Schemata und Begriffe Flashcards
Grundprinzipien des Verwaltungsrechts
- Legalitäts-/Gesetzmässigkeits-prinzip (Art. 5 Abs. 1 BV)
- öffentliches Interesse (Art. 5 Abs. 2 BV)
- Verhältnismässigkeit (Art. 5 Abs. 2 BV)
- Treu und Glauben (Art. 5 Abs. 3 i.V.m. Art. 9 BV)
- Rechtsgleichheit und Willkürverbot (Art. 8 und Art. 9 BV)
Verhältnismässigkeitsprüfung (Art. 5 Abs. BV)
- Massnahme ist geeignet
- Massnahme ist erforderlich → keine geeignetere Massnahme
a. sachlich: keine gleich geeignete, aber weniger einschneidende Anordnung
b. räumlich: Anordnung darf örtlich nicht weiter greifen als nötig
c. zeitlich: Anordnung darf nicht länger dauern als nötig
d. personell: nicht mehr Personen als notwendig - Massnahme ist zumutbar (Zweck-Mittel-Relation) => Interessenabwägung
I. Legalitätsprinzip (Art. 5 Abs. 1 BV)
Keine verfassungsmässigen Rechte im Sinne von Art. 116 BGG sind die in Art. 5 BV umschrieben Verfassungsprinzipien. Im Rahmen der subsidiären Verfassungsbeschwerde kann ihre Verletzung grundsätzlich nur im Zusammenhang mit der Verletzung eines verfassungsmässigen Rechts gerügt werden.
II. Legalitätsprinzip (Art. 5 Abs. 1 BV)
Voraussetzungen
- generell-abstrakte Struktur der gesetzlichen Grundlage (Erfordernis des Rechtssatzes);
- ausreichende demokratische Legitimation des Rechtssatzes (Erfordernis der genügenden Normstufe: Gesetz oder Verordnung)
- Rechtssatz rechtsstaatlich ausreichend bestimmt (Erfordernis der genügenden Normdichte: präzise oder offene Norm → ausreichende Bestimmtheit = Einzelne können ihr Verhalten danach richten und die Folgen ihres Verhaltens erkennen)
- Rechtssatz im richtigen Verfahren erlassen (Erfordernis der formellen Rechtmässigkeit)
- Rechtssatz beachtet übergeordnete Recht (Erfordernis der materiellen Rechtmässigkeit)
Vorliegen einer Gesetzeslücke
Folgende VSS kumulativ:
1. Die gesetzliche Regelung ist unvollständig (= echte Lücke) oder unrichtig (= unechte Lücke).
- echte Lücken sind zu füllen, unechte Lücken sind hinzunehmen
2. Die planwidrige Unvollständigkeit steht nicht für eine bewusste, wenn auch stillschweigende Antwort des Gesetzgebers (→ im Falle der Unrichtigkeit erübrigt sich dieser Prüfpunkt).
3. Die Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit nicht mit Auslegung überbrückbar.
Delegationsgrundsätze (Art. 164 BV, Art. 69 KV)
Folgende VSS kumulativ prüfen:
1. Delegation durch kantonales Recht nicht ausgeschlossen
2. Delegation im Gesetz selbst enthalten
3. Delegation beschränkt sich auf bestimmte Materie
4. Gesetz selbst umschreibt Grundzüge (Inhalt, Zweck, Ausmass) der delegierten Regelung, soweit sie die Rechtsstellung der Bürger schwerwiegend berührt.
Akzessorische Überprüfung unselbständiger Bundesratsverordnungen
- Wurde die Verordnung auf den Einzelfall richtig angewendet?
→ falls nein: Ende der Prüfung - Hält sich die Verordnung an das Gesetz?
→ falls nein: Ende der Prüfung - Hält sich die Verordnung an die Verfassung?
→ falls ja: Ende der Prüfung
→ falls nein: Weiterprüfung wegen Art. 190 BV - Ist die Verfassungswidrigkeit der Verordnung im Gesetz selbst angelegt?
