Der Arzt im gesellschaftlichen Kontext: Soziale und gesundheitliche Ungleichheit Flashcards
Soziale Ungleichheit [Definition]
wenn Menschen einen ungleichen Zugang zu sozialen Positionen haben und die Lebensbedingungen und Lebenschancen von Menschen aufgrund ihrer sozialen Position(en) mit strukturellen Vor- bzw. Nachteilen verknüpft sind -Hradil 1994
Determinanten sozialer Ungleichheit
soziale Merkmale: Geschlecht, Alter, Bildung, Beruf oder Einkommen
- -> Zugehörigkeit zu einer Gruppe -> beeinflussen möglicherweise Zugangsbedingungen zu sozialen Positionen
soziale Merkmale führt nicht unweigerlich zu sozialer Differenz, genauso wenig wie soziale Differenz unweigerlich zu Ungleichheit führt
soziale Ungleichheit erst wenn durch diese Mechanismen sstrukturelle Vor- und Nachteile in Lebenschancen verknüpft sind
-> Auswirkungen auf Gesundheit und Krankheit
Klassen- und Schichtkonzept
Klasse:
- frühindustrielle Gesellschaft (Marx)
- determiniert durch Besitz von Produktionsmitteln
- sehr statisch
Schicht:
- vertikale Strukturierung der Gesellschaft (übereinander liegender Ranggruppen)
- unterscheidensich aufgrund verschiedener Niveaus in Einkommen, Bildung und beruflicher Stellung
- Kritik:
- Willkürliche Festlegung von Schichtgrenzen auf Grund bestimmter Punktwerte
- Fokussierung auf Erwerbspersonen (nicht “Hausfrauen”)
- Statusinkonsistenzen nicht berücksichtigt
- Horizontale Differenzierung (Unterschiede nach sozialen Determinanten) nicht berücksichtigt
- es gibt eine Pluralisierung von Lebensstilen, Milieus
Lebenslagenkonzept
bezeichnet durch (un)vorteilhafte Lebensbedingungen und Lebenschancen einer bestimmten sozialen Gruppe, die teils durch Schichtungsressourcen teils durch weitere Faktoren (historisch, politisch oder kulturell) zu Stande gekommen sind
Dimensionen wie Wohnsituation, Wohnumfeld, Familiensituation, Freizeitmöglichkeiten berücksichtigt
Horizontale Differenzierung (soziale Ungleichheit) berücksichtigt
statusspezifische Erkrankungsrisiken
deutlich erhöht sind Risiken für:
- Herz-, Kreisluaf Erkrankungen (Herinfarkt, Schlaganfall)
- Chronische Lebererkrankungen
- Chronische Bronchitis, Osteoporose (bei Männern)
- Angina pectoris, Diabetes mellitus (bei Frauen)
erhöhte Risiken für:
- Hypertonie
- erhöhte Blutfett-/cholesterinwerte
- Arthrose, -itis
- Asthma bronchiale
- Depression
- Niereninsuffizienz
Migration
Def.: räumliche Bewegung zur Veränderung des
Lebensmittelpunktes von Individuen oder Gruppen
über eine bedeutsame Entfernung
Migrationsmotive:
- Arbeitsmigranten
- nachziehende Fam.angehörige
- Aussiedler
- politische Flüchtlinge
- „illegale“ Migranten
- Pensionäre
Migrationsgenerationen:
- I. Migrantengeneration = sog. Gastarbeiter der 1960er Jahre (ab ‘49)
- II. Migrantengeneration = Kinder der I. Generation
- erweiterte II. Generation = z.B. durch Heirat z.B. dem Ausland nachgezogen
- III. Migrantengeneration = Kinder der II. Generation
Berlin 2010: 25,7% mit Migrationshintergrund (davon 47,5% mit deutscher Staatsangehörigkeit)
Versorgungssiuation von patienten mit Migrationshintergrund
- überproportionale Nutzung von Rettungsstellen
- mehr Zwangseinweisungen in psychiatrische Kliniken
- generell- und insbesondere bei Migrantinnen– stärkere Inanspruchnahme der Versorgung bei Depression und psychosomatischen Störungen
- weniger Inanspruchnahme von Präventionsangeboten
- spätere Inanspruchnahme der Schwangerschaftsvorsorge bei türkeistämmigen Migrantinnen
- kaum Nutzung von Selbsthilfegruppen
-> Zugänglichkeit und Annehmbarkeit der
Angebote beeinflusst die Inanspruchnahme
mögliche Zugangsbarrieren für Patienten mit Migrationshintergrund
- Rechtlicher Zugang (Flüchtlinge, irreguläre Migranten/-innen)
- Sprache, Alphabetisierungsgrad, kulturelle Unterschiede
- Administrative u. bürokratische Faktoren, Kenntnisse des Systems, Misstrauen gegenüber Gesundheitsversorgung
führt zu:
Inanspruchsnahm der Gesundheitsversorgung
geringere Qualität der Versorgung
schlechterer Gesundheitsstatus
prekäre Beschäftigung
