Der migrationspädagogische Zugang zu "Deutsch als Zweitsprache" Flashcards
Migrationspädagogik
Eine bildungswissenschaftliche Perspektive, das aus der Interkulturellen Bildung heraus entstanden ist bzw. aus der Kritik daran –> Weiterentwicklung der Interkulturellen Bildung (wobei Fachdiskurs hier ein bisschen gespalten ist)
Erste Fassung: Paul Mecheril 2004; zweite –überarbeitete Fassung: Mecheril u.a. 2010
Interkulturelle Pädagogik
Kritik:
- Zentrales Element: Umgang mit migrationsbedingter Vielfalt unter Nutzung der Kategorie „Kultur“ (Begriff ist zentral) Versch. Kulturen sollen miteinander in Dialog gebracht werden
- Ausblendung von gesellschaftlichen Diskursen und Machtverhältnissen in diesem Umgang (ZB wer eigentlich wessen Kultur definieren kann)
- Keine Reflexion dessen, dass die pädagogische Arbeit in einer von Postkolonialität geprägten Gesellschaft stattfindet (Kolonialzeit war die Wissenschaft stark involviert in die Ausbeutung von Menschen)
Kritik am Gebrauch der Kategorie „Kultur“
- Essentialisierung (Menschen wurden reduziert auf ganz bestimmte Eigenschaften: ZB Spanier haben Eigenschaft xy)
- Kulturalisierung (man versucht soziale Phänome auf Kultur reduziert zu erklären - ZB Begründung: sind “türkische Frauen” und nicht “sprachliche Barriere”)
- Fest-Stellung von (Migrations-)Anderen (werden durch Kulturalisierung und Essentialisierung begründet. Ich gehe immer mit einer Gruppe von “Anderen” um (ZB Schulklasse), aber Migration wird als Differenzmerkmal eingesetzt - Migrations-Andere und Nicht-Migrations-Andere)
- Instrumentalismus (Vorstellung, dass man mit interkulturellen Training soziale Phänomene bewältigen kann, Phänome des Zusammenlebens - wie man mit Personen aus bestimmten Länder umzugehen haben, Checkliste
- Keine Berücksichtigung von Nicht-Wissen (wenn man Wissen über Menschen anderer Länder aneignet, dann kann man sie verstehen. Es ist nie von Nicht-Wissen ausgegangen worden. Jede soziale Situation ist von Nicht-Wissen gekennzeichnet, man muss lernen damit umzugehen, dass man Dinge nicht versteht!)
Keine Berücksichtigung von Nicht- Verstehen (konstitutives Merkmal für Handlungszusammenhänge)
Rückgriff auf koloniale Denktraditionen
- „Kultur“ als Sprachversteck von Rasse (ähnlich wie in der Kolonialzeit, ähnlich wie Hautfarbe damals)
- Problematik der Einseitigkeit des Umgangs mit „Kultur“
- Erzeugung von „Wir“ und „den Anderen“ bzw. in Migrationspädagogik sagt man: „Wir“ und „Nicht-Wir“ (“Aufräumen!-Was sollen die Deutschen von uns denken?)
- Verständnis von Rassismus aus rassismuskritischer Perspektive (gesellschaftliche Kategorisierung, geht nicht darum einzelne Menschen zu kritisieren, sondern einfache Logik um zu verstehen, rassialisieren = ob die Kategorie Kultur so eingestetzt wird, um Menschen gegeneinander zu hierarchisieren)
- Verantwortung von Lehrenden
Übertragung auf DaZ
- Verwendung der Kategorie „Sprache“ als Versteck für Rassekonstruktionen?
- Werden in unserem Forschungs- und Arbeitsbereich mit der Kategorie „Sprache“ rassialisierende Unterscheidungen produziert?
- Wie können LehrerInnen damit umgehen?
- Verknüpfung mit Sprache = Ausgrenzung unter Gebrauch der Kategorie „Sprache“; Reproduktion von Vorstellungen des „Native Speakerism“ (Englischsprecher best. Schichten von Weißen gemeint - zeigt, dass auch Ausgrenzungen über Sprache stattfinden, erwünscht aus USA und England, ZB Inder der nie was anderes als Englisch gesprochen hat, wird nicht genommen aufgrund seines “Akzent”. Kann man auch mit Akzent als Native Speaker gelten? Akzent spielt eigentlich keine Rolle in sprachlichen Handlungsbereichen, trotzdem Diskriminierung)
- Sprachliches „Wir“ und „Nicht-Wir“
- „Sprache“ als Sprachversteck für naturalisierende und inferiorisierende Positionierungen
- Fall von Linguizismus (Spez. Form des Rassismus, nach der eine Ausgrenzung aufgrund von Sprache stattfindet und mit dieser Kategorie legitimiert wird)
Anliegen der Migrationspädagogik
Es gibt kein Nicht-Wir ohne wir, keine DaZ-Sprecher ohne DaM-Sprecher!
- Angebot von Analyseperspektiven, mit denen übliche Zusammenhänge institutioneller Bildung im Hinblick auf die Herstellung von „natio-ethno-kulturell Anderen“ befragt und analysiert werden können.
