3- Alte und Kranke Patienten Flashcards
Welche theoretischen Konzepte kann man nutzen, um den Prozess des Alterns zu beschreiben?
erste Systematisierung:
Unterscheidung normales vs. pathologisches vs. optimales Altern
zweite Systematisierung:
Zuwachs (Funktionsniveau wird erhöht)
vs. Aufrechterhaltung (negative Einwirkungen auf Funktionsniveau werden vermieden)
vs. Verlustregulation (Umgang mit Funktionsverlusten)
bezogen auf körperliche, psychische, soziale Funktionen
Verlustbilanzierung
Welche Arten von Verlusten kann das Alter mit sich bringen?
- Pensionierung
- Verlust des Partners/nahestehender Personen
- physiologische & kognitive Funktionseinbußen
- sonstige Belastungen:
körperliche und psychische Erkrankungen, finanzielle Probleme (Altersarmut), traumatische Erlebnisse (bzw. deren Folgen), Bewusstwerdung des eigenen nahenden Todes
Welche Reaktionen können Menschen laut Studien auf diese Verluste (Pensionierung, Tod nahestehender Personen) zeigen?
Pensionierung
- ca. 75% der Menschen sind nach der Pensionierung kurzfristig zufriedener mit ihrem Leben, kehren dann auf das ursprüngliche Niveau zurück
- 15% erleben nach kurzfristigem Anstieg einen längerfristigen Abfall
- ca. ein Zehntel ist kurzfristig weniger zufrieden und erlebt dann eine langfristige Zunahme
Verlust von nahestehenden Personen
- Allgemeine Trauer (50%), die nach bis zu 18 Monaten wieder zum ursprünglichen Wohlbefinden zurückführt
- Resistenter Verlauf (ein Drittel): konstant niedrige Trauer- und Depressionswerte und hohe Lebenszufriedenheit
- Chronische Trauer: Rest der Befragten gaben konstant hohe Trauer- und Depressionswerte an
Was wird im Rahmen der Pensionierung als positiv erlebt? Was als negativ?
Positiv: Sinnfindung! Im Rahmen von:
- vertrautem alltäglichen Lebensraum
- Zukunftsorientierung
- Reflexion des zurückliegenden Lebens
- Beschäftigung mit grundlegenden existenziellen Fragen wie der Endlichkeit oder der Transzendenz
Negativ:
Sinnlosigkeitserleben!
Trauer
Verbitterung
Welche Schlussfolgerungen erlaubt die Berliner Altersstudie (Staudinger, 2010)?
- Das subjektive Wohlbefinden wird eher durch die Bewertung und das psychologische Erleben einer Belastung beeinflusst als durch die Belastung selbst!
–> Ansatzpunkt für psychotherapeutisches Handeln - (vor allem) sensorische Funktionseinschränkungen tragen nur wenig zum allgemeinen Belastungserleben bei
Gewinnbilanzierung
Welche Arten von Gewinnen kann das Alter mit sich bringen und was ist jeweils darunter zu verstehen?
kumulierte Bewältigungs- und Lebenserfahrung = Reife
- Bewältigung: Versuch, objektive negative Ereignisse in eine subjektive Realität umzuwandeln, die ein den Umständen entsprechendes Wohlbefinden ermöglicht
- Bewältigung kann problemlöseorientiert oder emotionszentriert erfolgen, die Wahl der Strategie hängt stärker von der Situation ab als von der Person
Motivation & Emotion
- motivational: generell weniger Leistungsmotiv, bei Frauen Abnahme des Beziehungsmotivs, bei Männern Abnahme des Machtmotivs
- emotional: generell Abnahme der Häufigkeit von Emotionen; mehr positive Emotionen, die etwas stärker abnehmen als die negativen Emotionen, welche nach lebenslanger Abnahme im hohen Alter stabil bleiben
Subjektives Wohlbefinden
- bleibt einigermaßen stabil
- korreliert mit Kontrollgefühl bzw. sozialen Abwärtsvergleichen in Situationen mit geringen Kontrollmöglichkeiten
Was versteht man unter dem “Wohlbefindensparadox”?
Während sensorische Fähigkeiten, Mobilität, soziale Teilhabe und Selbstständigkeit abnehmen und Krankheiten wahrscheinlicher werden, bleibt das subjektive Wohlbefinden im hohen Alter stabil.
Welche Bewältigungsstile wenden ältere Menschen an?
- Vergleich mit früher (Lebensrückblick) -> temporaler Abwärts- oder Aufwärtsvergleich
- Wunsch nach Information
- Vergleich mit anderen
-> sozialer Abwärts- oder Aufwärtsvergleich - Verantwortung abgeben
- Sinnverlust konstatieren
- laufen lassen
Welche Lebensrückblicksstile gibt es und wie sind diese zu bewerten?
