AO: Korrekturvorschriften Flashcards
Bestandskraft von Steuerverwaltungsakten
tritt erst ein, wenn Bescheid nicht mehr geändert werden kann
formelle und materielle Bestandskraft
formelle Bestandskraft
↔
materielle Bestandskraft
formell: VA kann nicht mehr in Einspruchs- oder Klageverfahren abgeändert werden
➝ Ablauf Einspruchsfrist, § 355 I AO
➝ Rücknahme Einspruch nach Ablauf der Einspruchsfrist
➝ Erschöpfung des Instanzenzugs
materiell: keine Änderung durch Korrekturvorschrift mehr möglich, d. h. VA ist endgültig verbindlich = “endgültiger Steuerbescheid”
➝ Ablauf Festsetzungsverjährungsfrist, § 169 AO
Korrektur von Steuerverwaltungsakten
= Durchbrechung der formellen Bestandskraft
➝ nur wenn gesetzliche Regelung die Abänderung des VA ausdrücklich gestattet, darf die Bindungswirkung unterbrochen werden
➝ §§ 129 - 131 AO
➝ §§ 164, 165 AO
➝ §§ 172 ff. AO
Form der Korrektur
erfolgt durch VA
➝ Begründung gem. § 121 AO erforderlich, FA muss angewendete Korrekturvorschrift angeben
§ 351 I AO
zeitliche Grenze der Korrektur
Steuerbescheide: § 169 I AO
sonstige VAe: § 130 III AO, § 131 II 2 AO
§ 129 AO
Anwendbarkeit, Wertung, Umfang
im Abschnitt der allgemeinen Verfahrensvorschriften ➝ auf alle Steuerverwaltungsakte anwendbar, d. h. Steuerbescheide und sonstige VAe (als einzige Korrekturvorschrift!)
allgemeiner Rechtsgedanke: kein Vertrauensschutz bei offenbaren, unbeabsichtigten Fehlern
Punktberichtigung: es darf nur die offenbare Unrichtigkeit berichtigt werden
zeitliche Grenze: § 169 I 2 AO, aber beachte Ablaufhemmung gem. § 171 II AO
§ 129 AO
Unrichtigkeit: Schreib- oder Rechenfehler oder ähnliche Unrichtigkeit
= unbewusste, d. h. unbeabsichtigte mechanische Fehler
verschuldensunabhängig!
nicht:
- unzutreffende Rechtsanwendung, da bewusste (falsche) Entscheidungsfindung
- mangelnde Sachverhaltsaufklärung ➝ § 85 AO
- bei Nichtberücksichtigung bestimmter Tatsachen kommt es darauf an: bloßes Übersehen: (+), bewusste Entscheidung = Fehler bei der Sachverhaltsermittlung: (-) ➝ Einzelfall;
Einsatz von RMS (§ 88 V AO): kein § 129 AO, wenn sich Bearbeiter Zweifel bei der Richtigkeit aufgrund der Häufigkeit der Prüfhinweise hätten aufdrängen müssen und er trotzdem weitere Prüfung unterlässt
§ 129 AO
offenbar
(+), wenn für alle Beteiligten ohne Weiteres, d. h. insbesondere ohne weitere rechtliche Prüfung erkennbar
➝ muss nicht aus VA selbst heraus erkennbar sein, ausreichend, dass für die Beteiligten die Unrichtigkeit aus den ihnen bekannten oder zugänglichen Unterlagen ersichtlich sein kann
§ 129 AO
Fehler beim Erlass eines VA
= nur mechanische Fehler des FA, nicht des Stpfl. ➝ § 173a AO
A: Übernahmefehler = Fehlerhaftigkeit der Angaben des Stpfl. für FA erkennbar und Unrichtigkeit wurde trotzdem übernommen
Rücknahme und Widerruf von VAen
Anwendungsbereich
nur sonstige VAe, nicht Steuerbescheide und gleichgestellte Bescheide
Bsp.:
➝ VZ, § 152 AO
➝ Zwangsmittel, § 328 AO
➝ Prüfungsanordnung, § 196 AO
➝ Stundung, § 222 AO
➝ Erlass, § 227 AO
§ 130 II Nr. 3 AO: unrichtige / unvollständige Angaben
Verschulden?
