02 Qualitative Erhebungsmethoden Flashcards
Welche Produkte menschlichen Denkens und Handelns könnten für die Analyse sozialer Realität interessant sein?
z.B. Bücher, Filme, Kunst, Musik, Facebook, Dokumente, …
Formen qualitativer Analyse von Produkten
- Dokumentenanalyse
- Diskursanalyse
- Film- und Fernsehanalyse
- qualitative Inhaltsanalyse
- Inhaltsanalyse mittels Leitfaden
- Chat- und Forenanalyse
- Videospielanalyse
qualitatives Experiment
nach wissenschaftlichen Regeln vorgenommener Eingriff in einen sozialen Gegenstand zur Erforschung seiner Struktur
unterscheidet sich vom quantitativen Experiment in seiner Forschungslogik
qualitative Befragung
- nicht oder nur teil-standardisiert
- nur offene Fragen
- mündliche Kommunikation
Stärken qualitativer Befragung
- vielfältige Gegenstände (Einstellungen, Verhalten, Wissen, Gefühle)
- Zugang zu inneren Vorgängen (Interpretationen, Bedeutungen)
- Vergangenes ist erfassbar
Schwächen qualitativer Befragung
- zeitlicher Abstand (Erinnerungsleistung, Vergessen)
- fehlende Unmittelbarkeit (Unmittelbarkeit = ohne Verarbeitung)
- abhängig von Befragten (Sorgfalt, Ausdrucksfähigkeit)
Unterscheidungskriterien von Interviews
- Interviewmodus: mündlich, schriftlich
- Standardisierungsgrad: offen, teilstandardisiert
- Befragte: Experten, Einzelperson, Gruppen
- Einsatz von Reizen (z.B. fokussiertes Interview)
- Nahe oder weit weg von Ereignis/Verhalten/Situation (z.B. Lautes Denken)
qualitative Einzelinterviews
- narratives Interview
- Leitfadeninterview (problemzentriertes Interview, fokussiertes Interview, Experten-Interview)
- Lautes Denken
narratives Interview
Erzählung als Zugang
- folgt Eigenlogik des Geschehens
- liefert tiefe Einblicke in Erfahrungswelten
Zugzwang des Erzählens
- Gestaltschließungszwang: Geschichte braucht inneren Zusammenhang
- Kondensationszwang: Wichtiges muss ausgewählt werden
- Detaillierungszwang: Hintergründe müssen erklärt werden
offenste Interviewform
- keine vorformulierten Fragen
- starke Zurücknahme der InterviewerInnen
Leitfadeninterviews
- Überbegriff für alle qualitativen Interviewformen, die einen Leitfaden einsetzen (problemzentriertes, fokussiertes und Experten-Interview)
- man geht nicht völlig offen ins Feld, sondern entwickelt ein Erhebungsinstrument, das den inhaltlichen Rahmen vorgibt
- dialogisch angelegt; hebt die unnatürliche Trennung von reinem Erzählen und Nachfragen auf
- eigenen sich für eine große Fülle an Gegenständen, z.B. Wissen, Einstellungen, Meinungen, …
Häufigste Form qualitativer Befragung!
Funktionen eines Leitfadens
- Orientierung
- erhöht die Vergleichbarkeit der Fälle
- legt die Themen der Befragung fest
- enthält vorformulierte Fragen
- unterschiedlicher Standardisierungsgrad
- Leitfaden begrenzt die Offenheit des Interviews, somit teilstandardisiert
Kontextprotokoll
Eindrücke zu
- Interviewsituation, äußeren Einflüssen, Störungen
- Kommunikationsverlauf, Gesprächsbereitschaft, Irritationen
- Person, Aussehen, Kleidung
Äußerungen abseits der Aufnahme
ergänzender Kurzfragebogen
- standardisierter Fragebogen
- Dauer 5-10min
- Eckdaten zur Person
- vor oder nach dem Interview
problemzentriertes Interview
- Problemzentrierung: Interview ist auf ein spezifisches Thema zugeschnitten - die Struktur ergibt sich aus dem Problem, nicht aus der persönlichen Geschichte
- Wechsel narrativer Passagen mit Frage-Antwort-Passagen (erzählgenerierende Fragen, Wissens-, Informations- und Einstellungs-Fragen)
- gemeinsame Arbeit an Verständnis (Befragte sollen nicht nur berichten, sondern reflektieren - InterviewerInnen leiten diesen Prozess an)
fokussiertes Interview
- Einsatz eines Stimulus, anschließende Befragung mittels Leitfaden
- vom Allgemeinen zum spezifischen (offene Fragen - Fragen zu bestimmten Ausschnitten - Fragen zu bestimmten Reaktionsweisen - oder Kombination)
- Offenheit bei gleichzeitiger Fokussierung (Bezug auf Stimulus engt ein, aber Befragte können eigene Aspekte einbringen)
Experten-Interview
- Nutzung von Spezialwissen (privilegiertes Wissen, Sonderkompetenzen, Erfahrungen)
- Auswahl der Experten hängt von der Fragestellung ab (Name muss genannt werden und die Expertise belegt werden)
- Gestaltung des Interviews (hohe Strukturierung, keine persönlichen Hintergründe, Vorbereitung ist wichtig)
Lautes Denken
Personen werden aufgefordert, ihre Gedanken laut auszusprechen, während sie einer Aufgabe nachgehen
Probleme lautes Denken
Problem der Selektion
- lautes Denken erfordert mehr Zeit als Stilles, führt zur Verzögerung der Primäraufgabe, Raffung oder Auslassungen
Problem der Umsetzung in Sprache
- bei der Übersetzung in Sprache kommt es zu Verzerrungen