Funktional/reif:
- integrative Rückschau (Bilanz ziehen, Gutes und Schlechtes miteinbeziehen)
- instrumentelle Rückschau (“Was habe ich wie erreichen können?”)
- generative Rückschau (“Welchen Mehrwert haben meine Erfahrungen, was kann ich weitergeben?”)
Dysfunktional/unreif:
- defensive Rückschau
- zwanghaft-repetitive Rückschau
- narrative Rückschau (Deutung des Geschehenen in Richtung Schicksal??) –> ich hätte es so verstanden, dass man immer nur von früher erzählt und nicht im Hier und Jetzt lebt.
Welche psychischen Störungen kommen im höheren Alter am häufigsten vor?
Absteigende Häufigkeit:
Schlafstörungen (ca. 20%)
Demenzen
Depressionen (MDD > Dysthymie > Demenz mit Depression)
Angststörungen (v.a. SP & GAS)
Welche Therapieziele sind bei älteren Patienten häufig im Vordergrund?
- Altruismus
- Glauben/Sinnfindung
- Vermeidung bzw. Verringerung von: Erniedrigung/Blamage, Vorwürfen, Spannungen in Beziehungen, Kontrollverlust
Leitziele in Anlehnung an Prinzipien der WHO:
- Selbstständigkeit (als angestrebter “Grundzustand”, basierend auf:)
- Selbstverantwortung
- aktive Teilhabe an der sozialen, gesellschaftlichen und kulturellen Umwelt
- persönliche Sinnerfahrung
Was kann man sich unter dem Modell der selektiven Optimierung und Kompensation (SOK) im Rahmen der Psychotherapie im Alter vorstellen?
Anpassung des Therapieprozesses durch Selektion (“Welche Therapieziele stehen im Fokus?”), Optimierung (“Wie können wir diese Ziele erreichen?”) und Kompensation (“Wie können wir funktionellen Einschränkungen oder Verlusten entgegenwirken?”)
Warum könnte Psychotherapie bei Menschen mit einer körperlichen Erkrankung indiziert sein? Wie hängen Psyche und Körper zusammen?
Psychische Störungen können…
…Ursache
–> physiologische Konsequenzen der psychischen Störung oder ihrer Medikation sowie gesundheitsgefährdende Verhaltensweisen im Rahmen einer psychischen Störung erhöhen das Risiko, eine körperliche Erkrankung zu entwickeln
–> eine psychische Krankheit kann wiederum Ursachen haben, die gleichzeitig eine körperliche Krankheit bedingen
…Folge
–> direkte, physiologische Folge oder indirekte Folge in Form der Reaktion auf die Diagnose oder die Medikation einer körperlichen Erkrankung
…Moderator
–> Einstellung der Person zu ihrer Erkrankung
–> Verhaltensweisen und Lebensumstände während der Krankheitsphase (Stress, Substanzkonsum, Ernährung)
–> psychische Komorbidität
einer körperlichen Krankheit sein!
Welche psychologischen Faktoren moderieren körperliches Erleben?
Die vom Körper eintreffenden Informationen werden nicht “objektiv” empfangen, sondern individuell verarbeitet =
Interozeption (Verarbeitung der vom Körper ausgehenden Reize, z.B. Schmerz, Herzschlag, Muskelbewegungen, etc.):
Encoding (Signalbildung) –> Awareness (Bewusstwerdung durch kortikale Verarbeitung) –> Reporting (Berichtsverhalten)
–> Wahrnehmungsgenauigkeit variiert, je nach dem wie stark tatsächliche Ausprägung eines Symptoms und dessen Wahrnehmung miteinander korrelieren
Symptome werden also
- unvollständig wahrgenommen: selektive Aufmerksamkeit aufgrund des individuellen Krankheitsmodells und situationsspezifischen Annahmen über körperliche Reaktionen
- unter- oder überschätzt: selektive Interpretation aufgrund von kognitiven Schemata und Erwartungshaltungen –> können in der Folge wiederum die Suche nach neuen, zusätzlichen Informationen beeinflussen (selektive Aufmerksamkeit)
- unvollständig abgespeichert und abgerufen: selektive Memorierung und Gedächtnisabruf
–> Teufelskreis der somatosensorischen Verstärkung
(selektive Aufmerksamkeit -> katastrophisierende Fehlbewertung eines Symptoms -> Angst -> selektive/verstärkte Aufmerksamkeit für dieses Symptom …)
Aufgrund von kortikaler Plastizität können Symptome außerdem chronifiziert werden (Bsp. Schmerzstörungen)
Was versteht man unter somatosensorischer Verstärkung?
Teufelskreis, in dem physische und psychische Faktoren sich gegenseitig aufschaukeln:
selektive Aufmerksamkeit -> katastrophisierende Fehlbewertung eines Symptoms -> Angst -> verstärkte Aufmerksamkeit für dieses Symptom …