Strafrecht AT Flashcards
Was beinhaltet der formelle Rechtsbegriff?
Er beinhaltet Handlung, Tatbestand, Rechtswidrigkeit und Schuld.
Definition des Tatbestandsbegriffs
Tatbestand i.e.S. meint die Umschreibung des einzelnen verbots- oder gebotswidrigen Verhaltens, auf das sich eine konkrete Strafandrohung bezieht.
Objektiver Tatbestand
Nur äußerlich erkennbarer Sachverhalt - Vorsatz ist irrelevant.
Dazu gehört Tatsubjekt, Tathandlung, Tatobjekt und ggf. Taterfolg.
Subjektiver Tatbestand
Der subjektive Tatbestand bezieht sich auf das Bewusstsein des/der TäterIn während der Tat bzw. auf seine/ihre Einstellung gegenüber seiner/ihrer Handlung - Fahrlässigkeit, Vorsatz, …
Rechtswidrigkeit
Tatbestandsmäßigkeit indiziert Rechtswidrigkeit, ausgenommen ein Rechtfertigungsbestand liegt vor.
Naturalistisch-Kausaler Handlungsbegriff
Die Handlung ist ein gewilltes Körperverhalten.
- fehlender Bezug auf den sozialen Bedeutungsgehalt
Der finale Handlungsbegriff
Die Handlung ist eine zweckgerichtete Tätigkeit.
- Kann weder fahrlässige noch Unterlassungen aufnehmen.
Der Personale Handlungsbegriff
Handlungen sind Persönlichkeitsäußerungen.
- fahrlässiges Handeln lässt sich nur schwer als Persönlichkeitsäußerung verstehen. Zudem konzentriert sich diese Theorie zu sehr auf das Individuum, vernachlässigt die Sozialerheblichkeit.
Die soziale Handlungslehre
Handlung ist ein vom menschlichen Willen beherrschtes oder beherrschbares, sozialerhebliches Verhalten.
Wird von der herrschenden Meinung vertreten.
Nichthandlungen
- Mit unwiderstehlicher Gewalt erzwungene Handlungen (vis absoluta)
- Körperbewegungen, die mangels jedweder willentlichen Steuerung der Beherrschbarkeit durch den Willen entzogen sind z.B.: Bewegungen im Schlaf; Krampfanfälle; Bewusstseinsstörungen, sofern sie einen gewissen Grad erreichen Koma; Reflexbewegungen, die unwillkürlich und regelhaft ablaufen
- Vorgänge, die sich nur im inneren des Menschen abspielen
Jedermannsdelikt
Ein Delikt, der von Jedermann verübt werden kann, nicht zu Beispiel Exhibitionismus - kann laut Gesetz nur von Männern verübt werden.
Erfolgsdelikt
Beschaffenheit der Handlung ist irrelevant, Maßgeblich ist nur der Eintritt gesetzlich vertypten Erfolgs
Tätigkeitsdelikt
Maßgeblich ist nur die Vornahme der gesetzlich vertypten Handlung - Eintritt eines Erfolges ist für den Tatbestand irrelevant.
Dauerdelikte
Der Täter hält einen rechtswidrigen zustand über einen längeren Zeitraum aufrecht.
Zustandsdelikte
Das tatbestandsmäßige Verhalten erschöpft sich in der Herbeiführen des widerrechtlichen Zustands, Tatbestandsmäßig ist nur die Sekunde der Verletzung/Deliktverwirklichung in diesem Moment.
Verletzungsdelikt
Er setzt eine Verletzung eines Rechtsgut voraus
Gefährdungsdelikt
Es genügt die Gefahrschaffung für ein Rechtsguts.
Definition “fremd”
Im Eigentum eines anderen stehend
Definition “Sache”
Alle körperlichen Gegenstände
Definition “Beschädigen”
Mehr als nur unerhebliche Beeinträchtigung der Unversehrtheit oder der
bestimmungsgemäßen Brauchbarkeit.
Definition “Zerstören”
Vernichtung der Existenz (bei Tieren) oder so wesentliche Beschädigung,
dass sie ihre bestimmungsgemäße Brauchbarkeit völlig verloren hat.
Definition “körperliche Misshandlung”
Eine üble, unangemessene Behandlung, die das körperliche Wohlbefinden oder die körperliche Unversehrtheit mehr als nur unerheblich beeinträchtigt.
