Völkerrecht Flashcards

1
Q

Welche Völkerrechtsquellen gibt es und wo findet sich eine entsprechende Aufzählung?

A

IGH-Statut 38 I

  • Vertragsrecht (lit. a)
  • Gewohnheitsrecht (lit. b)
  • Allgemeine Rechtsgrundsätze (lit. c)
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2
Q

Gibt es eine Hierarchie der Völkerrechtsquellen?

A
  • Nein, es besteht keine Hierarchie zwischen den einzelnen Rechtsquellen
  • Allerdings gibt es eine Hierarchie zwischen verschiednen Normen:
    • Ius cogens: entgegenstehende vertragliche (vgl. Art. 53 und 64 WVK) und gewohnheitsrechtliche Normen sind nichtig
    • Vertragliche Vorrangklauseln: insbesondere Art. 103 UNO-Charta; Art. 53 EMRK
    • Allgemeine Kollisionsregeln:
      • Speziellere Regel (lex specialis) geht der allgemeineren vor
      • Spätere Regel (lex posterior) geht der früheren vor (für Verträge vgl. Art. 30 WVK)
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3
Q

Was versteht man unter Hilfsmitteln zur Rechtsfindung?

A
  • IGH-Statut 38 I lit. d: Richterliche Entscheidungen und Lehrmeinungen der fähigsten Völkerrechtler der versch. Nationen
  • Grosse Bedeutung von Präjudizien
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4
Q

Woraus wird die Verbindlichkeit einseitiger Rechtsakte abgeleitet und was ist ein leading case?

A
  • Verbindlichkeit kann sich aus dem Prinzip von Treu und Glauben ergeben, welches einen allg. Rechtsgrundsatz i.S.v. IGH-Statut 38 I lit. c darstellt
  • Leading case ist Nuclear Test Case (Australia v. France) (1974)
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5
Q

Was sind die VSS der Verbindlichkeit von einseitigen Rechtsakten?

A
  • Öffentliche Erklärung: Anerkennung, Verzicht, Versprechen
    • Keine bestimmte Form erforderlich
    • idR Notifikation / Proklamation
  • Zuständigkeit des die Erklärung abgebenden Staatsorgans
  • Hinreichende inhaltliche Bestimmtheit
  • Erkennbarer Wille zur rechtlichen Selbstbindung
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6
Q

Was sind die VSS der Entstehung von Gewohnheitsrecht?

A

Zwei Elemente (vgl. Art. 38 Abs. 1 lit. b IGH-Statut)

  1. Objektives Element:
    Allgemeine, einheitliche und dauernde i**nternationale Übung
    (Staatenpraxis = consuetudo)
  2. Subjektives Element:
    Rechtsüberzeugung
    (opinio iuris)

Reihenfolge der Herausbildung der Elemente ist irrelevant

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7
Q

Wie muss die consuetudo zur Bildung von Gewohnheitsrecht beschaffen sein?

A

Entscheidend sind staatliche Akte aller drei Gewalten, insb. jener Organe, welche den Staat nach aussen repräsentieren.

  1. Allgemeine Übung
  2. Einheitliche Übung
  3. ​Dauernde Übung
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8
Q

Wann ist die allgemeine Übung zu bejahen?

A
  • Keine universelle Beteiligung nötig
  • Repräsentative Praxis reicht aus
  • Insb. Übung besonders betroffener Staaten
  • Möglichkeit regionalen Gewohnheitsrechts
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9
Q

Wann ist die einheitliche Übung zu bejahen?

A

Wenn

  • im Allgemeinen kein Abweichen von der Übung erfolgt und
  • normabweichendes Verhalten als Völkerrechtsbruch angesehen wird
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10
Q

Wann kann die dauernde Übung bejaht werden und was ist diesbezüglich der leading case?

A
  • Auch bei kurzer Dauer der Übung kann ggf. schon eine Staatenpraxis bestehen, wenn
    • besonders betroffene Staaten
    • die Übung flächendeckend und sehr einheitlich vollziehen
  • Allgemeinheit und Dauer der Übung kompensieren sich also gewissermassen
  • North Sea Continental Shelf Cases (Germany v. Denmark / Netherlands) (1969)
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11
Q

Wann ist die opinio iuris bei der Bildung von Völkergewohnheitsrecht zu bejahen?

A
  • Bei Überzeugung der Staaten, zu einem Verhalten rechtlich verpflichtet zu sein
  • Nicht gegeben bei bloss politischer Motivation, comity, Kulanz
  • Innere Tatsache (Schwierigkeit der Feststellung)
  • Indizien:
    • Äusserungen und Verhaltensweisen der Staatsorgane, wie z.B.
    • Proteste und nicht-rechtsverbindliche Resolutionen internationaler Organisationen
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12
Q

Kann das Ausbleiben von Protest genügen zur Annahme einer Rechtsüberzeugung?

A

Verneinend: S.S. Lotus Case (France v. Turkey) (1927)

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13
Q

Kann ein Staat, der sich beharrlich einer gewohnheitsrechtlichen Regel widersetzt, ebenfalls gebunden sein? Was ist der leading case dazu?

A
  • Grundsatz: Gewohnheitsrecht bindet auch jene Staaten, die nicht an der Übung beteiligt sind
  • Aber: Keine Bindung des persistent objector
    • Setzt ggf. wiederholten Protest voraus
    • Widerstand ist nicht zulässig gegen ius cogens
  • Fisheries Case (United Kingdom v. Norway) (1951)
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14
Q

Was sind allgemeine Rechtsgrundsätze und welche Funktion haben sie?

A
  • Fundamentale Regeln, die wegen ihres grundlegenden Gehalts für sämtliche Rechtssysteme Bedeutung haben
  • Aus nationalen Rechtsordnungen übernommen
  • Funktion: Lückenfüllung bzw. Auslegung von Verträgen oder Gewohnheitsrecht
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15
Q

Was sind die VSS der Annahme eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes?

A
  • «Von den Kulturstaaten anerkannt»; für Rechtsvergleich genügt Berücksichtigung von repräsentativen Rechtsordnungen aus den grossen Rechtskreisen
  • Sinnvolle Übertragung auf internationale Ebene ist möglich
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16
Q

Was sind wichtige Beispiele von allgemeinen Rechtsgrundsätzen im Völkerrecht?

A
  • Prinzip von Treu und Glauben
    • Vgl. Nuclear Test Case (Australia v. France) (1974)
    • Pacta sunt servanda
    • «Acquiescence» (widerspruchslose Hinnahme fremder Staatsakte gilt als Anerkennung)
    • «Estoppel» (Verbot widersprüchlichen Verhaltens)
    • Rechtsmissbrauchsverbot
  • Pflicht zur Rückerstattung einer ungerechtfertigten Bereicherung
  • Rechtsverlust durch Zeitablauf: Verjährung, Ersitzung
  • Rechtskraft von Urteilen (res iudicata)
  • Grundsatz des rechtlichen Gehörs
  • Litispendenz
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17
Q

Welche Bestimmungen finden sich in der WVK zum Verhältnis von Völkerrecht und innerstaatlichem Recht?

A
  • WVK 26: Pacta sunt servanda
  • WVK 27: Keine Berufung auf innerstaatliches Recht zur Rechtfertigung der Nichterfüllung
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18
Q

Was bedeutet Völkerrechtssubjektivität?

A
  • Fähigkeit, Träger völkerrechtlicher Rechte und Pflichten zu sein
  • Praktisch hautsächlich relevant:
    • Fähigkeit zum Abschluss völkerrechtlicher Verträge
    • Fähigkeit, andere Völkerrechtssubjekte zu belangt werden
    • Fähigkeit, selbst belangt zu werden
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19
Q

Wie ist die völkerrechtliche Handlungsfähigkeit definiert, bzw. wie grenzt sie sich zur Völkerrechtssubjektivität ab?

