Nozizeption und Schmerz Flashcards
Was ist Schmerz beim Menschen?
Was ist Schmerz beim Tier?
Was bedeuten Transduktion und Transmission?
Grundsätzlich unterscheidet man in der Sinnesphysiologie zwischen der Reizerkennung (hier: Nozizeption), der Umwandlung des Reizes in ein elektrisches Signal (Transduktion), der Weiterleitung im Neuron (Transmission) und schließlich der zentralen Verarbeitung des Reizes mit Wahrnehmung (Perzeption).
Für den Fluchtreflex ist nur ein intaktes nozizeptives System erforderlich.
Eine erlernte Verhaltensänderung setzt eine komplexe zentrale Verarbeitung des Reizes voraus. Eine aversive Verhaltensänderung kann beobachtet werden und als objektiver Nachweis erlittener Schmerzen betrachtet werden.
Wie entstanden Mechanosensitive Channel of Large Conductance?
Hier dargestellt das Meer, in dem die ersten Einzeller der Weltgeschichte lebten. Diese „Ursuppe“ hatte vermutlich in etwa die Osmolarität und Zusammensetzung unseres Blutplasmas.
Es kommt zur Katastrophe: es beginnt zu regnen.
Die oberste Gewässerschicht, in welcher der Einzeller sich aufhält, wird verdünnt oder hypoton. Durch Diffusionsprozesse strömt Wasser in das Zytosol, der Einzeller schwillt an und droht zu platzen.
Hier hilft die Expression einer Protein Pore in der Zellmembran, die sich bei mechanischer Dehnung öffnet und Elektrolyte austreten lässt, damit sich die Osmolarität angleichen kann.
Einer der ältesten Ionenkanäle überhaupt ist entstanden: der „Mechanosensitive Channel of Large Conductance“.
Seine Pore ist riesig und führt zum schnellen Ausgleich der Osmolarität.
Leider gehen dabei auch energiereiche Substrate wie z.B. ATP verloren.
Wie entwickelte sich das Wegschwimmen bei Gefahr?
Hierzu sind zwei Dinge notwendig:
Erstens natürlich ein für die Fortbewegung geeigneter Zilienapparat, auf dessen komplexe Struktur und Funktionsweise hier nicht näher eingegangen werden kann.
Zweitens muss die Pore des mechanosensitiven Kanals so mit negativen Ladungen ausgestattet werden, dass jetzt keine energiereichen Anionen austreten, sondern bei Membrandehnung mit Öffnung der Pore ein Influx von Kationen (insbesondere von Calcium) stattfindet.
Dieses Calcium bewirkt dann eine Konformationsänderung der Zilien („Wimpernschlag“).
Natürlich ist noch einiges andere notwendig damit eine halbwegs fortlaufende und koordinierte Bewegung möglich wird. Der entstandene nichtselektive Kationenkanal jedoch erweist sich als ausserordentlich nützlich und darf als Urgroßvater der nozizeptiven Kanäle betrachtet werden.
Noch besser ist es natürlich für den Einzeller, wenn er in der Lage ist, die Zerstörung anderer Einzeller in der Umgebung wahrzunehmen und darauf mit einer „Flucht“ zu reagieren.
Als Botenstoff kann hier zum Beispiel das ATP dienen, welches aus überdehnten oder geschädigten Nachbarzellen austritt.
Was passiert nun, wenn andere Zellen sterben und ATP frei wird?
Nach Bindung von ATP an entsprechende Kationenkanäle kommt es zur Öffnung derselben mit Einstrom von Calcium und nachfolgender Aktivierung des Zilienapparates.
Hierbei handelt es sich bereits um einen recht „modernen“ Nozizeptor. Kanäle mit der Fähigkeit, ATP zu detektieren („purinerge Kanäle“) sind ubiquitär verbreitet; so auch in unserer Haut und in den Eingeweiden.
Wie reagieren Mehrzeller auf ATP?
Beim Mehrzeller ist ein „Davonschwimmen“ der Zellen in der Region um eine Gewebsschädigung natürlich nicht möglich.
Stattdessen erfolgt nach neuronaler Weiterleitung an die motorischen Zentren die Auslösung des Ihnen bereits bekannten Fluchtreflexes.
Voraussetzung ist das Vorhandensein einer spezialisierten Form von Nervenzellen, den Nozizeptoren.
Ein Grund für die jahrzehntelange Vernachlässigung der Nozizeption als physiologischem Phänomen mag der Umstand sein, dass Nozizeptoren als alte und im Grunde primitive Sinnesorgane im histologischen Schnitt recht unspektakulär imponieren.