(-)
nicht erforderlich
§ 131 II Nr. 1 und Nr. 2 AO analog
➝ Erst-recht-Schluss: Rücknahme von rechtswidrigen begünstigenden VAen, die unter Widerrufsvorbehalt / Auflage erlassen wurden, muss zulässig sein, wenn schon solche rechtmäßig erlassenen VAe zurückgenommen werden können
§ 130 AO: belastende VAe mit begünstigender Wirkung
= VA zwar nachteilig, aber bei Rücknahme würde FA neuen VA erlassen, der noch belastender ist, daher i. E. begünstigend ➝ nicht § 130 I, sondern II einschlägig, dessen Vrss. müssen erfüllt sein
zeitliche Grenzen von Rücknahme und Widerruf
grds. jederzeit, § 169 AO gilt für Steuerfestsetzung
Ausnahmen:
- Haftungsbescheide, § 191 III AO
- Verspätungszuschlag (§ 152 AO)
besondere Fristen des § 130 III und § 131 II 2 AO: Jahresfrist
Ermessensausübung iRv § 130 und § 131 AO
rechtswidriger VA:
idR gebietet öff. Interesse (➝ Gesetz- und Gleichmäßigkeit der Besteuerung, § 85 AO) die Rücknahme, Vertrauensschutz des Betroffenen ohnehin (-) bzw. in den Fällen des § 130 II AO nicht schutzwürdig
rechtmäßiger VA: wenn öff. Interesse > Vertrauensschutz
Korrekturvorschriften der §§ 164, 165 und §§ 172 ff. AO
Anwendungsbereich
nur Steuerbecheide und gleichgestellte Bescheide
Vorbehalt der Nachprüfung, § 164 AO
- Änderungsmöglichkeit ➝ § 164 II AO: jederzeit uneingeschränkt
- Vrss.: Steuerfall noch keiner abschließenden Prüfung unterzogen
- Sinn und Zweck: Beschleunigung der Steuerfestsetzung
- häufige Anwendungsfälle: Betriebsprüfung steht an, Schätzungsbescheid gem. § 162 AO
- Anordnung = Nebenbestimmung zum Steuerbescheid gem. § 120 I AO
- bezieht sich auf gesamten Steuerbescheid ➝ alle Fehler korrigierbar
- entfaltet bis zur Änderung alle Wirkungen eines endgültigen Bescheids
- Vorbehalt muss entweder ausdrücklich aufgehoben werden, um wegzufallen oder die Festsetzungsfrist muss ablaufen, § 164 IV 1 AO
Steueranmeldung
§ 168 AO
§ 150 AO
Steuererklärung, in der der Stpfl. die Steuer selbst zu berechnen hat
§ 165 AO
Ziel
verschiebt endgültige Festsetzung auf späteren Zeitpunkt, um vorläufig zeitnahe Besteuerung zu ermöglichen ➝ Beschleunigung des Steuerverfahrens
§ 165 AO
↔
§ 164 AO
§ 164 AO: Besteuerungsgrundlagen bekannt, abschließende Prüfung wäre möglich
§ 165 AO: Sachverhalt in bestimmten Punkten noch ungewiss, keine abschließende Beurteilung möglich
➝ zB ob Gewinnerhaltungsabsicht vorliegt oder bloße Liebhaberei
§ 165 I 1 AO
Ungewissheit über den Sachverhalt
- bezieht sich nur auf Tatsachen, nie Zweifel an der Rechtslage
- darf sich im Zeitpunkt der Veranlagung nicht durch zumutbare Ermittlungshandlungen beseitigen lassen
- darf nur vorübergehend bestehen
§ 165 AO
Verfahrensanforderungen, u. a. Bestimmtheit
- Anordnung durch das FA ➝ § 120 I AO
- eindeutige Bestimmung, in welchem Umfang ➝ Angabe der Gründe für die Vorläufigkeit, §§ 121 I, 165 I 3 AO
➝ ist unklar, in welchem Umfang der Bescheid vorläufig ergeht, d. h. der Vermerk nicht auf konkrete Sachverhalte beschränkt, ist die Nebenbestimmung gem. § 125 I iVm § 119 I AO nichtig ➝ Steuerbescheid gilt als endgültig ergangen
➝ werden dagegen nur keine Gründe für die Vorläufigkeit benannt, ist der Fehler heilbar gem. § 126 I Nr. 2 AO, beachte hier § 126 III AO
§ 165 AO
Umfang Änderung
nur soweit die Steuer vorläufig festgesetzt wurde = gerade nur bzgl. des als ungewiss bezeichneten Sachverhalt
➝ punktuelle Berichtigung
§ 165 AO
Dauer der Vorläufigkeit
sobald FA Kenntnis davon erhält, dass Ungewissheit beseitigt ist, muss es die Steuerfestsetzung aufheben / ändern / für endgültig erklärt
bei Änderung muss Aufhebung der Vorläufigkeit ausdrücklich erklärt werden, um klarzustellen, dass Ungewissheit beseitigt ist
§ 165 AO
Festsetzungsverjährung
§ 171 VIII AO
endet nicht vor Beseitigung der Ungewissheit
§ 172 I 1 Nr. 2a AO
Antrag auf schlichte Änderung
Vrss.
