Öffentliches Verfahrensrecht Flashcards
Teilbereiche des öff. Verfahrensrecht i.e.S.
Stufen
öff. Verfahrensrecht
= Verfahrensrecht des öff. Rechts
öff. Verfahrensrecht i.e.S.:
- Verwaltungsverfahren
- Rechtspflegeverfahren (meist Beschwerdeverfahren; Alt. Klageverfahren)
NB: “i.w.S.” wäre inkl. Justizbehördenorganisation und Vollstreckung
Verwaltungsverfahren / Rechtsmittelverfahren (Kiener auch: Rechtspflegeverfahren)
Definitionen
= “Verfahren auf Erlass einer Verfügung”
- nichtstreitiges Verfahren
- Abklärung durch die Behörde (erstmals) sachverhaltlich und rechtlich, ob/wie sie verfügen soll
- durch Verfügung der Verwaltungsbehörde in erster Instanz abgeschlossen
= “Verfahren auf Erlass eines Entscheids/Urteils”
- also Überprüfung eines Hoheitsakts (idR Vü.)
- streitiges Verfahren
- auch = (?) Beschwerdeverfahren: Verfahren, das bei der Anfechtung einer auf öffentliches Recht gestützten Anordnung zu befolgen ist
Rechtsmittel vs. Rechtsbehelf
-
Rechtsmittel:
- Gesetzlich geordnete Rechtsschutzinstrumente
- Begründen einen Rechtsschutzanspruch bzw. eine Behandlungs- und Erledigungspflicht der Behörden (ansonsten: Rechtsverweigerung)
- Bindung an Fristen und Formen -
Rechtsbehelf:
- idR gesetzlich geordnet
- kein Rechtsschutzanspruch
- Keine generelle Behandlungspflicht der Behörden (vgl. aber BV33)
- Keine Bindung an Fristen oder Formen
verwaltungsinterne (vs. verwaltungsexterne) Verfahren
Verfahren vor einer Instanz, welche der Verwaltung im organisatorischen Sinne (zentral/dezentral) angehört.
Verwaltungsrechtspflege
verwaltungsintern: Entscheid durch eine zur Verwaltung gehörende RM-Instanz (typisch: hierarchisch übergeordnete Instanz)
verwaltungsextern: Entscheid durch ein unabhängiges Gericht
urspr. und nachträgliche Rechtspflege/Gerichtsbarkeit
nachträglich:
- Vü. (bzw. Hoheitsakt) liegt vor
-Entscheid aufgrund Rekurs/Beschwerde
- Normalfall
- idR vor Gerichten = verwaltungsextern); ausnahmsweise aber -intern möglich
urspr.:
- keine Vü.; Gesetz verweist auf Klageweg
- Entscheid aufgrund Klage als erste bzw. einzige Instanz
- Ausnahmefall; typisch bez. verw. Verträge
- immer verwaltungsextern (logisch)
Rechtsgrundlagen
- Verfahrensgrundrechte (BV29-32; auch EMRK und UNO-P-II)
- Justizorganisation (BV188ff.)
- Verfahrensgesetze = Primärquelle; denke BV164I lit. g
− VwVG (Verwaltungsverfahren des Bundes)
− VGG
− BGG
− Immer Spezialgesetz beachten - VO-Recht
- Reglemente etc.
spez. Verf.gesetze
VwVG:
- ” (…) durch Vü. v. Bundesverwaltungsbehörden (…) zu erledigen sind”
-
Verw.verf. auf Bundesebene
- d.h. Bundesbehörden (ges. Bundesverwaltung)
- nicht: kt. oder kommunale Behörden (dafür kt. Verf.gesetze)
-
Verw.rechtspflege. auf Bundesebene
- verwaltungsintern: geringe Bedeutung
- verwaltungsextern: VwVG ergänzend zum VGG (s. Art. 37)
VGG:
- Regelung der Zust. und Org. des BVGer
- nur punkt.: verf.rechtl. Regeln
- im Übrigen: VwVG
BGG:
- Stellung, Org. und Zust. des BGer
- zentral: Regelung der versch. Verf. vor BGer
Achtung: nie Spez.gesetz vergessen (“derogat legi generali”)
Verfahrensmaximen vs. -garantien
Verfahrensgarantien: GR
- gleiche Geltung in den versch. Prozessen
- insofern “Konstanten” des Verfahrensrechts
Verfahrensmaximen: Leitlinien (keine Rechtssätze/GR); Auslegungshilfen
- Unterschiede zw. einzelnen Prozessen
- insofern “Variablen” des Verfahrensrechts
- haben sich zT im pos. Verfahrensrecht niedergeschlagen; positivrechtlich geregelt (VwVG 12, BGG 106 f.)