→ falls nein: Ende der Prüfung
→ falls ja: Verordnung anwendbar
Voraussetzungen: Self-executing-Normen des Völkerrechts
Folgende VSS kumulativ:
1. Regeln Rechte und Pflichten des Einzelnen
2. Sind aufgrund ihrer Bestimmtheit geeignet, als Grundlage eines behördlichen Entscheids im Einzelfall zu wirken, und
3. richtet sich auch an rechtsanwendende Behörden
Schubert-Praxis (nur für Bundesgesetze)
Folgende VSS kumulativ:
1. Bundesgesetz wurde nach Inkrafttreten des Staatsvertrages erlassen
2. Eidgenössische Räte haben bewusst eine Verletzung des Völkerrechts in Kauf genommen
3. keine Gegenausnahmen bestehen
Als Gegenausnahme zur Schubert-Praxis geht das BGer davon aus, dass zwingendes Völkerrecht und die EMRK Bundesgesetzen immer vorgeht.
Gültigkeit eidgenössischer Volksinitiativen (materiell / Inhalt)
- Einheit der Form: allgemeine Anregung oder ausformulierter Entwurf (keine Mischform!)
- Einheit der Materie: sachlicher Zusammenhang zwischen einzelnen Teilen der Vorlage
- nicht offensichtlich undurchführbar
- kein Verstoss gegen zwingendes Völkerrecht
Teilgehalt Art. 9 BV (Treu und Glauben)
- Grundsatz des Vertrauensschutzes (Art. 9 BV): berechtigtes Vertrauen von Privaten in behördliche Zusicherungen oder bestimmte Erwartungen erweckendes Vertrauen
- Verbot widersprüchlichen Verhaltens (gilt für Verwaltungsbehörden)
- Verbot des Rechtsmissbrauchs:
Rechtsmissbräuchlich handelt, wer ein Rechtsinstitut zweckwidrig zur Verwirklichung von Interessen verwendet, welche dieses nicht schützen will (gilt für Behörden und Private)
Art. 9 BV (Vertrauensschutz) ist ein verfassungsmässiges Recht, dessen Verletzung mit einer Verfassungsbeschwerde gerügt werden kann.
I. Rechtsgleichheits-/Gleichbehandlungsgebot (Art. 8 Abs. 1 BV)
- Gleiches ist gleich, Ungleiches ungleich zu behandeln
- Differenzierungsverbot: Verbot unterschiedlicher Regelungen, wenn kein rechtlich erheblicher Unterschied vorliegt
- Differenzierungsgebot: Verbot rechtlicher Gleichbehandlung von Fällen, die sich in tatsächlicher Hinsicht erheblich unterscheiden
- gilt für Rechtsetzung und Rechtsanwendung
II. Rechtsgleichheits-/Gleichbehandlungsgebot (Art. 8 Abs. 1 BV)
Prüfprogramm Rechtsgleichheit
- Befindet sich die betroffene Person mit Blick auf den rechtserheblichen SV in einer nicht vergleichbaren Situation?
- Werden sie durch den Gesetzgeber bzw. den Rechtsanwender dennoch ungleich/gleich behandelt?
- Liegen für die Differenzierung/Gleichbehandlung sachliche Gründe vor?
I. Vertrauensschutz
Grundsatz
- Vertrauensgrundlage → besonderes Vertrauensverhältnis zwischen den Behörden und den Einzelnen
- berechtigtes Vertrauen in das Verhalten der staatlichen Behörde bzw. Kenntnis der Vertrauensgrundlage, nicht aber einer allfälligen Fehlerhaftigkeit → bei Fachkundigen höhere Anforderung an «gehörige Sorgfalt»
- Vertrauensbetätigung
- Interessenabwägung → Interesse an Vertrauensschutz wiegt schwerer als die entgegenstehenden öffentlichen Interessen
II. Vertrauensschutz
Behördliche Auskünfte und Zusicherungen
Auf unrichtige Auskünfte, darf sich der Empfänger berufen, wenn kumulativ folgende VSS erfüllt:
1. Die Auskunft als Vertrauensgrundlage geeignet? ( auf den individuell konkreten Fall bezogen und genügend bestimmt)
2. Auskunftserteilende Amtsstelle zuständig für Auskunftserteilung zuständig bzw. die Einzelperson durfte von Zuständigkeit ausgehen
