Handlungsbegriff, Deliktsaufbau Flashcards
Objektive Zurechnung (allgemein)
- Als Korrektiv des sehr weiten Kausalitätsverständnisses im Sinne der Äquivalenztheorie wird von der h.M. die Lehre von der objektiven Zurechnung herangezogen. Danach ist im Anschluss der Feststellung der Kausalität auch zu ermitteln, ob Erfolg auch als Werk des Täters anzusehen ist. Nach h.M. gilt dies für Fahrlässigkeit und Vorsatz.
- Rechtsprechung hat bei Vorsatzdelikten Lehre von objektiver Zurechnung bisher nicht umfänglich anerkannt. Sie prüft manche Zurechnungsaspekte im Rahmen des subjektiven Tatbestands mit Hilfe der allgemeinen Lehre von der wesentlichen Abweichung des Kausalverlauf. Zumindest wichtigste Fallgruppe der eigenverantwortlichen Selbstschädigung- bzw. gefährdung wird jedoch in manchen Entscheidungen explizit als ein Problem im Rahmen der objektiven Zurechnung anerkannt.
- Die obj. Zur. d. Erfolgs setzt voraus, dass Täter rechtlich missbilligte Gefahr schafft, welche sich im tatbestandsmäßigen Erfolg verwirklicht.
Definition Tatbestand
- Tatbestand im weiteren Sinne: Alle Strafbarkeitsvoraussetzungen, auf die sich die Garantiefunktion des Art. 103 Abs. 2 GG bezieht (alle Wertungsstufen des Deliktsaufbaus)
- Tatbestand im engeren Sinne: Wertungsstufe der Tatbestandsmäßigkeit als erste Stufe des Deliktsaufbaus. Plakative Beschreibung des Gesetzgebers, welches Verhalten er grds. für strafwürdig hält.
Subjektiver Tatbestand (Grundlagen)
- Der subjektive Tatbestand enthält Merkmale, die die subjektive Beziehung des Täters zu der objektiv vorliegenden Tatbestandserfüllung beschreiben.
- Es geht hier in erster Linie um die Frage, ob der Täter vorsätzlich handelte, also mit Wissen und Wollen im Hinblick auf die Erfüllung des Tatbestands. Der Vorsatz (lat. dolus) muss sich grundsätzlich auf alle Elemente des objektiven Tatbestands beziehen. Fehlt es auch nur am nötigen Wissen und/oder Wollen bezüglich eines Tatbestandselements, ist Vorsatz ausgeschlossen. In diesem Fall kommt nur noch Strafbarkeit wegen fahrlässigen Handelns in Betracht.
- Der Abgrenzung von Vorsatz und Fahrlässigkeit eine große praktische Bedeutung zu. Denn nahezu ausnahmslos sind für fahrlässige Straftaten im Vergleich zur Vorsatzvariante zumindest mildere Strafmaße festgelegt, manche Rechtsnormen begründen bei fahrlässiger Begehung sogar überhaupt keine Strafbarkeit (z.B. Sachbeschädigung, vgl. § 16 Abs. 1)
- Neben der Prüfung von Vorsatz können bei manchen Rechtsnormen weitere subjektive Tatbestandsmerkmale zu prüfen sein, z.B. die Aneignungsabsicht beim Diebstahl (§ 242) oder die Bereicherungsabsicht beim Betrug (§ 263). Anders als beim Vorsatz weisen die subjektiven Tatbestandsmerkmale nicht zwingend einen Bezug zum objektiven Tatbestand auf. So können Diebstahl und Betrug auch vorliegen, wenn lediglich die jeweilig erforderliche Absicht gegeben ist, nicht aber der angestrebte Erfolg der Aneignung/Bereicherung. Solche Delikte weisen deswegen eine sog. „überschießende Innentendenz“ auf. Die ebenfalls verwendete Bezeichnung als „kupiertes [gestutztes] Erfolgsdelikt“ erklärt sich aufgrund des teilweisen Verzicht auf einen objektiven Taterfolg.
Erst-Recht-Schluss (Ergänzender methodischer Aspekt der Auslegung)
Erst-Recht-Schluss:
- Mit einem Erst-Recht-Schluss (argumentum a fortiori) ist regelmäßig die Variante des argumentum a majore ad minus gemeint, d.h. es wird vom „Größeren“ auf das „Kleinere“ geschlossen.
- Bsp.: Tatbestandslosigkeit d. Suizids und Straflosigkeit der Teilnahme an Selbsttötung (vgl. § 26-27 StGB) -> Dann muss nach h.M. erst Recht Mitwirkung an freiverantwortlicher Selbstverletzung mit Todesfolge straffrei sein.
- Umgekehrt: Argumentum ad minore ad maius (vom Kleinen zum Großen): ist ein mildere Tatbestandsform bereits strafbar, so ist ein ähnlicher, weniger harmlos erscheinender Tatbestand erst recht strafbar.
Problematische Fallgruppen hinsichtlich Kausalität
In Fallbearbeitung hat sich Conditio-Formel trotz ihrer Schwächen als Anknüpfungspunkt bewährt. Dafür sind folgende Problemkonstellationen wichtig:
- Kumulative Kausalität: Von kumulativer Kausalität spricht man, wenn mehrere unabhängig voneinander vorgenommene Handlungen (Bedingungen), von denen jede für sich allein nicht zur Erfolgsherbeiführung ausreichend ist, erst durch ihr Zusammenwirken den Erfolg herbeiführen.
Bsp.: A und B schütten (ohne voneinander zu wissen) zwei für sich allein nicht tödliche Mengen Gift in das Getränk des O; erst durch die Kombination beider Giftdosen kommt O zu Tode.
Bei der kumulativen Kausalität ergeben sich keine Besonderheiten, denn die Conditio-Formel führt zu klarem Ergebnis: Beide Handlungen sind ursächlich, denn wäre eine nicht erfolgt, so wäre der Erfolg nicht eingetreten. - Alternative Kausalität: Sehr umstritten; Konstellation, bei der mehrere unabhängig voneinander vorgenommene Handlungen gleichzeitig zum Erfolg führen, wobei jede für sich allein schon zur Herbeiführung des Erfolgs in seiner konkreten Gestalt ausgereicht hätte.
A und B mischen (unabhängig voneinander) jeweils potenziell tödlich wirkende Dosen desselben Gifts G in das Getränk des O, der auf diese Weise zu Tode kommt. - Alternative Kausalität zeigt Schwäche der Conditio-Formel auf: Denkt man isoliert die Handlung des B hinweg, tritt Erfolg in seiner konkreten Gestalt (Tod durch Gift G) gleichwohl ein. Dasselbe gilt umgekehrt. Bei konsequenter Anwendung der Conditio-Formel wäre somit keine Anwendung keine der Handlungen für den Erfolg des Todes kausal, so dass A und B jeweils nur wegen eines versuchten Todesdelikts bestraft
werden könnten, obwohl der Todesfolg eingetreten ist und die (potenziell) tödliche Wirksamkeit der jeweiligen Giftgaben festeht. - Unbefriedigend, auch im Vergleich zur kumulativen Kausalität, bei der jede der Handlungen als Tötungshandlung gilt. Dies müsste erst recht hier gelten.