Offizial-/Dispositionsmaxime
Verfahrensherrschaft
Offizialmaxime: Es ist Sache der Behörde
– Verfahren zu eröffnen,
– seinen Gegenstand zu bestimmen und
– es zu beenden (durch Verfügung bzw. Urteil)
Dispositionsmaxime: Es ist Sache der Parteien
– das Verfahren in Gang zu bringen,
– durch ihre Anträge dessen Gegenstand zu bestimmen und
– es zu beenden (Rückzug, Anerkennung, Vergleich)
Untersuchungs-/Verhandlungsmaxime
Ermittlung des rechtserheblichen SV
Untersuchungsmaxime:
- Sachverhaltsermittlung obliegt der
Behörde
- Parteien trifft keine Beweisführungslast (= subjektive Beweislast)
- vgl. VwVG 12
- aber zB auch Annäherungen an Untersuchungsmaxime via VwVG 13, 52 I und BGG 42 I und III)
→ “Prinzip der materiellen Wahrheit”
Verhandlungsmaxime:
- Die Behörde darf ihrem Entscheid nur die von den Parteien behaupteten Tatsachen zugrunde legen
- diese entweder unbestritten geblieben oder bewiesen worden
→ “Prinzip der formellen Wahrheit”
subjektive vs. objektive Beweislast
subj. = Beweisführungslast
– Spielt eine Rolle in Verfahren, die von der Verhandlungsmaxime
beherrscht sind
- i.F.v. Untersuchungsmaxime ausgeschlossen
obj. = bezieht sich auf die Folgen der Beweislosigkeit
– Zu wessen Lasten wirkt es sich aus, wenn ein Sachumstand unbewiesen/ungeklärt bleibt?
– stellt sich unabhängig von Untersuchungs-/Verhandlungsmaxime
Def. Rüge
konkrete, substanziierte Einwände tatsächlicher oder rechtlicher Natur gegenüber dem angefochtenen Hoheitsakt
Rechtsanwendung v.A.w. vs. Rügeprinzip
Rechtsanwendung
Rechtsanwendung von Amtes wegen (“iura novit curia”):
- Sache der entscheidenden Behörde, die anwendbaren Normen zu ermitteln und
anzuwenden
→ dabei keine Bindung an die rechtlichen Ausführungen der Parteien - Uneingeschränkte Geltung des Grundsatzes im:
– erstinstanzlichen Zivilprozess (ZPO 57)
– nichtstreitigen Verwaltungsverfahren
Rügeprinzip:
- urteilende Behörde muss (od. sogar darf) sich nur mit Rügen befassen, die von den Parteien vorgebracht wurden
- Geltung des Rügeprinzips möglich im: Rechtsmittelverfahren (vgl. BGG 106 II, 117)
- vor BGer:
- Regelfall = vAw; BGG 106 I (aber trz. Begründung “in gedrängter Form” s. BGG 42 I)
- Ausnahme = Rügeprinzip; BGG 106 II (insb. bez. subs. Vb.)