A
  • Fähigkeit, Rechte und Pflichten in eigener Person in vollem Umfang wahrnehmen zu können
  • Wegfall der Handlungsfähigkeit bedeutet nicht zwingend Wegfall der Subjektivität
    • Deutschland nach WW II
    • Hoheitsgebiet unter Kontrolle von Kriegsgegnern
    • UNO-Treuhandgebiete bis 1994
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20
Q

Welche Kategorien von Völkerrechtssubjekten werden unterschieden?

A
  • Sachlich: Differenzierung nach inhaltlicher Wirkung
    • unbeschränkte VRS
    • partielle VRS
  • Persönlich: Differenzierung nach dem Kreis der vom Subjektstatus Betroffenen
    • allgemeine VRS
    • partikuläre VRS
  • Zeitlich: Differenzierung nach dem Zeitpunkt, in dem VRS beim betreffenden Akteur entsteht
    • geborene VRS (Staaten)
    • gekorene VRS (alle anderen)
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21
Q

Was sind unbeschränkte bzw. partielle VRS?

A
  • Unbeschränkte (generelle, omnipotente) VRS:
    • Nach ihrem Umfang Träger aller völkerrechtlichen Rechte und Pflichten
    • Staaten sind grds. unbeschränkte VRS
  • Partielle VRS:
    • Nach seinem Umfang Träger von Teilen, aber nicht von allen völkerrechtlichen Rechten und Pflichten
    • Alle anderen VRS (insb. int. Organisationen)
    • Funktion bzw. Gründungsvertrag bestimmt Umfang von Rechten und Pflichten
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22
Q

Was sind allgemeine bzw. partikuläre VRS?

A
  • Allgemeine VRS:
    • Völkerrechtssubjekt, das von allen als solches anerkannt wird
    • Die Völkerrechtssubjektivität ist damit in den völkerrechtlichen Beziehungen zu allen anderen Völkerrechtssubjekten gegeben
  • Partikuläres VRS:
    • Völkerrechtssubjekt, das nicht von allen als solches anerkannt wird
    • Wenn die Anerkennung konstitutive Wirkung hat, besteht die Rechtssubjektivität des partikulären Völkerrechtssubjektes nur gegenüber den Anerkennenden
    • Z.B. Papst (welcher gleichzeitig auch partielles VRS ist)
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23
Q

Was gibt es für traditionelle VRS?

A
  • Staaten
    • “klassisches” VRS
    • Unbeschränktes, allgemeines und geborenes VRS
  • Heiliger Stuhl
  • Malteserorden
  • IKRK
    • Partielles, allgemeines, gekorenes VRS
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24
Q

Was gibt es für weitere VRS?

A
  • Internationale Organisationen (aber nicht alle)
  • De facto-Regime
  • Völker
  • NGOs?
  • Individuen?
  • TNCs?
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25
Q

Wie beurteilt sich die VRS von int. Organisationen?

A
  • Beurteilung im Einzelfall
  • Gew. Verselbstständigungsgrad notwendig
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26
Q

Warum ist es teilweise sinnvoll, die VRS von de facto-Regimen anzunehmen? Was ist daran problematisch?

A
  • Idee: Ggf. schaft de facto-Regime gew. Stabilität, was vorteilhafter ist
  • VRS verschafft Schutz durch Gewaltverbot
  • Problem: Verletzung der Souveränität und des Grundsatzes der Nichteinmischung (domaine réservé)
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27
Q

Haben Völker VRS?

A
  • V.a. relevant im Zusammenhang mit Selbstbestimmungsrecht der Völker
  • Kolonialvölker im Zuge der Dekolonialisierung, ausserhalb dieses Kontextes nicht (mehr)
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28
Q

Haben NGOs VRS?

A
  • Tendenz: Annahme der VRS (z.B. AI, HRW)
  • Problem: Beschränktes (oder nicht vorhandenes) Haftungssubstrat
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29
Q

Haben Individuen VRS?

A
  • Mediatisierung des Individuums durch den Staat
  • Aber: partielle VRS in Bezug auf
    • Menschenrechte
    • Völkerrechtliches Strafrecht
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30
Q

Haben TNCs VRS? Was spricht dafür, was dagegen?

A
  • Grds. keine VRS
  • Aber z.B. Handelsgesellschaften der Niederlande i.Z.d. Kolonialisierung schon
  • Frage stellt sich aber bei gigantischen TNCs wie Apple, die wirtschaftlich, politisch und sozial immensen Einfluss haben
    • Unternehmen treten teilweise wie Staaten auf
    • Sie sind teilweise Streitpartei in vom Völkerrecht geschaffenen Streitbeilegungsverfahren (ICSID)
    • Bedeutung von TNCs unter Menschenrechtsgesichtspunkten
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31
Q

Was definiert den Staat im völkerrechtlichen Sinne? Welche Folge hat das Vorhandensein der betreffenden Elemente?

A

Dreigliederiger Staatsbegriff (Georg Jellinek):

  • Staatsvolk
  • Staatsgebiet
  • Staatsgewalt

→ Grds. besteht ein Staat, wenn diese Elemente bestehen. Allfällige Anerkennung durch andere Staaten ist (theoretisch) rein deklaratorisch.

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32
Q

Was ist das Staatsvolk?

A
  • Gesamtheit der im In- und Ausland lebenden Staatsangehörigen.
  • A.M.: Alle unter einer bestimmten Staatsgewalt lebenden menschen (d.h. auch die Ausländer)
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33
Q

Wie ist das Staatsgebiet zu verstehen? Wie kann es verändert werden? Was gibt es bei Strittigkeit des Staatsgebiets zu beachten?

A
  • Staatsgebiet als Raum mit Kegelform
  • Begrenzung nach oben: Etwa bis zum Ende der Erdatmosphäre
  • Heute erfolgen Veränderungen des Staatsgebietes vorwiegend über Zession
    • Bis zur Schaffung des Gewaltverbots auch noch mittels Annexion
    • De facto aber auch noch heute (Krim etc.)
  • Strittigkeit:
    • Uti possidetis-Prinzip
    • Acquiescence-Grundsatz
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34
Q

Was besagt das uti possidetis-Prinzip? Was ist der leading case dazu?

A
  • Vollständig uti possidetis, ita possideatis – „wie ihr besitzt, so sollt ihr besitzen“.
  • Übernahme der während der Kolonialzeit durch die Kolonialmächte anerkannten Grenzen durch die neu unabhängigen Staaten.
  • Frontier Dispute (Burkina Faso v. Republic of Mali) (1986) → uti possidetis-Prinzip als allgemeiner Grundsatz des Völkerrechts bei Grenzziehungskonflikten
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35
Q

Was besagt der acquiesence-Grundsatz? Was ist der leading case dazu?

A
  • acquiescence = Einwilligung, Duldung
  • Materielle Rechtslage kann sich durch stillschweigende Anerkennung ändern.
  • Temple of Preah Vihear (Vietnam v. Cambodia) (1962) → Zustimmung zu einer Grenzlinie durch Schweigen)
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36
Q

Was ist die Staatsgewalt?

A
  1. Souveränität im Innenverhältnis
    • Fähigkeit zur Aufrechterhaltung der öffentl. Ordnung
    • Irrelevanz der Legitimität?
    • Wegfall der Staatlichkeit bei failed states?
  2. Souveränität im Aussenverhältnis
    • Fähigkeit zu rechtlich unabhängigem Handeln
    • Marionettenstaaten sind damit keine Staaten im völkerrechtlichen Sinn
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37
Q

Was für eine Bedeutung hat die Anerkennung von Staaten durch andere Staaten? Was gibt es für ein Fallbeispiel?

A
  • (Theoretisch) rein deklaratorische Wirkung (deklaratorische Theorie)
    • A.M.: konstitutive Wirkung (konstitutive Theorie)
  • In der Praxis bestimmt aber das Mass der Anerkennung massgeblich über die Fähigkeit zu unabhängigem aussenpolitischem Handeln
  • Unabhängigkeitserklärung Nordzyperns: Nur von Türkei anerkannt.
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38
Q

Was sind die wichtigsten Folgen der Staatlichkeit?