- Für den Fall alternativer Kausalität gilt daher nach h.M. abgeänderte Conditio-Formel: Wenn ein Erfolg durch zwei Handlungen herbeigeführt wurde und das Wegdenken einer Handlung, nicht aber das Wegdenken beider, nicht zum Ausbleiben des Erfolgs führen würde, dann sind beide Handlungen als kausal zu betrachten.
- Eine Konstellation der alternativen Kausalität liegt allerdings nur dann vor, wenn beide alternativen Verläufe des Kausalgeschehens (getrennt betrachtet) zum selben Erfolg geführt hätten. Beide Handlungen müssen also ex ante geeignet sein, denselben Erfolg in seiner konkreten Gestalt zu bewirken. (z.B. Tod durch Kopfschuss ungleich Tod durch Schuss in Herz, keine alternative Kausalität)
- Hypothetische Kausalität: Eine Handlung ist auch dann für Erfolg ursächlich, wenn eine andere, sog. Reservekausalität später zum Erfolg geführt hätte. Denn der durch die Handlung herbeigeführte Erfolg läge in seiner konkreten Form nicht vor, fiele die spezifische Handlung weg. Dass ein anderer Kausalverlauf später auf andere Weise zum Erfolg geführt hätte, ist unbeachtlich.
- Überholende oder abgebrochene Kausalität: Die Ursächlichkeit einer Handlung für den Erfolg kommt nicht in Betracht, wenn damit zwar eine mögliche Kausalkette in Gang gesetzt, dann aber ein anderer, von der Handlung unabhängiger Umstand den Erfolg schneller herbeiführt. Man spricht dann von einem abgebrochenen Kausalverlauf bzw. (anders gewendet) von überholender Kausalität.
- Fortwirkende Kausalität: Von abgebrochener Kausalität zu unterscheiden; ein Dritter knüpft an eine Ersthandlung an, die in dem Sinne fortwirkt, dass sie eine nicht hinwegdenkbare Bedingung für das Handeln des Dritten darstellt.
A schießt mit Tötungsvorsatz auf B. B, noch lebend, bittet C um Gnadenschuss. Diesem Wunsch kommt C nach und erschießt B. As und Bs Handlungen sind kausal für den Tod des C. Frage der objektiven Zurechnung. - Kausalität bei Gremienentscheidungen: Feststellung der Kausalität bei Gremienentscheidungen, mit denen per Abstimmung die Herbeiführung eines strafrechtlich relevanten Erfolges beschlossen wird, ist schwierig. Unterscheidung mehrerer Konstellationen:
- Bei nur einer Stimme Mehrheit kann problemlos Fall kumulativer Kausalität bejaht werden. Denn alle Ja-Stimmen haben dann durch ihr Zusammenwirken den Erfolg herbeigeführt: Denkt man sich eine Ja-Stimme weg, wäre kein Beschluss zustande gekommen; es wäre also der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfallen. Gleiches gilt, wenn für einen wirksamen Beschluss alle Teilnehmer zustimmen müssen, denn dann hätte es jeder Abstimmende in der Hand gehabt, mit seinem Veto den Erfolg zu verhindern.
- Schwierigkeit besteht bei Gremienentscheidungen, bei denen eine größere Mehrheit bestand, als notwendig für die Herbeiführung des Beschlusses und somit des Erfolgs gewesen wäre (z.B. 4 von 5 Stimmen, wenn einfache Mehrheit ausreichend). Argumentation, dass Wegdenken einer Stimme anderen Erfolg bewirkt hätte, überzeugt nicht, denn der konkrete Taterfolg wäre unverändert eingetreten. Überwiegend Einigkeit, dass jede Stimme kausal für Erfolg ist, Begründung ist streitig:
- BGH argumentiert in Lederspray-Entscheidung mit Stellung der Beteiligten als Mittäter. Aufgrund d. Prinzips d. wechselseitigen Zurechnung gem. § 25 Abs. 2 seien jedem einzelnen Abstimmenden die Stimmen der anderen zuzurechnen. Fraglich, ob dadurch Problem gelöst. Kritik der zirkulären Argumentation, denn Mittäterschaft setze bereits voraus, dass Tatbeitrag des einzelnen Täters kausal war. Lösung über Mittäter nur möglich, wenn man auf kausalen Tatbeitrag verzichtet und vielmehr jedes Zutun genügen lässt, das sich aus der Ex-ante (vorherigen) als möglicherweise wesentlicher Beitrag darstellt.
- Teilweise wird Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung herangezogen und versucht mit ihrer Hilfe Kausalität jeder Ja-Stimme zu bejahen. „Jede Stimme ist Teil des ganzen Beschlusses und hat insoweit eine gesetzmäßige Bedingung für seine Wirksamkeit gesetzt. Also fließen alle Ja-Stimmen in die positive Entscheidung ein und haben sie demgemäß auch verursacht.“ Aber hier wird einfach vorausgesetzt, was doch eigentlich gerade die entscheidende Frage ist, dass nämlich jede einzelne Stimme wirklich eine „gesetzmäßige Bedingung“ darstellt.
- Roxin sieht Fall der kumulativen Kausalität: „Jede Stimme ist eine für sich nicht allein nicht wirksame Ursache, die erst mit den anderen Stimmen zusammen ihre Wirksamkeit entfaltet.“ Richtig, unterschlägt aber das zusätzliche Problem, dass Wegdenken einer Stimme zum selben Taterfolg führen würde. Mit Einbeziehung der Conditio-Formel ist Kausalität also zweifelhaft.
- Klassischer Fall alternativer Kausalität liegt nicht vor, denn das würde voraussetzen, dass jede Stimme allein den Erfolg hätte herbeiführen können. Diese Eignung liegt nur dann vor, wenn man die anderen Ja-Stimmen in die Betrachtung miteinbezieht; Kausalität lässt sich somit durch eine Kombination der Maßstäbe von kumulativer und alternativer Kausalität begründen.
Vorsatzformen
- Drei Vorsatzformen werden unterschieden: Absicht (dolus diretus), direkter Vorsatz (dolus directus II), sowie der bedingte Vorsatz (dolus eventualis). Sie sind für die Begründung von Strafbarkeit prinzipiell gleichwertig, es genügt grundsätzlich lediglich das Vorliegen von dolus eventualis als schwächster Vorsatzform.
- Nur ausnahmsweise hat der Gesetzgeber in einzelnen Tatbeständen erhöhte Anforderungen formuliert. So muss bspw. der Täter einer Verleumdung (§ 187) „wider besseren Wissens“ falsche Tatsachen verbreiten. Hier ist also mindestens direkter Vorsatz des Täters erforderlich. In diesen Fällen kommt man nicht umhin, die Vorsatzform genauer zu untersuchen und ein Ergebnis zu formulieren.
