3. Einheit - Zuverlässigkeit, Schlüsselbegriff des GewR Flashcards
Welche Bedeutung hat die Zuverlässigkeit im Gewerberecht?
Warum wichtig?
Die Zuverlässigkeit ist der gewerberechtliche Schlüsselbegriff. Es gilt: Keine Zuverlässigkeit, kein Gewerbe.
Die Zuverlässigkeit ist nicht leicht, weil unbestimmter Rechtsbegriff und im Lichte des Art. 12 I GG auszulegen
Um was für einen Rechtsbegriff handelt es sich bei der Zuverlässigkeit? Was bedeutet dies?
Um einen unbestimmten. Die Zuverlässigkeit ist nicht legaldefiniert und die Definition und Anwendung durch die Verwaltung ist voll gerichtlich überprüfbar.
Welche Bedeutung hat die Zuverlässigkeit für das erlaubnispflichtige und erlaubnisfreie Gewerbe?
Beim erlaubnispflichtigen Gewerbe ist die bestehende Zuverlässigkeit des Gewerbetreibenden Voraussetzung für die Erlaubniserteilung. Entfällt die Zuverlässigkeit
nach Erlaubniserteilung, droht der Widerruf der Erlaubnis:
Beim erlaubnisfreien Gewerbe kann die fehlende Zuverlässigkeit eine Gewerbeuntersagung nach sich
ziehen
erlaubnisfreie = Regel
erlaubnispflichtige = Ausnahme
Wie lautet die Definition der Zuverlässigkeit?
Zuverlässig ist ein Gewerbetreibender, der nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens die Gewähr dafür bietet, sein Gewerbe zukünftig ordnungsgemäß zu
betreiben
Und umgekehrt lautet die Definition der Unzuverlässigkeit: Unzuverlässig ist ein Gewerbetreibender, der nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, sein Gewerbe zukünftig ordnungsgemäß zu betreiben
Eine Person ist zuverlässig, wenn sie…
diejenigen Anforderungen erfüllt,
die an jemanden in ihrer Situation gestellt sind
Was für eine Entscheidung ist bei der Beurteilung der (Un-)zuverlässigkeit zu treffen; was bedeutet das?
Was für ein Maßstab ist dabei anzulegen; warum?
Eine Prognoseentscheidung. Das bedeutet, dass aufgrund der erwiesenen Tatsachen der Vergangenheit auf das zukünftige Verhalten geschlossen wird.
Ein strenger, weil hier der Grundsatz der Effektivität der Gefahrenabwehr gilt. Nur zuverlässige Personen verursachen keine Gefahren für die vom Gewerbe Betroffenen
Kann abstrakt generell bestimmt werden, welche Umstände in die Prognose eingestellt werden können?
Nein, es sind alle Umstände des konkreten Einzelfalls zu ermitteln und zu bewerten. (Gesamteindruck des Verhaltens)
Wie ist die Unzuverlässigkeit zu bestimmen?
Gewerbespezifisch (für jedes Gewerbe unterschiedlich)
Können dabei nur solche Tatsachen berücksichtigt werden, die sich auf die Gewerbeausübung beziehen, Handlungen, die in der Ausübung des Gewerbes vorgenommen werden?
Nein, es findet eine würdigende Gesamtschau des gesamten Verhaltens statt, ob daraus Rückschlüsse auf die Gewerbeausübung gezogen werden können.
Es können also auch Tatsachen berücksichtigt werden, die nicht auf den Gewerbebetrieb bezogen sind. Das Gesamtbild muss Rückschlüsse auf das berufliche Verhalten im konkreten Gewerbebetrieb zulassen.
Wann wird ein Gewerbe ordnungsgemäß betrieben?
Vor allem müssen die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden (alle gewerbebezogenen Rechtsvorschriften und Strafvorschriften von einigem Gewicht);
zudem die allgemeinen Ansichten v.a. des jeweiligen Gewerbezweiges (Kammern);
schließlich allgemeine Erwägungen der Effektivität der Gefahrenabwehr (normative Wertung)
Welche gewerbebezogenen Verstöße begründen besonders schnell die Unzuverlässigkeit?
