3/4 (Beweisrecht; Rechtsmittel) Flashcards
Beweisrecht: Darlegungslast (Behauptungslast)
= wer muss im Prozess welche Tatsachen vortragen, um eine Rechtsbehauptung (Anspruch, Einrede) schlüssig darzulegen
- Grds. diejenige Partei hat die Tatsachen vorzutragen, die die abstrakten Voraussetzungen der ihr günstigen Rechtsnormen erfüllen
- Grds. keine (prozessuale) Auskunftspflicht der nicht beweisbelasteten Partei
- Auskunftspflichten allein aus materiellem Recht
- Sekundäre Darlegungslast
a. wenn beweisbelastete Partei außerhalb des Geschehensablaufs steht und der Gegenpartei nähere Angaben möglich und zumutbar sind
b. beim Nachweis negativer Tatsachen (bspw. Unterlassen eines pflichtgemäßen Hinweises)
Beweisrecht: Materielle Beweislast (Feststellungslast)
= zulasten welcher Partei wirkt ein “non liquet” (= Unerweislichkeit einer rechtserheblichen Tatsache)
- > Zuweisung des Beweisrisikos
- > Bestimmt nach materiellem Recht
Beweisrecht: Verteilung der Darlegungs- und Beweislast
- Grds. der Rechtsprätendent hat rechtsbegründende Tatsachen dazulegen, der Gegner rechtsvernichtende und rechtshemmende Tatsachen
- > bei “rechtshindernden Tatsachen” (bspw. Geschäftsunfähigkeit) wird grds. deren Vorliegen als rechtsbegründende Tatsache vermutet, sodass Gegner Gegenteil zu beweisen hat
- -> Vermutung anhand der gesetzlich normierten Vermutungsregeln und Satzbau (Rosenberg), bspw. § 280 I S. 2
Beweisrecht: Beweisbedürftigkeit
- nur rechtserhebliche Tatsachen
- mehrstufige Relationstechnik:
1. Klägerstation: Vortrag wird als richtig unterstellt und auf Schlüssigkeit geprüft - > bei Unschlüssigkeit: ohne Beweisaufnahme abweisungsreif
2. Beklagtenstation: Behauptungen werden als richtig unterstellt - > wenn Beklagten keine Einwendungen oder Einreden vorbringt, ist auch kein Beweis hierzu zu erheben
- > keine Beweiserhebung, wenn Klage auch auf Grundlage des Gegenvortrags begründet ist (äquipollenter Parteivortrag)
- Keine Beweisbedürftigkeit
- > Offenkundigkeit, § 291
- > Geständnis, § 288 (= innerhalb des Rechtsstreits abgegebene Erklärung einer Partei, dass die vom Gegner behauptete, ihr im Rechtssinne ungünstige Tatsache wahr sei - nicht nur Wissens-, sondern auch prozessuale Willenserklärung; ggf. Auslegung durch Gericht)
- > Geständnisfiktion infolge Nichtbestreitens, § 138 III
- Unterschied von Geständnis und Nichtbestreiten in der Rechtsfolge:
- > Geständnis: Widerruf setzt Nachweis des Irrtums voraus, § 290 (Umkehrung der Beweislast)
- > Nichtbestreiten: nachträgliches einfaches Bestreiten genügt, solange keine Präklusion
Beweisrecht: Beweiserhebungs- und verwertungsverbote
= Ausschluss von rechtswidrig erlangten Beweismitteln, wenn
- hierzu in eine grundrechtsrelevante Position eingegriffen wurde oder
- die Abwägung von Rechtsschutzinteresse einerseits und Schwere des Eingriffs andererseits ergibt, dass der Beweisführer durch den Gebrauch des Beweismittels gegen das Gebot redlicher Prozessführung verstößt
Beweisrecht: Beweisführung
- Beweisführungslast korrespondiert grds. mit objektiver Beweislast
- Beweisführung nur durch die Beweismittel in §§ 371-445
- > tw. noch strengere Anforderungen, bspw. Urkundenprozess
Beweisrecht: Beweismittel: Überblick
- Augenschein
- Urkunden
- Zeugen
- > nur hinsichtlich wahrnehmbarer äußerer Tatsachen
- > Zeuge kann nur sein, wer nicht im Prozess als Partei vernommen werden würde (prozessunfähige Partei (+), gesetzlicher Vertreter (-)) - Sachverständige
- gerichtlich bestellt
- abzugrenzen vom Privatgutachten, das im Auftrag von einer Partei zur Substantiierung des Vortrags verwendet wird (kein Beweismittel) - Parteivernehmung
- Abkehr vom Grds. “nemo testis in causa propria”
- Voraussetzungen in §§ 445 ff.
