4/4 (Allgemeine Vollstreckungsvoraussetzungen; Arten der Zwangsvollstreckung; Vollstreckungsabwehrklage; Drittwiderspruchsklage) Flashcards
Zwangsvollstreckung: Allgemeine Charakterisierung
- Teil des Justizgewährungsanspruches (Art. 2 I, 20 III GG) auf Durchsetzung der im Erkenntnisverfahren erkannten subjektiven Rechte
- Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wegen der Bindung staatlicher Justizorgane an die Grundrechte (Art. 1 III GG)
- > bspw. besonderer Schutz bei Durchsuchung von Wohnungen, Art. 13 II GG, § 758a
- Strenge Formalisierung des Verfahrens
- > Enge Auslegung des Vollstreckungstitels (grds. nur Tenor)
- > Gerichtsvollzieher prüft bei Sachpfändung nur Gewahrsam (Dritte müssen ihre Recht ggf. selbst geltend machen)
- Vollstreckungsorgane
- > insb. Gerichtsvollzieher und Vollstreckungsgericht
Zwangsvollstreckung: Vollstreckungsvereinbarungen
= Unterfall der Prozessverträge, die die Vollstreckungsbefugnis erweitern, beschränken oder ausschließen
- Beschränkung und Ausschluss als Ausdruck der Privatautonomie unbedenklich (Vollstreckungshindernis - wenn nicht gleichzeitig eine materiell-rechtliche Stundung vereinbart, dann durch Titelgegenklage durchzusetzen)
- Erweiterung der Vollstreckung
- > eA: generell unwirksam
pro: Schuldnerschutzvorschriften (bspw. § 765a - Vollstreckungsschutz) nicht disponibel - > aA: anhand einzelner Vorschriften zu bestimmen, ob Schuldnerschutz zur Disposition des Schuldners (bspw. Unpfändbarkeitsvorschriften, aber mM)
- Funktionsweise der Zwangsvollstreckung
- > nicht disponibel
Zwangsvollstreckung: Voraussetzungen: Übersicht
I. Allgemeine Verfahrensvoraussetzungen
- Deutsche Gerichtsbarkeit, §§ 18 ff. GVG
- Vollstreckungsantrag, § 754
- Parteifähigkeit, § 50
- Prozessfähigkeit, § 51
- Prozessführungsbefugnis
- Rechtsschutzbedürfnis, insb. § 777
II. Allgemeine Vollstreckungsvoraussetzungen
- Vollstreckungstitel: §§ 704, 794; §§ 201 II, 257 InsO; § 93 ZVG
- Vollstreckbare Ausfertigung, §§ 724 ff.
- Zustellung, § 750 I
- Wartefrist, § 750 II, III
III. Besondere Vollstreckungsvoraussetzungen
- Eintritt des Kalendertags, § 751 I
- Sicherheitsleistung, § 751 II
- Zug um Zug Leistungen, §§ 756, 765
- Vollstreckung in besondere Vermögensmassen, §§ 727 ff. (Rechtsnachfolge etc.)
IV. Durchführung der Vollstreckung
- Differenzierung nach Art des zu vollstreckenden Anspruchs
- Differenzierung nach Vollstreckungsgegenstand
- Funktionell zuständiges Vollstreckungsorgan
- Vollstreckungsbeschränkungen (§§ 811, 850 ff.)