A
  • Schutz vor Aggression (durch das Gewaltverbot)
  • Schutz vor fremden Hoheitsakten auf eigenem Gebiet (Grundsatz der Gebietsausschliesslichkeit)
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39
Q

Welche Arten der Zuständigkeit werden unterschieden?

A
  • jurisdiction to prescribe
  • jurisdiction to adjudicate
  • jurisdiction to execute
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40
Q

Wo ergeben sich in Bezug auf die Staatenzuständigkeit Probleme?

A
  • Klar unzulässig sind Hoheitsakte auf fremdem Territorium → Nichtigkeitsfolge
    • Z.B. Zustellung von Gerichtsurkunden
  • Fraglich: Darf ein Staat seine Gesetzgebung auch auf SV ausserhalb seines Territoriums ausdehnen?
    • Bsp. FATCA (2010)
    • Gefahr des “Justizimperialismus”
    • Wohl zu bejahen, wenn genügender Anknüpfungspunkt (territorial, personell, materiell)
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41
Q

Wie ist vorzugehen bei Jurisdiktionskonflikten?

A
  • Abwägung der involvierten Interessen
  • Keine Hierarchie der Anknüpfungspunkte
  • Am ehesten: Territorialitätsprinzip
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42
Q

Was ist Staatennachfolge und wonach richtet sie sich im Grundsatz?

A
  • Hervorgehen neuer Staaten aus bestehenden oder Aufgehen bestehender in neuen Staaten
  • Grundsatz: Kontinuitätsthese
    • Äussere und innere Wandlungen des Staates berühren seine Existenz nicht (Bsp.: Staaten des Arabischen Frühlings im Jahr 2011)
    • Bindung neu entstandener Staaten an den gewohnheitsrechtlichen acquis
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43
Q

Welche Fallgruppen der Staatennachfolge gibt es?

A
  • Sezession
  • Dismembration
  • Fusion
  • Inkorporation
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44
Q

Wie ist die Sezession charakterisiert? Was gibt es für Beispiele?

A
  • Abspaltung eines Gebietsteils, Entstehung eines neuen Staates neben dem bestehenden
  • Beispiele
    • Südsudan/Sudan
    • Kosovo (gilt als stabilisiertes de facto-Regime)/Serbien
    • Bangladesh/Pakistan
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45
Q

Wie ist die Dismembration charakterisiert? Was gibt es für ein Beispiel?

A
  • Zerfallen des bisherigen Staates und Entstehung von neuen Staaten
  • Wird so bezeichnet, wenn es unangemessen erscheint, einen der neuen Staaten so zu bezeichnen, wie den bisherigen Staat
  • Abgrenzung zur Sezession ggf. schwierig
  • Musterbeispiel: Zerfall der UdSSR
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46
Q

Wie ist die Fusion charakterisiert? Was gibt es für Beispiele?

A
  • Zwei Staaten gehen in einem auf
  • Beispiele
    • Tansania (aus Tanganjika und Sansibar)
    • Republik Jemen (aus Arabische Republik Jemen und Volksrepublik Jemen)
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47
Q

Wie ist die Inkorporation charakterisiert? Was gibt es für ein Beispiel?

A
  • Beitritt eines Staates zu einem anderen
  • Beispiel: Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland
48
Q

Wie ist die Nachfolge in Staatsverträge geregelt?

A
  • Vienna Convention on Succession of States in respect of Treaties
    • Nur 37 Ratifikationen
    • Darunter kein westeuropäischer Staat
  • Grundsatz der beweglichen Vertragsgrenzen, d.h. neuer Staat kann sich nicht darauf berufen, er sei nicht mehr der alte Staat und damit nicht mehr Vertragspartner
49
Q

Was gibt es für Spezialfälle betreffend die Nachfolge in Staatsverträge?

A
  • Radizierte (d.h. gebietsbezogene) Verträge werden mit demjenigen neuen Staat fortgeführt, dessen Gebiet er betrifft (bleiben am Territorium „haften“)
  • Menschenrechtsabkommen oder Statusverträge gehen auf die Nachfolgestaaten über
  • Politische Verträge (Bündnisverträge etc.): Hier kann die Annahme eines besonderen Kündigungsgrundes gerechtfertigt sein (Anlehnung an clausula rebus sic stantibus)
50
Q

Was geschieht mit der Mitgliedschaft in int. Organisationen im Rahmen der Staatennachfolge?

A
  • Kein automatischer Übergang der Mitgliedschaft
  • Organe der internationalen Organisation entscheiden nach dem normalen Aufnahmeverfahren
  • Historische Ausnahme: Zerfall der UdSSR → Russische Föderation hat den Sitz der UdSSR in der UNO und im UNO-Sicherheitsrat „geerbt“ in Folge einer politischen Einigung
51
Q

Wie ist die Nachfolge in Staatsvermögen und Staatsschulden geregelt?

A
  • Vienna Convention on Succession of States in respect of State Property, Archives and Debts ist noch nicht einmal in Kraft
  • Grundsatz: Anstreben eines „angemessenen Schuldenübergangs“ = “burden and benefits”-Grundsatz
52
Q

Welche Arten von Immunitäten gibt es? Wozu dienen Immunitäten?

A
  • Staatenimmunität
  • Immunität von Staatsorganen, einschliesslich Immunität von Diplomaten

Immunität bildet ein Verfahrenshindernis.

53
Q

Was beinhaltet die Staatenimmunität? Was ist ein leading case dazu?

A
  • Kein Staat darf über einen anderen Staat zu Gericht sitzen und über dessen Hoheitsakte (acta iure imperii) richten
    • Zentraler Grundsatz des Völkerrechts
    • Gewohnheitsrechtliche Regelung
  • Jurisdictional Immunity of the State (Germany v. Italy: Greece intervening) (2012)
54
Q

Was ist der Unterschied zwischen acta iure imperii und acta iure gestionis? Was ist ein Beispiel für Handlungen, bei denen Abgrenzungsschwierigkeiten bestehen?

A
  • Acta iure imperii:
    Staatliche Hoheitsakte, welche unter den völkerrechtlichen Immunitätsschutz fallen
  • Acta iure gestionis:
    Wirtschaftliche Aktivitäten eines Staats, die dieser im Ausland ausführt und für die er nicht immun vor der Jurisdiktion eines ausländischen Staats ist
  • Beispiel:
    • Staatsfonds (handeln grds. privatwirtschaftlich)
    • Schweizer Handwerker repariert in der iranischen Botschaft in der Schweiz das Klo, Iran bezahlt Rechnung nicht. Handwerker kann Iran verklagen, vollstreckt werden kann aber nur in Staatsvermögen, welches nicht für hoheitliche Aufgaben vorgesehen ist.
55
Q

Welche Arten der Immunität von Staatsorganen werden unterschieden und wodurch zeichnen sie sich aus?

A
  • Funktionale Immunität
    • Immunität für Handlungen in Ausübung der Organfunktion
    • Dauer über Amtsende hinaus
  • Persönliche Immunität
    • Immunität für private Handlungen
    • Endet mit dem Ablauf der Amtszeit
    • Träger sind traditionell Staatsoberhaupt, Regierungschef, Aussenminister

Das Herkunftsland kann jederzeit auch ohne Einverständnis des betreffenden Organs auf dessen Immunität verzichten.

56
Q

Welche Handlungen sind traditionell nicht geschützt von der Immunität von Staatsorganen?