- vor BGer:
Grundsatz der freien Beweiswürdigung
BGE 130 II 482, E. 3.2:
“In der Bundesverwaltungsrechtspflege gilt der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (…); d.h. diese ist nicht an bestimmte starre Beweisregeln gebunden (…) wie ein gültiger Beweis zu Stande kommt und welchen Beweiswert die einzelnen Beweismittel im Verhältnis zueinander haben”
NB: Der Grundsatz beherrscht das gesamte Verfahrensrecht
allg. Verfahrensgarantien
s. BV 29:
1. Anspruch auf “gleiche u. gerechte Behandlung” (I)
2. Verbot der Rechtsverweigerung u. -verzögerung (I)
3. Anspruch auf rechtliches Gehör (II)
4. Anspruch auf unentgeltliche
Rechtspflege (III)
“1.” = prozessuales Fairnessgebot (alles überdachende Verfahrensgarantie; zB falls VwVG 38 nicht anwendbar)
“2.” = inkl. Verbot des überspitzten Formalismus
“1. + 2.”: Für Gerichtsverfahren auch
Art. 6 Ziff. 1 EMRK
NB (weitere):
* Rechtsweggarantie (Art. 29a BV)
* Garantien im gerichtlichen Verfahren (Art. 30 BV)
* Garantien bei Freiheitsentzug (Art. 31 BV; Art. 5 EMRK)
* Garantien im Strafverfahren (Art. 32 BV; Art. 6 Ziff. 2 und 3 EMRK)
Achtung: Das sind Mindestgarantien, detaillierte, verfahrensbezogene Regelung erfolgt im Gesetz
Rechtsweggarantie
Grundsatz:
- Grundrechtlicher Anspruch auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz in allen Rechtsstreitigkeiten
(= Streitigkeiten, die individuelle, schützenswerte Rechtspositionen betreffen)
- mindestens eine (nicht zwingend die erste!) gerichtliche Instanz (Gericht gemäss Art. 30 Abs. 1 BV)
- welche eine umfassende Prüfung der Rechtsfragen und Sachverhaltsfragen vornimmt
- Kein Anspruch auf Angemessenheitsprüfung, kein Anspruch auf (weiteres) Rechtsmittel (vgl. aber Art. 32 Abs. 3 BV)
Umsetzung:
- BGer?
- Keine volle Sachverhaltskontrolle (vgl. BGG 95 ff.)
- Deshalb muss als Vorinstanz des BGer ein Gericht eingesetzt sein, das Rechts- und Sachverhaltsfragen umfassend prüfen kann (vgl. BGG 86 i.V.m. 110) - Im Bund: Bundesverwaltungsgericht (BStrGer, BPatGer)
- In den Kantonen: Kantonale Gerichte (vgl. BV 191b, BGG 86 Abs. 2 i.V.m. 110)
Ausnahmen von BV 29a
Ausnahmen nur im formellen Gesetz für Fragen mit hohem politischem Wertungsanteil
- BV 189 IV
- «Actes de gouvernement» VGG 32
- Ausnahmen im BGG zugunsten der Kantone
Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV)
Funktionen, Natur
Funktionen:
- Sachaufklärung
- Persönlichkeitsbezogenes
Mitwirkungsrecht
Teilgehalte: s. VwVG als Spick
Grundsatz: “formelle Natur” des rechtlichen Gehörs => (Grund-)Rechtsverletzung durch Gehörsverletzung
- Ausnahme: “Heilung”
Teilgehalt rechtliches Gehör: Anspruch auf vorgängige Äusserung und Anhörung
= Kern des rechtlichen Gehörs (VwVG 30 I)
- massgebend: Intensität der individuellen Betroffenheit
- d.h. bei Gesetzen/VO nicht gegeben
- ausnahmsweise bei Allg.vü. (Einzelner wesentlich stärker betroffen)
- Anhörung nicht zwingend mündl.