V. Vollstreckungshindernisse
- Vollstreckungsimmunität
- Vollstreckungsvereinbarung
- Einstellung/Beschränkung der Vollstreckung (§§ 775, 573, 570, 732 II, 765a, 766 II, 767, 771 III, 796)
Zwangsvollstreckung: Voraussetzungen: Vollstreckungstitel: Rechtskräftiges oder vorläufig vollstreckbares Endurteil
- Rechtskraft nach § 705
- > auch bei nicht zur Berufung zugelassenen Endurteilen, e con § 713
- Erklärung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit (bei erstinstanzlichen Urteilen) grds. nur gegen Sicherheitsleistung, § 709 S. 1
- > Absicherung des (verschuldensunabhängigen) SEA des Titelschuldners gegen Titelgläubiger, der (“auf eigene Gefahr”) vollstreckt, § 717 II
- > Ausnahme nach § 708 (ohne Sicherheitsleistung, jedoch grds. Abwendungsbefugnis der Vollstreckung durch Sicherheitsleistung vom Titelschuldner, § 711)
- -> Vollstreckung dennoch möglich, wenn auch Titelgläubiger Sicherheitsleistung erbringt
- -> Sicherheitsleistung (beiderseits) auch durch Prozessbürgschaft möglich (Bürge für Titelforderung und Kosten)
Zwangsvollstreckung: Voraussetzungen: Durchführung der Vollstreckung: Übersicht
I. Vollstreckung wegen Geldforderungen (§§ 802a-882h; ZVG)
- in das beweglich Vermögen (§§ 803-863)
a) in bewegliche Sachen (§§ 808-827)
b) in Forderungen und andere Vermögensrechte (§§ 828-863) - in das unbewegliche Vermögen (§§ 864-871; ZVG)
II. Vollstreckung wegen sonstiger Forderungen (§§ 883-898)
- wegen Herausgabe von Sachen (§§ 883-886)
- wegen Handlungen und Unterlassungen (§§ 887-893)
- zur Abgabe einer WE (§§ 894-898)
Zwangsvollstreckung: Wegen Geldforderungen in das bewegliche Vermögen: Pfändungspfandrecht
- Pfandrechtstheorien haben Auswirkung auf den Eigentumserwerb durch den Ersteher, die Zuordnung des Erlöses und die Rangordnung unter mehreren Gläubigern
- Pfandrecht kraft Hoheitsakt entsteht nur nach öffentlich-rechtlicher Theorie auch an schuldnerfremden Sachen
I. Eigentum (bei Versteigerung schuldnerfremder Sache)
- Privatrechtliche Theorie = Pfändung nur als Substitut der dinglichen Einigung nach § 1205 I BGB (Gläubiger als Pfandrechtsinhaber), sodass Eigentumserwerb nach §§ 1228, 1242, 929 S. 1 BGB
- > ggf. gutgläubiger Erwerb nach §§ 1244, 932 II BGB - Öffentlich-rechtliche Theorie = Eigentumserwerb kraft hoheitlicher Zuweisung durch Ablieferung der Sache, § 817 II (hM); § 1244 BGB nicht anwendbar
con: verfassungsrechtlich bedenklich, wenn schuldnerfremdes Eigentum zugewiesen wird (ohne Gutglaubenserfordernis)
pro: bei positiver Kenntnis des Erwerbers hat Dritter Anspruch auf Rückübereignung nach §§ 826, 249 I BGB
II. Zuordnung des Erlöses (bei Versteigerung schuldnerfremder Sache)
- Strenge öffentlich-rechtliche Theorie (mM) = Erlös wird Gläubiger zur Befriedigung zugewiesen; vorheriger Rechtsinhaber muss nach § 816 I BGB bei Schuldner kondizieren, da dieser durch die Verfügung als Nichtberechtiger von einer Verbindlichkeit befreit wurde
- Direktkondiktion des vorherigen Rechtsinhabers bei Gläubiger nach § 812 I S. 1 Alt. 2
pro: Tilgung der Titelforderung ist mit fremdem Eigentum nicht zu legitimieren