A
  • Spionage
  • Grobe Verstösse gegen das humanitäre Völkerrecht (stellt Teil des ius cogens dar)
  • Grobe Verstösse gegen die Gebietshoheit
  • Schwere Menschenrechtsverletzungen (z.B. Milosevic, der zum Zeitpunkt der Anklage durch den IGH amtierendes Staatsoberhaupt war; Pinochet während Spitalaufenthalt in GB, House of Lords musste entscheiden, ob Auslieferung gegen Immunität verstösst → Auslieferungsgesuch wurde grds. stattgegeben)
57
Q

Welche Elemente weist ein völkerrechtlicher Vertrag auf?

A
  • Übereinkunft
    • Austausch übereinstimmender Willenserklärungen
    • Grds. keine Schriftform notwendig, wenn auch üblich
  • Völkerrechtssubjekte
  • Völkerrechtliche Ebene
    • Nicht dem nationalen Recht eines Vertragspartners unterstellt
    • Anders z.B. Kauf eines Grundstücks
  • Rechtsbindungswille
    Fehlt bei:
    • «Gentlemen’s agreements»
    • Politischen Absichtserklärungen
    • Vgl. IGH, Qatar v. Bahrain I (1994), § 25: aus objektivierter Sicht zu beurteilen
    • Fraglich bei Erklärungen, vgl. dazu aber Nuclear Tests Case (Australia v. France) (1974)
58
Q

Was ist das wichtigste auf völkerrechtliche Verträge anwendbare Regelwerk und was ist dazu zu beachten?

A
  • Vienna Convention on the Law of Treaties (WVK)
  • Nur für schriftliche Verträge! WVK 2 I lit. a
  • Für mündliche Verträge werden die entsprechenden Regeln einfach als Gewohnheitsrecht bezeichnet und ebenfalls angewendet
59
Q

Was gibt es für Arten von Verträgen?

A
  • Bilaterale Verträge
    Verträge zwischen zwei Staaten oder zwischen zwei Staatengruppen, bspw. bilaterale Verträge Schweiz – EU oder Friedensverträge wie der Versailler Vertrag)
  • Multilaterale Verträge
    Drei oder mehr Parteien, bspw. Genfer Konvention (188 Vertragsparteien)
  • Institutionelle Verträge
    Mit solchen wird eine internationale Institution ins Leben gerufen (Grundverträge, Römer Verträge, Vertrag über den Europarat, UNO-Charta etc.)
  • Statusverträge
    Regeln etwa das Rechtsregime über ein bestimmtes Gebiet (bspw. Suez-Vertrag über die freie Schifffahrt durch den Suezkanal, Honkong, Panamakanal)
  • Verfügungsverträge
    Unter anderem Verkauf eines Teils des Staatsgebiets (bspw. Louisiana-Purchase der USA von Frankreich, Alaska von Russland an USA, nach WW 1 Abtretung von ungarischem Staatsgebiet an Rumänien)
60
Q

Welche Verfahrensarten zum Abschluss völkerrechtlicher Verträge werden unterschieden?

A
  • Einphasiges Verfahren (vereinfachtes Verfahren)
  • Mehrphasiges Verfahren (zusammengesetztes Verfahren)
    → Zunehmend wichtiger geworden über die letzten Jahrhunderte aufgrund der Demokratisierung
61
Q

Wie ist das mehrphasige Verfahren aufgebaut?

A
  1. Sondierungsgespräche
  2. Prüfung der Vollmachten
    Abschlusskompetenz qua Organstellung oder qua spezieller Vollmacht (WVK 7 & 8)
  3. Verhandlungen
  4. Paraphierung (Festlegung des authentischen Textes)
  5. Unterzeichnung (Frustrationsverbot WVK 18 lit. a)
  6. Innerstaatliches Zustimmungsverfahren (Parlament, Volksrechte)
  7. Austausch der Ratifikationsurkunden („Ratifikation“ ist nur der Abschlussakt nach dem innerstaatlichen Zustimmungsverfahren, Terminologie wird oft falsch verwendet)
62
Q

In welchem Rahmen sind Vorbehalte zu völkerrechtlichen Verträgen möglich? Gibt es zu einem Aspekt einen leading case?

A
  • Völkerrecht ist generell vorbehaltsfreundlich, aber:
    • Art. 19 WVK: Vorbehalt unzulässig, wenn er mit Ziel und Zweck des Vertrags unvereinbar ist
    • Aber auch basierend auf allg. Rechtsgrundsatz:
      Vorbehalte sind nur dann gültig, wenn sie dem Sinn und Zweck des Abkommens nicht zuwiderlaufen bzw. dieses nicht verwässern
    • Der Vorbehalt ist des Weiteren unzulässig bei einer Norm, die ius cogens wiedergibt
    • Umstritten bei Menschenrechtsverträgen
  • Vorbehalte bedürfen grds. der Annahme der anderen Vertragstaaten
  • Reziprozitätsgrundsatz WVK 21 I lit. b
    Leading case: Case of Certain Norwegian Loans (France v. Norway) (1957) → Norwegen konnte sich im Verhältnis zu Frankreich auf den französischen Vorbehalt zur Unterwerfung unter die Zuständigkeit des IGH berufen
63
Q

Welche Arten von Vertragsänderungen werden unterschieden?

A

Möglichkeit der Vertragsänderung vorgesehen in WVK 39 ff.

  • Vertragsrevision:
    Vollkommene Änderung des gesamten Vertrags
  • Vertragsänderung (i.e.S.):
    Nur ein Teil des Vertrags wird geändert
  • Vertragsmodifikation:
    Änderung betrifft nur einen Teil der Vertragspartner (vgl. WVK 41), bspw. die Währungsunion der EU
64
Q

Wie werden völkerrechtliche Verträge ausgelegt und wo finden sich die entsprechenden Regeln dazu?

A

WVK 31 ff.

  • Generell: Auslegung nach Treu und Glauben (WVK 31 I)
  • Gleichrangigkeit der die allgemeine Regel spezifizierenden Auslegungsregeln (ähnl. Methodenpluralismus des BGer?)
  • “Ordinary meaning”-Regel (WVK 31 I)
    • = grammatikalische Auslegung
    • Bei mehreren authentischen Sprachen: Gleichrangigkeit der Texte (WVK 33 I)
  • Ermittlung des Inhaltes im “context” der anderen Vertragsbestimmungen (WVK 31 II)
    • = systematische Auslegung
    • Beizug anderer zwischen den Parteien geltender Rechtssätze (WVK 31 III lit. c) als Spezialfall der syst. Auslegung
  • Berücksichtigung jeder späteren Übereinkunft oder Übung (WVK 31 III lit. b)
  • Interpretation nach Sinn und Zweck (WVK 31 I)
    • = teleologische Auslegung
  • Ergänzende Auslegungsmittel (WVK 32)
65
Q

Was war der Briand-Kellogg-Pakt und wann wurde er geschlossen?

A
  • Kriegsächtungspakt
  • Geschlossen 1928 zwischen
    • französischem Aussenminister Briand
    • US-Staatssekretär Kellogg
  • Verurteilung des Kriegs als Mittel für die Lösung internationaler Streitfälle
  • Bis 1939 traten 63 Staaten (und damit beinahe die Gesamtheit der damaligen Staatengemeinschaft) bei
66
Q

Wo ist das völkerrechtliche Gewaltverbot geregelt? Handelt es sich dabei um Gewohnheitsrecht?

A
  • UNC 2 IV
  • Gilt wohl auch völkergewohnheitsrechtlich
    • Gewaltverbot in den zwischenstaatlichen Beziehungen fast immer eingehalten
    • Falls nicht, versucht der Gewaltandwender fast immer, sich (mit Hinweis auf das Selbstverteidigungsrecht) zu rechtfertigen
    • Identischer Gehalt wie UNC 2 IV
  • Nach h.M. ist das Gewaltverbot Teilgehalt des ius cogens
67
Q

Was fällt unter den Begriff der Gewalt i.S.v. UNC 2 IV?