Es sind einfache Nervenfasern.
Was sind Nozizeptoren?
Die Haut besitzt allerdings eine außerordentliche große Dichte solcher spezialisierten Fasern, welche mit einer Vielzahl unterschiedlichster Ionenkanäle ausgestattet sind. Diese lassen oft einen detaillierten Rückschluss auf die Ursache des eingetretenen oder drohenden Gewebeschadens zu. Die Erkennung der schmerzauslösenden Noxe ist natürlich essentiell für die künftige Vermeidung.
Die Nozizeptoren der Eingeweide erlauben hingegen nur eine grobe Aussage über die Lokalisation. Eine Unterscheidung unterschiedlicher Ursachen für den Schmerz ist in der Regel nicht möglich.
Was ist das rezeptive Feld?
Als „rezeptives Feld“ bezeichnet man ein um den Nozizeptor herum liegendes Areal. Trift ein noxischer Reiz auf dieses Feld, wird im zugehörigen Nozizeptor ein Aktionspotential ausgelöst, welches zum Rückenmark weitergeleitet wird. Voraussetzung für die Fähigkeit, den Schmerzreiz zu lokalisieren, ist die Größe der rezeptiven Felder. Dementsprechend sind die rezeptiven Felder der Haut vergleichsweise klein, die der inneren Organe hingegen größer. Über die Intensität der ausgelösten Empfindung erlaubt die Rezeptordichte keine Aussage.
Wie funktionieren Nozizeptoren?
Die Nervenendigung des Nozizeptors ist mit Kationenkanälen ausgestattet, die den „Urkanälen“ des Einzellers durchaus ähneln. Es zeigt sich aber, dass die verschiedenen Schmerzafferenzen der Haut sehr unterschiedliche Kanäle exprimieren. So öffnen sich manche bei mechanischen Reizen (z.B. Dehnung), andere nach Einwirkung von Botenstoffen (z.B. ATP), wieder andere nach Erwärmung. Jeder Nozizeptor ist so auf die Erkennung bestimmter Noxen spezialisiert und wird nur bei eintreffen eines sog. „adäquaten“ Reizes aktiviert.
Dann öffnen sich die Kationenkanäle in der Nervenendigung und die Zelle wird depolarisiert; ein Aktionspotential wird ausgelöst und weitergeleitet. (Eine geringe Kaliumleitfähigkeit spielt am Ruhemembranpotential keine Rolle, kann aber bei der Repolarisation helfen).
Im folgenden sollen einige dieser Kanäle vorgestellt werden.
Was sind Mechanosensitive Kanäle?
Im einfachsten Fall handelt es sich um Kanäle, die durch die Dehnung der Zellmembran geöffnet werden.
Solche Kanäle hatten Sie bereits beim Spindelapparat des Muskels kennengelernt. Bei starker Dehnung kann die Aktivierung solcher Kanäle in Haut oder Eingeweiden aber auch als schmerzhaft erlebt werden.
Oftmals ist der Mechanismus komplizierter und die Öffnung erfolgt über eine Verschiebung der Zellmembran relativ zum Zytoskeleton.
Es können so kleine Berührungen wahrgenommen werden.
Im Laufe der Evolution ist es auch zur Ausbildung spezieller mechanosensitiver Proteine gekommen, die über second messenger zur Aktivierung von Kationenkanälen führen.
Nenne Nozizeptive Ionenkanäle!
- DEG – ENaC Familie
- Purinerge Kanäle (P2X)
- TRP Familie
Was ist die DEG – ENaC Familie ?
Viele mechanosensitive Kanäle gehören zu einer für die Schmerzrezeption, aber auch für den epithelialen Transport sehr wichtigen Kanalfamile der DEG/ENaC/ASIC Familie.
Die DEG Kanäle oder Degenerine sind mechanosensitiv.
ASIC Kanäle (Acid Sensing Ion Channels) werden durch Protonen – also Säure - geöffnet.
Die Kanäle der ENaC Familie spielen für die Natriumresorption in Darm und Niere eine herausragende Rolle. Hiervon wird noch in der Nierenvorlesung und beim Gastrointestinaltrakt die Rede sein.
Wie funktionieren die Kanäle der DEG – ENaC Familie?
Die Grundstruktur aller Kanäle dieser Familie ist ähnlich. Auch die Porenregion unterscheidet sich kaum. Es handelt sich um recht einfach aufgebaute Proteine mit nur zwei membranspannenden Domänen, von denen jeweils drei zu einem Kanal assoziieren. Es handelt sich um Kanäle einfachsten Bautyps, also um eine Art „Ur-Kanäle“.