pro: Keine hinreichende Kompensation trotz Eingriff in Art. 14 GG (§ 816 I BGB kein hinreichender Ersatz, Invsolvenzrisiko)
a. gemäßigt öffentlich-rechtliche Theorie: Pfandrecht ist nur als Grundlage für die Verwertung anzusehen, aber nicht als Rechtsgrund für die Auskehr (und das Behalten) des Erlöses
b. gemischte Theorie: Eigentumserwerb ist öffentlich-rechtlich; Berechtigung an der Pfandsache und am Erlös bestimmt sich aber nach § 1247 BGB: Erlös ist mit dinglicher Surrogationswirkung insoweit im Eigentum des vorherigen Eigentümers, als Pfandgläubiger (Titelgläubiger) das Pfandrecht nicht zusteht - bei schuldnerfremdem Sachen steht ihm dies jedoch nie zu (kein Pfandrecht nach § 804 an schuldnerfremden Sachen), sodass Erlös allein vorherigem Eigentümer zugewiesen ist
Zwangsvollstreckung: Wegen Geldforderungen in das bewegliche Vermögen: Grenzen der Sachpfändung
- Nur bewegliche Sachen
- Grds. nichtig, wenn Sache als wesentlicher Bestandteil eines Grundstücks nicht sonderrechtsfähig ist, § 94 BGB
Zwangsvollstreckung: Wegen Geldforderungen in Forderungen
- Durch Pfändung und Überweisung an den Gläubiger, §§ 829, 835
- > durch Pfändung: Arrestatorium und Inhibitorium
- > Überweisung zur Einziehung (Regelfall): nach §§ 835 I, 836 I hat Titelgläubiger Einziehungsermächtigung (vgl. § 185 BGB) und kann (neben dem Titelschuldner) die Forderung gegen Drittschuldner geltend machen
- > Überweisung an Zahlungs statt: nach § 835 I, II geht Forderung auf Titelgläubiger über (vgl. § 398 BGB)
- -> bei Einziehung bleibt also Titelschuldner Inhaber der Forderung und trägt Bonitätsrisiko des Drittschuldners, während dieses bei an Zahlungs statt der Titelgläubiger als neuer Forderungsinhaber trägt (daher Einziehung Regelfall)
- Pfändung erfolgt hinsichtlich der ganzen Forderung, auch wenn sie höher als die Titelforderung ist, damit Drittschuldner nicht schuldbefreiende Teilleistung an Titelschuldner erbringen kann, bevor vorrangier (§ 804 III) Titelgläubiger befriedigt worden ist
- > Ausnahme: wenn Bonität des Drittschuldners zweifelsfrei ist, § 803 I S. 2 (Erforderlichkeit der Reichweite der Pfändung)
- > Überweisung nach §§ 835 I, 836 nur in Höhe der Titelforderung
pro: § 1282 I S. 2 BGB lässt Einziehung durch Pfandgläubiger nur in der Höhe zu, in der sie zur Befriedigung erforderlich ist
Zwangsvollstreckung: Wegen Geldforderungen in sonstige Vermögensrechte
- kein Drittschuldner im engeren Sinn, aber dennoch Zustellung nach § 829 III an funktional vergleichbare Drittbetroffene (bspw. Miteigentümer)
- Mobiliaranwartschaft: Rechtspfändung (hM) nach § 857, obwohl “wesensgleiches Minus” zum Eigentum
- Nießbrauch: Verweis auf § 851, weil Nießbrauch grds. nicht übertragbar, § 1059 S. 1 BGB
Zwangsvollstreckung: Wegen Geldforderungen in das unbewegliche Vermögen
- nur rudimentär in §§ 864 ff. geregelt, v.a. im ZVG normiert
- Zwangsversteigerung
- > Übernahmeprinzip: § 52 I S. 1 ZVG (Aufrechterhaltung von Rechten, die vom geringsten Gebot nach § 44 ZVG berücksichtigt sind) -> Betrag dieser Rechte muss vom geringsten Gebot gedeckt sein (Deckungsprinzip, §§ 44, 10 ZVG); diese werden dann vom Erwerber übernommen, wobei der Erwerber nur das Bargebot, § 49 ZVG, zu zahlen hat