A
  • Nur militärische Massnahmen
    • Allerdings auch Militärangriffe ohne förmliche Kriegserklärung
  • Es muss eine Mindestintensitätsschwelle überschritten sein
    • low-intensity conflicts verletzen Gewaltverbot nach h.M. nicht
    • Schwelle liegt aber tiefer als beim bewaffneten Angriff i.S.v. UNC 51
  • Politischer oder wirtschaftlicher Zwang verletzt das Gewaltverbot nicht (ggf. aber das Interventionsverbot)
68
Q

Wer kann Urheber der Gewalt i.S.v. UNC 2 IV sein?

A
  • Normalfall: Direkte staatliche Gewaltanwendung
  • Indirekte Gewaltausübung: Eigentliche militärische Gewalt wird durch Terroristen, Guerilleros, Revolutionäre ausgeübt, die formal keine Staatsorgane sind
  • Staat kann aber nur zur Verantwortung gezogen werden, wenn
    • ihm die Gewaltanwendung zugerechnet werden kann oder
    • er sich durch ein Unterlassen verantwortlich macht
69
Q

Welche Fallgruppen können unterschieden werden, wenn der Urheber der Gewalt kein formelles Staatsorgan ist?

A
  • Aktive Entsendung von Terroristen unter der de facto-Leitung oder de facto-Kontrolle
    • Terroristen werden damit de facto-Staatsorgane
    • Vgl. DARS 8
  • Staatliche Unterstützung
    • Verbot der Organisation, Anstiftung oder Unterstützung von Bürgerkriegs- oder Terrorhandlungen in einem anderen Staat, wenn damit Androhung oder Anwendung von Gewalt einhergeht
    • Völkergewohnheitsrecht
  • Staatliches Unterlassen/Dulden
    • Staaten grds. verpflichtet, Waffengewalt, die von nicht staatlichen Akteuren von ihrem Staatsgebiet ausgeht, zu verhindern (no harm principle)
    • IGH: Gewohnheitsrecht (Case Concerning Armed Activities on the Territory of the Congo (DRC v. Uganda) (2005))
  • Staatliche Unterstützung eines anderen Staates bei dessen Gewaltanwendung
    • Unterstützender Staat macht sich als Gehilfe verantwortlich
    • Vgl. DARS 16
70
Q

Was bedeutet “in ihren internationalen Beziehungen” i.S.v. UNC 2 IV?

A
  • Militärische Gewalt findet im Normalfall grenzüberschreitend statt
  • Gewaltsame Massnahmen eines Staates im eignen Staatsgebiet sind somit kein Verstoss gegen das Gewaltverbot
71
Q

Wie ist “gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtet oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbar” zu verstehen?

A
  • Nach h.M. keine Einschränkung des Tatbestands des Gewaltverbots
  • Lediglich Verdeutlichung (diese Auslegung stützt sich auf Sinn und Zweck der UNC, welche ein umfassendes Gewaltverbot statuieren will)
72
Q

Welche Tatbestandsmerkmale weist eine rechtmässige Selbstverteidigung i.S.v. UNC 51 auf?

A
  1. “Bewaffneter Angriff”
  2. Subsidiarität (SR hat noch keine Massnahmen ergriffen)
  3. Angemessene Selbstverteidigung durch den angegriffenen Staat oder als kollektive Selbstverteidigung mit Hilfe anderer Staaten
73
Q

Was ist ein bewaffneter Angriff i.S.v. UNC 51?

A
  1. Anwendung von Waffengewalt
  2. Erreichen einer Mindestintensität (significant scale)
  3. Gegenwärtiger oder unmittelbar bevorstehender Angriff
  4. Staatlicher oder einem Staat zurechenbarer Angriff
74
Q

Wann ist der Einsatz von Waffengewalt mit Mindestintensität i.S.v. UNC 51 anzunehmen?

A
  • Anwendung von Waffengewalt (Verletzung bloss wirtschaftlicher od. politischer Rechte ist kein “bewaffneter Angriff”)
  • Es muss sodann eine gewisse Intensitätsschwelle (significant scale) erreicht sein
    • Aber: Accumulation of acts-Theorie, v.a. in Israel (von h.L. aber wohl abgelehnt)
  • Ein “bewaffneter Angriff” i.S.v. UNC 51 kann nicht durch reines Unterlassen begangen werden
  • Schwelle liegt gem. IGH höher, als bei der Gewaltausübung i.S.v. UNC 2 IV.
  • Vgl. Case Concerning the Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. USA) (1986) → blosse “Grenzvorfälle” sind kein bewaffneter Angriff i.S.v. UNC 51, auch Waffenlieferung durch Nicaragua an bewaffnete Opposition in El Salvador nicht (nur verbotene Gewaltausübung und verbotene Intervention)
75
Q

Wann ist der bewaffnete Angriff als gegenwärtig oder unmittelbar bevorstehend i.S.v. UNC 51 zu betrachten?

A
  • Grds. gegenwärtiger Angriff notwendig
  • Problem der präventiven Selbstverteidigung
    • Nur erlaubt, wenn Angriff zumindest unmittelbar bevorsteht (“Caroline-Formel” von 1837)
    • Schulbeispiel ist die Situation vor dem Sechstagekrieg (Präventivschlag Israels gegen arabische Staaten)
  • Bush-Doktrin der preemptive strikes: Vorverlagerung der Zulässigkeit der Selbstverteidigung?
    • Nach h.M. (noch) kein neues Völkergewohnheitsrecht, weil grosse Missbrauchsgefahr
    • Damit keine Selbstverteidigung gegen bloss vermutete, zukünftige Angriffe (blosser Besitz von Massenvernichtungswaffen stellt auch keinen bewaffneten Angriff dar)
    • SR kann in solchen Situationen aber “Friedensgefährdung” i.S.v. UNC 39 feststellen und präventiv im Wege der Kollektiventscheidung militärische Massnahmen anordnen
76
Q

Unter welchen Umständen können bewaffnete Angriffe von nicht staatlichen Akteuren einem Staat zugerechnet werden i.S.v. UNC 51?

A
  • Kein Abstellen auf ILC Normen oder Kriterien von UNC 39
  • Ist Zurechnung zu einem Staat überhaupt nötig oder ist auch gegen nicht staatliche bewaffnete Angriffe (völlig unabhängig von einem dahinterstehenden Staat) die Selbstverteidigung zulässig?
    • IGH eher ablehnend ggü. weitem (auch nicht staatlichem) Begriff des bewaffneten Angriffs
    • Staatenpraxis geht aber seit 9/11 und IS in die Richtung, dass Akzeptanz der Selbstverteidigung gegen nicht staatliche Attacken in “host states” oder “safe harbors” wächst
  • Ziel des vorausgegangenen bewaffneten Angriffs ist normalerweise das Staatsgebiet des Opfers
    • Sehr umstritten, ob Angriff gegen Staatsangehörige des Opferstaates in einem fremden Staatsgebiet oder gegen Schiffe des Opferstaates ausreicht
77
Q

Was sind die rechtlichen Anforderungen an die Selbstverteidigungs-Reaktion des Angegriffenen?

A
  • Ziel der Reaktion muss Beseitigung der Bedrohung sein
    • Vergeltung unzulässig!
    • Ausmerzung einer Gefahrenquelle nach abgeschlossebem Angriff nach neuer h.M. erlaubt
  • Reaktion muss verhältnismässig (necessary and proportionate) sein (vgl. “Caroline-Formel”)
  • Begrenzung durch humanitäres Völkerrecht
    • Kombattanten darf kein unnötiges Leid zugefügt werden
    • Nichtkombattanten müssen so weit wie möglich geschützt werden (vgl. Unterscheidungsprinzip des humanitären Völkerrechts)
78
Q

Was ist das Interventionsverbot und wo ist es geregelt?