Definition “Gesundheitsbeschädigung”
Das Hervorrufen oder Steigern eines vom Normalzustand nachteilig abweichenden krankhaften (pathologischen) Zustands körperlicher oder seelischer Art.
Definition Conditio-sine-qua-non-Formel
Ein Umstand ist für den Erfolg kausal, wenn er nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.
Lehre der gesetzmäßigen Bedingung
Ursächlichkeit ist, wenn zwischen der Handlung und dem Erfolg ein nach den bekannten Naturgesetzen erklärbarer Zusammenhang besteht.
Adäquanztheorie
Ein Verhalten ist nur dann ursächlich, wenn es eine allgemeine Tendenz zur Herbeiführen des tatbestandsmäßigen Erfolgs besitzt.
Sie ist allerdings eine Komponente der erst später zu prüfenden Kategorie der objektiven Zuordnung.
Alternative Kausalität/Doppelkausalität
Bsp.: A und B versetzen unabhängig voneinander die Suppe des C mit einer Dosis Gift, die jeweils für sich tödlich wirken kann. C trinkt die Suppe und stirbt.
Nach der modifizierten Conditio-sine-qua-non-Formel sind auch solche Bedingungen erfolgsursächlich, die zwar alternativ, aber nicht kumulativ hinweggedacht werden können, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.
Kumulative Kausalität
Bsp: A und B versetzen die Suppe des C unabhängig voneinander mit einer Dosis Gift. C stirbt. Jede Dosis alleine wäre nicht im Stande gewesen, den Tod des C zu verursachen, erst gemeinsam haben sie den Tod herbeigeführt.
Die Conditio-sine-qua-non-Formel kann angewendet werden, ohne eine der beiden Handlungen wäre der Erfolg nicht eingetroffen.
Abgebrochene/überholende Kausalität
Eine andere Ursache bewirkt völlig unabhängig von der Handlung allein den Erfolg bzw. die Handlung bewirkt unabhängig von einer anderen Ursache den Erfolg.
Die „überholende“ Bedingung ist ursächlich für den Erfolg, während die „abgebrochene“ Bedingung nicht kausal ist.
Grundformel der objektiven Zurechnung
Basiert auf zwei Grundsteinen: Die Gefahrschaffung und die Gefahrrealisierung.
Definition:
Der Täter muss durch sein Verhalten eine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen oder erhöht haben, die sich im eingetretenen Erfolg realisiert hat.
Schutzzweck der Norm
Keine objektive Zurechnung, wenn ein Erfolg eintritt, der außerhalb des Schutzzwecks der Norm liegt.
Prinzip der Eigenverantwortlichkeit
Zurechnungsausschluss, wenn ... 1. Freiverantwortliches Verhalten des Opfers → P: Maßstab 2. Opfer die Tatherrschaft über den selbstgefährdenden Akt innehat.
Dolus alternativus
Der Täter weiß bei Vornahme einer Handlung nicht sicher, ob er dadurch von zwei sich gegenseitig ausschließenden Tatbeständen oder Erfolgen den einen oder anderen verwirklicht, jedoch beide Möglichkeiten in Kauf nimmt. Der Tatvorsatz deckt hier beide Möglichkeiten ab, wenngleich nur eine davon verwirklicht werden kann. Die h.M. würde im vorliegenden Fall wegen vollendeter Sachbeschädigung und versuchtem Mord bestrafen.
Dolus cumulativus
Der Tätervorsatz erstreckt sich kumulativ darauf, durch eine Handlung mehrere Tatbestände oder Erfolge nebeneinander zu verwirklichen.
Bsp: Täter erschießt sein Opfer, das hinter einer Scheibe steht. Strafbarkeit wegen Totschlags und Sachbeschädigung.
Somit macht sich der Täter also wegen Begehung aller vom Vorsatz umfassten Delikte strafbar.
Vorsatz Grunddefinition
Vorsatz ist Wissen und Wollen der Verwirklichung aller objektiven Tatbestandsmerkmale. Der Vorsatz muss unmittelbar bei der Tatbegehung vorliegen.
Absicht (dolus directus 1. Grades)
Dem Täter kommt es gerade darauf an, den Eintritt des tatbestandlichen Erfolges herbeizuführen (Dominanz des Wollenselement).
Absicht wurde festgestellt - Relevant z.B. Diebstahl und Betrug (§§ 242, 265 StGB). Wer absichtlich handelt, handelt auch vorsätzlich.