- Aber auch ganz allgemein ist es im strafrechtlichen Gutachten nicht zu empfehlen, die Frage der Vorsatzform offen zu lassen und festzuhalten, dass der Täter „jedenfalls“ mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat. Vorzugswürdig ist eine eindeutige Festlegung, die regelmäßig ohne ausführliche Subsumtion möglich sein wird.
- Der Vorsatz wird mit „Wissen und Wollen“ bzgl. der Tatbestandsverwirklichung umschrieben. Die verschiedenen Vorsatzformen unterscheiden sich wie folgend, im Hinblick auf die jeweilige Ausprägung des (kognitiven) Wissenselements sowie des (voluntativen) Willenselements.
- Absicht:
- Mit Absicht (bzw. dolus directus I) handelt der Täter, wenn er die Erfüllung des Tatbestands, insbesondere die Herbeiführung des Taterfolges, willentlich und zielgerichtet anstrebt. Es muss ihm also auf die Erfüllung des Tatbestandes ankommen.
- Die starke Ausprägung des Willenselements führt dazu, dass eine schwächere Ausprägung des Wissenselements in Kauf genommen werden kann. Auch wenn der Täter etwa den Erfolgseintritt für eher unwahrscheinlich hält, also grade kein sicheres Wissen im Hinblick auf die Tatbestandsverwirklichung hat, handelt er absichtlich und damit vorsätzlich, wenn er diesen Erfolgseintritt zielgerichtet herbeiführen will.
- A steht mit einem Kumpel auf einer Autobahnbrücke. Er hebt einen Stein auf und meint, er versuche jemanden zu treffen, schätze aber, dass sei nahezu unmöglich. Er wirft den Stein und dieser penetriert die Windschutzscheibe eines Teslas und tötet den Fahrer durch eine tiefe Kopfwunde.
- Zu beachten ist, dass absichtliches Handeln des Täters auch dann vorliegen kann, wenn er eigentlich ein anderes (End-)Ziel erreichen will, dafür aber, wie ihm bewusst ist, notwendigerweise einen bestimmten Tatbestand erfüllen muss. Man spricht dann vom „notwendigen Zwischenziel“ des Handelnden, das ebenfalls mit Absicht angestrebt wird.
- A mochte den Fahrer F des Teslas eigentlich gerne leiden. Um aber sein Erbe anzutreten, musste er ihn töten (notwendiges Zwischenziel). - Direkter Vorsatz (dolus directus II):
- Direkt vorsätzlich handelt Täter, wenn er mit hinreichender Sicherheit weiß, dass er mit seinem Handeln den Tatbestand erfüllt, insbesondere den Taterfolg herbeiführen wird.
- Spiegelbildlich zur Situation bei der Absicht kann hier ein geringerer Wille durch die stärkere Ausprägung des Wissen kompensiert werden.
- Wer also sicher weiß, dass er den Erfolg herbeiführen wird, kann sich hinterher nicht darauf berufen, dass er den Erfolg gar nicht herbeiführen wollte. Auf die Erwünschtheit oder Unerwünschtheit des Erfolgs kommt es in dieser Konstellation gar nicht an.
- A wirft diesmal keinen Stein, sondern einen großen Felsen, um A zu töten. Er weiß, dass durch das hohe Volumen dieses Wurfobjekts nicht nur A, sondern auch seine Mitfahrer ums Leben kommen werden. An deren Tod hat er zwar kein Interesse, aber auf diesen fehlenden Wille kann er sich später nicht verteidigend berufen, aufgrund seines ausgeprägten Wissen um die Folgen seiner Tat. - Bedingter Vorsatz (dolus eventualis):
- Die größten Schwierigkeiten bereitet die Feststellung des bedingten Vorsatzes.
- Dieser sog. dolus eventualis muss vom fahrlässigen, lediglich unsorgfältigen Handeln abgegrenzt werden. Folgende wichtige Ansätze sollten im strafrechtlichen Gutachten bei Zweifeln über das Vorliegen von dolus eventualis erörtert werden.
- Möglichkeitstheorie (lit. teilw. vertreten): Hiernach genügt es, wenn Täter erkennt, dass er mit seinem Handeln möglicherweise den Erfolg (etwa Verletzung/Tötung eines Menschen) herbeiführen wird.
- Wahrscheinlichkeitstheorie nimmt bedingten Vorsatz erst an, wenn der Täter den Erfolgseintritt für wahrscheinlich hält.
- Gemein ist beiden Ansätzen, dass es sich um rein kognitive Theorien handelt. Dagegen lässt sich - neben der Unbestimmtheit des angelegten Maßstabs - einwenden, dass eine Abgrenzung zur bewussten Fahrlässigkeit auf diese Weise nicht gelingen kann. Denn auch dort erkennt der Handelnde, dass sein Verhalten riskant ist und den Erfolg herbeiführen kann.
- Die Rechtsprechung hält daher zu Recht daran fest, dass neben das Wissenselement auch ein gewisses Maß an „Wollen“ des Täters treten muss. Sie geht von bedingtem Vorsatz aus, wenn der Täter den Erfolgseintritt als möglich vorausgesehen hat und billigend in Kauf nimmt (sog. Billigkeitstheorie). An Letztere werden allerdings keine hohen Anforderungen gestellt. Ein „Billigen im Rechtssinne“ könne auch auch dann vorliegen, wenn der Erfolgseintritt dem Täter an sich unerwünscht sei.
- Die Entscheidung zwischen bedingtem Vorsatz und bewusster Fahrlässigkeit soll niemals schematisch, sondern nur nach der Erforschung der höchst individuellen (psychischen) Situation des jeweiligen Täters und der jeweiligen Tat erfolgen. Die Rechtsprechung folgert ein „Billigen“ u.a. aus objektiven Faktioren. Dazu zählt der erkennbare Grad der Gefährlichkeit des Handelns, die Fortführung eines Vorhabens trotz äußerster Gefährlichkeit sowie der Umstand, dass der Täter es dem Zufall überlässt, ob sich die von ihm erkannte Gefahr verwirklicht oder nicht („Draufankommenlassen“). Wer etwa mit schweren Stiefeln wuchtig mehrfach gegen den Kopf des Opfers tritt, nimmt dessen Tod regelmäßig in Kauf.
Basiselemente des sozialen Handlungsbegriffs
a) Menschliches Verhalten: Nicht unmittelbar von Menschen ausgehende Phänomene sind keine strafrechtlich relevanten Handlungsweisen. Allerdings ist zu betrachten, ob menschliches Verhalten ein solches Phänomen vorher ermöglicht/verursacht hat.
b) Willensgetragenes Verhalten: Verhalten vom Willen d. Betroffenen getragen/beherrscht oder zumindest beherrschbar -> Voraussetzung für Handlung
* Reflexbewegungen (von Kurzschluss-/Schreckhandlungen abzugrenzen, sind Handl.), Bewusstlosigkeit, Schlaf sind Ausschlusskriterien für Handlung.