A
  • Notwendiges Korrelat zu UNC 2 I (Souveränität)
  • Schützt die Entscheidungsfreiheit der Staaten und deren Recht, das eigene wirtschaftliche, soziale und kulturelle System selbst zu bestimmen
  • Nicht normiert in UNC 2 VII (wendet sich nur an die UN selbst)
  • Geltung kraft Völkergewohnheitsrechts
79
Q

Wann liegt eine Verletzung des Interventionsverbotes vor?

A
  1. Einmischung in innere Angelegenheiten (sog. domaine réservé)
  2. Zwang
    • Klassischwerweise militärischer Zwang (dann auch Verstoss gegen Gewaltverbot), aber auch
    • politischer, wirtschaftlicher oder sonstiger Zwang (→ sog. erweiterter Interventionsbegriff)
    • Abgrenzungskriterien zw. erlaubter Einwirkung (Interzession) | verbotenem Zwang (Intervention):
      • Intensität der Massnahme
      • Mittel-Zweck-Relation
      • Tatsächlich erreichter Erfolg
80
Q

Welche typischen Fallgruppen der nicht militärischen Einmischung, welche u.U. eine verbotene Intervention darstellen, gibt es? Was stellt nach h.M. keine verbotene Intervention dar?

A
  • “Subversive Intervention” durch Propaganda
  • “Indirekte Intervention” durch die Unterstützung von Revolutionären/Oppositionellen
    • Verbot einer Politik des “regime-change”
    • Beispiel: Sturz der iranischen Regierung von Mohammad Mossadegh 1953 mit Unterstützung von USA und UK
  • Verletzung der Gebietshoheit
    • Hoheitsakte auf fremdem Territorium
    • Beispiel Entführung Adolf Eichmanns aus Argentinien 1960 durch den Mossad

Keine Intervention stellen dar:

  • Verhängung von Embargos
  • Verweigerung von Entwicklungshilfe
  • Sonstige einseitige ökonomische Massnahmen
81
Q

Welche Rechtfertigungsgründe rechtfertigen eine Intervention?

A

Völkergewohnheitsrechtliche Rechtfertigungsgründe, welche auch den meist daneben vorliegenden Verstoss gegen das Gewaltverbot rechtfertigen, konkret:

  • Intervention auf Einladung
    • Nachträgliche Einwilligung in Intervention reicht aber nie aus, da erzwungen und damit unwirksam
  • Humanitäre Intervention
  • Rettung eigener Staatsangehöriger auf fremdem Territorium
    • Grds. zulässig
    • Vergeltungsakte jedoch nicht
    • Grds. nur punktuelle und sachlich begrenzte “Blitzaktionen”
  • Allgemeine Rechtfertigungsgründe
    • Notstand (necessity), DARS 25
    • Bewaffnete Repressalien sind nach h.M. unzulässig
82
Q

Was ist eine Repressalie?

A
  • An sich völkerrechtswidriger Akt
  • Der aber gerechtfertigt ist, weil er eine Antwort auf einen vorausgehenden Völkerrechtsbruch eines anderen Völkerrechtssubjekts darstellt
  • Bewaffnete Repressalien sind nach heutigem Völkerrecht unzulässig
83
Q

Was ist eine humanitäre Intervention? Handelt es sich dabei um eine gerechtfertigte Intervention? Was gibt es für ein Beispiel?

A
  • Intervention zum Schutz der Menschenrechte
  • fremder Staatsangehöriger
  • auf fremdem Territorium
  • ohne UN-Mandat

Rechtfertigung umstritten:

  • Abwägung zwischen Gewaltverbot / Interventionsverbot und Menschenrechtsschutz notwendig
  • Hohe Missbrauchsgefahr
  • Deswegen müssen sehr strenge Zulässigkeitsvoraussetzungen gelten
  • Heute sogar Diskussion über responsibility to protect (R2P)

Beispiel: Kosovointervention der NATO 1999

Abzugrenzen von der Rettung eigener Staatsangehöriger im Ausland.

84
Q

Was ist die Definition der völkerrechtlichen Verantwortung?

A
  • Einstehenmüssen
  • der Völkerrechtssubjekte
  • für von ihnen begangene Völkerrechtsverletzungen

→ Folge ist Entstehung einer (sekundären) Rechtsbeziehung, welche sich aus Verletzung von Völkerrecht ergibt, gewissermassen die Kehrseite aller primären Verhaltensregeln des Völkerrechts.

85
Q

Wo ist der Grundsatz der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit geregelt?

A
  • Allgemeiner Rechtsgrundsatz i.S.v. IGH-Statut 38 I lit. c
    (So bereits Case Concerning the Factory of Chorzów (BRD v. Polen) (1928))
  • Draft Articles on Responsibility of States for Internationally Wrongful Acts (2001) der ILC
    • Soft Law, teils Kodifizierung von Völkergewohnheitsrecht, teils Weiterentwicklung
    • “Annahme” durch UNO-GV 2001
    • Gewohnheitsrecht?
86
Q

Was sind die VSS der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit eines Völkerrechtssubjekts?

A
  1. Tatbestandsmässigkeit
    • Tatsächliches Verhalten, d.h. Tun/Unterlassen (conduct, DARS 2)
    • Zurechenbarkeit (attribution, DARS 2 lit. a)
    • Rechtswidrigkeit (wrongfulness, DARS 2 lit. b), d.h. Verletzung einer völkerrechtlichen Pflicht → begründet automatisch einen legal damage, ein Schaden muss nicht eigenständig geprüft werden
  2. Kein Rechtfertigungsgrund (DARS 20 ff. (Kap. V))

Somit kein Erfordernis des Verschuldens! Schuldhaft handeln können nur natürliche Personen. Alle wertenden Erwägungen werden im Rahmen der Zurechnung geprüft.

87
Q

Unter welchen VSS ist ein internationally wrongful act einem Staat zurechenbar? Fallgruppe des staatlichen Handelns.

A
  • DARS 4: Handeln eines Staatsorgans
    • Nicht-Staatsorgane handeln als de-facto-Organe, wenn sie in vollständiger Abhängigkeit eines Staates handeln
    • DARS 7: Auch ultra vires-Handeln durch Staatsorgane wird dem Staat zugerechnet (Bsp.: Folter durch Staatsorgane)
  • DARS 6: Organleihe
  • Handeln von Gliedstaaten und deren Organe: Keine Berufung auf nationales Recht, um Verantwortung für Völkerrechtsverletzungen zu entgehen
    • Vgl. WVK 27
    • LaGrand Case (Germany vs. USA) (2001)
88
Q

Unter welchen VSS ist ein internationally wrongful act einem Staat zurechenbar? Fallgruppe des Handelns von Privaten.

A
  • DARS 5: Privat Handelnde, welche formalrechtlich zur Ausübung öffentlicher Funktionen ermächtigt wurden
    • Beispiel: Von USA und UK beauftragte PMCs (Private Military Contractors) nach der Besetzung des Irak
  • DARS 8: Handeln auf Anweisung und unter Kontrolle des Staates durch Private
    • IGH verlangte in 2 Fällen effective control:
      • Case Concerning Military and Paramilitary Activities in and against Nicaragua (Nicaragua v. USA) (1986)
      • Application of the Convention on the Prevention and Punishment of the Crime of Genocide (Bosnia and Herzegovina v. Serbia and Montenegro) (2007)
    • Das Jugoslawien-Tribunal jedoch nur overall control:
      • ICTY, Appeals Chamber, Tadic, 1999
  • DARS 11: Verhalten von Privatpersonen, welches vom Staat anerkannt und als eigenes übernommen wird
    • Bsp.: Entführung Adolf Eichmanns (1960), Israel machte sich diese nachträglich zu eigen
    • Bsp.: Teheraner Geisel-Fall
  • DARS 2: Unterlassung stellt Völkerrechtsverletzung dar, wenn staatliche Pflicht zu aktivem Tun bestand, z.B. aus
    • WÜD (Teheraner Geisel-Fall)
    • SR-Resolution (Al Qaida in Afghanistan)
    • Direkt aus der Gebietshoheit (no harm principle)
89
Q

Was sind die Rechtsfolgen von Völkerrechtsverletzungen?