Je nach Kanaltyp sind jedoch verschiedene Reize notwendig, um die Pore für Kationen zu öffnen, den Nozizeptor zu depolarisieren und so ein Aktionspotential auszulösen.
Viele Kanäle der DEG / ENaC Familie werden durch Einwirkung von Säure aktiviert.
Hier ist schematisch die Proteinsequenz einer Untereinheit des säuresensitiven ASIC (Acid Sensing Ion Channel) dargestellt.
Die Wahrscheinlichkeit, dass sich der Kanal öffnet, erhöht sich mit fallendem pH. Aus diesem Grunde wird Zitronensäure auf verletzten Hautstellen als schmerzhaft empfunden. Auch bei Entzündungen kommt es über eine Freisetzung von Protonen zu einer Aktivierung des ASIC.
Was sind Purinerge Kanäle (P2X) und wie funktionieren sie?
Von den purinergen Kanälen, die durch ATP geöffnet werden, war bereits die Rede. Auch diese Kanäle haben nur zwei membranspannende Domänen und ähneln somit den Kanälen der DEG Familie.
Purinerge Kanäle kommen, wie bereits erwähnt, in der Haut vor, aber vor allem auch in den Eingeweiden, wo sie eine große Rolle bei der Auslösung von Schmerzen in diesem Bereich spielen.
Mittlerweile werden eine Reihe von Pharmaka erprobt, die spezifisch die Schmerzweiterleitung durch Kanäle dieses Typs hemmen sollen.
Was ist die TRP Familie?
Die Wahrnehmung von Hitze und Kälte erfolgt bereits bevor ein Gewebeschaden aufgetreten ist und stellt somit ein ausgesprochen nützliches Warnsystem dar.
Der Aufbau dieser Kanäle ist etwas komplexer und ähnelt verblüffend dem der spannungsabhängen Kaliumkanäle, die sie aus der Vorlesung des Wintersemesters bereits kennen. Allerdings sind die TRP Kanäle nicht kaliumselektiv. Die Kanäle öffnen und schließen sich spontan, wobei die Anzahl der zu einem gegebenen Zeitpunkt offenen Kanäle von der Temperatur abhängt. Ein Spannungssprung ist dafür nicht nötig.
Auch diese Kanalgruppe ist phylogenetisch sehr alt und im gesamten Tierreich nachweisbar.
Während einige Vertreter dieser Gruppe bei Erwärmung öffnen, steigt bei anderen die Offenwahrscheinlichkeit bei Kälte.
Interessanterweise werden diese Kanäle auch durch eine Reihe von pflanzlichen Stoffen wie Capsaicin, dem Wirkstoff des roten Pfeffers (Hitze) oder Menthol (Kälte) geöffnet. Vermutlich schützen sich die Pflanzen, welche diese Substanzen produzieren, durch die Öffnung von nozizeptiven Kanälen vor dem Gefressenwerden.
Wie funktionieren die Kanäle der TRP Familie?
Ursache für die Öffnung bei unterschiedlichen Temperaturen ist die Konfiguration des Grundzustandes. Bei den wärmeaktivierten Kanälen (z.B. TRPV1) ist der Grundzustand geschlossen; bei Erwärmung wird der energiereichere geöffnete Zustand erreicht.
Bei den kälteaktivierten Kanälen ist der Grundzustand offen, durch Erwärmung findet ein Übergang in den geschlossenen Zustand statt.
Natürlich ist eine Unterscheidung verschiedener Temperaturen nur möglich, weil jedes thermosensitive Neuron nur Kanäle eines Typs trägt!
Schmerzafferenzen tragen aber häufig auch ein buntes Gemisch von Kanälen für die verschiedensten Noxen; bei Erregung ist dann die Ursache nicht mehr ermittelbar. So kommt es bei starker Kälte oft zu einer „brennenden“ Empfindung.
Wie funktioniert die pharmakologische Modulation von TRPV Kanälen?
Nach Aktivierung der Kanäle durch pflanzliche Agonisten werden diese bisweilen längerfristig blockiert. Aus diesem Grund versucht man, mit Wirkstoffen wie Capsaicin die Weiterleitung schmerzhafter Reize zu verhindern.
Der Einsatz ist wegen der zunächst als stark schmerzhaft empfundenen Anfangswirkung nur begrenzt möglich. Es wird an Agonisten mit einer rein hemmenden Wirkung gearbeitet.
Was sind die klassischen Zeichen einer Entzündung?
klassische Entzündungszeichen: „rubor, dolor, calor, tumor, functio laesa“
Wie läuft eine Entzündung ab?