- > Schuldübernahme nach §§ 53 ZVG, 415, 416 BGB möglich
Zwangsvollstreckung: Wegen Herausgabe von Sachen
- nach §§ 883-885; Sonderfall des Anspruchs auf Vornahme einer vertretbaren Handlung, § 887 III
- > Räumung der Wohnung/Grundstücke: auch hinsichtlich Mobiliar nach § 885 (lex specialis zu §§ 887, 888)
- > bei (mitbesitzenden) Mitbewohnern: auch Herausgabetitel gegen diese erforderlich; ggf. einstweilige Räumungsverfügung, §§ 940a II, 936, 920 II
- bei (Mit-)Gewahrsam eines Dritten: Pfändung des Herausgabeanspruches des Schuldners gegen den Dritten und Überweisung an Gläubiger, § 886
Zwangsvollstreckung: Zur Erwirkung von Handlungen und Unterlassungen
- §§ 887, 888, 890-982: Grundregeln
- > §§ 884-886, 889, 894: leges speciales
- Abgrenzung zwischen vertretbaren unvertretbaren Handlung tw. schwierig, bpsw. Dienstpflicht des Arbeitnehmers
- > früher: generell § 888 III
- > heute: Differenzierung danach, ob Tätigkeit im Wesentlichen in gleicher Weise auch von Dritten erbracht werden kann
- Klassischer Fall der unvertretbaren Handlung: Auskunftsansprüche
- Frage der Verhältnismäßigkeit bei der Handlungsvollstreckung von größerer Bedeutung
Zwangsvollstreckung: Zur Abgabe einer WE
- Sonderfall der Handlungsvollstreckung
- Grds. Fiktion der Abgabe der WE mit Rechtskraft des Titels, § 894 S. 1
- > Erforderlich ist jedoch die strenge Beachtung des Bestimmtheitsgrundsatzes der zu fingierenden Erklärung
- Übereignungsanspruch
- > Einigung: Fiktion nach § 894 S. 1
- > Übergabe: zusätzlich Herausgabevollstreckung (§ 883), Übergabefiktion mit Wegnahme durch Gerichtsvollzieher (§ 897 I)
Rechtsschutz: Überblick
- Grundsatz der Formalisierung des Vollstreckungsverfahrens strukturiert Rechtsschutzmöglichkeiten
- Rechtsschutz zur Einhaltung des formalisierten Vollstreckungsverfahrens
- > Erinnerung
- > Grundbuchbeschwerde
- > sofortige Beschwerde: §§ 567, 793
- -> gegen jede Entscheidung im Zwangsvollstreckungsverfahren (auch Beschluss über Erinnerung!) - Rechtsschutz durch Überwindung der Erkenntnismöglichkeiten innerhalb des formalisierten Vollstreckungsverfahrens (durch eigenes Erkenntnisverfahren im Wege der Klage)
- > Vollstreckungsabwehrklage
- > Drittwiderspruchsklage
- > Klauselklage
- > Klauselgegenklage
- > Titelgegenklage
- > Klage auf vorzugsweise Befriedigung - Rechtsschutz eigener Art
- > allgemeiner Vollstreckungsschutzantrag
Rechtsschutz: Klauselerinnerung, § 732
= Zur Beseitigung einer vollstreckbaren Ausfertigung bzw. einer weiteren vollstreckbaren Ausfertigung (§ 733)
A. Zulässigkeit
I. Statthaftigkeit
-> Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung
II. Erinnerungsbefugnis
-> Ausgewiesener Schuldner nach Klausel
III. Rechtsschutzbedürfnis
-> (-) bei Aufhebung des Urteils oder der Vollstreckbarkeitserklärung
B. Begründetheit
= wenn kein Vollstreckungstitel vorliegt bzw. dieser keinen vollstreckbaren Inhalt hat bzw. wenn die Klausel von einem unzuständigen Organ erteilt worden ist oder eine sonstige formelle (!) Voraussetzung nach §§ 726-729 nicht eingehalten wurde