A
  • DARS 29: continued duty of performance
  • DARS 30: Anspruch auf Beendigung und Nichtwiederholung
  • DARS 31 und 34: Wiedergutmachung (reparation) in Form von:
    • DARS 35: Naturalersatz (restitution)
    • DARS 36: Entschädigung (compensation) inkl. Zins (DARS 38) für materielle Schäden
    • DARS 37: Genugtuung (satisfaction) inkl. Zins (DARS 38) für immaterielle Schäden

→ Der Verletzte hat, falls mehrere Möglichkeiten in Betracht kommen, das Wahlrecht.

90
Q

Was stellen Gegenmassnahmen (counter measures) grds. einen Verstoss gegen Völkerrecht dar?

A
  • Kein völkergewohnheitsrechtlicher Anspruch auf internationale Handelsbeziehungen (kein “ius comercii”) oder Nichtdiskriminierung
  • Somit liegt nicht schon deshalb Rechtswidrigkeit vor, weil Handel unterbunden oder Staat schlechter behandelt wird (sondern nur sog. Retorsionsmassnahmen)
  • Wenn aber bspw. WTO-Verpflichtungen verletzt werden, handelt es sich um (an sich völkerrechtswidrige) Repressalien
91
Q

Was sind die VSS der Zulässigkeit einer Repressalie?

A
  1. Repressalie reagiert auf eine vorangegangene Völkerrechtsverletzung
  2. Urheber der Gegenmassnahme muss zum Kreis der subjektiven Berechtigten gehören (im Normalfall ergreift der verletzte Staat selbst die Gegenmassnahme)
  3. Es dürfen durch die Gegenmassnahmen keine Rechte dritter Staaten beeinträchtigt werden
  4. Rechtsverletzer muss zuvor zur Einstellung des Völkerrechtsbruchs aufgefordert und Gegenmassnahmen müssen angekündigt worden sein
  5. Innerstaatlicher Rechtsweg muss im Verletzerstaat ausgeschöpft worden sein (DARS 44 lit. b)
  6. Repressalie muss verhältnismässig sein (proportionality) i.S.v. DARS 51 (aber keine “Spiegelbildlichkeit verlangt von h.L.)
92
Q

Wodurch unterscheiden sich diplomatische und konsularische Beziehungen?

A
  • Diplomaten nehmen die Interessen des Entsendestaates bei den obersten Organen des Empfangsstaates wahr
  • Konsulate
    • fördern den wirtschaftlichen Verkehr
    • kümmern sich um kulturelle und wissenschaftliche Angelegenheiten und
    • übernehmen Verwaltungsfunktionen, z.B.
      • Erteilung von Visa
      • Erbangelegenheiten
      • Beurkundungen
93
Q

Besteht eine Pflicht zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen?

A

Nein. Aufnahme diplomatischer Beziehungen geschieht in gegenseitigem Einvernehmen (WÜD 2) und damit freiwillig.

94
Q

Welche Kategorien von Missionspersonal werden unterschieden?

A
  • Diplomatisches Personal
    • Missionschef und weitere Diplomaten (vgl. WÜD 1 lit. d & e)
    • Müssen grds. Angehörige des Entsendestaats sein (WÜD 8 Ziff. 1), regnicoles können abgelehnt werden (Ziff. 2)
  • Verwaltungspersonal (vgl. WÜD 1 lit. f)
    • Schreibkräfte
    • Archivare
  • Technisches Personal (vgl. WÜD 1 lit. f)
    • Chiffrierpersonal
  • Dienstpersonal (vgl. WÜD 1 lit. g)
    • Fahrer
    • Köche
    • Dienstpersonal kommt oft aus dem Empfangsstaat
95
Q

Welche Klassen von Missionschefs werden unterschieden? Was ist für den Missionschef sonst noch zu beachten?

A
  • WÜD 14: Botschafter, Gesandter, Geschäftsträger
  • WÜD 4 statuiert das sog. Agrémenterfordernis für Missionschefs (Abs. 1), es besteht kein Anspruch auf Erteilung (Abs. 2)
96
Q

Wie kann der Empfangsstaat Einfluss nehmen auf die Zusammensetzung der Mission?

A
  • Verweigerung des Agréments für Missionschefs (WÜD 4)
  • Erklärung von Mitgliedern des Missionspersonals zur persona non grata (WÜD 9)
    • Jederzeit
    • ohne Angabe von Gründen möglich
    • Person muss abberufen werden oder Tätigkeit bei der Mission beenden
  • Verweigerung der Zustimmung bei regnicoles
97
Q

Was gibt es für ein Beispiel für die Erklärung zu personae non gratae?

A

UK-Regierung erklärt das gesamte iranische Botschaftspersonal zu personae non gratae im Nachgang zur Stürmung der britischen Botschaft im Iran durch regimetreue Studenten im Jahr 2011, ohne jedoch die diplomatischen Beziehungen zu Iran abzubrechen.

98
Q

Weswegen ist die Erklärung einer Person zur persona non grata oft die einzige Möglichkeit, um auf Rechtsverstösse zu reagieren?

A

Das Recht der diplomatischen Beziehungen ist gem. IGH ein sog. self-contained regime und damit ein Normenkomplex, der u.a. auch die Reaktionsmöglichkeiten auf eine Verletzung von Normen in diesem Rechtskomplex regelt.

→ Folge ist, dass kein Rückriff auf die allg. Grundsätze der Staatenverantwortung erlaubt ist.

99
Q

Aus welchem Grund kann ein Abbruch der diplomatischen Beziehungen erklärt werden und welche Folgen ergeben sich daraus? Was gibt es für ein Beispiel?

A
  • Kein Begründungserfordernis
  • Diplomatisches Personal muss das Land umgehend verlassen
    • Empfangsstaat muss Räumlichkeiten, Vermögen und Archive der Mission auch nach Abbruch und selbst während bewaffnetem Konflikt schützen (WÜD 45 lit. a)
    • Möglichkeit der Ernennung einer Schutzmacht (WÜD 45 lit. b & c)
  • Bsp.: Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu Russland durch Georgien vor dem Georgienkrieg 2008
100
Q

Welche Vorrechte geniessen Diplomaten?

A
  • Keine Befreiung von der Pflicht zur Achtung der Gesetze des Landes (WÜD 41)
  • Unverletzlichkeit des Diplomaten (WÜD 29), eingeschlossen die Unterkunft, Korrespondenz und Papiere (WÜD 30):
    • Schutz vor staatlichen Zwangsmassnahmen, d.h.
      • Verhaftung
      • Festnahme
      • Strafverfolgung
    • Auf frischer Tat ertappter Diplomat darf allerdings an der Begehung weiterer strafbarer Handlungen gehindert werden
101
Q

Welche Immunitäten geniessen Diplomaten?

A
  • Schutz vor gerichtlicher Belangung (WÜD 31)
    • Vollständige strafrechtliche Immunität
    • Weit gehende zivil- und verwaltungsrechtliche Immunität
  • Befreiung von Zeugnispflicht (WÜD 32 II)
  • Zeitliche Begrenzung:
    • Funktionale Immunität (Immunität für dienstliche Handlungen) dauert über Amtsende hinaus (WÜD 39 II S 2)
    • Persönliche Immunität endet im Zeitpunkt der Ausreise (WÜD 39 II S 2)
  • Auf die Immunität kann nur der Entsendestaat verzichten, nicht der Diplomat selbst (WÜD 32)
102
Q

Welche Befreiungen geniessen Diplomaten?

A

Sie sind gem. WÜD 33 ff. befreit von der Entrichtung von

  • Steuern
  • Zöllen
  • Abgaben
103
Q

Wo ist die Unverletzlichkeit der Mission geregelt und welchen Umfang hat sie?