Schranken:
- Dringlichkeit (vgl. VwVG 30 II lit. e)
- Zweckvereitelung der Massnahme
Spezialfall “Massenverfahren”: Lösung via Einwendungsverfahren (VwVG 30a)
Teilgehalt rechtliches Gehör:
Akteneinsichtsrecht
(VwVG 26 – 28)
insb. Anspruch: grds. Fotokopien (nicht Zusenden der Akten)
Schranken:
- entgegenstehende Geheimhaltungsinteressen (Private/Staat) -> Interessenabwägung nötig
- “interne” (heisst was?) Akten
Abgrenzungen:
- Öffentlichkeitsprinzip: kein bes. Interessennachweis, dafür rel. “grosszügige” Einschränkungen
- Anspruch auf Schutz der Privatsphäre: geht über BV 29 II hinaus, uU auch Einsicht bez. abgeschlossenen Verfahren
Teilgehalt rechtliches Gehör:
Anspruch auf Stellungnahme zu den Vorbringen der Gegenpartei
VwVG 31
- früher: ‘eine’ Stellungnahme; weitere bloss bei Noven
- heute überholt durch Replikrecht (Praxis EGMR) = “Äusserung nach eigenem Gutdünken” (mE)
- daher neu : keine Frist, sofern Stellungnahme bzw. deren Beantragen erwartet werden kann (gerade bez. RA’s)
Teilgehalt rechtliches Gehör:
Anspruch auf Auseinandersetzung mit den gestellten Anträgen und den (relevanten) Sachvorbringen
(VwVG 32)
- Vorbringen sorgfältig und ernsthaft prüfen und beim Entscheid berücksichtigen
- heisst nicht alles, sondern nur die für
den Entscheid wesentlichen Gesichtspunkte
Teilgehalt rechtliches Gehör:
Anspruch auf Mitwirkung bei Beweiserhebungen und auf Abnahme der von den Beteiligten angebotenen, erheblichen Beweise
(VwVG 18, 33 I)
BGer, Urteil 1A.199/2000, 1P.373/2000 vom 5. Juni 2001, E. 2b: Ein Augenschein darf nur dann unter Ausschluss einer Partei erfolgen,
wenn schützenswerte Interessen Dritter oder des Staates oder eine beson-
dere Dringlichkeit dies gebieten, oder wenn der Augenschein seinen Zweck
überhaupt nur dann erfüllen kann, wenn er unangemeldet erfolgt.
Teilgehalt rechtliches Gehör: Anspruch auf Stellungnahme zum Ergebnis des Beweis-
verfahrens
[…] hat sie vorgängig die Expertise (zB Rechtsgutachten) der Partei oder den Parteien zur Kenntnis zu bringen und ihr oder ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme zu
geben.
Teilgehalt rechtliches Gehör: Anspruch auf Begründung des Entscheides
(VwVG 35 I)
Vorbringen gehört, geprüft und in der Entscheidfindung berücksichtigt
=> Begründung notwendig
Begründung als Voraussetzung:
– für eine sachgerechte Anfechtung des Entscheids
– für eine sachgerechte Überprüfung des Entscheids durch die Rechtsmittelinstanz
GR-Qualität des ‘rechtichen Gehörs’
formelle Natur = Verletzung führt zur Aufhebung der angefochtenen Verfügung (ungeachtet des materiellen Entscheids)
Ausnahme:
- nicht schwerwiegende Verletzung geheilt:
Möglichkeit zur Äußerung vor einer Rechtsmittelinstanz, die sowohl den Sachverhalt wie auch die Rechtslage frei überprüfen kann (Kognition!)
- sogar zT schwerwiegende Verletzung geheilt: formalistischen Leerlauf, unnötige Verzögerung (und damit entgegen Interesse der betroffenen Partei)
BV 29 II - rechtliches Gehör
Akteneinsicht
- Alle Verfahrensakten, unabhängig ihrer Bedeutung
- Kein Nachweis eines besonderen Einsichtsinteresses
- Ausgenommen sind rein verwaltungsinterne Akten
- Evtl. verhältnismässige Einschränkung bei privaten oder öffentlichen Geheimhaltungsinteressen
Begründung
- Auseinandersetzung mit den wesentlichen Argumenten
- Begründungsdichte flexibel
Anhörung, Orientierung, Mitwirkung
- Vorgängige Anhörung und Äusserung → Kern BV29II
Rechtsbeistand
- Recht auf frei gewählten Rechtsbeistand
- Befreiung von den Kosten gem. Art. 29 Abs. 3 BV
formelle Natur = Verletzung führt zur Aufhebung der angefochtenen Verfügung
Ausnahme:
- nicht schwerwiegende Verletzung geheilt:
Möglichkeit zur Äußerung vor einer Rechtsmittelinstanz, die sowohl den Sachverhalt wie auch die Rechtslage frei überprüfen kann
- schwerwiegenden Verletzung geheilt: formalistischen Leerlauf
Vefahrensmaximen
-
Verfahrensherrschaft
- Offizialmaxime: über Eröffnung und Beendigung des Verfahrens entscheidet die zuständige Behörde
- Dispositionsmaxime: über Einleitung, Gegenstand und Beendigung des Verfahrens entscheiden die Parteien -
SV-Abklärung
- Untersuchungsmaxime: SV durch die Behörde abgeklärt
- Dispositionsmaxime: SV durch Parteien dargestellt und bewiesen -
Rechtsanwendung
- v.A.w.: iura novit curia
- Rügeprinzip: Behörde tritt nur auf Rügen ein, die geltend gemacht und begründet wurden
Verwaltungsverfahren
= Verfahren auf Erlass einer Verfügung (dadurch auch abgeschlossen)
begrifflich:
- verw.internes Verfahren
- nichtstreitigiges Verw.verfahren
- vor Bundesbehörden: VwVG (vs. Kt.: kt. Verf.recht)
- insb. keine Bundeskomp. zur Regelung kt. Verfahren
- aber: Verfahrensgarantien u. -maximen führen zu weitgehend uniformer Ausgestaltung + gewisse bundesrechtl. Vorgaben ans kt. Verfahren
- zahlreiche leges speciales (gehen den allg. vor!