* Verhaltensweisen unter unwiderstehlichem Zwang (vis absoluta) sind keine Handlungen (z.B. erzwungene Armbewegung, die in Körperverletzung resultiert
* Vis compulsiva ist Handeln unter Zwang/Weisung; Handlung kann aber kann aber aufgrund mangelnder Rechtswidrigkeit/Schuld Strafbarkeit mildern/ausschließen
* H.M.: Hypnose und Schlafwandeln als die Handlung nicht ausschließende tiefgreifende Bewusstseinsstörung, bei der Schuldfähigkeit nicht entfällt.
c) Sozial erhebliches Verhalten: Strafbeachtlich ist weiter alles, was sich als Verhalten nicht auf die Außenwelt auswirkt. So sind Gedanken nicht strafbar.
- Regelmäßig ist Erörterung der Handlungslehren nicht vonnöten. Wenn überhaupt kann Handlung als Grenzelement fraglich sein, wofür die obigen drei Kriterien d. (sozialen Handlungsbegriffes ausreichend sind)
Dies ist aber auch nur erforderl. im Fall berechtigten Zweifels an der Handlungsqualität eines Verhaltens.
Objektiver Tatbestand (Allgemeiner und typischer Inhalt)
- Besteht aus versch. Merkmalen, die das äußere Erscheinungsbild der Tat beschreiben.
- Je nach Bezugspunkt werden normative und deskriptive Tatbestandsmerkmale unterschieden: Deskriptiv: Merkmale, die in ihrem wesentlichen Gehalt unmittelbar sinnlich wahrnehmbar sind (z.B. „Mensch“). Normativ: Wertausfüllungsbedürftige Merkmale, die nur im Zusammenhang mit rechtlichen oder sozialen Normen erfasst werden können (z.B. „fremd“ oder „Urkunde“)
- Typischerweise enthält die Norm als allgemeine Tatbestandsmerkmale das Handlungssubjekt, ggf. Tathandlung in Form einer besonderen Handlungsmodalität, das Tatobjekt, den Taterfolg sowie mögliche weitere Konkretisierungen.
- Ist der Eintritt eines Taterfolges vorausgesetzt (z.B. der Tod eines Menschens im Rahmen von § 212) sind darüber hinaus die Kausalität von Handlung und Erfolg sowie die sog. objektive Zurechnung des Erfolgs als ungeschriebene Tatbestandsmerkmale zu prüfen.
- Prüfungsschritte bei vorsätzlichem Begehungsdelikt:
a) Tathandlung: Umschreibt das strafbare Verhalten, das (bei Erfolgsdelikten) einen bestimmten tatbestandlichen Erfolg herbeiführt. Die Tathandlung erlangt als eigenständig zu prüfender Punkt nur dann besondere Relevanz, wenn an sie in Gestalt einer bestimmten Tatmodalität bzw. Verhaltensweise bestimmte Voraussetzungen geknüpft sind.
Bei § 223 Abs. 1 dagegen kann der Erfolg der „körperlichen
Misshandlung“ bzw. „Gesundheitsschädigung“ durch viele verschiedene
Verhaltensarten herbeigeführt werden. In solchen Fällen genügt es, die konkrete Handlung kurz zu erwähnen und sie dann unter dem Gesichtspunkt der Kausalität genauer zu untersuchen.
b) Mit Taterfolg ist Eintritt einer Schädigung oder zumindest konkreten Gefährdung der von der jeweiligen Rechtsnorm geschützten Rechtsgüter
gemeint. Bsp.: Verletzungserfolg bei Körperverletzung gem. § 223, Tod eines Menschens beim Totschlag gem. § 212
c) Tatobjekt: Ist je nach Delikt z.B. die Person oder der Gegenstand, gegen den sich die verbotene Handlung richtet.
d) Handlungssubjekt: Ist der möglicherweise straftätig gewordene Mensch. Bei häufigen Allgemeindelikten, die jedermann begehen kann, ist Täter unbestimmtes „wer“. Im Fall sog. „Sonderdelikte“ können die Delikte nur von bestimmten Personengruppen verwirklicht werden (z.B. „Amtsträger“ bei der Körperverletzung im Amt gem. § 340. Nur in solchen Fällen muss das Handlungssubjekt gutachterlich geprüft werden.
e) Weitere Tatbestandsmerkmale: - Tatbestandsmerkmale, die an besondere Begehungsweisen anknüpfen (bspw. „heimtückisch)
- Tatbestandsmerkmale, die bestimmte Tatmittel hervorheben (bspw. „Waffe“ oder „gefährliches Werkzeug“)
- Tatbestandsmerkmale, die die Eigenschaft von Tatobjekten näher beschreiben (bspw. „wehrlos“)
Typische Fallgruppen von Aspekten der fehlenden Gefahrschaffung sowie
-verwirklichung (objektive Zurechnung)
A. Fehlende Gefahrschaffung:
- Erlaubtes Risiko: Die Zurechnung ist stets zu verneinen bei Verhaltensweisen, die sich im Rahmen des allgemeinen Lebensrisikos bewegen oder Risiken lediglich in rechtlich irrelevanter Weise steigern; man spricht insofern vom erlaubten Risiko.
- Die bloße Teilnahme am Straßenverkehr ist auch ohne konkretes Fehlverhalten eine riskante Handlung, die aber offensichtlich nicht missbilligt wird und deren Gefahren in Kauf genommen werden, um gesellschaftlichen Nutzen (Mobilität) zu erzielen. Es fehlt hier an einer rechtlich missbilligten Gefahrschaffung.
- Auch die (in ihren Voraussetzungen und ihrer Reichweite allerdings umstrittenen) Fälle von „sozialadäquaten“ Verhaltensweisen, können an dieser Stelle genannt werden. Z.B. lokale Tradition, Bierdusche zur Feier von Fußballmeisterschaften etc.
- isikoverringerung: An einer strafrechtlich relevanten Gefahrschaffung fehlt es auch, wenn der Handelnde ein bereits bestehendes, auf einem schon in Gang gesetzten Kausalverlauf beruhendes Risiko verringert. Bsp.: A stößt B zur Seite, sodass ein herabfallender Ziegelstein B nur an der Schulter und nicht am Kopf trifft. Die Handlung des A hat die Dimension der konkret drohenden Rechtsgutverletzung erheblich minimiert und ist deshalb nicht als rechtlich missbilligte Gefahrschaffung zu bewerten. Nach anderer Ansicht folgt die Straflosigkeit des A in dieser Konstellation erst aus dem Eingreifen eines Rechtfertigungsgrundes. Für den hier vertretenen Ausschluss bereits des objektiven Tatbestands spricht, dass das Verhalten des A das Rechtsgut in seiner konkreten Betroffenheit nicht beeinträchtigt, sondern im Gegenteil sogar schützt. Die Tathandlung ist daher nicht vom generellen Appell des Verhaltensverbots des § 223 erfasst.