3. Die Auskunft erfolgt vorbehaltlos.
4. Der Auskunftsempfänger ist gutgläubig; er durfte und musste die Unrichtigkeit der Auskunft nicht erkennen
5. Der Auskunftsempfänger hat eine Disposition getroffen, die nicht oder nicht ohne Nachteil rückgängig gemacht werden kann
6. Kausalität der Vertrauensgrundlage für Disposition
7. NUR bei Auskünften: Der SV oder die Rechtslage hat sich nicht nachträglich verändert. Ändert sich die Rechtslage, so kann der Vertrauensschutz nur geltend gemacht werden, wenn die auskunftserteilende Instanz selber für die Rechtsänderung zuständig ist und die Auskunft gerade im Hinblick darauf erteilt hat oder die Behörde die Pflicht zur umfassenden Orientierung gehabt hat.
7. Interesse am Schutz des berechtigten Vertrauens > Interesse an der richtigen Rechtsanwendung
RF:
a. Bindung des Staates an die Vertrauensgrundlage (materiell-positiv)
b. Ersatz des Vertrauensschadens (bzgl. getätigter Dispositionen; materiell-negativ)
c. Wiederherstellung verpasster Fristen (prozedural)
I. Rückwirkungsverbot (Art. 9 BV)
= Schutz des Vertrauens, dass das Gesetz, das zum Zeitpunkt einer Handlung in Kraft war, Anwendung findet (Rechtssicherheit)
II. Echte Rückwirkung
= Anwendung eines neuen Gesetzes auf einen Sachverhalt, der sich abschliessend vor Inkrafttreten des neuen Rechts verwirklicht hat = grundsätzlich unzulässig
III. Zulässigkeit belastender echter Rückwirkung
- Rückwirkung in Gesetz eindeutig vorgesehen
- Durch triftige Gründe geboten
- In zeitlicher Hinsicht verhältinsmässig (=darf aus Sicht des Betroffenen nicht zu weit zurückgreifen)
- Schafft keine stossenden Rechtsungleichheiten
- Greift in keine wohlerworbenen Rechte ein
IV. Rückwirkung begünstigender Erlasse
- Begünstigter ist Normadressat
- Rechte Dritter werden nicht beeinträchtigt
- Begünstigung ist im Recht vorgesehen
V. Unechte Rückwirkung
- Anwendung von neuem Recht auf einen Dauersachverhalt = Sachverhalt, der sich noch nicht abschliessend verwirklicht hat
- Grundsätzlich zulässig, ausser Verletzung des Vertrauensschutzes oder von wohlerworbenen Rechten.
Willkürverbot (Art. 9 BV, Art. 11 Abs. 1 KV)
a. Persönlicher Schutzbereich: nat. und jur. Pers., unabhängig von Nationalität, Sitz, Gründungsort
b. Sachlicher Schutzbereich: Willkürverbot bindet Gesetzgeber und rechtsanwendende Behörden
2 Arten von Willkür:
▪ Bei Rechtsanwendung = willkürliches Ergebnis → gem. konstanter BGer-Praxis: Begründung und Ergebnis des Entscheides sind unhaltbar
1. Qualifiziert fehlerhafte Sachverhaltsfeststellung
2. Krasse Verletzung einer Norm oder eines unumstrittenen Rechtsgrundsatzes
3. offensichtliche Missachtung eines allgemeinen Rechtsgrundsatzes
4. Qualifizierte Ermessensfehler
5. Entscheid leidet an einem inneren, nicht auflösbaren Widerspruch
6. stossender Widerspruch zum Gerechtigkeitsgedanken
bei Rechtsetzung = Norm mit schikanösem Charakter
▪ KEINE Verletzung des Willkürverbots
1. andere Lösung im konkreten Fall ebenfalls vertretbar oder vorzuziehen
2. Auslegung anwendbaren Rechts falsch aber nicht qualifiziert unrichtig
➢ MERKE: Erst wenn ein Entscheid offensichtlich und qualifiziert unrichtig ist, liegt Willkür vor.