Verwaltungsverfahren und BV 5 I
- Vorrang der Verfügung:
(+) Einheitlichkeit der Verfahren
(+) Formalisierung des behördlichen Handelns/individuellen Mitwirkungsrechte
(+) Sichtbarmachen Zwangscharakter der Anordnung - Vorrang des Verfahrens:
= Verfügung formal im Rahmen eines Verwaltungsverfahrens erlassen
- Ausnahme verfahrensfreie Verfügung (VwVG 3 lit. f.)
prozessuale Doppelfunktion der Verfügung
Die Verfügung ist Endpunkt des Verwaltungsverfahrens und Ausgangspunkt des Beschwerdeverfahrens
Ablauf des Verwaltungsverfahrens
(Kiener)
-
Einleitung
- zT Dispositionsmaxime (bez. mitw.bedürftige Vü.), im Übrigen Offizialmaxime
- Grundsatz des Amtsbetriebs (= Leitung bei Behörde)
- Prüfung des formellen Verfahrensvoraussetzungen
> Zuständigkeit VwVG 7-9
> Ausstandsgründe VwVG 10
> Parteistellung, Parteivertretung VwVG 6, 11
- grds.: kein Vertretungs- und Anwaltszwang
- Spezialfälle: VwVG 11a, VwVG 11b
> Form- und Fristerfordernisse - ggf. erste prozessuale Vorkehren
-
Ermittlung
- Abklärung SV (VwVG12-19)
> Untersuchungsgrundsatz, evtl. Mitwirkungspflicht (VwVG 13)
> Beweismittel
> rechtliches Gehör (VwVG29ff.) für Parteien - Rechtsanwendung
> v.A.w.: iura novit curia (vs. vor BGer)
> Konsequenz für Parteien:
- Rechtsunkenntnis schadet nicht
- Keine Mitwirkungspflicht bei Rechtsanwendung
- Abklärung SV (VwVG12-19)
-
Entscheid
- Sachentscheid (= materielle Verfügung)
- Prozessentscheid (= prozessuale Verfügung)
> Nichteintreten: nicht alle Prozess-VSS erfüllt
> «Abschreibungsentscheid»: Änderung Prozess-VSS
Ablauf des Verwaltungsverfahrens
Griffel
Einleitung
- Offizialmaxime oder Dispositionsmaxime (teils teils)
Prüfung der Zuständigkeit
- VwVG 7-9
- Arten: örtlich, sachlich, funktional
- v.A.w. geprüft
- keine Prorogation mögl.