Welche sonstigen Gründe gibt es abstrakt?
Illegale Beschäftigung von Ausländern, Verstöße gegen Steuer- und Sozialversicherungsrecht, gewerbebezogene Straftatbestände (Wucher, Untreue, Betrug);
Verstöße gegen den Jugendschutz, Betrieb eines Gewerbes ohne Erlaubnis
(Achtung: anders bei bloß unterlassener Anzeige der Gewerbeaufnahme (§ 14 GewO) bei genehmigungsfreien Gewerben).
Fehlende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit; Förderung der Unsittlichkeit; Übermäßiger Alkoholkonsum.
An verschiedenen Stellen sieht die GewO wirtschaftliche Leistungsfähigkeit vor. Deren Entfallen kann die Unzuverlässigkeit begründen (str.). Allerdings nicht, wenn ein Insolvenzverfahren ordnungsgemäß durchgeführt wird (vgl. § 12 GewO).
Früher sehr weit (Förderung der Prostitution, Kuppelei)
Heute nur noch bei Straftatbeständen (§§ 180a, 181a StGB – Ausbeutung von Prostituierten und Zuhälterei) oderGefährdung des Jugendschutzes.
Übermäßiger Alkoholkonsum (vgl. § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG)
Wieso greift der Vorwurf gegen die Unverhältnismäßigkeit der Einstufung als Unzuverlässigkeit selten durch?
Weil es der Gesetzgeber selbst war, der aus Gründen der Gefahrenabwehr (daraus folgt strenger Maßstab) die Zuverlässigkeit als Schranke des Grundrechts aus Art.
12 I GG durch Gesetz gezogen hat. Diese Entscheidung ist getroffen und wird nur noch von der Verwaltung vollzogen. (Anmerkung: Die meisten Gewerbetreibenden
argumentieren: „Sie können mir doch nicht nur, weil ich unzuverlässig bin, die Existenz vernichten“ – Antwort: „doch: hat der Gesetzgeber entschieden!“ Wenn
Argumentation: „Sie sind ja strenger als der Gesetzgeber das gemeint hat“ (das betrifft Verhältnismäßigkeit der Verwaltungsentscheidung), lautet Ihre Antwort: „ich
beurteile die Frage anhand des strengen Maßstabes, den der Grundsatz der Effektivität der Gefahrenabwehr vorgibt.“).
Wie Verhält sich die „Zuverlässigkeit“ zur „Sachkunde“ und „Eignung“?
- Zuverlässigkeit betrifft die persönlichen Eigenschaften und Verhaltensweisen;
(Grundsätzlich einschließlich hinreichender Sach- und Fachkunde und dder körperl. Und geistigen Eignung. Dies gilt aber nicht, wenn Gesetzgeber diese Eigenschaften eigenen Regelungen unterworfen hat) - die Eignung ist ebenfalls die Summe der persönlichen Eigenschaften und
Verhaltensweisen, die der Gesetzgeber aber selbständig regelt (z.B. „Meisterzwang“, § 22b HandwO.Wo kein Meisterzwang besteht, darf er nicht als „Zuverlässigkeitskriterium“ gefordert werden.); - Sachkunde ist Wissen, das nach dem Gesetz
nachgewiesen werden muss (Hygienekurs im GaststättenR) – „wer den Nachweis (nur der Teilnahme (!)) hat, der kann das“)
(Sachkunde-Prüfung belegt Sachkunde, und es dürfen diesbezügliche Tatsachen nicht in die Unzuverlässigkeitsprüfung einbezogen werden.
