verhalten.
- Sanktionsteil: Ordnet die Konsequenzen bei Verstoß an.
Wird auch als materielles Recht oder Verhaltensrecht bezeichnet.
Lex imperfecta
- Sonderform der Zwangsnormen, bei der der Sanktionsteil fehlt.
- Beispiel: „Das Betreten der Wiese ist verboten“ (ohne Sanktion).
- Folge: Die Regelung ist nicht durchsetzbar.
Zwangsnormvollzugsnormen
Regeln, wer befugt ist, Zwangsnormen durchzusetzen, und wie dabei vorzugehen ist.
- Organisationsrecht: Regelt, wer zur Vollziehung befugt ist.
- Verfahrensrecht: Regelt, wie die Sanktionen vollzogen werden.
- Wird auch als formelles Recht oder Verfahrensrecht im weiteren Sinne bezeichnet.
Beispiel: Verwaltungsorganisationsvorschriften.
Erzeugungsnormen
Regeln, wer berechtigt ist, Normen zu schaffen, und wie dies zu erfolgen hat.
Teile:
- Organisationsteil: Regelt, wer Normen setzen darf.
- Verfahrensrecht: Regelt, wie Normen geschaffen werden.
Beispiel: Regelungen über die Gesetzgebung des Nationalrats.
Beurteilung als Erzeugungsnorm
Ob eine Norm eine Erzeugungsnorm ist, hängt vom Verhältnis zu der erzeugten Norm ab:
- StGB (Zwangsnorm) → StPO (Zwangsnormvollzugsnorm)
- StPO (Erzeugungsnorm) → Urteil
- Schlüssel: Der Inhalt und die Funktion im jeweiligen Kontext bestimmen die Zuordnung.
Materielles Recht
- Definition: Regelt ein bestimmtes Verhalten und ordnet Sanktionen bei Nichtbefolgung an.
- Prüfung: Am Inhalt der Regelung erkennbar.
Formelles Recht
- Definition: Regelt, wer befugt ist, Zwangsnormen zu vollziehen, und wie dies geschehen soll.
- Prüfung: Am Inhalt der Regelung erkennbar.
Rechtsnorm
Definition: Die gesamte Anordnung von Regelungen eines Rechtsgebiets
Rechtsvorschriften
Einzelne Regelungen in der konkreten Formulierung des positiven Rechts.
Rechtsnorm vs. Rechtsvorschrift
- Rechtstheoretische Unterscheidung:
- Rechtsnorm: Allgemeine Regel, die sich aus mehreren Rechtsvorschriften zusammensetzt.
- Rechtsvorschrift: Konkrete gesetzliche Bestimmung.
- Alltagssprache: Oft werden die Begriffe synonym verwendet
Worauf beziehen sich Rechtsnormen?
- Gebiet: Ein bestimmter räumlicher Bereich.
- Personengruppe: Bestimmte Personen, auf die sich die Norm richtet.
Örtlicher Geltungs- bzw. Anwendungsbereich von Rechtsnormen
- Räumlicher Bezug:
- Bundesgesetze: Gesamtes Bundesgebiet.
- Landesgesetze: Nur auf ein Bundesland.
- Gemeindeverordnungen: Auf eine Gemeinde beschränkt.
Persönlicher Geltungs- bzw. Anwendungsbereich von Rechtsnormen
- Personenbezug:
- Generelle Normen: Für einen unbestimmten, nach Gattungsmerkmalen bestimmten Personenkreis (z. B. Gesetze, Verordnungen).
- Individuelle Normen: Für bestimmte Personen (z. B. Bescheide, Urteile).
Sachlicher Geltungs- bzw. Anwendungsbereich der Rechtsnormen
Bezug auf bestimmte Lebenssachverhalte oder Verhalten, z. B.:
- Haltung von Tieren.
- Errichtung von Gebäuden.
- Schutz von Denkmälern.
Zeitlicher Geltungs- bzw. Anwendungsbereich der Rechtsnormen
Entstehung: Sobald der letzte Akt gemäß den Erzeugungsnormen erfolgt ist (z. B. Kundmachung im Bundesgesetzblatt).