(1) Antrag oder Zustimmung des Stpfl. (je nach Initiative), formlos, hinreichende inhaltliche Bestimmtheit: FA muss erkennen können, inwieweit der Stpfl. Bescheid für fehlerhaft hält ➝ nur punktuelle Änderung
(2) innerhalb der Einspruchsfrist, § 355 AO ➝ um Umgehung zu verhindern
(3) noch keine Festsetzungs- bzw. Feststellungsverjährung eingetreten, § 169 I 1 AO, beachte auch § 171 III AO
§ 172 I Nr. 2a AO
Umfang der Änderung
hängt vom Antrag bzw. Zustimmung des Stpfl. ab ➝ was begehrt Stpfl.?
zB nicht Besteuerungsgrundlagen, sondern Höhe ➝ auf welchen konkreten Fehler Änderung dann gestützt wird, ist egal
§ 172 I Nr. 2a AO
Verhältnis schlichte Änderung - Einspruch
- ggf. Auslegung bei schriftlichem Antrag: § 172 I Nr. 2a AO oder Einlegung Einspruch?
§ 357 I 3 AO; persönliche Fähigkeiten des Antragstellers maßgeblich - § 132 AO: Änderungsbescheid im Einspruchsverfahren möglich ➝ sog. Abhilfe- bzw. Teilabhilfebescheid
- § 172 I 2 AO
§ 173 AO
Tatsachen
jeder Lebenssachverhalt, der einen gesetzlichen Steuertatbestand oder ein einzelnes Merkmal davon erfüllt
nicht: rechtliche Wertungen, Schlussfolgerungen
➝ innere Tatsachen (+)
➝ Änderung der Rspr. oder Verwaltungsvorschriften (-), da nur bereits bekannte (≠ neue) Umstände anders gewürdigt
➝ vorgreifliche Rechtsverhältnisse (+) = RV aus einem anderen Rechtsgebiet, zB Mietverhältnis, eigentlich nicht RV, sondern zugrundeliegende Tatsachen gemeint
➝ Schätzung von Besteuerungsgrundlagen (-), Höhe des Gewinns (+)
➝ Wert eines Gegenstands (-), da Schlussfolgerung aus wertbegründenden Eigenschaften
➝ Nachholung von Anträgen / Wahlrechten (-), da Verfahrenshandlung, aber Sachverhalt, der zugrundeliegt (+)
§ 173 AO
Beweismittel
alle zur Aufklärung eines Sachverhalts dienenden Möglichkeiten, die geeignet sind, das Vorliegen oder Nichtvorliegen von Tatsachen zu belegen
§ 92 AO
§ 173 AO
nachträgliches Bekanntwerden
- nur möglich, wenn Tatsache vorher bereits existiert hat und FA davon erst später Kenntnis erhält
- maßgeblicher Zeitpunkt: wenn FA davon nach der abschließenden Zeichnung des Falles durch den Bearbeiter erfährt
- maßgebliche Personen ➝ wer innerhalb des FA muss Kenntnis haben? diejenige Stelle, die organisatorisch, d. h. nach dem Geschäftsverteilungsplan, für den Steuerfall zuständig ist, ggf. Zurechnung, privates Wissen unbeachtlich
- Umfang: gesamter Akteninhalt gilt als bekannt
- bei Verletzung der Ermittlungspflicht aus § 88 AO kann sich FA nicht auf nachträgliches Bekanntwerden berufen, Grundsatz von Treu & Glauben, es sei denn Betroffener hat Pflichten aus § 90 AO verletzt
Verhältnis § 173 I Nr. 1 - Nr. 2 AO
zwei selbständige Korrekturvorschriften ➝ neue Tatsachen zugrunsten und zuungunsten dürfen daher nicht saldiert werden!
➝ zwei Änderungen durchzuführen
aber nach BFH eine einheitliche Tatsache gegeben, wenn eine bisher nicht erklärte Einkunftsquelle bekant wird, da dann abgeschlossener einheitlicher Vorgang
§ 173 AO
Rechtserheblichkeit
ungeschriebenes TBM
neue Tatsache / Beweismittel muss auch rechterheblich sein = wenn FA bei Kenntnis der Tatsache / Beweismittel im Zeitpunkt des Erlasses des ursprünglichen StB anders entschieden hätte
§ 173 I Nr. 2a AO
kein grobes Verschulden des Stpfl.
Vorsatz + grobe FK
letzteres insb. (+), wenn Steuererklärungspflicht nicht oder nur unzureichend erfüllt oder auf ausdrückliche Nachfragen nicht geantwortet
Zurechnung von VS des Vertreters
(-) bei offensichtlichen Versehen des Stpfl.