Ebenso: Keine Sachkundeprüfung durch die Hintertür) - Wo eine Unterscheidung nicht getroffen wird, können auch Fragen von Sachkunde und Eignung in die Zuverlässigkeitsprüfung gezogen werden (ist ein
Kleptomane ein zuverlässiger Pfandleiher oder Geldtransporteur?). Aber es darf keine Berufszugangsvoraussetzungen durch die Hintertür geben – „zuverlässig ist nur, wer einen Schulabschluss hat“
Begriffe (und die zugehörigen Tatsachen) sind streng zu teffen - wenn das Gesetz es tut)
Was bedeuten die einzelnen TB in der Definition der Zuverlässigkeit?
Gesamteindruck des Verhaltens
= Es sind alle Umstände des konkreten Falles zu ermitteln und in die Bewertung mit einzubeziehen.
Gewähr dafür bietet
= Gewerberecht ist besonderes Gefahrenabwehrrecht. Deshalb gilt der Grundsatz der Effektivität der Gefahrenabwehr.
Deshalb ist ein strenger Maßstab anzulegen (gewährleisten; „garantieren“)
Sein Gewerbe
= Die Zuverlässigkeit ist gewerbespezifisch zu ermitteln (an einen Waffenhändler sind andere Anforderungen zu stellen als an eine Kosmetikerin)
Jedoch können auch Tatsachen berücksichtigt werden, die nicht auf den Gewerbebetrieb bezogen sind. Das Gesamtbild muss Rückschlüsse auf das berufliche Verhalten im konkreten Gewerbebetrieb zulassen.
Zukünftig
= Weil Gewerberecht Gefahrenabwehrrecht ist, dient es der Abwehr zukünftiger Gefahren und nicht der Sanktionierung vergangenen Tuns.
erforderlich ist also eine Prognose des zukünftigen Verhaltens.
Eine solche kann einzig aufgrund feststehender Tatsachen der Vergangenheit angestellt werden (sonst „Glaskugel“).
Es wird also das gesamte vergangene Verhalten betrachtet und anhand dessen die Frage beantwortet: „bietet er / sie die Gewähr künftig das Gewerbe ordnungsgemäß auszuüben.
Dabei führt der strenge Maßstab zu der Ausgangsvermutung, dass aus einem Fehler auf die Unzuverlässigkeit zu schließen ist (Ausn.: Atypik).
Ordnungsgemäß
= Beurteilung vor allem anhand der gesetzlichen Vorgaben (was hat der Gesetzgeber geregelt).
Beurteilung in zweiter Linie nach den allgemeinen Ansichten v.a. des jeweiligen Gewerbezweiges.
Nach allgemeinen Erwägungen der Effektivität der Gefahrenabwehr.
Zuverlässig ist ein Gewerbetreibender, der nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens die Gewähr dafür bietet, sein Gewerbe zukünftig ordnungsgemäß zu betreiben
Fall
A betreibt eine Gaststätte.
Die Gewerbeaufsicht widerruft 2021 die Gaststättenerlaubnis wegen Unzuverlässigkeit, weil er 2010, 2015 und 2018 in seiner Gaststätte Alkohol an Minderjährige ausgeschenkt habe.
A meint, die Vorfälle lägen zu weit zurück, um sie ihm noch vorzuhalten.
Unzuverlässigkeit +/-?
Unzuverlässigkeit (+), bei einer Serie von die Unzuverlässigkeit begründenden Tatsachen können alle berücksichtigt werden (die Prognose erhält ja eine belastbarere Grundlage; nur bei einer langen Wohlverhaltensphase ohne erneute Vorwürfe kann dies abweichend sein)
A betreibt eine Gaststätte.
Er beschäftigt die (ausländische) Kellnerin K ohne Arbeitserlaubnis.
Die Gewerbeaufsicht widerruft die Gewerbeaufsicht.
A sagt, dies sei unverhältnismäßig, weil es sein erster Verstoß gewesen sei.
nzuverlässigkeit (+), denn strenger Maßstab; gewerbebezogener Verstoß gegen Ordnungswidrigkeits-Tb (§ 4a Abs. 5 i.V.m. § 98 Abs. 2a Nr. 1 AufenthG).