c. Kerngehalt: = jede Verletzung des Verbots
Persönliche Freiheit (Art. 10 Abs. 2 BV, Art. 12 Abs. 1 u. 2 KV)
a. Persönlicher Schutzbereich:
nat. Pers, auch urteilsunfähige, ausländische Pers. + Pers. auf der Durchreise
b. Sachlicher Schutzbereich:
persönliche Freiheit
1. Persönliche Freiheit i.e.S.:
- Selbstbestimmungsrecht
- Beschränkungen von blossen Alltagsbedürfnissen nicht erfasst
- Bestimmung über Art und Zeitpunkt des Todes
- Verfügung über eigenen Leichnam, subsidiär Angehörige
2. Körperliche Unversehrtheit:
- Recht, frei über Integrität des Körpers zu verfügen
- sogar schmerzlindernde Eingriffe fallen darunter
- Psychische Unversehrtheit
- Bewegungsfreiheit
- Recht auf Privatsphäre und Familienleben
c. Kerngehalte:
Verbot vorsätzlicher Tötung, Verbot Todesstrafe, Verbot der Folter, unmenschlicher/erniedrig-
ender Behandlung, Non-Refoulement-Verbot
Informationsfreiheit (Art. 17 Abs. 3 KV)
- Einsichtsrecht in amtliche Akten
- Information von Amtes wegen (KV 70)
- bei amtlichen Akten Geheimhaltungsvorbehalt
I. Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV, Art. 23 KV)
a. Persönlicher Schutzbereich:
nat. Pers (auch ausländische Pers.) aber nur, wenn privatwirtschaftlich tätig + jur. Pers.
b. Sachlicher Schutzbereich:
- Geschützte Sphäre: Jede privatwirtschaftliche Tätigkeit, mit Gewinn oder Erwerb dient (haupt- oder nebenberuflich / selbständig oder unselbständig
- Geschützte Ansprüche: Freie Berufswahl, Werbefreiheit, Vertragsfreiheit, bedingter Anspruch auf Benutzung des öffentlichen Bodens
MERKE: Bei Wirtschaftsfreiheit nicht nur BV 36, sondern auch BV 94
c. Kerngehalt:
- Freiheit der Berufs- / Geschäftswahl
- Verbot von staatlichem Zwang zum Erlernen eines Berufes / zur Ausübung einer Erwerbs- / Geschäftstätigkeit
- Absolutes Verbot von Zwangsarbeit
II. Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV, Art. 23 KV)
Grundsatzkonformer Eingriff
a. Grundsatzkonformer bzw. systemkonformer Eingriff = wettbewerbsneutral und wirtschaftspolitisch motiviert
NICHT grundsatzkonform i.S.v. BV 94 Abs. 1 sind:
- Wirtschaftslenkung
- Verfolgung strukturpolitischer Ziele
- Beeinflussung freier Wettbewerb
b. Eingriff, mit grundsatz-konformem Interesse aber systemwidrigen Nebenfolgen
- z.B. Feuer- / gesundheitspolizeiliche Betriebsauflagen, welche Geschäftsbetrieb so verteuern, dass keine konkurrenzfähigen Preise angeboten werden können.