Ursache ist die Aktivierung von immunkompetenten Zellen durch die Ausschüttung von Botenstoffen, welche den Untergang von Zellen melden. Von überragender Bedeutung ist hierbei wieder ATP, welches über purinerge Rezeptoren – z.B. purinerge Kationenkanäle – zur Degranulation von Zellen des Immunsystems führt. Es kommt zur Ausschüttung eines Cocktails verschiedener Mediatoren, von welchen TNF sicherlich eine Schlüsselstellung besitzt.
Diese Entzündungsmediatoren wiederum aktivieren entweder direkt oder indirekt das nozizeptive System benachbarter Schmerzafferenzen.
Eine Folge der Ausschüttung von Entzündungsmediatoren ist die Ausschüttung von Zyklooxygenasen (in der Abbildung dargestellt COX2).
Warum ist eine Entzündung so Schmerzhaft?
in dem entzündeten Gewebe geben Entzündungszellen Mediatoren an das Plasma ab. Das entzündete Millieu sensibilisiert die Nozizeptoren.
Auf Grund dessen, reagieren sie auf nicht noxische reize mit einem Erregungspotential.
Bei einer Entzündung wird vermehrt Prostaglandin PGE2 ausgeschüttet. Das aktiviert cAMP, sodass mehr Nozizeptoren eingebaut werden.
Prostaglandine werden zusammen mit Thromboxanen aus Arachnidonsäure gebildet. Aktivator für diese Synthese sind Zyklooxygenasen.
In der Abbildung dargestellt die Wirkung des Prostaglandins PGE2, welches über die Aktivierung von cAMP zur Aktivierung und zum vermehrten Einbau nozizeptiver Kanäle in die Zellmembran des Nozizeptors führt. Damit wird die Schmerzempfindlichkeit heraufgesetzt und die Entzündung führt zu einem mitunter lange anhaltenden „Schmerzgedächtnis“.
Prostaglandinrezeptoren an der glatten Muskulatur der Gefäße führen – ebenfalls über einen cAMP abhängigen Weg – zur Vasodilatation als einer der Ursachen für Schwellung und Rötung des umgebenden Areals.
Was bewirkt Thromboxan?
Thromboxan bewirkt über die Phospholipase C eine Steigerung der intrazellulären Calciumkonzentration, welches wiederum eine Aktivierung bestimmter nozizeptiver Kanäle bewirkt.
Auch hier kommt es wieder zum Neueinbau von Kanälen mit Schmerzgedächtnis. Ganz ähnlich wirken viele andere Entzündungsmediatoren.
Wie wirken Prostaglandinsynthesehemmer?
Zyklooxygenasen bewirken die Bildung von Prostaglandinen und Thromboxanen aus der Arachidonsäure, welche wiederum ein Abkömmling von Phospholipiden der Zellmembran ist.
Prostaglandine und Thromboxane sind entscheidend an der entzündungsbedingten Steigerung der Schmerzempfindlichkeit beteiligt. Es gibt zahlreiche Medikamente, welche die Zyklooxygenase hemmen (so z.B. das bekannte „Aspirin“ oder „Paracetamol“), die Entzündungskaskade folglich durchbrechen und daher schmerzlindernd (analgetisch) wirken.
Was macht die Substanz P?
Neben Ihrer Rolle als Ort für die Weiterleitung haben Nozizeptoren auch sekretorische Funktionen.
So kommt es nach einer Reizung nicht nur zum Einstrom von Natrium, sondern auch zum Anstieg von Calcium, zur Vesikelfusion und Freisetzung von Substanz P. Dieser Entzündungsmediator bewirkt die Stimulation von Mastzellen mit Ausschüttung weiterer Mediatoren, die die Reizschwelle von nozizeptiven Kanälen erniedrigen. Durch die Entzündung wird so eine große Anzahl von normalerweise „stummen“ Kanälen für die Nozizeption rekrutiert. Es kommt zur erhöhten Schmerzempfindlichkeit (Hyperalgesie), durch die normalerweise schmerzlose Reize (z.B. sanftes Drücken) als schmerzhaft empfunden werden.
Die Sensibilisierung erstreckt sich zumeist auf das gesamte Versorgungsgebiet des zum Nozizeptor gehörigen Neurons. Grund dafür ist, dass es neben der Weiterleitung des Aktionspotentials zum Rückenmark auch zu einer retrograden Ausbreitung in die Aufzweigungen des Neurons kommt, mit Depolarisation und Ausschüttung von Substanz P.
Auch benachbarte Neurone können miterregt werden.
Nenne einige Möglichkeiten der antiinflammatorischen Behandlung!