- Anders ist dies zu beurteilen, wenn Täter den gefährlichen Kausalverlauf nicht lediglich abschwächt, sondern im Rahmen der Beseitigung dieser Gefahr eine neue eigenständige Gefahr schafft; dieser Vorgang wird treffend als „Risikoersetzung“ bezeichnet. Der dadurch eingetretene Erfolg ist dem Täter als „sein Werk“ objektiv zurechenbar, so dass von einer tatbestandsmäßigen (wenn auch nicht zwingend strafbaren) Handlung auszugehen ist. Bsp.: Bei einem Brand rettet T das Kind von O vor den Flammen, indem er es aus einem Fenster des brennenden Hauses in ein Sprungtuch wirft, was zur Körperverletzung des O führt.
- Hier hat T durch den Wurf eine eigenständige, vom Brandgeschehen zu unterscheidende und generell auch rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen, die sich im Körperverletzungserfolg realisiert hat. Da es um die Rettung des Leben des O ging, kommt aber ggf. eine Rechtfertigung aufgrund mutmaßlicher Einwilligung oder rechtfertigenden Notstands in Betracht.
B. Fehlende Gefahrverwirklichung:
- Atypischer Kausalverlauf: Liegt der eingetretene Kausalverlauf völlig außerhalb dessen, was nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge und nach der allgemeinen Lebenserfahrung in Rechnung zu stellen ist, spricht man von einem atypischen Kausalverlauf. Der Erfolg ist dem Handelnden in derartigen Konstellationen nicht objektiv zurechenbar.
- T sticht mit Tötungsvorsatz auf O ein und verletzt ihn lebensgefährlich; O wird zur Behandlung in ein Krankenhaus und stirbt dort einige Tage später aufgrund eines durch einen Kurzschluss ausgelösten Großbrandes.
- Hier hat sich lediglich das allgemeine Lebensrisiko verwirklicht, Opfer eines Brandes zu werden, das als äußerst seltenes Ereignis in dieser Form nicht vorhersehbar war und daher einen atypischen Kausalverlauf darstellt. T ist somit mangels Zurechnung des Kausalverlaufs nicht wegen eines vollendeten, sondern ggf. nur wegen eines versuchten Tötungsdelikts strafbar.
- Bsp. 2: T sticht mit Tötungsvorsatz auf O ein und verletzt ihn lebensgefährlich; O wird zur Behandlung in ein Krankenhaus und stirbt dort einige Tage später aufgrund eines durch einen Kurzschluss ausgelösten Großbrandes.
- Zwar sind beide Giftgaben kausal, jedoch ist das Gesamtgeschehen aus Sicht des jeweils Handelnden ein unvorhersehbarer und atypischer Kausalverlauf. Der Tod des O ist daher weder A noch B objektiv zurechenbar, er erscheint in dieser Konstellationen nicht als das Werk von A und B, sondern als Werk des Zufalls. Bei Tätern kommt daher lediglich Strafbarkeit wegen versuchten Totschlags in Betracht.
- T will O ertränken, indem er ihn von einer Brücke stößt; O stirbt jedoch durch den Aufprall auf einem Brückenpfeiler.
- Hier liegt kein Zurechnungsauschluss im Rahmen eines atypischen Kausalverlaufs vor, denn die Gefahr des Tods Os durch einen solchen Aufprall, die von der Tathandlung Ts ausging, war vorhersehbar und somit lag kein atyp. Kausalv. vor.
- Verantwortungsbereich des Opfers:
- Eigenverantwortliche Selbstgefährdung bzw. schädigung des Opfers: kann nach ganz h.M. nicht bestraft werden. Denn dann realisiert sich lediglich das vom Betroffenen eigenverantwortlich eingegangene Risiko für die eigenen Rechtsgüter, z.B. Leib oder Leben. Auch nach der Rechtsprechung ist in den Konstellationen der Selbstgefährdung der Tatbestand des Tötungs- oder Körperverletzungsdelikts nicht erfüllt; in manchen Entscheidungen wird dies sogar ausdrücklich als Problem der fehlenden „Zurechnung“ bezeichnet.
- Bsp.: T und O wollen beide Heroin konsumieren, T besorgt die dazu notwendigen Spritzen. O verabreicht sich selbst eine Injektion und verstirbt.
- T könnte sich wegen fahrlässiger Tötung gem. § 222 strafbar gemacht haben. Der objektive Tatbestand entfällt jedoch, weil sich im Todeserfolg nicht die von T gesetzte Gefahr durch das „Besorgen der Spritze“ realisiert hat, sondern letztlich die Gefahr durch das von O selbst eigenverantwortlich vorgenommene Verabreichen der Injektion.
- Eine zurechnungsausschließende Selbstgefährdung setzt zunächst eine Abgrenzung von einverständlicher Fremdgefährdung voraus; letztere ist nach noch h.M. erst auf der Rechtswidrigkeitsebene als Problem der Einwilligung zu behandeln. Diese Abgrenzung wird anhand des Kriteriums der Tatherrschaft (unmittelbare Herrschaft über Verletzungs- oder Gefährdungsakt) vorgenommen.
Unterscheidung im Einzelfall schwierig (z.B. einvernehmlicher
Geschlechtsverkehr, wenn eine Person HIV hat -> Tatherrschaft unklar)
- Die Selbstschädigung muss darüber hinaus eigenverantwortlich geschehen sein; ansonsten wird der Zurechnungszusammenhang nicht unterbrochen. Umstritten ist, anhand welcher Kriterien die Eigen- bzw. Freiverantwortlichkeit zu bestimmen ist. Im Wesentlichen werden zwei Ansichten vertreten:
- Exkulpationslösung fragt danach, ob Selbstschädiger für seine Tat verantwortlich wäre, wenn er eine Fremdschädigung vornehmen würde oder ob er aufgrund der einschlägigen Regeln exkulpiert, also entschuldigt wäre. Das Opfer wird hier also (hypothetisch und lediglich für die Bestimmung eigenverantwortlichen Handelns) als „Täter gegen sich selbst“ betrachtet. Als Argument für diese Ansicht wird darauf verwiesen, dass genannte Vorschriften zwar auf Selbstschädigungsfälle mangels für das Strafrecht relevanter Beeinträchtigung fremder Rechtsgüter nicht unmittelbar anwendbar seien. Dennoch sei die sinngemäße Heranziehung der §§ 19, 20, 35 sachgerecht; denn hierdurch „werde die Grenze, bis zu der der Einzelne für seine Handlungen selbst verantwortlich sei und die Zuständigkeit hierfür nicht auf Dritte abschieben könne, in allgemeiner Form rechtsverbindlich festgelegt“.