- Beachte: wenn staatliche Massnahme wettbewerbs-neutral (= kein Widerspruch zu Wirtschaftsfreiheitsgrundsatz), dann systemkonform trotz wirtschaftslenkenden/wettbewerbsverzerrenden Nebeneffekten
III. Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV, Art. 23 KV)
Gleichbehandlung direkter Konkurrenten
a. Persönlicher und sachlicher Schutzbereich der Wirtschaftsfreiheit betroffen
b. Direktes Konkurrenzverhältnis:
- Gleiche Branche
- gleiches Angebot für gleiches Publikum
- um gleiches Bedürfnis zu befriedigen
→ Wenn dies bejaht wird, dann besteht Anspruch auf gleiche Behandlung der Konkurrenten, ausser, es liegen unumgängliche Gründe vor
I. Allgemeine Verfahrensgarantien (Art. 29 Abs. 1 BV, Art. 26 KV, Art. 21 ff. VRPG)
Rechtliches Gehör I.
zwei Funktionen:
- rechtliches Gehör dient Sachverhaltsaufklärung
- rechtliches Gehör als Mitwirkungsrecht bei Erlass behördlicher Entscheid
a. Rechtliches Gehör i.e.S.:
Recht, zu wesentlichen Sachfragen angehört zu werden + Recht, dass Äusserung von Behörde geprüft, gewürdigt und angemessen berücksichtigt wird + Recht auf Äusserung zum Beweisergebnis + Replikrecht
- Verzicht auf Gewährung des rechtlichen Gehörs → VRPG 21 Abs. 2
II. Allgemeine Verfahrensgarantien (Art. 29 Abs. 1 BV, Art. 26 KV, Art. 21 ff. VRPG)
Rechtliches Gehör II.
Akteneinsichtsrecht
- alle Akten, die geeignet sind, Entscheidgrundlage zu bilden, ausser Geheimhaltung wegen überwiegender öffentlicher oder privater Interessen (kein Einsichtsrecht in verwaltungs-interne Akten)
- Aktenführungspflicht der Behörden im Verwaltungs-verfahren, Akten zu führen
- Verweigerung Akteneinsicht → Eröffnung mit Zwischenentscheid
III. Allgemeine Verfahrensgarantien (Art. 29 Abs. 1 BV, Art. 26 KV, Art. 21 ff. VRPG)
Rechtliches Gehör III.
Begründungspflicht
- Allg. Grundsatz: Verwaltungsakte müssen so begründet sein, dass sie sachgerecht angefochten werden können. Hierzu müssen kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde hat leiten lassen.
- Höhere Anforderungen:
je komplexer/umstrittener der SV; je stärker in die individuellen Rechte eingegriffen wird; und je grösser der Entscheidungs-spielraum der verfügenden Behörde ist. - Bei ungenügender Begründung → Anfechtung
IV. Allgemeine Verfahrensgarantien (Art. 29 Abs. 1 BV, Art. 26 KV, Art. 21 ff. VRPG)
Rechtliches Gehör IV.
Recht auf Replik
- VRPG ≠ Pflicht zur Durchführung eines doppelten Schriftenwechsels (vgl. VRPG 69 Abs. 3)
- ABER Anspruch auf Replik:
Dieser gewährt, sich zu jedem neu eingereichten Aktenstück zu äussern, soweit dies gewünscht wird. - Replik muss nach Treu und Glauben umgehend eingebracht werden (vgl. GG 49a).
V. Allgemeine Verfahrensgarantien (Art. 29 Abs. 1 BV, Art. 26 KV, Art. 21 ff. VRPG)
Rechtliches Gehör V.
Heilung bei Verletzung
- Verletzung führt grundsätzlich zur Aufhebung der angefochtenen Verfügung
- Heilung durch obere Behörde, wenn folgende VSS kumulativ:
1. gleiche Kognition wie Vorinstanz
2. womit betroffene Mitwirkungsrechte in vollem Umfang nachträglich gewährt werden können
3. Verletzung der Verfahrensrechte nicht schwerwiegend
Heilung muss eine Ausnahme bleiben!