§ 173 II 1 AO
Änderungssperre nach einer Außenprüfung
erhöhte Bestandskraft
Grund: nach Außenprüfung darf Stpfl., aber auch FA darauf vertrauen, dass die von der Prüfung umfassten Steuerarten und Veranlagungszeiträume abschließend geprüft worden sind
➝ Wirkung für Tatsachen zuungunsten wie zugunsten des Stpfl.
§ 172 I 1 AO: “soweit er nicht vorläufig oder unter dem VdN ergangen ist”
➝ § 164 II und § 165 II AO gehen anderen Korrekturvorschriften vor
§ 173a AO
- erfasst Fehler des Stpfl., v. a. bei elektronischer Übermittlung der StE, die ohne zusätzliche Unterlagen abgegeben werden ➝ FA kann Fehler nicht nachvollziehen = Übernahmefehler (und damit § 129 AO) scheidet aus
- keine ähnlichen offenbaren Unrichtigkeiten erfasst, da schwer beweisbar
§ 174 AO
I und II: positiver Widerstreit
III und IV: negativer Widerstreit
I, II: Fälle, in denen mehrere Steuerfestsetzungen vorgenommen wurden, die sich gegenseitig ausschließen
III, IV: ein Sachverhalt blieb in Steuerbescheid unberücksichitgt, weil das FA erkennbar davon ausging, er werden in anderem Steuerbescheid erfasst
➝ Objektkollision
➝ Subjektkollision
➝ Periodenkollision
➝ Zuständigkeitskollision
§ 175 I 1 Nr. 1 AO
Wesen
Umfang
zeitliche Grenze
= Korrekturvorschrift für Folgenbescheide
➝ denn Feststellungsbescheid als Grundlagenbescheid ist eigenständiger VA und demnach tauglicher Gegenstand eines Einspruchsverfahrens, wurde aber Grundlagenbescheid geändert, muss auch Folgebescheid geändert werden können
- punktuelle Berichtigung, vgl. “soweit”
- zeitlich: innerhalb der für den Folgebescheid geltenden Festsetzungsfrist, aber Ablaufhemmung des § 171 X AO zu beachten
§ 175 I 1 Nr. 2 AO
↔
§ 173 I AO
§ 173 AO: Steuerbescheid von Anfang an fehlerhaft, nur erst nachträglich Kenntnis FA
§ 175 AO: Steuerbescheid erging zunächst fehlerfrei, erst durch späteres, nachwirkendes Ereignis Änderungsbedürftigkeit
➝ Exklusivitätsverhältnis
§ 175 I 1 Nr. 2 AO
rückwirkendes Ereignis
➝ Fallgruppen
jeder Umstand, der Auswirkungen auf den Sachverhalt hat
Fallgruppen:
- Rückabwicklung von RG
- Änderungen nach einer Außenprüfung
- Ausfall des Veräußerungspreises bei § 16 EStG
§ 175 I 2 AO
eigene Anlaufhemmung
§ 175b AO
Änderung von StB, wenn Fehler bei der Übermittlung von eDaten iSd § 93c AO aufgetreten sind
§ 177 AO
Mitberichtigung von materiellen Fehlern
Zweck
- übrige Korrekturvorschriften lassen überwiegend nur punktuelle Berichtigung zu ➝ Fehler, für die jeweilige Korrekturvorschrift nicht eingreift, können auf dieser Grundlage nicht berichtigt werden
➝ daher Bedarf für § 177 AO, wenn ohnehin schon Änderung erfolgt = Bestandskraft durchbrochen wird
➝ keine eigene Korrekturvorschrift, nur Mitberichtigung!
➝ § 177 AO nicht erforderlich, wenn § 164 oder § 165 AO greifen, vgl. § 177 IV AO
§ 177 III AO
materielle Fehler
alle Fehler, die zu einer unrichtigen Steuer führen und für die keine eigene Korrekturvorschrift eingreift
zB: FA wendet SteuerG falsch an oder geht von falschem Sachverhalt aus
§ 177 AO
Technik der Mitberichtigung
“soweit die Änderung reicht”
- Berechnung der Änderungsobergrenze = alle selbständigen Korrekturvorschriften zu Ungunsten des Stpfl.
- Berechnung der Änderungsuntergrenze = alle selbständigen Korrekturvorschriften zu Gunsten des Stpfl.
- Berechnung der materiell richtigen Steuer = Saldierung aller Fehler
- Vergleich mit dem Änderungsrahmen ➝ nur wenn materiell richtige Steuer innerhalb des Änderungsrahmens liegt, kann sie in der Höhe festgesetzt werden