- Die vorzugswürdige Einwilligungslösung fragt danach, ob eine wirksame Einwilligung vorläge, wenn die Tat keine Selbst-, sondern eine Fremdschädigung wäre. Sie stellt also die Rolle des sich selbst Gefährdenden bzw. Verletzenden als Opfer deutlicher in den Mittelpunkt und wird hierdurch dem Ziel des Rechtsgüterschutz besser gerecht. Denn als Konsequenz stehen nach dieser Ansicht wesentliche Willensmängel, die auch durch Täuschung hervorgerufen sein können, der Freiverantwortlichkeit entgegen. Im Übrigen kommen beide Ansichten aber oft zum selben Ergebnis; ein Streitentscheid ist dann nicht erforderlich. Wenn O im obigen Beispielsfall etwa mit einer BAK von über 3,0 Promille volltrunken wäre und gravierende alkoholbedingte Ausfallerscheinungen aufweisen würde, läge nach beiden Ansichten kein eigenverantwortliches Handeln vor.
- Der eingetretene Erfolg wird nach h.M. außerdem nur dann im Verantwortungsbereich des sich selbst Schädigenden verortet, wenn Mitwirkender kein überlegenes Wissen hinsichtl. tatsächlichen Risikos aufweist. Bsp.: Weiß im Beispielsfall T im Gegensatz zu O, dass das Heroin unrein und daher besonders gefährlich ist, sind ihm etwaige tödliche Folgen durch den Konsum des O zuzurechnen. Eine freiverantwortliche Selbstschädigung bzw. -gefährdung soll nur dann vorliegen, wenn die Beteiligten denselben Wissenstand aufweisen.
-Allerdings ist Bedeutung des Kriterium des „überlegenen Wissens“ zu relativieren: Nicht jedes Wissensgefälle zwischen den Beteiligten spricht gegen Zurechnungsausschluss. Denn für Beurteilung der Eigenverantwortlichkeit der Entscheidung des sich selbst Gefährdenden kommt es nur darauf an, ob ihm die für eine tragfähige Entscheidung nötigen Basis-Informationen zur Verfügung standen (z.B. Eigenverantwortung liegt vor, wenn Patient die wichtigsten Risiken eines ihm verschriebenen Pharmazeutika weiß, trotz des größeren Detailwissen des verschreibenden Arztes).
- Einverständliche Fremdgefährdung: Von eigenverantwortlicher Selbstgefährdung zu unterscheiden (h.M.). Letztere liegt vor, wenn Tatherrschaft über Geschehensablauf nicht dem Geschädigten, sondern einem Dritten zukam.
- Beispiel: A betreibt sich in seiner Freizeit mit Hilfe des Fahrers F das sog. Autosurfen. Dabei legt er sich auf das von F gesteuerte Auto und hält sich an den Türholmen der auf beiden Seiten geöffneten Fenster fest. In einer Rechtskurve wird A bei einer Geschwindigkeit von 70 km/h vom Autodach geschleudert und schwer verletzt.
- A hat sich hier in vollem Bewusstsein selbst in Gefahr begeben. Wie sich dies auf die Strafbarkeit des F wegen fahrlässiger Körperverletzung gem. § 229 auswirkt, ist umstritten.
- Teilweise in Literatur vertreten: Ausschluss der objektiven Zurechnung. Roxin sieht Grund für Ausschluss der Zurechnung (im Fall d. Teilnahme an eigenverantwortlichen Selbstschädigung und einverständlicher Fremdgefährdung) im Schutzzweck der Norm. Dieser sei nicht betroffen, wenn sich jemand selbst vorsätzlich oder fahrlässig gefährde bzw. gefährden lasse. Bei der einverständlichen Fremdgefährdung soll demnach eine Zurechnung ausgeschlossen sein, wenn sie in allen relevanten Aspekten einer Selbstgefährdung gleichsteht. Die einverständliche Fremdgefährdung müsse letztlich Ausdruck einer gleichrangigen Verantwortlichkeit des Geschädigten sein, der in diesem Fall das Risiko übernommen habe.
- Ein möglicher Zurechnungsausschluss aufgrund einverständlicher Fremdgefährdung kommt allerdings nur beim Fahrlässigkeitsdelikt in Betracht. Bei vorsätzlichen einverständlichen Fremdverletzungen (A verabreicht B auf dessen Aufforderung hin eine kräftige Ohrfeige) kann eine Straflosigkeit nur durch eine wirksame Einwilligung (Ebene der Rechtswidrigkeit) des Verletzten erreicht werden. Einem Zurechnungsausschluss stehen die Sonderregeln der §§ 216, 228 entgegen, die nicht unterlaufen werden dürfen.
- Der BGH erkennt einverständliche Fremdgefährdung in neuerer Rechtsprechung insofern als Rechtfigur an: Prüfung des Vorliegens einer Selbstgefährdung auf Zurechnungsebene und bei Nichtvorliegen Frage, ob eine „der Selbstgefährdung gleichzustellende Fremdgefährdung bzw. -schädigung“ vorliegt. Allerdings hat BGH bislang, soweit ersichtlich, noch nie eine solche Gleichstellung und damit einen Zurechnungsausschluss anerkannt. Der BGH bevorzugt also letztlich mit der noch h. Lit. eine Lösung über die Grundsätze der Einwilligung auf der Ebene der Rechtswidrigkeit.
- Verantwortungsbereich dritter Personen: Erfassung von Konstellationen des Dazwischentretens dritter Personen. Hier Frage relevant, ob eingetretener Erfolg noch als Werk des Täters anzusehen ist oder in Verantwortungsbereich des Dritten fällt.
- Vorsätzliches Dazwischentreten eines Dritten: In dieser Konstellation will ein Dritter vorsätzlich einen Erfolg herbeiführen, indem er in einen durch den (Erst-)Täter in Gang gesetzten Kausalverlauf eingreift. Eine schematische Betrachtung, wonach das vorsätzliche Dazwischentreten stets zum Zurechnungsausschluss zugunsten des Ersttäters führt, ist abzulehnen. Richtigerweise kommt es darauf an, ob man einen inneren Zusammenhang von Erst- und Zweithandlung bejahen kann, der es ermöglicht, das Gesamtgeschehen noch als Werk (auch) des Ersttäters zu qualifizieren.
- Im ob. Gnadentodfall hat Anschlusstäter nicht nur äußerlich an die vom Ersttäter geschaffene Lage angeknüpft, sondern sich der Ausgangsgefahr insofern untergeordnet, als es ihm um die Verkürzung der Todesqualen des Opfers ging. Sowohl dem Ersttäter, der den ersten tödlichen Schuss vorsätzlich abgegeben hat, als auch dem Anschlusstäter kann der Erfolg des Todes daher objektiv zugerechnet werden. Der Gnadenschuss unterbricht den Zurechnungszusammenhang nicht.