Ausstand (Art. 29 u. 30 BV, Art. 9 u. 48 VRPG)
- Anschein der Befangenheit genügt → keine effektive Befangenheit erforderlich
- Äusserungen über den Verfahrensausgang wecken Zweifel an der Unbefangenheit, wenn sie auf eine abgeschlossene Meinungsbildung hindeuten.
- Vorläufig geäusserte Ansichten sind erlaubt.
- Treu und Glauben:
Ablehnungsbegehren ist unverzüglich nach Entdecken des Ablehnungsgrundes zu stellen, ansonsten Verwirkung
Politische Rechte (Art. 34 BV)
Umfasst:
a. Stimmrecht
b. Wahlrecht:
- aktives Wahlrecht: Recht Nationalratsmitglieder zu wählen + Wahlvorschläge für Nationalratswahlen zu unterz.
- passives Wahlrecht: Recht, in Nationalrat gewählt zu werden (BV 143)
c. Abstimmungsfreiheit (Art. 34 Abs. 2 BV):
- Anspruch darauf, dass kein Abstimmungsergebnis aner-kannt wird, das nicht den freien Willen der Stimmberechtigten zuverlässig und unverfälscht zum Ausdruck bringt.
- (Soll)-Garantie eines freien und umfassenden Meinungsbil-dungsprozesess mit entsprech-ender Stimmabgabe
d. Kerngehalt: ordnungsgemässes Auszählen der abgegebenen Stimmen
Polizeiliche Generalklausel (Art. 36 Abs. 1 Satz 3 BV)
- besonders hochstehende Schutzgüter des Staates oder Privater betroffen
- Bestehen schwerer Gefahr / schwere Störung eingetreten
- zeitliche Dringlichkeit
- keine geeigneten gesetzlichen Massnahmen zur Verfügung bzw. zeitnah nicht einholbar
- Zuständigkeit der Behörde
- Verhältnismässigkeit (ex ante)
erlaubt das Handeln der Polizei ohne ges. Grundlage
Grundrechtskonkurrenz
Grundrechtskonkurrenz = Hoheitsakt könnte gleichzeitig Schutzbereiche mehrerer Grundrechte einer Person betreffen
1. Bestimmung der Schutzbereiche
2. Unechte Grundrechtskonkurrenz = Schutzbereiche überschneiden sich → verdrängte Grundrechte NICHT weiter prüfen
3. Echte Grundrechtskonkurrenz = Schutzbereiche überschneiden sich nicht → Prüfung jeden einzelnen Grundrechts
I. Privatisierung
Arten
Privatisierung = Entstaatlichung
1. Vermögensprivatisierung (Eigentumsprivatisierung): Veräusserung staatlichen Eigentums an Private
2. Organisationsprivatisierung (unechte bzw. formelle Privatisierung):
Ausgliederung Staatsaufgaben an staatlich beherrschte Private (Gemeinwesen behält Aufgabenverantwortung)
3. Aufgabenprivatisierung (echte bzw. materielle Privatisierung): Staatsaufgaben auf nicht staatlich beherrschte Private (Gemeinwesen gibt Aufgabenverantwortung ab)
4. Finanzierungsprivatisierung: Kostenüberwälzung an Leistungsbezüger
II. Privatisierung
Übertragung von Staatsaufgaben an Private
- Voraussetzungen:
a. formell gesetzliche Grundlage, die Art der Aufgabenerfüllung regelt (Art. 178 BV)
b. Aufgabenträger muss staatlicher Aufsicht unterstehen
c. bei der Ausübung der Tätigkeit sind Grundrechte zu beachten - Erscheinungsformen:
a. Monopolkonzession: Übertragung privatwirtschaftlicher Tätigkeit im öffentlichen Interesse mit Betriebspflicht auf Private (z.B. Eisenbahn)
b. Beleihung: Übertragung von öffentlichen Aufgaben