- Besondere Bedeutung in Vier-Augen-Situationen
- > zur Wahrung der Waffengleichheit ist andere Seite ggf. von Amts wegen anzuhören (bspw. Mitarbeiter M (für Bank B als Zeuge bzgl. Vertragsschluss B-K) und Kunde K; K ggf. als Partei zu vernehmen ohne Antrag seitens B, § 448)
Beweisrecht: Beweismittel: Urkunde
= bei Verkörperung eines Gedankens durch übliche oder vereinbarte Schriftzeichen
- > keine Unterschrift erforderlich; Unterschrift hat vielmehr Bedeutung für den Beweis für die Echtheit
- Unterschied zwischen öffentlichen und privaten Urkunden
- Formeller Beweiswert = Begründung des vollen Beweises für die Richtigkeit des Erklärungsvorgangs (bei echten Urkunden)
- Materieller Beweiswert = Übereinstimmung von beurkundeter Erklärung mit Wirklichkeit
- > grds. nur nach freier Beweiswürdigung, § 286
Beweisrecht: Beweiswürdigung: freie Beweiswürdigung, § 286
- Grundsatz der freien Überzeugung des Gerichts
- > Ausnahmen in Form von festen Beweisregeln nach § 286 II
- > korrespondierende Pflicht, die Gründe für diese Überzeugung im Urteil anzugeben, § 286 I S. 2
Beweisrecht: Beweiswürdigung: Beweismaß
- erforderlich ist der Vollbeweis = der Richter muss sich “mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad von Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen” (BGH)
- Abweichungen
- > § 287 (Schadensersatz): hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreichend
- > wenn Tatsachen “glaubhaft zu machen” sind: hinreichende Wahrscheinlichkeit ausreichend
Beweisrecht: Beweiswürdigung: Anscheinsbeweis (Prima-facie-Beweis)
= Schluss von einem bestimmten Sachverhalt auf eine bestimmte andere Tatsache aufbauend auf den Erfahrungssätzen des täglichen Lebens nach Art eines Indizienbeweises bei typischen Geschehensverläufen
- Hauptanwendungsbereich: Feststellung von Kausalität und Verschulden (bspw. Auffahrunfall: idR zu geringer Abstand, erhöhte Geschwindigkeit, Unaufmerksamkeit des Hintermanns)
- > Prozessrecht (vs. keine materiellrechtliche Beweislastregel)
- > Empirisch legitimiert (vs. Beweislastregel normativ)
- > Gegenbeweisliche Erschütterung ausreichend (vs. Gesetzliche Vermutung muss zur Überzeugung des Gerichts widerlegt sein, Beweis des Gegenteils)
Beweisrecht: Beweiswürdigung: Beweisvereitelung
- Objektiv: Beeinträchtigung des Beweisobjekts als auch dessen Beweiswerts
- Subjektiv: auf beides bezogenes vorwerfbares, missbilligenswertes Verhalten
- Keine entgegenstehende Umstände der anderen Seite (bspw. Versäumen möglicher Beweissicherung)
- keine automatische Beweislastregel, sondern im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen
- > Nur dann fehlerfreie Begründung nach § 286 I S. 2, wenn Beweisvereitelung in Beweiswürdigung fehlerfrei eingestellt wurde
Rechtsmittel: Überblick
- Zur Anfechtung von gerichtlichen Entscheidungen
1. Endurteile
a. Berufung, §§ 511 ff.
b. Revision, §§ 542 ff.
2. Beschlüsse; unechte Zwischenurteile
a. Sofortige Beschwerde, §§ 567 ff.
b. Rechtsbeschwerde, §§ 574 ff.
Rechtsmittel: Charakteristika
- Devolutiveffekt
- > von niederer Instanz (iudex a quo) in höhere Instanz (iudex ad quem)
- > (-) bei bloßen Rechtsbehelfen (bspw. Antrag auf Wiedereinsetzung in vorherigen Stand, § 236)
- Suspensiveffekt (bei ordentlichen Rechtsmitteln) = Hemmung des Eintritts der (formellen) Rechtskraft
- > ohne Suspensiveffekt: außerordentliche Rechtsmittel (bspw. VB)
- > Vollstreckbarkeit ist nicht notwendigerweise ebenfalls gehemmt (vorläufige Vollstreckbarkeit)
- > Suspensiveffekt aber auch bei ordentlichen Rechtsbehelfen (bei Einspruch, § 705)
Rechtsmittel: Struktur des Rechtsmittelverfahrens
- Zulässige Rechtsmitteleinlegung (besondere SEV)
- Begründetheit des Rechtsmittels
- > Zurückweisung des Rechtsmittels (bei Richtigkeit der Entscheidung)
- > Kassatorische Entscheidung (bloße Aufhebung einer unrichtigen Entscheidung, Fortführung in Vorinstanz)
- > Reformatorische Entscheidung (Entscheidung in der Sache selbst nach unrichtiger Entscheidung)