- Bei einem nur fahrlässigen Handeln des Ersttäters stellt sich ebenso die Frage, ob ein vorsätzliches Dazwischentreten eines Dritten den Zurechnungszusammenhang unterbricht. Die früher vertretene Lehre vom Regressverbot, wonach die Strafbarkeit des Vorsatztäters stets vorgehe und einen Rückgriff auf den fahrlässig handelnden Erstverursacher ausschließe, wird von der h.M. richtigerweise als zu pauschal abgelehnt.
- Man muss im Alltag nicht stets mit deliktischen Verhaltensweisen anderer Menschen rechnen, sonder kann grds. auf Einhaltung der Rechtsordnung vertrauen. Dieser Vertrauensgrds. gilt aber nicht uneingeschränkt.
- So kommt strafbares fahrlässiges Verhalten dort in Frage, wo „erkennbare Tatgeneigtheit“ des Vorsatztäters vorliegt, die das Vertrauen des fahrlässig Handelnden in das legale Verhalten des Dritten hätte erschüttern müssen.
- Eine Fahrlässigkeitstrafbarkeit kommt trotz vors. Handelns Dritter überdies in Fällen in Betracht, in denen Person als Garant dafür Sorge zu tragen hat, dass es durch das vors. Verh. Dritter nicht zu Beeinträchtigung von Rechtsgütern kommt. Bsp.: V bewahrt eine Schusswaffe in seinem Haus auf, ohne die Sorgfaltsvorschriften über die Lagerung von Waffen einzuhalten. Sein Sohn S nimmt die Waffe heimlich an sich und erschießt mit ihr im Rahmen eines sog. Amoklaufs mehrere Menschen. Da ein Missbrauch unsorgfältig aufbewahrter Waffen vorhersehbar zu tödlichen Folgen führen und die entsprechenden Sorgfaltsnormen genau diesem Schutzzweck dienen, ist eine Zurechnung der Todeserfolge gegenüber V möglich; ein die Zurechnung ausschließendes vorsätzliches Dazwischentreten des S ist unter diesen Umständen nicht gegeben.
- Nutzt der Dritte dagegen für seine Tat lediglich eine günstige Gelegenheit, die von ihm unabhängig durch den Ersttäter geschaffen wurde, wird der Zurechnungszusammen hierdurch unterbrochen. Mit solchen Verhaltensweisen Dritter muss man nicht rechnen. Bsp.: T hat O mit Tötungsvorsatz eine schwere Schusswunde beigebracht. Im Krankenhaus nutzt Krankenschwester S, die früher mit O liiert war, diese Situation um sich an O zu rächen und erstickt ihn. Der Schuss des T ist für den Tod des O kausal geworden. T hat auch eine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen; allerdings hat sich nicht diese Ausgangsgefahr im Tod des O realisiert, sondern eine davon unabhängig gesetzte Gefahr (das Ersticken durch S). Mangels Zurechnung kommt bei T nur eine Strafbarkeit wegen eines versuchten Tötungsdelikts in Betracht. Handelt T im eben erwähnten Beispiel nur fahrlässig, so ist er beim tödlichen Dazwischentreten der S nicht wegen fahrlässiger Tötung gem. § 222, sondern ledigl. wegen fahrlässiger Körperverletzung gem. § 229 zu bestrafen.
- Unvorsätzliches Dazwischentreten eines Dritten: Hierbei geht es um Konstellationen, in denen ein Dritter durch unvorsätzliches, aber fahrlässiges Handeln den Erfolg unmitelbar herbeiführt. Inwieweit auch dies den Zurechnungszusammenhang in Bezug auf den Ersttäter unterbrechen kann, ist umstritten.
- Bsp.: Arzt A kümmert sich um das Opfer O, das von T mit Tötungsvorsatz verletzt wurde. Durch einen (leichten) Behandlungsfehler führt er fahrlässig den Tod des O herbei.
- Nach h.M. realisiert sich hier im Tod des O immer noch die durch T geschaffene Ausgangsgefahr; der Fehler des A führt also noch nicht zu einer Unterbrechung des Zurechnungszusammenhangs. Begründet wird dieses Ergebnis auch damit, dass es keinen atypischen Kausalverlauf darstelle, wenn ein Opfer durch das fahrlässige Fehlverhalten eines Arztes stirbt. Erst wenn der Arzt grob fahrlässig handelt, wird durch sein Eingreifen ein neuer und zugleich eher außergewöhnlicher, so nicht vorhersehbarer Kausalverlauf in Gang gesetzt.
- Die Retterfälle außerhalb des Bereiches ärztlichen Handelns lassen sich ebenfalls dieser Fallgruppe zuordnen. Bsp.: A setzt das Haus des V in Brand. V will seine kleine Tochter, die sich noch im Haus befindet, retten; er dringt in das Haus ein und stirbt kurz darauf an einer Kohlenmonoxidvergiftung. Umstritten ist, ob “Retterschäden“ wie hier der Tod des V dem Erstverursacher der Gefahr (hier A) zugerechnet werden könnnen. Richtigerweise ist dabei zu differenzieren: Wenn das Verhalten ein „freiwilliges“, d.h. insbesondere auf keiner rechtl. Verpflichtung beruhendes Eingreifen darstellt, kann die Zurechnung unter dem Gesichtspunkt der eigenverantwortlichen Selbstgefährdung ausgeschlossen sein. Sie ist nur dann zu bejahen, wenn der Erstverursacher durch seine deliktische Handlung die „naheliegende Möglichkeit einer bewussten Selbstgefährdung“ geschaffen hat, indem er „einsichtiges Motiv“ für eine gefährliche Rettungshandlung erzeugte. Darüber hinaus darf die Rettungshandlung nicht „offenkundig unvernünftig“ gewesen sein.
- Anders ist zu entscheiden, wenn Retter aufgr. Garantenstellung im Verhältnis zum Opfer (z.B. als Angehöriger wie hier der V im Verhältnis zu T) oder auf Grund seines Berufes (z.B. Feuerwehrmann) verpflichtet ist. In einem solchen Fall kann das Eingreifen nicht als selbstverantwortliches „Privatvergnügen“ kategorisiert werden. Eine Zurechnung der Schäden, die die eingreifende Person erleidet, sind in einem solchem Fall nur ausgeschlossen, wenn Rettungshandlung von vornherein offensichtlich sinnlos und unverhältnismäßig riskant ist.
Auslegung
- Besteht Unklarheit darüber, ob bestimmte Handlung Straftatbestand erfüllt, müssen Tatbestandsmerkmale Auslegung unterzogen werden. Die zur Lösung solcher Probleme angewendeten Argumente sind besonders im Strafrecht für gelungene Gutachten entscheidend.
- Auslegungsfragenn stellen sich meistens auf der Ebene der Tatbestandsmäßigkeit, können aber auch auf Ebenen der Rechtswidrigkeit und Schuld auftreten.