- schwer oder nicht zu übersetzende Dinge werden ausgelassen
Problem des Theoretisierens
- Befragte bereiten Daten auf
- nehmen Inkonsistenzen und Redundanzen heraus
außerdem: unnatürliche Situation, Erkenntnisse schwer auf den Alltag übertragbar, Überforderung der Befragten
qualitative Gruppenverfahren Vorteile
- Situation in der Gruppe ist natürlicher als die monologische Einzelbefragung
- Sichtweisen werden in der Situation erfasst, in der sie im Alltagsleben auch geäußert und gebildet werden
- im Diskutieren werden andere Bewusstseinsinhalte aktiviert als im Frage-Antwort-Schema
- übergreifende, kollektive Phänomene können besser rekonstruiert werden
- Gruppenprozesse selbst können erfasst werden (Problemlösungsprozesse, Aushandlungsprozesse)
qualitative Gruppenverfahren Arten
- Gruppeninterview
- Gruppendiskussion
Gruppeninterview
Leitfadeninterview, das gleichzeitig mit mehreren Personen durchgeführt wird
- Dynamik der Gruppe wird genutzt, um individuelle Sichtweisen besser zu erfassen oder Gruppenhaltungen zu ermitteln
- Diskussion stimuliert Antworten, unterstützt die Erinnerung und regt zu Positionierungen und Explikation an
- mit weniger Aufwand, geringen Kosten und in kürzerer Zeit kann eine größere Anzahl an Personen befragt werden
- es ist wichtig, die Themen möglichst breit abzudecken und alle Gruppenmitglieder zu Aussagen zu bewegen
Gruppendiskussion
selbstläufige Diskussion in der Gruppe statt Frage-Antwort-Schema
- nicht das Individuum, sondern die Gruppe steht im Vordergrund
- es geht um gemeinsam geteilte Phänomene
- die Gruppe bestimmt die Themen stark mit
- steuert den Verlauf und die Redeverteilung selbst
- Leitfaden weniger stark strukturiert
- DiskussionsleiterIn eher zurückhaltend
Ablauf einer Gruppendiskussion
- initiale Hauptphase: Thema einführen, Diskussion initiieren, Stimulus setzen, immanente Nachfragen
- Nachfragephase: examente Nachfragen, die neue Aspekte einbringen, wenn das Gesprächspotential ausgeschöpft ist
- direktive Phase: Nachfragen zu Widersprüchen/Inkonsistenzen; Reflexion/Argumentation anregen
Gruppendiskussion: Rolle der Diskussionsleitung
formale Leitung: Festlegung des Gesprächsverlaufs, Stimulierung der Diskussion
thematische Steuerung: Einführung neuer Fragen, verständnisförderne Nachfragen
Steuerung der Dynamik: Ankurbeln der Gespräche, provokative Fragen, Polarisierung, Auslgeich von Dominanzverhältnissen
Focus Groups
qualitative Gruppenverfahren in der Markt- und Meinungsforschung und der Usability Forschung
- es gibt Ähnlichkeiten mit Gruppendiskussionen, wie auch mit Gruppeninterviews
- es ist nicht ganz klar, worin die spezifischen methodischen Merkmale von Focus Groups liegen
- der Begriff wird für verschiedene Varianten von Gruppenverfahren verwendet
- häufig fokussieren diese Interviews auf einen Stimulus
qualitative Beobachtung
aufmerksame, planmäßige und zielgerechte Wahrnehmen von Vorgängen, Ereignissen und Verhaltensweisen in Abhängigkeit von bestimmten Situationen
Stärken qualitativer Beobachtung
zeitliche Nähe
- Verhalten wird in dem Moment erfasst, wo es stattfindet
Unmittelbarkeit
- Ergebnisse sind nicht durch Erinnerung/Reflexion verzerrt
Situationsgebundenheit
- situative Bedingungen von Verhalten können erfasst werden
Schwächen qualitativer Beobachtung
kleiner Gegenstandsbereich
- v.a. Verhalten, Interaktionen, Abläufe
beschränkt auf Gegenwart
- Vergangenes lässt sich nicht beobachten
selektive Wahrnehmung
- Überbetonung bzw. Übersehen, Lücken in der Aufzeichnung
Beobachtungssituationen
Feldbeobachtung
- Natürlichkeit der Situation
- Übertragbarkeit auf Alltagsverhalten
Laborbeobachtung
- Kontrolle von Störfaktoren
- akkurate Messung
Einsatz von Stimuli
- Situationen, die schwer anzutreffen sind
- begleitend zu fokussiertem Interview
nicht teilnehmende Beobachtung
Ziel: Verhalten möglichst unbeeinflusst erfassen
- Rolle des reinen Beobachters
- Beschränkung auf Wahrnehmung und Dokumentation
- Versuch, möglichst nicht zu stören oder einzugreifen
- Geschen im natürlichen Verlauf beobachten
- distanzierte Haltung zum Geschehen (Außenperspektive)
Handlungen können nicht in der Bedeutung erfasst werden, die sie für die Akteure haben.
teilnehmende Beobachtung
Ziel: Verhalten aus der Innenperspektive im Kontext verstehen
- Rolle des teilnehmenden Beobachters
- Eintauchen, Innenperspektive aneignen (“going native”)
- Teilnahme am Geschehen, Aufbau von Interaktionen zu den Akteuren
- Einflussnahme im Sinne des Erkenntnisinteresses
- gleichzeitig Bewahren von reflexiver Distanz
Handlungen sind durch die Beobachtung beeinflusst. Die BeobachterInnen befinden sich in einem Rollenkonflikt.