Legale Beschäftigung mit oder ohne Arbeitsvertrag, die durch niedrige Arbeitsplatzsicherheit, belastende Arbeitsbedingungen, Missachtung von Schutzbestimmungen und niedriger Bezahlung charakterisiert ist: sie ist zu unterscheiden von Schwarzarbeit
Formen:
- Teilzeitarbeit (ca 20%, davon 98% Frauen)
- Zeitarbeit/Leiharbeit (3%, davon 53% Männer)
- befristete Beschäftigung (9%, davon 52% Männer)
- geringfügige Beschäftigung (“Minijobs”) (4%, davon 77% Frauen)
Risiken:
- Gratifikationskrisen
- Fragmentierung stabiler Berufsbiographien
- temporäre Arbeitslosigkeit
- sozialer Abstieg
- Bedrohung der Statuskontrolle
- Stigmatisierung
- Verlust der Identität/ Würde
Erklärungsansätze von gesundheitlicher Ungleichheit zwischen sozialen Schichten
- Ungleiche Inanspruchnahme der medizinischen Versorgung (finanzielle Gründe, unterschiedliche Compliance und Symptomaufmerksamkeit, geringere Kenntnisse über Versorgungssystem)
- Gesundheitsgefährdendes Verhalten (Rauchen, Mangel an sportlicher Betätigung,ungesunde Ernährung, Adipositas, kein Zh. zwischen Alkoholkonsum und sozialer Lage
- Physische und psychische Arbeitsbelastungen sowie belastende Wohnbedingungen
- Personale und soziale Ressourcenausstattung
- Soziale Selektion (Drifthypothese, Krankheit als Ursache sozialer Abstiegsprozesse)
gesundheitliche Auswirkungen von Arbeitslosigkeit und prekärer Beschäftigung
erhöhte Mortalität bei niedriger Schichtzugehörigkeit
vermehrte psychische Störungen, Adipositas
Armut [Konzepte, Definitionen]
absolute Armut:
- bezeichnet das Fehlen der unumgänglich lebensnotwendigen Grundlagen (Essen, Kleidung, Wohnen etc.) und die daraus resultierende existenzielle Bedrohung
- nach Fragenkatalog bestimmt
relative Armut:
- meint Armut im Sinne einer sozialen Benachteiligung im Verhältnis zum mittleren gesellschaftlichen Lebensstandard
- WHO-Definition: weniger als 50% des gesellschaftlichen Durchschnittseinkommens (Median)
- EU-Definition: weniger als 60% des gesellschaftlichen Durchschnittseinkommens (Median) -> Armutsrisikoschwelle ( in D 2005 bei 839 monatlich)
Risiken und Ursachen von Kinderarmut
Risiken:
- Familien, die von Arbeitslosigkeit bzw. von einer Erwerbstätigkeit im Niedriglohnbereich betroffen sind
- Einelternfamilien und aus Familien mit 3 und mehr Kindern
- Migrationshintergrund
- Osten und Norden Deutschlands
Ursachen:
- Auflösung des „Normalarbeitsverhältnisses“ und Zunahme prekärer, befristeter Leih- und (Zwangs-) Teilzeitarbeitsverhältnisse der Eltern
- Wandel von Familienformen mit einer Zunahme von sog. Ein-Elternteil-Familien, „Patchworkfamilien“, die weniger materielle Sicherheit für die Kinder gewährleisten
- „Um-“ bzw. Abbau des Sozialstaates zu Lasten von Erwachsenen mit (mehreren) Kindern
Modelle der Beeinflussung der Lebensläufe von Armut im Kindesalter
- Latenzmodell: frühe Schäden in “kritischen Perioden” programmieren langfristig Gesundheitsstörungen
- Kumulationsmodell: Risiken potenzierensich über den Lebensverlauf
- Pfadmodell: frühe Gefährdungen und Krankheiten beeinflussen den sozialen Werdegang negativ
gesundheitliche Folgen der Kinderarmut
- Präntal: Gesundheitsstörungen der Mutter führen zu Gesundheitsstörungen des Embryos
- Frühgeburten mit Entwicklungsstörungen unzureichender Frühförderung
- Schlechtere Ernährung (Fettreicher, vitaminärmer,…) -> Später Herz-Kreislauferkrankungen, Diabetes, Hyperurikämie, Krebserkrankungen
- Weniger Inanspruchnahme von Gesundheitsprävention (Impfschutz, Vorsorgeuntersuchungen,…)
- Höhere Rate von Auffälligkeiten in der Schuleingangsuntersuchungen
- Sprachstörungen
- Seh- und Hörschwächen
- Psychomotorische Störungen
- Lernstörungen
- Psychische Störungen
- Aggressive Verhaltensstörungen
- Konzentrationsstörungen
- Motorische Unruhe
- Antriebsarmut
- Lustlosigkeit
- Sozialer Rückzug/Einsamkeit/Hilfslosigkeit
- Selbstwertprobleme
- Geringeres subjektives Wohlbefinden
- Weniger Bewegung -> Adipositas
- Mehr Rauchen -> erhöhtes cardio-vaskuläres Risiko
- Mehr Alkohol/Drogen
- Mehr psychosomatische Beschwerden
- Mehr akute Infektionskrankheiten
- Mehr chronische Krankheiten (Asthma, Diabetes)
- Niedrigere Lebenserwartung (bei Männern -10 Jahre; bei Frauen -5 Jahre)