- Überweisungspflicht bei Unzuständigkeit
- sofern umstr.: Zw.vü. (selbständig anfechtbar, VwVG 45)
Prüfung von Ausstandsgründen
- VwVG 10
- v.A.w. geprüft
- sofern umstr.: VwVG 45 (s. str. Zuständigkeit)
Parteien des Verfahrens; Vertretung
- Parteistellung (VwVG 6)
- Parteivertretung (VwVG 11)
- grds.: kein Vertretungs- und Anwaltszwang
- Spezialfälle: Massenverfahren (VwVG 11a), Zustellungsdomizil (VwVG 11b)
Ermittlung des SV
- Untersuchungsmaxime (VwVG12-19)
- evtl. Mitwirkungspflicht der Parteien (VwVG 13)
- p.m. rechtliches Gehör (VwVG29ff.) dient auch der Sachaufklärung
- p.m. Rechtsanwendung v.A.w.
evtl. vorsorgliche Massnahmen
Behandlungsfristen
- nur soweit gesetzl. vorgesehen
- zeitl. Schranke nur durch das Verbot der Rechtsverweigerung/-verzögerung
Eröffnung
- VwVG 34, 35, 38 als Spick
- Schriftlichkeit, Begründung, RM-Belehrung, Spezialfälle
- Folgen v. Eröffnungsmängeln
Zuständigkeit im Verwaltungsverfahren
- Art. 7 bis 9 VwVG
- Arten: örtl., sachl., funkt.
- ist grundrechtlicher Anspruch aus BV29I
- sachliche Zuständigkeit idR aus Spezialgesetz
- Zuständigkeit ist zwingender Natur, v.A.w. geprüft
- Unzuständigkeit: VwVG8 (= Überweisung)
- umstrittene Zuständigkeit: VwVG9, selbständig anfechtbar (Art. 45 VwVG)
Ausstandsgründe im Verwaltungsverfahren
Prüfung von Ausstandsgründen
- VwVG 10; BV 29 I (BGer-Praxis)
- v.A.w. geprüft
- Ziel: Verfahrensfairness; unbefangener, unparteiischer Entscheid
- sofern umstr.: VwVG 45 (wie bez. umstr. Zust.)
Parteistellung im Verwaltungsverfahren
VwVG 6:
“Als Parteien gelten Personen, deren Rechte oder Pflichten die Verfügung berühren soll, und andere Personen, Organisationen oder Behörden, denen ein Rechtsmittel gegen die Verfügung zusteht.”
Parteien:
- in erster Linie: Vü.adressaten
- aber auch Dritte: diese leitet sich aus (künftiger!) RM-Befugnis ab -> nur bei bes. Betroffenheit (VwVG 48)
- Konsequenzen:
- alle Parteirechte (insb. rechtliches Gehör)
- ggf. Mitwirkungspflicht (vgl. VwVG 13 I lit. b)
- Rechtsmittelverfahren: Kostentragungspflicht im Fall des Unterliegens
(vgl. VwVG 63)
VSS:
- Parteifähigkeit (= proz. Rechtsfähigkeit; ZGB11, 53)
- Rechtsschutzinteresse
- Betroffenheit in eigenen schutzwürdigen Interessen
- gesetzliche Befugnis zur Erhebung d. Rechtsmittels (bes. Betroffenheit iSv VwVG 48)
Beiladung
Einbezug weiterer Personen in das Verfahren, welche Parteistellung beanspruchen könnten, bisher jedoch nicht am Verfahren beteiligt waren. Sie dient der Prozessbeteiligung von Personen, welche durch den noch zu treffenden Entscheid in ihren schutzwürdigen Interessen berührt werden könnten oder von der Vorinstanz zu Unrecht nicht als Partei zugelassen wurden.
