Rawls und die Folgen Flashcards
Ausgangssituation
- Philosophische Ethik in einem 100-jährigen Dornröschenschlaf
- Trennung zwischen wahrheitsfähigen Aussagen (Deskriptionen) und anderen Aussagen (Normen und Werturteile)
- Ethischer Realismus und methodischer Individualismus
- Utilitarismuskritik: Gerechtigkeit als Fairness
- Kontraktualismus auf “konstruktivistischer” Basis, d.h. ethische Prinzipienbildung auf der Basis der Reflexion subjektiver Vorstellungen vom Guten, ausgehend von Gedankenexperimenten
Urzustand
“Schleier des Nichtwissens”
- niemand kennt seine Stellung in der Gesellschaft.
- ebensowenig sein Los bei der Verteilung natürlicher Gaben wie Intelligenz oder Körperkraft.
- Beteiligten kennen ihre Vorstellung vom Guten und ihre besonderen psychologischen Neigungen nicht.
Grundsätze der Gerechtigkeit werden unter dem “Schleier des Nichtwissens” festgelegt.
Soziale Grundgüter
“Dinge von denen man annimmt, dass sie ein vernünftiger Mensch haben möchte, was auch immer er sonst noch haben möchte.”
- Rechte
- Freiheiten
- Chancen
- Einkommen
- Vermögen
“Alle sozialen Werte sind gleichmäßig zu verteilen, soweit nicht eine ungleiche Verteilung jedermann zum Vorteil gereicht.”
Gerechtigkeitsprinzipien - Gleichheit
rechtlich-politisch
“Jede Person hat den gleichen unabdingbaren Anspruch auf ein völlig adäquates System gleicher Grundfreiheiten, das mit demselben System von Freiheiten für alle vereinbar ist.”
Gerechtigkeitsprinzipien - Differenz
sozio-ökonomisch
“Soziale und ökonomische Ungleichheiten müssen zwei Bedingungen erfüllen:
erstens müssen sie mit Positionen und Ämtern verbunden sein, die mit unter Bedingungen fairer Chancengleichheit allen offen stehen;
und zweitens müssen sie den am wenigsten begünstigten Angehörigen der Gesellschaft den größten Vorteil bringen.”
Wie wird der Urzustand selbst gerechtfertigt?
- Kontraktualismus unmöglich, weil U. erst die Vertragsbedingungen bestimmt.
- Infiniter Regress (“Metavertragsbedingungen”)
- Notwendigkeit ein kohärenztheoretischen Rechtvertigung des U.
- TG auf Stützung durch Common Sense angewiesen; muss die Gerechtigkeitsvorstellungen der jeweiligen Zeit bzw. Gesellschaft bündeln und widerspiegeln, kann sie aber nicht selbst hervorbringen!
Kohärenzprinzip
Rechtfertigung der Urzustandskonstruktion durch Übereinstimmung mit unseren sonstigen wohlerwogenen Gerechtigkeitsauffassungen, so dass letzte die Urzustandskonstruktion stützen und umgekehrt.
Konsequenz: Normative Prinzipien müssen die wohlbedachten Alltagsurteilen Kohärenz verleihen (Rückkopplung: “Überlegungsgleichgewicht”)
Überlegungsgleichgewicht
Rawls meint (trotz der kohärentistischen Begründung des Urzustandes und der Vertragssituation) mit seiner TG einen archimedischen Punkt gefunden zu haben, der außerhalb einer jeden Gesellschaft und außerhalb der Geschichte liegt.
Kommunitaristische Kritik
Liberalismus geht von einer kulturell ungebundenen Individualität aus, so als wäre jeder Mensch “seiner eigenen Werte Schmied”!
Wird nicht als plausibel erachtet.
Rawls-Kritik
Kritik des ungebundenen Selbst (Michael Sandel)
- Menschen als isolierte Individuen ohne soziale Bezüge
- Das Individuelle Recht des einzelnen wird dem gemeinschaftlichen Guten vorgezogen
+ Identität gibt es nicht ohne Einbindung in konkrete Lebenszusammenhänge
+ Vorrang der Gemeinschaft als Quelle von Identität und Werten vor dem Individuum
Rawls-Kritik
Recht gründen auf Zugehörigkeit (Charles Taylor)
- Vorstellung, Menschen könnten ihre Ziele losgelöst von sozialen Bindungen erreichen
- Vorstellung, Menschen hätten als Einzelne Rechte gegenüber der Gemeinschaft
+ Jeder bedarf der Zugehörigkeit zu einer Gemeinschaft, auch um seine individuellen Ziele zu erreichen
+ Keine Moral außerhalb einer Sprachgemeinschaft möglich
Rawls-Kritik
Moderner Kosmopolitismus
- „Dichte“ und „dünne“ Moral
+ „Dichte“ und „dünne“ Moral
Singuläre moralische Überzeugungen als Ausdruck bzw. Ergebnis einer „dichten“ und mehr oder weniger hoch integrierten, kulturell geprägten Gesamtstruktur von Werten
+ Keine ‚Resozialisierung‘ archaischer oder vormoderner Gesellschaften, sondern „radikale Pluralisierung der Demokratie“ bzw. eine „Vielfalt von ‚Demokratien’
- “Dünne” Moral und ethische Minimalprinzipien
+ Prinzip der wechselseitigen immanenten Kritik als kommunikative Basis
+ Möglichkeiten für übergreifenden Konsens im Sinne von Prinzipien, auf die man sich bi- oder multilateral einigen kann.
+ Kein prä-existenter universeller “gemeinsamer Nenner”, sondern “Gemeinsamkeit an der Endstation des Weges ansiedeln, welcher mit der Differenz beginnt.