Geltung vs
Inkrafttreten
Unterschied:
- Geltung: Bestandteil der Rechtsordnung, sobald sie kundgemacht wurde.
- Inkrafttreten: Zeitpunkt, ab dem die Norm anzuwenden ist.
- Sofort mit Kundmachung.
- Zu einem späteren Zeitpunkt (Legisvakanz).
- Rückwirkend (Anwendung auf vergangene Sachverhalte, problematisch).
Fehler in der Normerzeugung – Theoretische Sicht
Absolute Nichtigkeit:
- Eine Norm kommt nicht zustande, wenn nicht alle vorgeschriebenen Bedingungen für ihre Erzeugung erfüllt sind.
- Solche Normen sind absolut nichtig, auch wenn sie z. B. durch Kundmachung den Anschein erwecken, gültig zu sein.
- Folge: Rechtsunsicherheit, da Personen die Norm irrtümlich befolgen könnten
Kann eine fehlerhaft erzeugte Norm geändert oder aufgehoben werden?
- Fehlerhaft erzeugte Normen können unter bestimmten Voraussetzungen im positiven Recht geändert oder aufgehoben werden.
- Voraussetzung: Die Norm muss zunächst Geltung erlangt haben.
- Beispiel:
- Art. 139 Abs. 1 B-VG: Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) erkennt über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen.
- Abs. 3: Der VfGH darf Verordnungen nur aufheben, wenn:
- Ein entsprechender Antrag gestellt wurde, oder
- Die Bestimmung in einem Verfahren anzuwenden gewesen wäre, wenn sie nicht aufgehoben worden wäre.
- Gesetzeswidrigkeit der gesamten Verordnung:
- Wenn die Verordnung keine gesetzliche Grundlage hat,
- von einer unzuständigen Behörde erlassen wurde,
- oder gesetzwidrig kundgemacht wurde,
- → hat der VfGH die Verordnung als gesetzwidrig aufzuheben.
Fehlerkalkül – Fehlerhafte Normen und ihre Geltung
Rechtssicherheit über Rechtsrichtigkeit:
- Fehlerhafte Normen gelten bis zu ihrer förmlichen Aufhebung weiter.
- Ziel: Vermeidung von Rechtsunsicherheit.
Definition:
Das Fehlerkalkül der Verfassung sieht vor, dass fehlerhafte Rechtsakte wirksam bleiben, bis sie durch Rechtschutzmechanismen aufgehoben werden.
Rechtsschutz bei fehlerhaftem hoheitlichem Handeln
Bestimmte Formen des hoheitlichen Handelns, die dem Rechtsschutz unterliegen:
- Urteile
- Beschlüsse/Bescheide
- Verordnungen
- Gesetze
Regel: Was erlassen wurde, gilt (auch wenn fehlerhaft), bis es geändert oder aufgehoben wird
Voraussetzungen für die Geltung fehlerhafter Normen
- Willensakt eines grundsätzlich zuständigen Staatsorgans.
- Veröffentlichung:
- Gesetze/Verordnungen → Kundmachung.
- Urteile/Bescheide → Zustellung
Stufenbau nach der rechtlichen Bedingtheit
- Grundprinzip:Rechtsnormen werden auf Basis anderer Rechtsnormen erzeugt (Erzeugungszusammenhang).
- Hierarchie:Erzeugungsnormen stehen über den erzeugten Normen.
- Analyse:Der Zusammenhang ergibt sich ausschließlich aus dem Inhalt der Normen.
Nur aus der inhaltlichen Betrachtung lässt sich erkennen, ob eine Norm Erzeugungsnorm für eine andere ist
Doppelter Rechtsantlitz
Ein doppelter Rechtsantlitz bedeutet, dass eine Norm gleichzeitig Erzeugungsnorm und erzeugte Norm sein kann.
Beispiel:
Die Exekutionsordnung ist:
1. Erzeugungsnorm für die gerichtliche Bewilligung.
2. Erzeugte Norm des Nationalrates (als Bundesgesetz).