Direkter Vorsatz (dolus directus 2. Grades)
= gesteigertes Wissen
Der Täter sieht die Verwirklichung des Tatbestandes als sicher voraus (Dominanz des Wissenselements)
Der bedingte Vorsatz (dolus eventualis)
- Das Willenselement
Möglichkeitstheorie:
Der Täter hat die konkrete Möglichkeit der Rechtsgutsverletzung erkannt und dennoch gehandelt.
Wahrscheinlichkeitstheorie:
Der Täter hält die Verwirklichung des Tatbestandes für wahrscheinlich.
Diese Theorien werden allerdings abgelehnt, sie differenzieren nicht zwischen bewusster Fahrlässigkeit und dolus eventualis und beschränken sich nur auf das Wissenselement, obwohl auch das Wollenselement für einen Vorsatz erfüllt sein muss.
Der bedingte Vorsatz (doulus eventualis)
- Die Billigungstheorie
Der Täter nimmt den Erfolgseintritt billigend in Kauf, oder ihm ist es gleichgültig, bzw. er findet sich damit ab, dass ein Erfolg Eintritt.
Billigen soll auch dann zu bejahen sein, wenn dem Täter der Erfolg höchst unerwünscht ist, dieser sich jedoch mit ihm abgefunden hat.
Nach dieser Theorien handelt der Täter mit dolus eventualis, wenn er den für möglich gehaltenen Erfolg billigend in Kauf nimmt, sich alsomit ihm abfindet.
Grundsätze dolus eventualis
Je schwerer der objektive Tatbestand ist, desto relevanter wird das Wissenselement einer Handlung.
Je schwerer ein Kausalverlauf steuerbar ist, desto eher liegt ein dolus eventualis vor.
Eine (hohe) Eigengefährdung des Täters spricht in der Regel gegen einen dolus eventualis, bei einer geringen Eigengefährdung, kann man eher von einem dolus eventualis ausgehen.
Bewusste Fahrlässigkeit
Bewusste Fahrlässigkeit liegt dann vor, wenn der Täter mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und ernsthaft – nicht nur vage – darauf vertraut, der tatbestandliche Erfolg werde nicht eintreten.
Abweichungen im Kausalverlauf
Abweichungen im Kausalverlauf schließen den Vorsatz dann nicht aus, wenn die Abweichung unwesentlich ist.
Dolus generalis
Von dolus generalis spricht man zunächst in Fallgestaltungen, in denen der Täter willentlich und wissentlich eine Gefahr für eine beliebige Vielzahl von Rechtsgütern schafft oder er sich infolge einer Unsicherheit über das Ausreichen einer Ersthandlung noch eine Zweithandlung vornimmt, um sein tatbestandliches Ziel zu erreichen.
Der error in persona vel objecto - Ungleichwertigkeit der Tatobjekte
Beispiele:
A will den Hund des B erschießen und trifft dabei das in die Hundehütte gekrochene Kind K, das sie nur schemenhaft erkannte und für den Hund wähnte.
A will den O erschießen; was sie für O hält, ist tatsächlich jedoch eine Vogelscheuche.
Behandlung:
Bsp 1: der Irrtum über das Tatobjekt sorgt dafür, dass der Vorsatz dem Kind gegenüber entfällt. Also nur versuchte Sachbeschädigung und evtl. fahrlässige Tötung (wenn der Täter hätte erkenn können, dass sich ein Kind in der Hütte befindet)
Bsp 2: Kein Vorsatz für die Sachbeschädigung, fahrlässige Sachbeschädigung ist nach § 303 in Verbindung mit § 15 keine Straftat, also versuchter Totschlag.
Der error in persona vel objecto - Gleichwertigkeit der Tatobjekte
Der Täter irrt sich über über die Identität der konkret individualisierten Person oder Sache.
Beispiel: A will B erschießen, trifft aber in Wirklichkeit C, den er in der Dunkelheit für b gehalten hat.
- Der Täter trifft hier sein eigentliches Ziel, er denkt er seie erfolgreich gewesen.
Behandlung: Der Vorsatz wird hier nicht berührt, da der Täter das erreicht, was er erreichen will. er trifft im Beispiel die Person, die er treffen wollte, es spielt keine Rolle, dass er sich in seiner Identität geirrt hat.
Die aberratio ictus
Im Gegensatz zum error in persona verfehlt der Täter hier sein eigentliches Ziel.