A

WÜD 22

  • Räumlichkeiten dürfen nicht ohne Genehmigung betreten werden (Abs. 1)
  • Empfangsstaat hat Schutzpflicht (Abs. 2)
  • Räumlichkeiten sowie Beförderungsmittel der Mission geniessen Immunität von jeder Durchsuchung, Beschlagnahme, Pfändung oder Vollstreckung (Abs. 3)
104
Q

Ist die Erteilung von diplomatischem Asyl völkerrechtlich zulässig? Welches jüngere Beispiel ist bekannt?

A
  • Recht, politisch oder strafrechtlich Verfolgten in der Botschaft Schutz zu gewähren
  • Von der h.L. wohl abgelehnt
  • Ausnahme ist Südamerika, wo regional nach h.M. ein gewohnheitsrechtlich etablieres Recht zur Gewährung von diplomatischem Asyl besteht
  • Bsp.: Wikileaks-Gründer Julian Assange, welchem in der ecuadorianischen Botschaft in London seit 2012 diplomatisches Asyl gewährt wird
105
Q

Ist die Erteilung von humanitärem Asyl völkerrechtlich zulässig?

A
  • Schutz vor unmittelbaren Gefahren für Leib und Leben
  • Nach h.L. wohl zulässig
  • Bsp.: Mindszenty-Fall, in welchem dem ungarischen Kardinal Jozsef Mindszenty, welcher eine Symbolfigur des Widerstands gegen Faschismus und Kommunismus in Ungarn war, von der US-Botschaft in Budapest während 15 Jahren humanitäres Asyl gewährt wurde
106
Q

Was fällt unter die Verkehrs- und Kommunikationsfreiheit der Mission?

A
  • WÜD 26: Volle Reise- und Bewegungsfreiheit
    • Möglichkeit der Einschränkung aus Gründen der nationalen Sicherheit für bestimmte Territorien
  • WÜD 27 II: Unverletzlichkeit der amtlichen Korrespondenz
  • WÜD 27 III: Unverletzlichkeit des Kuriergepäcks
    • muss als solches gekennzeichnet sein
    • darf nicht geöffnet werden
    • Empfangsstaat kann sich bei Nichtbeachtung der Unverletzlichkeit nicht auf Notstand i.S.v. DARS 25 berufen
    • Skurriler Fall: Umaru Dikko (Entführung in London, Versendung in Kiste nach Nigeria, jedoch wurde die Kiste nicht als diplomatisches Kuriergepäck gekennzeichnet und deshalb geöffnet)
  • WÜD 36 II: Diplomatengepäck
    • Kontrolle bei triftigen Gründen in Anwesenheit des Diplomaten zulässig
107
Q

Was versteht man unter diplomatischem Schutz? Welche Möglichkeiten werden in praxi angewendet?

A
  • Diplomatischer Schutz ist staatlicher Schutz natürlicher oder juristischer Personen gegenüber völkerrechtswidrigen Handlungen einer fremden Hoheitsgewalt.
  • Er besteht in Massnahmen des Heimatstaates, um weitere Rechtsverletzungen zu unterbinden und Wiedergutmachung für erlittene Schäden zu erreichen.
  • Der schützende Staat kann
    • Protest einlegen
    • eine Retorsion oder Repressalie ergreifen
    • als ultima ratio Klage vor einem internationalen Gericht erheben
108
Q

Was ist der dem diplomatischen Schutz zugrunde liegende Mechanismus?

A
  • Private Interessen der Staatsbürger liegen gleichzeitig im staatlichen Interesse des Heimatstaates
  • So betrachtet macht der schutzausübende Staat seine eigenen (staatlichen) Rechte ggü. dem Verletzerstaat geltend, die staatlichen Ansprüche werden gewissermassen fingiert
  • Grund: Natürliche Person (z.B. der enteignete Unternehmer) war bis zur Anerkennung der Menschenrechte kein VRS und konnte demnach gar keine völkerrechtlichen Ansprüche haben
  • Heute ist diese Konstruktion somit eigentlich anachronistisch, wird aber dennoch weiter verwendet
109
Q

Besteht eine völkerrechtliche Pflicht zur Ausübung des diplomatischen Schutzes?

A
  • Nein
  • Ausübung des diplomatischen Schutzes liegt im Ermessen des Heimatstaates
    • Schweizerische Praxis des Bundesrats: Bund verfügt über Ermessen, dass lediglich durch das Willkürverbot (BV 9) begrenzt ist
  • Pflicht zur Ausübung kann sich allenfalls aus innerstaatlichem Recht ergeben
    • In der Schweiz allerdings keine entsprechende Rechtsnorm, welche dem Individuum einen entsprechenden Anspruch verleihen würde
110
Q

Was sind die VSS zur Ausübung diplomatischen Schutzes?

A
  1. Völkerrechtsverletzung muss bereits eingetreten sein oder zumindest bevorstehen
  2. Schutz darf nur für eigene Staatsangehörige ausgeübt werden (nationality rule)
  3. Rechtswegerschöpung (local remedies rule)
    • Das Individuum muss zuerst den nationalen Rechtsweg im Verletzerstaat durchlaufen
    • Ausnahme: direct injury des Staates
111
Q

Wo ist die Pflicht zur friedlichen Streitbeilegung geregelt? Welche Möglichkeiten bestehen?

A
  • UNC 2 Ziff. 3: Pflicht zur friedlichen Streitbeilegung
  • UNC Kapitel VI: Mittel der friedlichen Streitbeilegung
  • Aufzählung in UNC 33 I
    • Diplomatische Mittel
      • Verhandlung
      • Untersuchung (UNC 34), üblicherweise als inquiry oder fact finding mission bezeichnet
        • Bsp.: Goldstone-Bericht zum Gazakrieg von 2008
      • Vermittlung
        • Bsp.: Folke Graf Bernadotte versuchte 1948, zwischen Arabern und Israelis zu vermitteln
      • Vergleich
    • Rechtlich-justizförmige Mittel
      • Schiedsgerichtsbarkeit
      • Internationale Gerichtsbarkeit
112
Q

Was ist die Grundproblematik und was sind die Merkmale völkerrechtlicher Gerichtsbarkeit?

A

Prinzip der souveränen Gleichheit führt dazu, dass es keinen automatisch zuständigen Richter gibt.

Merkmale:

  • Zustimmungserfordernis
    • Punktuelle oder generelle, vorgängige oder nachträgliche Zustimmung
    • Mitgliedschaft in int. Organisationen erfordert aber teilweise Bereitschaft zur Unterwerfung unter entsprechende Streitbeilegungsmechanismen (WTO, Europarat)
  • Erhöhte Angewiesenheit auf Akzeptanz
    Führt zu:
    • Vermeidung angreifbarer Aussagen in Urteilen
    • Kompromissurteilen
  • Multikulturalität der Richterbank
    • Notwendigkeit der Entwicklung einer Justizkultur
    • Grosser Einfluss der angelsächsischen Prozesskultur
113
Q

Können Private Partei völkerrechtlicher Gerichtsverfahren sein?

A
  • Individuen sind partielle VRS, und zwar in Bezug auf:
    • Menschenrechte (bspw. Individualbeschwerde an den EGMR)
    • völkerrechtliches Strafrecht (ICC)
  • TNCs haben hingegen keine VRS
114
Q

Inwiefern können TNCs in völkerrechtliche Verfahren involviert sein?

A
  • WTO-Streitbeilegung:
    • Keine Parteistellung der TNC
    • Aber: Teilweise stehen hinter den Klagen von Staaten mächtige Unternehmen
  • Parteistellung in bestimmten Schiedsverfahren
    • ICSID (International Centre for Settlement of Investment Disputes, eine Organisation der Weltbankgruppe) sieht Streitbeilegungsprozedere vor, in dem Unternehmen als Streitparteien auftreten können
115
Q

Was ist der IGH

A