- Eine Auslegung wird erforderlich, wenn ein Gesetzestext mehrere Deutungen zulässt und nicht sicher ist, welche die zutreffende ist
- > Sinnermittlung
Umkehrschluss (argumentum e contrario) (Ergänzender methodischer Aspekt der Auslegung)
- Die Argumentation mit einem Umkehrschluss ist dann angebracht, wenn die Existenz einer ausdrücklichen Regelung in einem anderen Bereich dafür spricht, dass ihr Regelungsinhalt nur dort, aber nicht in Bezug auf den aktuell zu prüfenden Sachverhalt gelten soll.
- Gesetzgeber hat in § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. a das Beisichführen eines gefährlichen Werkzeugs als Qualifikationsmerkmal festgeschrieben, ohne eine Verwendungsabsicht des Täters zu erwähnen. Die Tatsache, dass eine solche Absicht explizit in § 244 Abs. 1 Nr. 1 lit. b enthalten ist, spricht im Umkehrschluss („e contrario“) dafür, dass der Gesetzgeber auf ein solches subjektives Element verzichtet hat.
- Der Umkehrschluss kommt in erster Linie bei Auslegungsfragen zum Tragen. Er ist methodisch eine Art Gegenstück zur Analogie, die zugunsten des Täters im StrR potenziell möglich ist. Hier wie dort geht es im Ausgangspunkt um die Frage, wie mit der Existenz einer Regelung in einem bestimmten Bereich und deren Fehlen in einem verwandten anderen Bereich umzugehen ist. Hier wie dort geht es im Ausgangspunkt um die Frage, wie mit der Existenz einer Regelung einer Regelung in einem bestimmten Bereich und deren Fehlen in einem verwandten anderen Bereich umzugehen ist. Liegt neben Vergleichbarkeit auch eine planwidrige Gesetzeslücke vor, kann die Regelung durch einen Analogieschluss auf den zweiten Bereich erstreckt werden. Sprechen gute Gründe dafür, dass der Gesetzgeber den Regelungsinhalt bewusst nur auf den ersten Bereich beschränkt hat, ist ein Umkehrschluss zu ziehen, der zugleich eine Analogie ausschließt.
Inhalt des Handlungsbegriffs -
Handlungslehren
- Natural-kausalistische HL: Handlung wird als willkürliches, also von menschlichem Willen herbeigeführtes, Verursachen einer Veränderung in der Außenwelt betrachtet.
- Schwächen: Unterlassen wird nicht erfasst (keine von Täter herbeigeführte Veränderung in Außenwelt); Vorsatz wird erst als Teil der
Schuld begriffen. - Finale Handlungslehre: Handlung als Ausübung von Zweckmäßigkeit. Menschliche Handlung sind hiernach stets Ergebnis einer teleologischen Abwägung verschiedener Handlungen und auf einen daraus resultierenden Entschluss hinsichtlich des zielführendsten Verhaltens zurückzuführen. Vorsatz wird als Teil der Tatbestandsmäßigkeit gesehen; Unterlassung wird erfasst
- Schwächen: Anders als in HL angenommen, liegt das Wesen sämtlicher Straftaten nicht in Finalstruktur. Unbewusste Fahrlässigkeit wird nicht erfasst.
- Soziale Handlungslehre: Heute überwiegend vertretene Lehre; Handlung als vom Willen getragenes menschliches Verhalten, das sozial erheblich ist. Erfasst Vorsatz als Tatbestandsmerkmal, unbewusste Fahrlässigkeit, Unterlassungen bestimmter Handlungen. Sieht in der sozialen Relevanz das gemeinsame Kriterium für alle potenziell strafbare Verhaltensformen. Schließt kausale und finale Handlungslehre mit ein, stellt aber keinen der Aspekte unverhältnismäßig in den Vordergrund.
- Sinngehalt menschlichen Handelns kann so in seinen vielfältigen Erscheinungsformen betrachtet werden.
Weitere Kritik an Äquivalenztheorie und Lösungsansätze
- Conditio-sine-qua-non-Formel habe keinen eigenen Erkenntniswert. Ihr Anwendung setzt voraus, dass man das (naturwissenschaftliche) Gesetz, das einer kausalen Verknüpfung zugrunde liegt, bereits kennt. Das bedeutet, dass mit ihrer Hilfe zwar ein bereits nachgewiesener Kausalzusammenhang aufgezeigt werden kann, dass sie in problematischen Fällen aber nicht weiterführt -> „Die Frage vom Hinwegdenken setzt bereits voraus, was durch sie erst ermittelt werden soll.“
- Probleme ergeben sich auch in Bezug auf sog. psychisch vermittelte Kausalität, der es wie bspw. bei Anstiftung (§ 26), um Auswirkung äußerer Einflüsse auf menschliches Entscheiden geht. Aufgrund Komplexität der Willensbildung stößt naturwissenschaftliche Erklärung an ihre Grenzen. Realistisch erscheint Ansatz, mit Hilfe „allgemeiner Erfahrungssätze“ zu eruieren, ob bestimmte Beeinflussung Täterwillen in bestimmte Richtung gelenkt hat.
- ## Wegen obiger Schwierigkeiten der Conditio-sine-qua-non-Formel wird von h.M. Lehre von der gesetzmäßigen Bedingung vertreten. Nach ihr liegt Kausalität vor, wenn der Erfolg mit der Handlung nach den bekannten Naturgesetzen notwendig verbunden war. Klärt auch nicht psych. verm. Kaus, fehlendes Erfahrungswissen über naturgesetzliche Zusammenhänge. Daher letztlich bei entscheidenden Problempunkten kaum andere Ergebnisse als Conditio-Formel.
Kausalität (Grundlagen)
- Zahlreiche Tatbestände des StGB sind Erfolgsdelikte. Das bedeutet, dass zur Tatbestandserfüllung der Eintritt eines tatbestandsmäßigen Erfolgs vorausgesetzt wird, z.B. der Tod eines anderen Menschens in § 212 Abs. 1.
Dieser Erfolg kann dem Täter nur angelastet werden, wenn er ihn
verursacht hat, mit anderen Worten: wenn seine Handlung für den Erfolg kausal war. - Die Kausalität als allgemeines Tatbestandsmerkmal der Erfolgsdelikte ist zwar gesetzlich nicht ausdrücklich seperat geregelt, lässt sich aber der Formulierung einzelner Deliktstatbestände entnehmen (deutlich z.B. in § 222: „Wer durch Fahrlässigkeit den Tod eines Menschen verursacht…“)
Der dreistufige Deliktsaufbau d. h.M. (anhand des vorsätzlichen Begehungsdelikts)
- Tatbestand (subj.,obj.)
- Rechtswidrigkeit (Prüfung von Rechtfertigungsgründen)
- Schuldhaftigkeit (Prüfung von Schuldausschließungs- und Entschuldigungsgründen)
Wenn alle erfüllt -> Strafbarkeit