Beispiel: Gastwirt G bemerkt, wie seine frühere Lebensgefährtin L gemeinsam mit ihrem neuen Freund F zu Fuß die Gaststätte verlässt. G gerät darüber in Wut und fährt mit seinem Pkw hinter L und F her. Er fährt alsdann gezielt auf F zu, um den Nebenbuhler zu töten. F springt im letzten Moment zur Seite. Der Pkw erfasst L und verletzt sie tödlich.
Behandlung:
Nach der Gleichwertigkeitstheorie wird hier Vorsatz im Hinblick auf die Tötung des getroffenen Objekts anzunehmen sein.
+ Das Gesetz verlangt keine über das abstrakte Tatbestandsmerkmal hinausreichende
Konkretisierung des Tätervorsatzes: G wollte einen Menschen (F) töten und hat einen Menschen
getötet (L), also Vorsatz (+)
- Der Täter hat ein bestimmtes Angriffsobjekt ins Auge gefasst und damit eine
Objektindividualisierung vorgenommen: G wollte zwar F, nicht aber L töten. Die Auffassung
unterstellt dem Täter einen generellen Verletzungswillen hinsichtlich aller Objekte einer Gattung,
hinter dem die Vorstellung eines nicht vorhandenen dolus generalis aufscheint.
Die vorzugswürdige h.M. sieht den auf ein bestimmtes Objekt konkretisierten Vorsatz daher als „aliud“ (lat.: alius = etwas Anderes) gegenüber dem Vorsatz, irgendein Objekt der Gattung zu verletzen. Danach liegt kein Vorsatz im Hinblick auf das tatsächlich getroffene, aber nicht anvisierte Tatobjekt vor. In Betracht kommt stattdessen eine Bestrafung wegen fahrlässiger Tatbegehung am tatsächlich getroffenen Objekt und wegen versuchter Tatbegehung am eigentlich anvisierten Objekt (sofern Fahrlässigkeit und Versuch für das jeweilige Delikt unter Strafe steht).
Das Problem der Distanzfälle
Beispiel: Die Geldfälscher L und T präparieren ihren Kopierer mit einer Bombe, die durch die Kopiertaste aktiviert werden soll. Als Todesopfer haben sie ihren Geldfälscherkollegen F auserkoren, dem sie den Kopierer zu einem „Freundschaftspreis“ überlassen, damit er seinem Handwerk als Geldfälscher nachgehen könne. Bevor F das Kopiergerät betätigt, bedient es der Polizist P, um sich ein Beweismittel zu verschaffen, und findet den Tod.
Behandlung:
1. Man könnte sagen, die Täter haben F bzw. R anvisiert, wobei aber P bzw. S unvorhergesehen in
den Geschehensablauf eingegriffen haben, so dass der Angriff auf diese beide abirrte. Dann wäre
eine aberratio ictus anzunehmen. – Dann kein Vorsatz, nur fahrlässige Tötung
- die alleinige Vorstellung kann nicht zu einer ausreichenden Individualisierung des Tatobjekts
führen.
- Man könnte aber auch sagen, die Täter haben genau das Tatobjekt getroffen, das sie auch treffen
wollten, nämlich den ersten Benutzer des Kopierers bzw. des Autos, und irrten nur über dessen
Identität. Dann wäre ein error in persona anzunehmen. – Vorsatz anzunehmen
- Diese Ansicht geht mit ihrer pauschalen Abstellung auf den Aspekt der sinnlichen Wahrnehmung
oft zu weit.
- Individualisierungslösung (h.M.): Der Täter, der sich nicht selbst um die Individualisierung kümmert,
trägt das Individualisierungsrisiko. Hier also auch Vorsatz anzunehmen, die Täter haben sich nicht
selbst um die Individualisierung gekümmert.
Prüfungsschema Notwehr nach § 32 StGB
A. Objektive Voraussetzungen der Notwehr
I. Notwehrlage 1. Angriff 2. Gegenwärtigkeit des Angriffs 3. Rechtswidrigkeit des Angriffs
II. Notwehrhandlung
1. Verteidigungshandlung gegen den Angreifer 2. Objektive Erforderlichkeit der Verteidigungshandlung a) Geeignetheit b) Mildestes Mittel (bei gleicher Eignung) 3. Normative Gebotenheit der Verteidigungshandlung
B. Subjektive Notwehrvoraussetzungen / Verteidigungswille