- Fokus auf Migration und durch Migration entstehende Prozesse der Herstellung von Zugehörigkeitsordnungen (Gender ist hier auch ein wichtiges Kriterium)
„Mit der Perspektive ‚Migrationspädagogik‘ richtet sich der Blick auf Zugehörigkeitsordnungen in der Migrationsgesellschaft, auf die Macht der Unterscheidung, die sie bewirken und die Bildungsprozesse, die in diesen machtvollen Ordnungen ermöglicht und verhindert sind“
–> Es geht nicht nur um die Analyse…
„Der migrationspädagogische Ansatz interessiert sich für die Beschreibung und Analyse der dominanten Schemata und Praxen der Unterscheidung zwischen natio-ethno-kulturellem „Wir“ und „Nicht-Wir“ und weiterhin auch für die Stärkung und Ausweitung der
Möglichkeiten der Verflüssigung und Versetzung dieser Schemata und Praxen. Migrationspädagogik ist also keine „Migrant/innen-Pädagogik“ in dem Sinne, dass erstes Anliegen der Migrationspädagogik wäre, „die Migranten“ zu verändern. Anders als in pädagogischen Ansätzen, die in erster Linie auf die Förderung […] der „Migranten“ zielen, kommen im migrationspädagogischen Blick institutionelle und diskursive Ordnungen sowie Möglichkeiten ihrer Veränderung in den Blick.“ Es ist keine Migranntinnenpädagogik, sondern es geht um das verstehen, wie Migration entsteht, und wie Ungleichverhältnisse die entstehen ausgemerzt werden können.
–> … sondern auch um Transfomation:
„Migrationspädagogik bezeichnet einen Blickwinkeln, unter dem Fragen gestellt und thematisiert werden, die bedeutsam sind für eine Pädagogik unter den Bedingungen einer Migrationsgesellschaft“
Was hat das mit DaZ zu tun?
- Migrationspädagogische Artikulationen (Handlungen und Sprechen ist immer in gesellschafltichen Diskursen situiert) auf dem Gebiet DaZ
- Möglichkeit: rassismuskritische Selbstreflexion (ZB kein Affenplakat, weil das eine Adressierung und Positionierung bedeutet)
- Wie wird die Zielgruppe adressiert? Welche Zuschreibungen und Positionierungen erfolgen durch die Adressierung?
Rassismuskritische Analyse
- Implizite Unterscheidung in „Wir“-“Nicht-Wir“ an Hand von Sprache und Zuschreibungen bzw. Kulturkonstruktionen
- Herstellung von Gruppen durch Zuschreibung
- Homogenisierung der Gruppen
- Naturalisierung / Kulturalisierung
- Hierarchisierung
- Gefahr des Ausschlusses für die unterlegene Gruppe (ZB bei “Schlechter”, akzentuierter Aussprache)
- Deutsch als Zweitsprache ist – wie andere - eine Disziplin, die Zugehörigkeitsordnungen, die in Migranten und Nicht-Migraten unterscheidet, in verschiedener Weise reproduziert
- Migrationspädagogisches Ziel: Förderung soweit wie möglich so zu gestalten, dass die Zielgruppe nicht durch Begriffe, durch Adressierungen und Positionierungen ausgegrenzt wird
Sicht auf Förderung
- Sprache i.S.v. “Sprachigkeit” (Busch 2013)
- Keine defizitbehaftete Sichtweise auf Kinder und Jugendliche
- Ausgangspunkt: Kontext-Dispositionsdifferenz
- Sprachförderung als Aufgabe von Schule
Migrationspädagogische Artikulation
„Migrationspädagogik“ bietet für machtreflexive Vorgehensweisen auf dem Fachgebiet Deutsch als Zweitsprache verschiedene theoretische Analyse- und Transformationsmöglichkeiten.
Didaktisches Modell
Individuelle Ebene: DaZ
Didaktik - Methodik
Bildungssprache - Sprachliche Bildung
Sprachaneignung - Diagnostik - Sprachförderung - Leseförderung
…
Erwachsenenbildung
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Strukturelle Ebene: (machtkritische Analyseperspektiven)
Postkoloniale Theorie:
- Rassismuskritik
- Kulturalisierung
- Critical Whiteness (= Weiße Gruppen relektieren ihr weiß-sein. Reflektieren, was heißt es DaM zu sein? DaM werden gedrängt den Kollegen zu helfen, wo wir in eine hierarchische Position gebracht werden. )
- Kritik an native-speakerism
- Involvierte Professionalisierung (involviert in die gesellschaftlichen Verhältnisse, Professionalität kann nicht nur reflexiv sein = ein leeres Wort. Die eigene Position in der gesellschaftliche Hierarchie zu verstehen, welche blinde Flecken entstehen könne, und eigene Position zu reflektieren)
Diskurstheorie:
- Intersektionalität
- Hegemoniekritik
- Machtkritik
- Subjektivierungskritik
- Hierarchisierte Positionierung
- legitimes und illegitimes Sprechen
- Adressierung/ Readressierung