erfolgt:
- vAw:
> Regel: fakultativ (muss dem Verf. nicht als Partei beitreten
> Ausnahme: obligatorisch (öff. Interesse an Teilnahme)
- auf Gesuch hin
vorsorgliche Massnahmen
Def + VSS
“Massnahmen für die Dauer des Verwaltungsverfahrens”
VSS:
- gewichtige öffentliche/private Interessen verlangen unverzügliches Handeln
- (End-)Verfügung in der Sache nicht möglich,
- wobei: EV darf nicht präjudiziert oder verunmöglicht werden
- Verhältnismässigkeit
Verfahren:
- idR summarische Prüfung (SV, Rechtslage)
- grds. vorgängige Anhörung
- wenn nicht möglich/zweckmässig (bes. Dringlichkeit): superprovisorische Massnahme
i) Möglichst rasche Nachholung der Anhörung
ii) Ablösung durch provisorische Massnahme
Gesetzliche Grundlage:
- Bund: ausdrücklich nur bez. Beschw.verf. -> Lücke
- aber: Grundlage im materiellen Recht, da der Durchsetzung des materiellen Rechts dienend
Form: Zwischenverfügung (s. zur Anfechtung: VwVG46I lit. a)
VSS vorsorgliche Massnahme
- gewichtige öffentliche/private Interessen verlangen ein unverzügliches Handeln (Dringlichkeit
- sofortige (End-)verfügung ist nicht möglich
- Enverfügung wird nicht präjudiziert
- Vorsorgliche Massnahme muss vhm sein (Interessenabwägung)
- Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind in die Beurteilung miteinzubeziehen
Behandlungsfristen
= Ordnungsvorschriften
- nur, soweit bes. gesetzl. vorgesehen
- im übrigen: zeitl. Schranke nur durch Verbot des Rechtsmissbrauch/-verzögerung (VwVG 46a)
Form und Eröffnung der Verfügung
VwVG
Form:
- schriftlich und als Verfügung bezeichnet (VwVG34, 35)
- elektronisch heute mögl. (s. 34 Ibis)
- Spezialfall: Zw.vü. (s. 34 II)
- in einer Amtssprache abgefasst (VwVG33a)
- Dispositiv (= Entscheid der Behörde)
- Rechte/Pflichten des Adressaten
- Kosten
- RM-Belehrung
- Eröffnungsformel
- Begründung und Rechtsmittelbelehrung (VwVG35)
Zustellung/Eröffnung:
- Individuell, evtl. in amtlicher Publikation (VwVG36)
- Briefform mögl. (VwVG 35 I)
Folgen mangelhafter Eröffnung (VwVG38):
- kein Nachteil für Partei
Auswirkungen der Vorgaben auf Instanzenzug/Verfahren
Instanzenzug:
- Verfügungen von Bundesbehörden
- idR beim BVGer
- BGer - BV 191 I
- Verfügungen von kantonalen Behörden
- idR beim kt. VGer (BV 29a)
- BGer (BV 191 I)
Verfahren:
- Bundesbehörden vollziehen Bundesrecht und wenden dabei Erlasse der Bundesrechtspflege an
- Kantone wenden immer kantonales Verfahrensrecht an, auch (!) beim Vollzug von materiellem Bundesrecht
(Vorbehalt: Gewisse Mindestvorschriften des Bundes)
Anforderungen des Bundes an die Kantone bzgl. des öffentlichen Verfahrenrechts
-
Instanzenzug
- «Obere Gerichte» als Vi des BGer (BGG 86II)
- andere Behörden bei Entscheiden mit «überwiegend politischem Charakter» (BGG 86III)
Grund: BV29a -
Legitimation
- Wer vor BGer legitimiert ist, muss dies auch im kantonalen Verfahren sein (BGG111I)
- Kantone müssen Beschwerde von Bundesbehörden zulassen (BGG111II)
Grund: Einheit des Verfahrens -
Kognition
- kantonale richterliche Behörde muss den SV frei prüfen und das Recht v.A.w anwenden (BGG 110)
- unmittelbare VI des BGer muss mind. Rügen gemäss Art. 95 ff. BGG prüfen (BGG 111 III)
Grund: BV 29a / Einheit d. V.
+ Verfahrensgrundrechte
+ allg. Rechtsgrundsätze: Fristwahrung trotz Einreichung bei unzuständiger Behörde; keine
Rechtsnachteile bei Eröffnungsmängeln, Pflicht zur Berichtigung von Redaktionsfehlern
+ Anforderungen Eröffnung von Entscheiden (BGG112, VwVG1III)
verschiedene Rechtsmittel
- Beschwerde:
-
Anfechtung und Überprüfung eines Hoheitsakts durch gesetzlich zuständige Rechtsmittelinstanz gerichtet auf Aufhebung und/oder Änderung des angefochtenen Hoheitsakts, evtl. Feststellung der Rechtswidrigkeit
(VwVG44, VGG31, BGG72ff., 78ff., 82ff.)