Abstrakte Normenkontrolle
Anfechtung kommunaler Erlasse mittels Beschwerde (KEINE abstrakte Normenkontrolle für kantonale Erlasse im Kanton BE):
1. Kommunaler Erlass
2. Anfechtung
a. 1. Instanz = RStA Beschwerdelegitimation:
- virtuelles Betroffensein genügt
b. 2. Instanz: Verwaltungsgericht
3. verfassungs- oder gesetzes-konforme Auslegung (Grundsatz der Normerhaltung)
4. Überprüfung der Norm auf (kumulativ):
a. Tragweite des Grundrechtseingriffs,
b. Wahrscheinlichkeit verfassungs- und gesetzmässiger Anwendung,
c. Möglichkeit, bei späterer Normenkontrolle hinreichenden Rechtsschutz zu erhalten,
d. konkrete Umstände, unter denen Norm zur Anwendung kommt, sowie
e. Möglichkeit der Korrektur und
f. Auswirkungen auf die Rechtssicherheit
Konkrete bzw. akzessorische Normenkontrolle (Art. 66 Abs. 3 KV)
Rüge, dass Norm höherrangi-gem Recht widerspricht:
1. Gerügt werden können materielle Gesichtspunkte (z.B. ob Norm im Rahmen des übergeordneten Rechts liegt) und formelle Anforderungen (z.B. Zulässigkeit der Delegation)
2. Rechtsmittelbehörde muss Norm zunächst auf ihre Vereinbarkeit mit höherrangi-gem Verfassungs- oder Gesetzesrecht prüfen
a. umstrittene Norm ist verfassungs- oder gesetzeskonform auszulegen
b. Kollision mit höherrangigem Recht liegt vor, wenn Norm nach anerkannten Auslegungsregeln keinen Sinn zugemessen werden kann, der mit höherrangigem Recht vereinbar erscheint
3. Widerspricht Norm höherrangigem Recht, so ist sie nicht anwendbar und der gestützt auf sie ergangene Rechtsakt ist aufzuheben; fehlerhafte Norm bleibt formell in Rechtskraft, wird aber in Praxis nicht mehr angewandt
Sprungrekurs
Keine gesetzliche Grundlage; Praxis (VGer) lässt Sprungrekurs zu, wenn (kumulativ)…
1. Beschwerdeführer Sprung-rekurs ausdrücklich beantragt
2. an sich funktionell zuständige Behörde sich zur Sache bereits eindeutig geäussert hat
3. die angerufene Instanz als nächste Rechtsmittelinstanz zuständig wäre
Merke: immer im formellen Teil Normen für 1. Instanz und 2. Instanz nennen und prüfen
Gemeindeautonomie (Art. 109 Abs. 1 u. 2 KV, Art. 3 Abs. 1 u. 2 sowie Art. 9 GG)
= die der Gemeinde vom kantonalen Recht eingeräumte Entscheidungsfreiheit in bestimmtem Sachbereich bzw. der Handlungs- und Entscheidungsspielraum
1. Autonomiebereich:
a. Rechtssetzung, wenn kant. oder eidg. Recht Materie nicht abschliessend regelt (kommu-nale Reglemente oder Verordnungen)
b. Rechtsanwendung, wenn Gemeinde eigenes Recht anwendet oder kant. oder eidg. Recht einen Handlungsspiel-raum belässt;
2. Autonomieverletzung: Übergeordnetes Gemeinwesen verletzt Entscheidungsspielraum durch:
a. Überschreitung der Prüfungsbefugnis (Ermessens- statt nur Rechtskontrolle)
b. Willkürliche Anwendung komm., kant. oder eidg. Gesetzesrechts
c. Falsche Anwendung kant. oder eidg. Verfassungsrechts
d. Anderweitige Anordnung, die Entscheidungsspielraum in unzulässiger Weise einschränkt
Egoistische Verbandsbeschwerde
VSS kumulativ:
1. Verband ist jur. Pers. und selber partei- und prozessfähig
2. Gemäss Statuten zur Wahrung der betroffenen Mitgliederinteressen befugt
3. Verfügung betrifft Mehrzahl oder grosse Zahl der Mitglieder
4. Mitglieder wären selbst beschwerdebefugt.
Achtung: Wenn der Verband aufgrund seiner eigenen Interessen Beschwerde erhebt, dann handelt es sich um eine ideelle Verbandsbeschwerde
Ideelle Verbandsbeschwerde (Art. 65 Abs. 2 bzw. 79 Abs. 2 VRPG i.V.m. Speziealges.)
- Beschwerdelegitimation im Gesetz (Bundesrecht oder kantonales Recht) vorgesehen = allgemeine Legitimationsvoraussetzungen der materiellen Beschwer müssen nicht mehr eigens geprüft werden
- Beschwerde im Allgemeininteresse
Beschwerde von Verwaltungsverbänden (Bund Kanton, Gemeinden, öff.-rechtliche Körperschaften)
VSS alternativ:
1. Als (materieller oder formeller) Verfügungsadressat in schutzwürdiger Weise betroffen
2. In Erfüllung hoheitlicher Aufgaben in schutzwürdiger Weise betroffen
3. Als Gemeinde oder gemeinderechtliche Körperschaft in Autonomiebereich betroffen
Eintreten trotz fehlenden Rechtsschutzinteresses
VSS kumulativ:
1. Frage von grundsätzlicher Bedeutung,
2. die sich jederzeit unter den gleichen oder ähnlichen Umständen wieder stellen könnte und
3. die wegen der Dauer des Verfahrens kaum je rechtzeitig beurteilt werden könnte
Ausweitung Streitgegenstand
- Grundsatz: Streitgegenstand ist mit Anfechtungsobjekt identisch, kann sich im Verfahrensverlauf nicht ausweiten, nur verengen
- Ausweitung Streitgegenstand: Ist nur in Ausnahmefällen möglich, d.h. bei
a. spezialgesetzlicher Regelung, oder
b. aus prozessökonomischen Gründen
Gründe für Zurückhaltung der Rechtsmittelbehörde bei Überprüfungsdichte
VSS alternativ:
1. Natur der Streitsache verlangt dies
2. Vorinstanz verfügt über spezifische Fachkenntnisse
3. Grössere örtliche bzw. sachliche Nähe der Vorinstanz
4. Gemeinde hat im Rahmen ihres Autonomiespielraums entschieden
Unangemessenheit i.S.v. Art. 66 lit. c u. 80 lit. c VRPG
Unangemessenheit ist keine Rechtsverletzung: ungeeignete und unzweckmässige Lösung, jedoch verhältnismässig
Kassatorische Gutheissung (Art. 72 Abs. 1 u. 84 Abs. 1 VRPG)
Rückweisung ist Ausnahme und muss durch besondere Gründe gerechtfertigt sein
1. Verwaltungsinternes Beschwerdeverfahren (Art. 72 Abs. 1 VRPG):
a. Sache ist nicht entscheidreif (z.B., weil weitere Beweismassnahmen durchzuführen sind, die besser von der sachnäheren verfügenden Behörde getätigt werden können)
b. Vorinstanz ist auf Eingabe fälschlicherweise nicht eingetreten
c. Es ist auf besondere Fachkenntnisse abzustellen, welche der Vorinstanz besser zugänglich sind
2. Verwaltungsexternes Beschwerdeverfahren (Art. 84 Abs. 1 VRPG)
a. Verwaltungsgericht verfügt nicht über gleiche Kognition wie Vorinstanz
b. Vorinstanz ist auf Rechtsmittel fälschlicherweise nicht eingetreten, hat materiell zur Sache also noch nicht Stellung genommen
c. Sache ist vor Verwaltungsgericht nicht liquid und es fällt erheblicher Instruktionsbedarf an