- Einsprache:
- Änderung oder Aufhebung der Verfügung bei der zuständigen Behörde verlangt
- Rechtsquellen:
- nur wo spezialgesetzlich vorgesehen, dann = ordentliches Rechtsmittel = Einsprache mit Rechtsmittelfunktion
- Einsprache ohne Rechtsmittelfunktion = Einwendung
- Klage
- ursprüngliche Verwaltungsrechtspflege
- Rechtsuchender gelangt direkt an ein Gericht, welches erstmals einen Hoheitsakt erlässt
- Revision
- a.o., nicht-devolutives Rechtsmittel
- Antrag auf Aufhebung od. Änderung eines formell rechtskräftigen Rechtsmittelentscheids durch die gleiche Rechtsmittelinstanz (idR auf entsprechendes Gesuch [= Revisionsgesuch] hin) bei Vorliegen eines Revisionsgrundes
- Revisionsgründe: bestimmte (vom betreffenden Verfahrensgesetz bezeichnete) gravierende ursprüngliche Mängel des Entscheids
- insb. bisher unentdeckte erhebliche Tatsachen oder entscheidende Beweismittel, Gutheissung einer Beschwerde durch den EGMR
Prozessvoraussetzungen Beschwerdeverfahren
= “Verfahrensrechtliche Voraussetzungen, die während des ganzen Prozesses erfüllt sein müssen, damit die Justizbehörde die materielle Begründetheit der Beschwerde prüft:”
- Anfechtungsobjekt
- Zuständigkeit
- Vorinstanz
- Parteistellung und Legitimation
- Beschwerdegründe
- Beschwerdeformalien
alle erfüllt = materielle Prüfung
- Prüfung v.A.w.
- fehlende P-VSS: Nichteintreten (ggf. Weiterleitung)
- Wegfall P-VSS nach Rechtshängigkeit = «Abschreibung»
- Prozessvoraussetzung Beschwerdeverfahren: Anfechtungsobjekt
= “behördlicher Akt, der im Beschwerdeverfahren angefochten werden kann (bestimmt in Verfahrensgesetz, evtl. Sachgesetz)”
Anfechtungsobjekt nach RM:
-
Verwaltungsinterne Beschwerde (VwVG44)
- «die Verfügung» -
B ans BVGer (VGG31)
- Verfügungen i.S.v. VwVG5 -
BörA ans BGer (BGG82 i.V.m. BGG90ff.)
- (Verzögern/Verweigern von) Entscheid i.A.öff.R.(BGG94)
- kt. Erlasse
- Akte: Stimmberechtigung/Volkswahlen/Abstimmungen -
SubsVB ans BGer (BGG113)
- Entscheide letzter kantonaler Instanzen
- Prozessvoraussetzung Beschwerdeverfahren: Zuständigkeit
= “Regelung, welches Rechtspflegeorgan für welche Streitsachen zuständig ist”
Arten:
- Sachlich
- Örtlich
- Funktionell (Zuständigkeit im Instanzenzug)
Rechtsquellen:
- Verfahrenserlasse
- Ausnahmsweise im Spezialgesetz
Einreichung bei unzuständiger Behörde:
- schadet nicht (Fristenlauf)
- Reaktion:
- Weiterleitung (klare Fälle)
- Meinungsaustausch (Zweifelsfälle)
- Nichteintreten nur bei definitiver Unanfechtbarkeit
Prüfprogramm:
- spezialgesetzliche Regelung?
-
Rechtsmittelwahl?
- Verfügung einer Bundesbehörde:
- BVGerB (VGG31ff.)
- VB an BR (VwVG72)
- VB an Aufsichtsbehörde VwVG47I lit. d.)
- Urteile des BVGer: EHB ans BGer
- Verfügung einer kt. Behörde:
- EHB (BGG82ff.)
- subs. VB (BGG113ff.)
- innere/äussere Sicherheit: VB an BR (VwVG72 lit. a.)
- kantonaler Erlass: immer EHB ans BGer
- Verfügung einer Bundesbehörde:
- Anfechtungsobjekt?
-
Zugangsschranken?
- Ausnahmekatalog
- Streitwertgrenzen - Vorinstanzen?
-
Subsidiarität? (kein Vorrang a. RechtsM.)
- RM ausgeschlossen (absolute Subsidiarität)
- Ausschöpfung des Instanzenzugs (rel. Subsidiarität)